Åù¸ ÷óòü-÷óòü è ìàðò îòïóñòèò Êîðàáëèêè â ðó÷üè àïðåëÿ. Âåñíà ñïåøèò. È ìîë÷à, ñ ãðóñòüþ, Ñíåãà ñìåíèëèñü íà êàïåëè. Äåíü ïðèáàâëÿåòñÿ óêðàäêîé, Ïîâèñíóâ íà îêîííîé ðàìå, È ïàõíåò ñëèâî÷íîé ïîìàäêîé Âåñåííèé âåòåð óòðîì ðàííèì. È õî÷åòñÿ ðàñïðàâèòü ïëå÷è:), Êàê êîøêà, æìóðèòüñÿ îò ñâåòà.. È âñïîìíèòü âäðóã, ÷òî âðåìÿ ëå÷èò, È æèçíü áåæèò äîðîãîé â

Die Unerw?nschten

Die Unerw?nschten Owen Jones Heng Lee f?hlt sich auf einmal sehr sonderbar, daher geht er zu der ?rtlichen Schamanin, die zuf?llig auch seine Tante ist. Sie macht einige Tests und kommt zu dem Schluss, dass in Hengs K?rper kein Blut zirkuliert, aber wie soll er das seiner Familie erkl?ren und was kann man dagegen tun? Heng Lee ist ein Ziegenhirte nord?stlich von Chiang Rai in den abgelegenen Bergen im Norden Thailands, sehr nahe an der Grenze zu Laos. Er lebt in einer eng verbundenen Gemeinschaft, in der sich alle kennen. Heng wird pl?tzlich krank, aber nicht so schwer, dass er seine Ziegen nicht mehr auf die Weide treiben kann, bis er eines Tages zur ?rtlichen Schamanin gehen muss, weil er Ohnmachtsanf?lle bekommt. Es gibt keine ?rzte in der Umgebung und ein Schamane war seit Jahrhunderten gut genug f?r die meisten Einwohner. Die Schamanin nimmt ein paar Proben und kommt zu dem Schluss, dass Hengs Nieren nicht mehr funktionieren, daher hat er nur noch kurze Zeit zu leben. Der Kampf um Hengs Leben beginnt, aber es sind auch noch andere Kr?fte am Werk. Was wird aus Heng, seiner Familie und der restlichen Dorfgemeinschaft, wenn er den Rat der Schamanin befolgt? 1 DIE UNERW?NSCHTEN Die heitere Geschichte einer Vampirfamilie von heute von 1 Owen Jones ?bersetzung aus dem Englischen: 1 Ulrike Jenisch Copyright Owen Jones 2021 Die Rechte von Owen Jones als Autor dieses Buchs wurden geltend gemacht gem?? der Paragraphen 77 und 78 des Copyright Designs and Patents Act 1988. Die moralischen Rechte des Autors wurden ebenfalls geltend gemacht. Die Handlung in diesem Buch ist frei erfunden. Alle Personen und Ereignisse sind entweder Produkte der Fantasie des Autors oder sie werden lediglich fiktiv benutzt. Einige Orte existieren unter Umst?nden tats?chlich, aber die geschilderten Ereignisse sind erfunden. Erschienen bei Megan Publishing Services http://meganthemisconception.com (http://meganthemisconception.com/) 1 WIDMUNG Dieses Buch ist meinen Freunden Lord David Prosser und Murray Bromley gewidmet, die mir und meiner Thai-Familie 2013 mehr geholfen haben, als sie sich jemals vorstellen k?nnen. Das Karma wird alle entsprechend belohnen. Kontaktieren Sie mich bei: http://facebook.com/angunjones http://twitter.com/lekwilliams [email protected] http://owencerijones.com Registrieren Sie sich bei unserem Newsletter mit Insider-Informationen zu Owen Jones’ B?chern und Beitr?gen, indem Sie Ihre E-Mail-Adresse angeben bei: http://meganthemisconception.com (http://meganthemisconception.com/) 1 1. DIE SCHLIMME LAGE DES HERRN LEE Herr Lee, oder auch Alter Mann Lee, wie er im Ort genannt wurde, hatte seit Wochen ein eigenartiges Gef?hl und, weil seine heimische Gemeinde so klein und abgelegen war, wussten auch alle in seinem Umfeld Bescheid. Er hatte den Rat einer ans?ssigen Heilkundigen einholen m?ssen, einer vom alten Schlag, keiner modernen Medizinerin, und sie hatte ihm gesagt, dass seine K?rpertemperatur aus dem Gleichgewicht geraten war, weil irgendetwas mit seinem Blut nicht stimmte. Die Frau, die ?rtliche Schamanin und zugleich auch Herrn Lees Tante, war sich ?ber die Ursache immer noch nicht ganz im Klaren, aber sie hatte gemeint, dass sie es in etwa 24 Stunden herausfinden w?rde, er solle ihr ein paar Proben zur Untersuchung dalassen und wiederkommen, wenn sie ihn holen lie?e. Die Schamanin reichte Herrn Lee einen Klumpen Moos und einen Stein. Er wusste von fr?her noch, was er tun musste, daher urinierte er auf das Moos und nachdem er sich ausgiebig ger?uspert hatte spuckte auf den Stein. Er gab ihr alles feierlich zur?ck und sie wickelte beide Proben getrennt in St?cke von Bananenbl?ttern, um die Feuchtigkeit so lange wie m?glich zu erhalten, wobei sie darauf achtete, nichts mit blo?en H?nden zu ber?hren, um die Proben nicht zu verunreinigen. „Ich warte einen Tag, damit sich alles zersetzen und trocknen kann, dann sehe ich es mir genau an und finde heraus, was mit dir nicht stimmt.“ „Danke, Tante Da, Schamanin Da, wollte ich sagen. Ich werde warten, bis du mich rufen l?sst, dann komme ich sofort.“ „Warte, mein Junge, ich bin noch nicht fertig mit dir.“ Da griff hinter sich und nahm ein Tongef?? aus dem Regal. Sie entkorkte es, nahm daraus zwei Mundvoll Fl?ssigkeit und spuckte den letzten Mundvoll ?ber Alten Mann Lee. W?hrend Da eine Beschw?rung f?r ihre G?tter sang, dachte Herr Lee bei sich, dass sie die ‚Reinigung‘ vergessen hatte – er hasste es, von jemandem angespuckt zu werden, ganz besonders von alten Damen mit fauligen Z?hnen. „Dieses Alkoholspray und das Gebet werden dir ?ber die Runden helfen, bis wir dich wieder in Ordnung gebracht haben“, versicherte sie ihm. Schamanin Da erhob sich aus ihrem vollen Lotussitz vom Erdboden ihres medizinischen Kultraums, legte ihrem Neffen einen Arm um die Schultern und brachte ihn nach drau?en, wobei sie sich im Gehen eine Zigarette rollte. Im Freien z?ndete sie sie an, nahm einen tiefen Zug und sp?rte, wie der Rauch ihre Lungen f?llte. „Wie geht es deiner Frau und den reizenden Kindern?“ „Ach, denen geht es gut, Tante Da, aber sie sind etwas besorgt um meine Gesundheit. Ich f?hle mich jetzt schon eine Weile etwas kr?nklich und ich bin doch in meinem ganzen Leben noch nicht krank gewesen, wie du wei?t.“ „Stimmt, wir Lees sind ein kr?ftiger Schlag. Dein Vater, mein lieber Bruder, w?re jetzt immer noch gesund, wenn er nicht an der Grippe gestorben w?re. Er war stark wie ein Stier. Du schl?gst ihm nach, aber auf ihn ist ja auch nie geschossen worden. Ich glaube, das hat dich jetzt eingeholt, diese Yankee-Kugel.“ Herr Lee hatte diese Diskussion bereits viele hundert Male gef?hrt, aber da er sie nicht gewinnen konnte, nickte er einfach, gab seiner Tante einen 5-Baht-Schein und machte sich auf den R?ckweg zu seinem Hof, der nur ein paar hundert Meter au?erhalb des Dorfes lag. Er f?hlte sich schon besser, also schritt er schwungvoll aus, weil er es allen beweisen wollte. Alter Mann Lee hatte volles Vertrauen zu seiner steinalten Tante Da, so wie alle in der Gemeinde, die aus einem kleinen Dorf mit ungef?hr 500 H?usern und ein paar Dutzend abseits gelegenen Bauerh?fen bestand. Seine Tante Da hatte die Position des Schamanen ?bernommen, als er noch ein Junge war und es gab nicht mehr als ein paar Dutzend Einwohner, die sich noch an den Schamanen vor ihr erinnern konnten. Sie hatten nie ihren eigenen ans?ssigen Arzt mit Universit?tsabschluss gehabt. Das hie? nicht, dass die Dorfbewohner keinen Zugang zu einem Mediziner hatten, aber die waren d?nn ges?t – der n?chste niedergelassene Arzt befand sich ‚in der Stadt‘, 75 Kilometer entfernt. In den Bergen der ?u?ersten nord?stlichen Ecke Thailands, wo sie lebten, gab es weder Busse, Taxis noch Zugverbindungen. Au?erdem kosteten ?rzte viel Geld und verschrieben teure Medikamente, von denen alle annahmen, dass sie hohe Provisionen kassierten. Einige D?rfer weiter gab es auch ein Krankenhaus, aber dort arbeitete eine Vollzeit-Krankenschwester und alle zwei Wochen kam an einem Tag ein ambulanter Teilzeit-Doktor, der f?r die ganze Gegend zust?ndig war. Dorfbewohner wie Herr Lee waren der Ansicht, dass ?rzte wahrscheinlich f?r reiche Stadtbewohner sch?n und gut waren, aber Leuten wie ihnen nicht viel n?tzten. Wie konnte denn ein Bauer einen ganzen Arbeitstag opfern, um zu einem Arzt in die Stadt zu fahren und dazu jemanden mit einem Fahrzeug anheuern, f?r den dasselbe galt? Wenn man ?berhaupt jemanden mit Fahrzeug auftrieb, obwohl es im Umkreis von zehn Kilometern ein paar alte Traktoren gab. Nein, dachte er, seine alte Tante war gut genug f?r alle anderen, und sie war auch gut genug f?r ihn, au?erdem hatte sie noch keinen sterben lassen, dessen Zeit nicht gekommen war und sie hatte auch bestimmt niemanden umgebracht. Das w?rden alle beschw?ren. Wirklich alle. Herr Lee war sehr stolz auf seine Tante und ?berhaupt gab es kilometerweit keine Alternative, ganz sicher niemanden mit all ihrer Erfahrung – all ihrer Erfahrung? Nun gut, niemand wusste, wie alt sie wirklich war, nicht mal sie selbst, aber wahrscheinlich mindestens neunzig. Mit diesen ?berlegungen erreichte Herr Lee den Vorgarten seines Zuhauses. Er wollte die Angelegenheit mit seiner Frau besprechen, denn obwohl er nach au?en hin als Familienoberhaupt galt, so wie der Mann jeder Familie, war das nur der ?u?ere Schein. In Wirklichkeit wurden alle Entscheidungen von der ganzen Familie getroffen, oder zumindest von den Erwachsenen. Es w?rde ein bedeutsamer Tag werden, denn bei den Lees hatte es noch nie eine ‚Krise‘ gegeben und ihre beiden Kinder, den Kinderschuhen entwachsen, sollten dann auch zu Wort kommen d?rfen. Das w?rde in die Annalen eingehen, Herr Lee war sich dessen wohl bewusst. „Mud!“ rief er, eine liebevolle Bezeichnung f?r seine Frau, seit das erstgeborene Kind noch nicht ‚Mutter‘ hatte sagen k?nnen. „Mud, bist du da?“ „Ja, ich bin hinten drau?en.“ Lee wartete kurz, bis sie aus der Toilette hereinkam, aber drinnen war es hei? und schw?l, daher ging er in den Vorgarten und setzte sich auf den gro?en Familientisch unter dem Grasdach, wo die ganze Familie ihre Mahlzeiten einnahm und gew?hnlich sa?, wenn freie Zeit war. Frau Lees richtiger Name war Wan, obwohl ihr Mann sie liebevoll Mud nannte, seit ihr ?ltestes Kind sie so gerufen hatte. Herr Lee benutzte den Namen weiterhin, die Kinder jedoch nicht. Sie stammte aus dem Dorf Baan Noi, so wie Lee, aber ihre Familie hatte nie woanders gelebt, w?hrend Herrn Lees Familie zwei Generationen vorher aus China gekommen war, aber so weit weg war deren Heimatstadt auch wieder nicht. Sie war eine recht typische Frau dieser Region. In ihrer Jugend war sie ein sehr h?bsches M?dchen gewesen, aber M?dchen hatten zu dieser Zeit weder viele M?glichkeiten gehabt noch wurden sie ermutigt, Ehrgeiz zu entwickeln, wobei sich f?r ihre Tochter zwanzig Jahre sp?ter auch nicht viel ge?ndert hatte. Frau Lee war zufrieden gewesen, sich nach Beendigung der Schulzeit nach einem Ehemann umzusehen. Als dann Heng Lee um ihre Hand anhielt und ihren Eltern das Abfindungsgeld zeigte, das er auf der Bank hatte, dachte sie, er w?re ein genauso guter Fang wie irgendein anderer einheimischer Junge, der f?r sie in Frage k?me. Sie hatte auch nicht den Wunsch, ihre Freunde und Verwandten zu verlassen und in eine gro?e Stadt zu ziehen, um dort ihre Optionen zu erweitern. Mit der Zeit hatte sie auf ihre Art sogar Liebe f?r Heng Lee entwickelt, obwohl das Feuer in ihrem kurzen Liebesleben schon lange erloschen war und sie jetzt eher Gesch?ftspartnerin als Ehefrau in dem Familienbetrieb war, der ihr ?berleben und das ihrer beiden Kinder sicherte. Wan hatte nie einen Liebhaber gesucht, obwohl ihr sowohl vor als auch nach ihrer Heirat Antr?ge gemacht worden waren. Zu der Zeit war sie emp?rt gewesen, aber jetzt dachte sie mit einer gewissen Z?rtlichkeit an diese Augenblicke zur?ck. Lee war ihr Erster und Einziger und w?rde sicher auch ihr Letzter sein, aber sie versp?rte kein Bedauern dar?ber. Ihr einziger Traum war es, Enkel zu haben und sie zu versorgen; ihre Kinder w?rden sich mit der Zeit bestimmt selbst Kinder w?nschen, obwohl sie nicht wollte, dass sie ?berst?rzt heirateten so wie sie selbst, besonders ihre Tochter nicht. Sie wusste, ihre Kinder w?rden, wenn m?glich, ebenfalls Kinder zeugen. Davon war sie felsenfest davon ?berzeugt, denn nur das bedeutete f?r sie finanzielle Sicherheit im Alter und die M?glichkeit, den Status der Familie zu heben. F?r Frau Lee waren Familie, Status und Ehre wichtig, aber mehr materielle Dinge, als sie bereits besa?, wollte sie nicht. Sie hatte so lange gelernt, zu verzichten, dass sie ihr nicht mehr wichtig waren. Sie hatte bereits ein Handy und einen Fernseher, aber der Empfang war, milde ausgedr?ckt, schwach. Dagegen konnte sie nichts machen au?er darauf zu warten, dass die Regierung Zeit fand, die ?rtlichen Sender aufzur?sten, was eines Tages bestimmt geschehen w?rde, wenn auch nicht in absehbarer Zeit. Sie w?nschte sich kein Auto, weil sie nirgends hinfahren wollte und au?erdem waren die Stra?en sowieso schlecht. Es war jedoch nicht nur deswegen. F?r Leute ihres Alters und in ihrer Lage war ein Auto so lange unerschwinglich gewesen, dass sie schon vor Jahrzehnten aufgegeben hatten, sich eines zu w?nschen. Mit anderen Worten: Sie war zufrieden mit dem Fahrrad und dem alten Motorrad, den Transportmitteln ihrer Familienflotte. Frau Lee sehnte sich auch nicht mehr nach Gold und modischen Kleidern. Angesichts der Realit?t, zwei Kinder mit dem Einkommen eines Bauern gro?zuziehen hatte sie sich das schon vor vielen Jahren aus dem Kopf geschlagen. Trotzdem war Frau Lee eine zufriedene Frau, die ihre Familie liebte und sich damit abgefunden hatte, so zu bleiben, wie sie war und wo sie war, bis Buddha sie eines Tages zu sich heimrufen w?rde. Herr Lee beobachtete, wie seine Frau auf ihn zukam, sie r?ckte etwas unter ihrem Sarong zurecht, aber von au?en – irgendetwas sa? nicht richtig, vermutete er, aber er w?rde nie fragen, was es war. Sie setzte sich auf den Tischrand, schwang ihre Beine hoch und sa? da wie die kleine Meerjungfrau auf einem d?nischen Felsen. „Also, was hatte die alte Hexe zu sagen?“ „Ach komm, Mud, so schlimm ist sie auch nicht! Ja, gut, ihr seid nie miteinander ausgekommen, aber so ist das eben ab und zu, oder? Sie sagt nie ein schlechtes Wort ?ber dich, sie hat mich sogar vor einer halben Stunde gefragt, wie es dir geht … und den Kindern.“ „Du kannst manchmal so ein Dummkopf sein, Heng. Sie redet freundlich mit mir oder ?ber mich, wenn Leute sie h?ren k?nnen, aber sie behandelt mich wie Dreck und das hat sie immer getan. Sie hasst mich, aber sie ist zu hinterh?ltig, dir das zu zeigen, weil sie wei?, dass du meine Partei ergreifen wirst und nicht ihre. Ihr M?nner denkt immer, ihr w?rt so lebenserfahren, aber was vor eurer Nase passiert, das seht ihr nicht.“ ?ber die Jahre hat sie mir viele Sachen vorgeworfen, und zwar oft … wie zum Beispiel, dass ich mein Haus nicht sauber halte, die Kinder nicht wasche und einmal hat sie sogar gesagt, mein Essen w?rde riechen, als h?tte ich es mit Ziegenmist gew?rzt! Pah, du hast ja keine Ahnung, aber du glaubst mir auch nicht, nicht einmal der eigenen Frau! Ja, grins nur, aber f?r mich ist das die vergangenen drei?ig Jahre nicht sehr witzig gewesen, lass dir das gesagt sein. Also, was hat sie gemeint?“ „Eigentlich nichts, es war nur eine Untersuchung, also dasselbe Programm wie immer. Du wei?t schon: auf Moos pinkeln, auf einen Stein spucken und sie dann mit ihrem alten Pferdegebiss Alkohol ?ber dich spucken lassen. Mir graust es, wenn ich nur daran denke. Sie hat gemeint, sie l?sst mir morgen ausrichten, wann ich kommen soll, damit sie mir das Ergebnis mitteilt. Wo sind die Kinder? Sollten sie bei diesem Familiengespr?ch nicht auch dabei sein?“ „Ich glaube nicht, nicht unbedingt. Immerhin wissen wir ja noch gar nichts, oder? Hast du vielleicht irgendeine Ahnung?“ „Nein, eigentlich nicht. Ich habe mir gedacht, ich lasse mir vielleicht von diesem chinesischen M?dchen eine Massage geben … das k?nnte helfen, wenn ich ihr sage, dass sie mich sanft behandeln soll. Sie hat ihr Handwerk in Nordthailand gelernt und kann etwas grob sein, oder … das sagen jedenfalls die Leute. Du wei?t schon, besonders bei meinem inneren Zustand. Obwohl, vielleicht tut ja sanftes Reiben gut … was denkst du, meine Liebe?“ „Ja, ich wei?, was du mit sanftem Reiben meinst. Wenn das so ist, warum bittest du dann nicht deinen Onkel darum? Warum brauchst du daf?r ein junges M?dchen?“ „Du wei?t doch warum. Ich mag keine M?nnerh?nde auf meinem K?rper, das habe ich doch schon mal erkl?rt, aber gut, wenn es dich ?rgert, dann lasse ich mich nicht massieren.“ „Schau, ich sage ja nicht, du sollst nicht gehen! Du lieber Himmel, ich kann dich sowieso nicht aufhalten, wenn du es tun willst! Aber, wie du ja sagst, ist sie etwas grob, also k?nnte sie mehr schaden als n?tzen. Ich glaube, es w?re kl?ger zu warten, bis wir wissen, was deine Tante meint, das ist alles.“ „Ja, gut, wahrscheinlich hat du recht. Du hast noch gar nicht gesagt, wo die Kinder sind.“ „Ich wei? nicht genau, ich dachte, jetzt sollten sie eigentlich zur?ck sein … Sie sind zusammen weg, um am Wochenende eine Geburtstagsparty oder etwas ?hnliches zu organisieren.“ Die Lees hatten zwei Kinder, einen Jungen und ein M?dchen, und sie sch?tzten sich gl?cklich deswegen, weil sie zehn Jahre lang versucht hatten Kinder zu bekommen, bevor der Junge gezeugt wurde. Die Kinder waren jetzt zwanzig und sechzehn, daher hatten Herr und Frau Lee es seit langem aufgegeben, auf weiteren Nachwuchs zu hoffen. Sie hatte auch vor langer Zeit aufgegeben, es zu versuchen. Es waren jedoch brave, respektvolle und gehorsame Kinder und sie machten ihre Eltern stolz, zumindest das, was die Eltern ?ber sie wussten, machte sie stolz. Sie waren eben genauso wie alle braven Kinder: zu neunzig Prozent in Ordnung, aber sie konnten durchaus auch Dummheiten anstellen und manche Gedanken behielten sie f?r sich, weil sie wussten, ihre Eltern w?rden sie nicht billigen. Der Sohn Master Lee, auch Den oder Junger Lee genannt, war gerade zwanzig geworden und seit fast zwei Jahren mit der Schule fertig. Er und seine Schwester hatten eine gl?ckliche Kindheit verbracht, aber langsam begann es ihm zu d?mmern, dass sein Vater ein sehr hartes Leben f?r ihn geplant hatte, wobei er durchaus schon sein ganzes Leben gearbeitet hatte, jedenfalls vor und nach der Schule. Aber damals war trotzdem noch Zeit geblieben f?r Fu?ball, Tischtennis und die M?dchen auf den Tanzfesten der Schule. Mit all dem war jetzt Schluss genauso wie mit seiner Aussicht auf ein Sexleben. Das war zwar noch nie besonders gl?nzend gewesen war – ab und zu ein Kuss und noch seltener ein dezentes Herumgefummel, aber jetzt hatte sich seit fast zwei Jahren gar nichts mehr getan. Den w?rde schlagartig in die Stadt ziehen, wenn er auch nur einen Schimmer gehabt h?tte, was er dort machen sollte, aber er hatte auch keinerlei Ehrgeiz, au?er m?glichst oft eine Nummer zu schieben. Seine Hormone spielten derma?en verr?ckt, dass er schon ein paar Ziegen ?u?erst attraktiv fand, was ihn ungeheuer beunruhigte. Er musste nicht sehr tief in sich gehen um zu begreifen, dass er heiraten sollte, wenn er eine feste Beziehung mit einer Frau haben wollte. Eine Ehe, auch wenn sie mit der Zeugung von Kindern verbunden war, begann ausgesprochen verlockend auszusehen. Fr?ulein Lee, besser bekannt als Din, war ein sehr h?bsches 16-j?hriges M?dchen, die im Sommer von der Schule abgegangen war, zwei Jahre fr?her als ihr Bruder, was f?r die Region, in der sie lebte, ganz normal war. Nicht weil sie weniger intelligent war, sondern weil beide Eltern und auch die M?dchen selbst annahmen, es w?re umso besser, je fr?her sie anfingen, eine Familie zu gr?nden. Ein M?dchen unter zwanzig hatte es auch leichter, einen Ehemann zu finden als eines, dass ein paar Jahre ?lter war. Din akzeptierte diese althergebrachte ‚Weisheit‘ ohne sie zu hinterfragen, trotz der Bedenken ihrer Mutter. Sie hatte ebenfalls ihr ganzes Leben vor und nach der Schule gearbeitet, wahrscheinlich h?rter als ihr Bruder, obwohl der das niemals so sehen w?rde, denn M?dchen erledigten faktisch alle anfallenden Sklavenarbeiten egal welcher Art. Din hatte jedoch durchaus Fantasien. Sie tr?umte von romantischen Techtelmechteln, in denen ihr Liebhaber sie nach Bangkok entf?hren und dort Arzt werden w?rde, w?hrend sie den ganzen Tag mit ihren Freundinnen auf Shoppingtour ging. Ihre Hormone machten ihr auch Probleme, aber die einheimische Kultur gestattete nicht, dass sie das zugab, nicht einmal vor sich selbst. Ihr Vater, ihr Bruder und wahrscheinlich sogar ihre Mutter w?rden sie verpr?geln, wenn sie sie dabei erwischten, dass sie einem Jungen, der nicht zur Familie geh?rte auch nur zul?chelte. Sie wusste es und akzeptierte das auch, ohne Fragen zu stellen. Ihr Plan war, auf der Stelle nach einem Ehemann zu suchen, eine Aufgabe, bei der ihr ihre Mutter Hilfe angeboten hatte, denn beide Damen Lee wussten, dass man sie am besten so schnell wie m?glich erledigen sollte um damit jedes Risiko auszuschlie?en, Schande ?ber die Familie zu bringen. Insgesamt gesehen war die Familie Lee ganz typisch f?r die Gegend und damit war sie auch sehr zufrieden. Sie f?hrte ihr Leben innerhalb der Zw?nge der heimischen Konventionen und fand das in Ordnung und richtig, auch wenn beide Kinder Tr?ume von einer Flucht in die gro?e Stadt hegten. Das Problem lag in einem Mangel an Ehrgeiz; es war in den H?gelbewohnern seit Jahrhunderten tief verwurzelt und hielt sie zur?ck. F?r die Regierung erwies sich das als eine gute Sache, sonst w?ren schon alle jungen Leute aus den l?ndlichen Gebieten verschwunden und nach Bangkok und von dort aus in fremde L?nder wie Taiwan und Oman abgewandert, wo die Geh?lter h?her waren. Die Befreiung von starrem Gruppenzwang war jedoch verlockend. Viele junge M?dchen hatten allerdings die Reise nach Bangkok angetreten. Ein paar von ihnen hatten auch eine ordentliche Arbeit gefunden, aber viele endeten in der Sexindustrie der gr??eren St?dte. Von dort aus reisten einige auch weiter ins Ausland, sogar in L?nder au?erhalb Asiens. Es kursierten zahlreiche Horrorgeschichten, um junge M?dchen von diesem Weg abzuhalten; bei Din und ihrer Mutter hatte das funktioniert. Herrn Lee gefiel sein Leben und er liebte seine Familie, obwohl man das au?erhalb der eigenen vier W?nde nicht zugab. Er wollte sie nicht wegen irgendeiner Krankheit verlieren, die er vielleicht schon seit seiner Jugendzeit mit sich herumtrug. Alter Herr Lee (obwohl er wusste, dass ihn einige der nicht so respektvollen Dorf-Jugendlichen Alter Ziegenbock Lee nannten) war in seiner Jugend Idealist gewesen und hatte sich gleich nach Beendigung der Schulzeit zum Kampfeinsatz in Nordvietnam gemeldet. Sie lebten nahe an der Grenze zu Laos, also war Nordvietnam nicht weit weg. Er wusste, dass die Amerikaner diese Region und Laos bombardiert hatten und wollte seinen Beitrag leisten, dass damit Schluss war. Er hatte sich der kommunistischen Idee verschrieben und war, sobald man ihn brauchen konnte, zur Kampfausbildung nach Vietnam gegangen. Viele seiner Mitk?mpfer hatten genauso wie er zum Teil Chinesen im Stammbaum, hatten aber die Einmischung ausl?ndischer M?chte in die Zukunft ihrer Landsleute satt. Er konnte nicht verstehen, warum sich Amerikaner, die tausende Meilen weit weg lebten darum scherten, wer in diesem kleinen Teil der Welt an der Macht war. Er hatte sich nie darum gek?mmert, welchen Pr?sidenten sie gew?hlt hatten. Wie das Schicksal aber so spielte, bekam er nie die Chance, auch nur einen zornigen Schuss abzufeuern, weil er gleich am ersten Tag nach Ausbildungsende beim Transport vom Trainingscamp zum Schlachtfeld vom Schrapnell einer amerikanischen Bombe getroffen wurde. Seine Verletzungen waren sehr schmerzhaft, aber nicht lebensbedrohlich. Sie reichten jedoch zur Ausmusterung, als er soweit wiederhergestellt war, aus dem Krankenhaus entlassen zu werden. Der gr??te Schrapnellsplitter hatte ihn am linken Oberschenkel getroffen, aber ein paar kleinere Splitter hatten sich in seinen Magen gebohrt, von denen er jetzt glaubte, sie k?nnten die Quelle seiner Beschwerden sein. Daher stammte auch das Ger?cht, dass auf ihn geschossen worden w?re. Er war mit einem b?sen Hinken heimgekommen sowie mit einer Abfindung, die hoch genug ausfiel, einen kleinen Bauernhof zu kaufen, aber aufgrund seines verwundeten Beins hatte er stattdessen einen Hof und eine Herde Ziegen gekauft, die er z?chtete und verkaufte. Innerhalb eines Jahres nach seiner Heimkehr war sein Bein so gut es eben ging geheilt und er heiratete ein h?bsches einheimisches M?dchen, das er sein ganzes Leben lang gekannt und gemocht hatte. Sie war auch b?uerlicher Herkunft, sie lie?en sich h?uslich nieder und f?hrten ein zufriedenes, wenn auch ?rmliches Leben. An jedem Wochentag au?er sonntags hatte Herr Lee seitdem seine Herde zum Grasen ins Hochland getrieben. Im Sommer ?bernachtete er oft in einem der Biwaks, die er an verschiedenen Stellen errichtet hatte, das hatte er bei der Armee gelernt. Jene Zeit betrachtete er im R?ckblick nostalgisch als gl?ckliche Tage, obwohl er das damals nicht so empfunden hatte. In den Bergen gab es au?er Menschen keine Raubtiere mehr, weil schon vor langer Zeit alle Tiger zum Zweck der Verwertung in der chinesischen Medizinbranche get?tet worden waren. Herr Lee hatte dabei gemischte Gef?hle. Einerseits wusste er, dass das eine Schande war, aber andererseits hatte er auch keine Lust, jede Nacht seine Ziegen gegen umherstreifende Tiger zu verteidigen. Bis zu Beginn seiner Krankheit vor etwa einer Woche hatte er fast drei?ig Jahre lang Ziegen geh?tet, daher kannte er die Berge so gut wie die meisten Leute ihre ?rtliche Parkanlage. Er wusste, welche Gebiete man wegen Landminen und Strychnin-P?ckchen meiden musste, die die Amerikaner in den 70er Jahren abgeworfen hatten, er kannte die Gebiete, die ger?umt waren, wobei die Pioniere wohl ein paar ?bersehen hatten, wie eine seiner Ziegen vor nur einem Monat erfahren musste. Es war eine Schande, obwohl ihr Kadaver nicht verweste und sie auch ein schnelles Ende gefunden hatte. Ein losgetretener Stein hatte eine Mine zur Explosion gebracht, sie himmelw?rts geschossen und dabei den Kopf sauber abgetrennt. Der Weg war zu weit, den Kadaver nach Hause zu transportieren, also hatte Herr Lee einige Tage in den Bergen verbracht und sich vollgestopft, w?hrend sich seine Familie daheim auf dem Hof zu Tode ?ngstigte. Herr Lee war ein zufriedener Mann. Er genoss seine Arbeit und das Leben im Freien und hatte sich seit langem mit der Tatsache abgefunden, dass er nie reich sein oder nochmals ins Ausland kommen w?rde. Deswegen waren er und seine Frau jetzt froh, dass sie nur zwei Kinder hatten. Er liebte sie beide gleicherma?en und wollte nur das Beste f?r sie, aber er freute sich auch, dass sie nicht mehr zur Schule gingen und deshalb den ganzen Tag auf dem Hof arbeiten konnten, wo seine Frau Kr?uter und Gem?se anbaute und drei Schweine und einige Dutzend H?hner hielt. Herr Lee ?berlegte, in welchem Ma? er durch die zus?tzliche Hilfe seinen Hof vergr??ern k?nnte. Vielleicht ein weiteres Dutzend H?hner und ein paar Schweine mehr halten und ein Feld mit Zuckermais anlegen? Er erwachte aus seinen Fantasien. „Was, wenn es etwas Ernstes ist, Mud? Ich habe bis jetzt nichts gesagt, aber diese Woche bin ich zweimal in Ohnmacht gefallen und zwei oder drei Mal war ich nahe dran.“ „Warum hast du mir das nicht schon vorher erz?hlt?“ „Naja, ich wollte dir eben keine Angst machen und du h?ttest sowieso nichts machen k?nnen, oder?“ „Nein, ich selber nicht, aber h?tte dich schon fr?her zu deiner Tante geschickt und dich vielleicht ?berredet, dass du zu einem Arzt gehst.“ „Ach, du kennst mich doch, Mud. Ich h?tte gesagt ‚Warten wir mal ab, was Tante dazu sagt, bevor wir das ganze Geld ausgeben.‘ Trotzdem gebe ich zu, dass ich mich ab und zu ganz sch?n komisch f?hle und ich habe schon ein bisschen Angst davor, was Tante morgen sagen wird.“ „Ja, ich auch. F?hlst du dich wirklich so schlecht?“ „Manchmal schon, aber ich habe einfach ?berhaupt keine Kraft mehr. Ich konnte doch immer zusammen mit den Ziegen rennen und herumspringen, aber jetzt werde ich schon m?de, wenn ich ihnen nur zusehe!“ „Irgendetwas stimmt nicht, da bin ich sicher.“ „Schau, Paw.“ Sie verwendete f?r ihn den fantasielosen Kosenamen, der auf Thail?ndisch ‚Papa‘ bedeutete. „Die Kinder sind am Tor. Willst du sie jetzt in die Sache einweihen?“ „Nein, du hast recht, warum sollen sie sich jetzt Sorgen machen, aber ich glaube, die Tante wird mich morgen am sp?ten Nachmittag holen lassen. Erz?hl ihnen, dass wir zum Abendessen eine Familienkonferenz abhalten und sie dabei sein sollen. Ich glaube, ich gehe jetzt ins Bett. Ich bin schon wieder m?de. Mit Tantes Spucke bin ich eine Weile in Schwung gekommen, aber die Wirkung ist wieder vorbei. Sag ihnen, dass ich in Ordnung bin, aber bitte Den, dass er morgen die Ziegen f?r mich hinaustreibt, ja? Er muss sie nicht weit weg f?hren, nur den Fluss hinunter, damit sie ein bisschen Flussgras fressen und Wasser trinken k?nnen … ein oder zwei Tage macht ihnen das nichts aus. Wenn du zehn Minuten Zeit hast, koche mir doch bitte deinen Spezialtee. Den mit Ingwer, Anis und den anderen Zutaten … Das sollte mich etwas aufm?beln … Oh, und ein paar Melonen- oder Sonnenblumenkerne … vielleicht kannst du Din sagen, dass sie sie f?r mich knackt?“ „Was ist mit einem Becher Suppe? Es ist deine Lieblingssuppe …“ „Ja, gut, aber wenn ich schlafe, stell sie einfach auf den Tisch und ich trinke sie sp?ter kalt. Hallo, Kinder, ich gehe heute fr?h ins Bett, aber macht euch keine Sorgen, ich bin schon in Ordnung. Eure Mutter erz?hlt euch dann die Einzelheiten. Ich glaube, ich habe nur irgendeinen Infekt. Gute Nacht zusammen.“ „Gute Nacht, Papa“, erwiderten alle. Din sah besonders besorgt drein, als sie zuerst Herrn Lees R?ckzug beobachteten und sich dann gegenseitig ansahen. Als Herr Lee in der stillen Dunkelheit lag, f?hlte er, wie seine K?rperseiten noch st?rker pochten, wie ein fauliger Zahn, der nachts im Bett immer schlimmer weh tat. Er war aber so ersch?pft, dass er nach kurzer Zeit schon fest schlief, noch bevor man ihm seinen Tee, die Suppe und die Samen brachte. Drau?en in der D?mmerung diskutierten die ?brigen Mitglieder der kleinen Familie auf dem gro?en Tisch Herrn Lees schlimme Lage in ged?mpftem Ton, obwohl laute Gespr?che auch niemand geh?rt h?tte. „Wird Papa sterben, Mama?“, fragte Din, den Tr?nen nahe. „Nein, meine Liebe, nat?rlich nicht“, antwortete diese. „Wenigstens … glaube ich es nicht.“ 1 2 DIE ZWICKM?HLE DER FAMILIE LEE Wie das auf dem Land so ?blich war, schliefen alle zusammen im einzigen Raum des Hauses: Mama und Papa in einem Doppelbett, die Kinder jeweils in Einzelbetten, jedes Bett war mit einem Moskitonetz gesch?tzt. Als dann alle bei Tagesanbruch aufwachten, schlichen sie auf Zehenspitzen herum, um Heng nicht zu wecken. Sie wussten, dass etwas nicht stimmte, weil er normalerweise als Erster aufstand und sich auf den Weg machte, sogar wenn der Morgen sehr kalt war. Sie lugten durch das Moskitonetz in sein leichenblasses Gesicht und sahen besorgt aus, bis sie die Mutter hinausscheuchte. „Din, tu uns einen Gefallen, Liebes. Mir gef?llt nicht, wie dein Vater aussieht, dusch dich schnell, lauf zur Tante und finde heraus, ob sie uns schon etwas sagen kann, sei so gut. Wenn sie noch nicht fertig ist, weil es so fr?h ist, dann bitte sie, sich f?r ihren Lieblingsneffen besonders zu bem?hen bevor es zu sp?t ist.“ Din fing an zu weinen und rannte zur Dusche. „Tut mir leid, Liebes, ich wollte dich nicht erschrecken!“, rief Wan hinter ihrer Tochter her. Als Din eine Viertelstunde sp?ter bei ihrer Gro?tante eintraf, war die alte Schamanin bereits wach und angekleidet, sa? auf dem gro?en Tisch vor dem Haus und a? Reissuppe. „Guten Morgen, Din, sch?n dich zu sehen, magst du eine Schale Suppe? Sie schmeckt sehr fein.“ Da war in ihre Gro?nichten vernarrt, besonders in Din, aber als sie h?rte, was diese zu sagen hatte, konnte sie nicht anders: Sie musste einfach loswerden, dass ihre Mutter eine Menge verlangte, wenn sie in so einem Fall innerhalb von 24 Stunden eine ordentliche Diagnose erwartete. „Deine Mutter, also wirklich! Nun gut, sehen wir mal, was wir tun k?nnen … dein Paw sieht schlecht aus?“ „Ja, Tante Da, er ist leichenblass, aber wir glauben nicht, dass er schon gestorben ist … Als ich weg bin, wollte ihn Mama gerade mit einer Nadel piksen und schauen, ob er reagiert, aber ich habe nicht abgewartet was passiert. Ich will nicht, dass Paw stirbt, Tante Da, bitte rette ihn.“ „Ich werde alles tun, was ich kann, mein Kind, aber wenn Buddha ruft gibt es niemanden auf der ganzen Welt, der ‚nein‘ sagen kann. Trotzdem, schauen wir mal, was sich machen l?sst. Komm mit.“ Da ging voraus zum Kultraum, z?ndete eine Kerze an und schloss die T?r hinter ihnen. Sie hoffte, dass Din Interesse f?r die ‚alten Gebr?uche‘ zeigte, solange sie noch jung genug war, sie ihr beizubringen. Sie wusste, dass sie eines Tages eine Nachfolgerin brauchte, wenn der Job in der Lee-Familie bleiben sollte. Sie deutete auf die Matte f?r Hilfesuchende auf dem Boden, Din setzte sich, dann wanderte Da durch die H?tte, murmelte Gebete und Beschw?rungen und z?ndete noch mehr Kerzen an, bevor sie Din gegen?ber Platz nahm, die ihre H?nde auf dem Scho? mit den Handfl?chen nach oben anstarrte. Da sah ihre Nichte an, f?hlte wie ein leichtes Zittern ihren K?rper durchlief, starrte sekundenlang auf die eigenen Handfl?chen und blickte wieder zu Din auf. „Du bist gekommen, um f?r eine andere Person Rat einzuholen? Bitte stelle deine Frage“, sagte Dan, aber mit einer tiefen, grollenden Stimme, die au?erhalb ihrer H?tte noch nie jemand vernommen hatte. Die Verwandlung erschreckte Din. So war es jedes Mal, wenn ihre Tante in Trance versank und einem anderen Wesen erlaubte, von ihrem K?rper Besitz zu ergreifen. Es war nicht so sehr die Verwandlung ihres Gesichtsausdrucks, obwohl das be?ngstigend genug war. Es war vielmehr die subtile Ver?nderung ihres ganzen K?rpers, ?hnlich wie ein Schauspieler oder Darsteller seine Haltung ver?ndert, um sich der zu verk?rpernden Pers?nlichkeit anzupassen. Es war jedoch noch mehr als das. Es war, als ob Das Inneres durch ein anderes Wesen ersetzt worden war, wodurch sie nicht nur anders aussah, sondern auch anders klang. Din sah die alte Schamanin an, die nicht l?nger ihre Tante war. „Schamanin, mein Vater ist sehr krank. Ich muss wissen, was mit ihm los ist und was wir tun k?nnen.“ „Ja, dein Vater, der auch ‚Paw‘ genannt wird.“ Die Tante klang jetzt wie ein Mann, der seine Hand auf die B?ndel legte, die Heng gestern dagelassen hatte und die Augen der Tante schloss. Es entstand eine lange Pause, jedenfalls schien es Din so, und die Stille war so tief, dass sie h?ren konnte, wie Ameisen auf dem harten Lehmboden herumkrabbelten. Din hatte bereits an einem Dutzend solcher Sitzungen teilgenommen, obwohl bei keiner ein so ernster Grund vorgelegen hatte. Einmal hatte sie bei einem Magenproblem und vor einigen Jahren wegen ihrer Regel um Rat gebeten und neulich hatte sie wissen wollen, ob sie bald heiraten w?rde. Sie hatte keine Angst vor der Sitzung selbst, sondern vor dem Ergebnis. Sie wusste aber auch, dass sie nur dasitzen, warten und beobachten konnte, denn sie fand den Vorgang zugleich faszinierend. Die Schamanin wickelte langsam das erste P?ckchen mit dem Stein aus, untersuchte es sorgf?ltig, roch daran und legte es in das Bananenblatt zur?ck, dann nahm sie das Blatt mit dem Moos und roch ebenfalls daran, bevor sie es vor sich auf die Matte legte. Die Schamanin sah Din feierlich an und nach ein paar Minuten ergriff sie das Wort. „Der, um den du dich sorgst, ist sehr krank. Eigentlich war er dem Tod schon sehr nahe, als er diese Proben ablieferte, aber noch ist er nicht gestorben … Einige seiner inneren Organe, insbesondere die zur Reinigung des Blutes, sind in sehr schlechtem Zustand … Das, was man die Nieren nennt, haben ihre Funktion eingestellt und ein Leberversagen ist nur noch eine Frage der Zeit. Das bedeutet, dass der Tod kurz bevorsteht. Es gibt daf?r kein Heilmittel.“ Die Schamanin erschauerte aufs Neue und ihre Gestalt verwandelte sich wieder in die alte Tante Da, die jetzt ein paarmal blinzelte, sich die Augen rieb und herumrutschte, als ob sie wieder ein altes enges Kleid ?berstreifte. „Das waren keine guten Neuigkeiten, mein Kind, oder? Wei?t du, wenn ich besessen bin, kann ich nicht immer alles h?ren, aber ich habe einiges davon mitbekommen und sehe dir an, dass es um deinen Vater schlimm steht.“ „Der Geist sagte, dass Paw sicher bald sterben wird, weil es kein Heilmittel f?r Nieren- und Leberversagen gibt …“ „Es tut mir leid, Din, du wei?t, dass ich deinen Vater sehr gern habe … Jetzt h?r mir mal zu, ich habe mir ?ber die Jahre au?er der Besessenheit selber ein paar Tricks angeeignet. Sehen wir mal … ja, der Stein … siehst du, wo dein Vater draufgespuckt hat? Keine Flecken! Das bedeutet, in seinem Speichel sind weder Salz noch Mineralien, keine Vitamine, einfach nichts, nur Wasser. Jetzt zu dem Moos.“ Sie hielt es von sich weg, schn?ffelte und brachte es n?her an ihre Nase. „Dasselbe! Riech mal!“ Sie streckte es Din entgegen, aber Din widerstrebte es, am Urin ihres Vaters zu riechen. „Nun mach schon, es bei?t nicht!“, sagte Da. Din tat, was ihr gesagt wurde. „Nichts, nur ein moosiger Geruch.“ „Genau! M?nnerurin riecht wie Katzenpisse, wenn man ihn verpackt aufbewahrt, aber der von deinem Vater nicht. Das bedeutet, dass er keine Substanz enth?lt, die ihn schlecht werden l?sst. Das hei?t weiterhin, dass der Urin deines Vaters auch nur Wasser ist. Man kann nicht lange leben, wenn das Blut aus Wasser besteht. Das leuchtet doch ein? Das Blut ist f?r alle wertvollen Inhaltsstoffe im K?rper verantwortlich, aber dein Vater hat keines und deswegen ist er auch die ganze Zeit so schwach! Lauf jetzt nach Hause, sieh nach, ob es schon zu sp?t ist und wenn er immer noch am Leben ist, komm zur?ck und hole mich mit deinem Roller. Los, beeil dich!“ Din st?rzte nach Hause davon. W?hrend Din nach ihrem Vater sah, machte sich Da zum Aufbruch fertig, denn in ihrem Inneren wusste sie, dass Heng noch nicht tot war, nicht ganz zumindest. Sie w?hlte einige Kr?uter aus und legte sie in eine Tasche, spritzte sich Wasser ins Gesicht und band sich f?r die bevorstehende Rollerfahrt die Haare mit einem Kopftuch zusammen gegen die Zugluft. Dann ging sie nach drau?en, um auf ihre Nichte zu warten. Einige Minuten sp?ter kam Din in einer Staubwolke zur?ck. „Beeil dich, Tante, Mama sagt, er liegt im Sterben, komm schnell.“ Da setzte sich im Damensitz auf den Roller, wie es sich geh?rte, sie rasten los und Da versuchte, Dins langen Haaren auszuweichen, die ihr schmerzhaft in das runzlige alte Gesicht peitschten. Sobald sie angekommen waren, sprang Da herunter, denn sie war gelenkig f?r ihr Alter und wurde ins Haus gef?hrt. „Danke, dass du so schnell gekommen bist, Tante Da, er ist oben im Schlafzimmer.“ „Ja, das dachte ich mir schon, dass er im Bett liegt und nicht bei seinen geliebten Ziegen ist!“ Sie hob das Moskitonetz und setzte sich neben Hengs Kopf auf den Holzboden. Zuerst betrachtete sie seine Haut, dann seine Augen und Lippen, schlie?lich ?ffnete sie seine Augen und sp?hte hinein. „Hm, aha … zeig mir seine F??e!“ Wan deckte eilig die F??e ihres Mannes auf, Da lehnte sich dar?ber, um sie zu dr?cken und genauer anzusehen. „Hm, ich habe noch nie so einen schweren Fall von Substanzmangel im Blut gesehen wie bei ihm. Erlaubst du mir, deinen Kindern zu sagen, was sie ab jetzt tun sollen? Gut, ich komme bald wieder, bette inzwischen den Kopf deines Mannes mit ein paar Kissen etwa h?her, ich schicke Din herein, damit sie dir hilft und Den soll mir drau?en helfen.“ „Ja, Tante, nat?rlich. Alles, was du willst, um meinem lieben Heng zu helfen.“ „Gut, schauen wir, was wir tun k?nnen.“ Mit diesen Worten erhob sie sich und stieg ins Erdgeschoss hinunter. „Din, geh und hilf deiner Mutter, Den, komm mit mir, wir m?ssen alle schnell und gezielt handeln.“ Din reagierte sofort und Den fragte, wie er helfen k?nnte. „Geh und hole mir den kr?ftigsten jungen Hahn, den ihr habt. Beeil dich, Junge!“ Als er mit dem Vogel unter dem Arm zur?ckkam, nahm ihn Da entgegen. „Jetzt binde den st?rksten Ziegenbock so eng an einen Pfahl, dass er sich keinen Zentimeter r?hren kann – er kann sitzen oder stehen, das ist mir egal.“ W?hrend Den davonrannte, hockte sich Da auf die Tischkante, schlitzte dem Junghahn die Kehle auf, lie? das Blut in eine Sch?ssel flie?en, warf seinen leblosen K?rper in den Gem?sekorb auf dem Tisch und eilte nach oben. „Din“, sagte sie, „hast du Ziegenmilch oder irgendeine andere Milchsorte im K?hlschrank? Wenn nicht, dann nimm einen Krug und hole bitte frische Milch, M?dchen.“ Man musste ihr nicht sagen, sie solle sich beeilen, so schnell war sie weg. „Gut, Wan, ist er wach?“ „Nicht wirklich, Tante, halbwach.“ „Gut, jetzt halte ihm die Nase zu und ich werde ihm dieses Blut einfl??en.“ Sie presste mit Daumen und Mittelfinger gegen seinen geschlossenen Kiefer um ihn zu ?ffnen, dr?ckte seinen Kopf nach hinten und goss ihm einige Mundvoll H?hnerblut in den Hals. Hengs spuckenden Ger?uschen nach, die wie ein Benzinauto klangen, in das man Diesel gef?llt hatte, schloss Dan, dass etwa die H?lfte davon den richtigen Weg durch den Hals fand. Heng ?ffnete ein wenig seine Augen. „Was macht ihr beiden alten Hexen mit mir?“, fl?sterte er. „Das war ja furchtbar!“ „Ah, das habe ich mir gedacht“, sagte Da und goss noch etwas nach. „Es ist zu reichhaltig, man muss ihn daran gew?hnen.“ Din kam zur?ck und sagte: „Frische, noch warme Milch von Blume, unserer besten Ziege.“ Da nahm sie, mischte sie zur H?lfte mit dem restlichen Blut und goss sie Heng wie zuvor in den Hals mit demselben Ergebnis, nur war sein Widerstand etwas st?rker. „Seht ihr!“, rief sie, „Er wird schon kr?ftiger! Heng versucht, sich zu wehren, er leistet Widerstand. Vielleicht ist er noch nicht ganz am Ende! Gut! Wan, du machst weiter mit der Milch, aber lass die H?lfte vom Rest ?brig. Ich bin gleich wieder da.“ Sie ging hinunter und rief nach Den. „Ist der Ziegenbock schon bereit?“ „Ja, Tante, da dr?ben steht er.“ „Gut. Komm mit.“ Da ritzte mit einem rasiermesserscharfen Taschenmesser die Halsschlagader der Ziege und zapfte ein paar Milliliter Blut ab. „Siehst du, wie ich das gemacht habe, Junge? Versuche, es dir zu merken, weil ich glaube, dass du das ab heute jeden Tag tun musst.“ Sie gingen beide nach oben und waren ?berrascht, als sie sahen, wie Heng mit Frau und Tochter sprach, ganz so wie ein Patient im Krankenhaus nach einer Vollnarkose – benommen, schwach und z?gernd, aber verst?ndlich. Da mischte das Ziegenblut halb und halb mit der ?brigen Milch, aber zum Versuchen gab sie ihm das Zeug zuerst unverd?nnt. „Oh, Tante, das ist widerlich! Du lieber Himmel …“ „Dann versuch das“, sagte sie und reichte ihm ein Glas mit rosa Fl?ssigkeit. „Ja … das ist ganz in Ordnung … was ist das? Ich sp?re schon, wie gut es mir tut.“ Heng trank es gierig. „Es ist, ?h, ein Milchshake mit Kr?utern … Gut, nicht wahr?“ „Ja. Tante, sehr gut … sehr erfrischend. Hast du noch mehr davon?“ Wan sah die alte Schamanin an und diese nickte. Wan goss ein weiteres Glas voll und half ihrem Mann beim Trinken. „Oh, ich bin so froh, Heng“, sagte Da. „Ich glaube, dass wir mit diesem Milchshake die L?sung f?r deinen schlimmen Zustand gefunden haben, obwohl ich sicher bin, dass wir ihn noch ein bisschen verfeinern k?nnen. Vielleicht finden wir noch andere Zutaten, um ab und zu den Geschmack zu ver?ndern, damit er nicht langweilig wird.“ „Ja, Tante, ich habe gewusst, dass du etwas f?r mich tun kannst.“ „Ich tue doch alles f?r meine Familie, ich bin froh, dass ich helfen konnte“, antwortete sie und schenkte ihm ein aufrichtiges warmes L?cheln, was selten vorkam. Sie mischte das restliche Blut mit der Milch und ein paar Kr?utern zu etwa einem halben Liter Milchshake und meinte dann: „Heng, ich glaube, du musst jetzt ruhen. Schau, hier ist noch mehr Milchshake f?r sp?ter, ich zeige deiner Familie unten, wie man ihn zubereitet, ja? Du schonst dich jetzt. Ruf, wenn du mich brauchst. Bis demn?chst und gute Besserung.” Als alle bequem auf dem gro?en Tisch im Garten sa?en und Wan Erfrischungen mit frischem Obst und kaltem Wasser serviert hatte, ?bernahm Da den Vorsitz der Familienversammlung. „Wie ich vorher schon sagte habe ich noch nie einen so extremen Fall wie diesen hier erlebt, aber scheinbar haben meine Erfahrung und die Geisterf?hrer daf?r gesorgt, die richtige L?sung zu verschreiben. Wir haben aber bis jetzt nur benutzt, was man ein ‚Mittel f?r Notf?lle‘ nennen k?nnte. Sehen wir der Sache ins Auge: Wir haben Heng Blut von Tieren gegeben, die nicht dasselbe wie wir Menschen essen, also werden ihm immer noch bestimmte lebenswichtige Zutaten fehlen. Was wir wirklich tun m?ssen ist, f?r eine regelm??ige und dauerhafte Versorgung mit Blut von Tieren zu sorgen, die das fressen, was auch wir Menschen essen. Je ?hnlicher umso besser f?r Heng. Nun wissen wir alle, dass nicht jeder genau das isst, was der K?rper t?glich braucht. Wir k?nnen daher annehmen, dass Heng das auch nicht n?tig hat. Wenn wir ihm aber nur H?hnerblut geben, dann wird ihm eine Menge fehlen und nur der Teil von ihm, der sozusagen ‚huhn?hnlich‘ ist, wird gedeihen und ?berleben. Dasselbe gilt, wenn er nur Ziegenblut trinkt, weil Gras f?r Menschen auf Dauer gesehen nicht ausreicht.“ „Also, was bedeutet das, Tante Da?“, fragte Den. „Dass wir Affenblut f?r ihn beschaffen m?ssen?“ „Nun ja, das geht in die Richtung von dem, was ich sagen will, richtig, Den, aber Affen fressen auch nicht genau dasselbe wie wir, nicht wahr?“ Sie lie? die Bedeutung des Gesagten ins Bewusstsein dringen. Din verstand als erste. „Tante, meinst du damit, dass Papa eine regelm??ige Zufuhr von Menschenblut braucht?“ „Ja, Din, das w?re die einfachste L?sung und auf lange Sicht gesehen vielleicht die einzige. Wenn ihr keine regelm??ige Versorgung mit Menschenblut sichern k?nnt, m?sst ihr ihm gro?e Mengen Blut von vielen verschiedenen Tierarten geben, um die menschliche Ern?hrung zu ersetzen. Schweine fressen zum Beispiel sehr viele Dinge, die wir auch essen, aber sie fressen nicht viel Obst und kein Schweinefleisch. Ich nehme an, ihr k?nntet nur f?r Heng eine paar ‚Spender-Schweine‘ halten und ihnen besonderes Futter geben, um das richtige Blut zu bekommen und es dann mit dem Blut anderer Tiere erg?nzen, aber das w?re eben wieder sehr aufw?ndig. Ihr k?nntet eine Mischung aus H?hner-, Ziegen-, Schweine-, Hunde- und Katzenblut herstellen und im K?hlschrank aufbewahren, aber soweit ich wei?, hat das noch nie jemand gemacht … Das Ergebnis w?re bestenfalls unvorhersehbar. Die L?sung liegt wirklich auf der Hand und hei?t menschliches Blut. Wir haben die Proben eures Vaters vor mindestens sieben Stunden getestet und es ist ganz offensichtlich: Euer Vater hat kein Blut! Gar keines! Nicht mal einen Tropfen! Ich zeige es euch.“ Da griff in ihre Umh?ngetasche und nahm das in ein Bananenblatt gewickelte Moos heraus. „Das ist die Urinprobe eures Vaters. Seht her.“ Sie z?ndete es an. „Die Flamme zischt ein bisschen wegen der Feuchtigkeit, aber schaut mal, die Flammen sind farblos, das hei?t, da sind weder Vitamine noch Salz, also nichts in seinem Blut. Er hat nur Wasser in seinen Venen, auch wenn es noch etwas r?tlich ist. Wir k?nnen ihm etwas sp?ter noch Blut absaugen und es kontrollieren, wenn ihr wollt. Wenn er richtiges Blut h?tte, dann w?re das Moos jetzt ausgetrocknet und w?rde aussehen, als w?re es verbrannt. Dasselbe ist mit dem Stein passiert, schaut her! Heng hat hier draufgespuckt, aber man sieht keinen Salzring, nichts, das hei?t: einfach wieder nur Wasser. Euer Vater hat kein Blut in sich. Keinen Tropfen.“ „Ist das schlecht, Tante Schamanin?“, fragte Den. „Schlecht? Ob das schlecht ist? Junge, ein Mensch kann ohne Blut nicht ?berleben! Ich habe dich sehr gerne, Den, aber manchmal kannst du wirklich extrem dumm sein! Nichts als Sex im Kopf, denke ich mal, so wie alle Jungs in deinem Alter! Und au?erhalb des Kultraums bin ich f?r euch einfach ‚Tante‘. Euer Vater hat sich in einen Vampir verwandelt … hat er in letzter Zeit jemanden in der Familie gebissen?“ „Nein, Tante, aber vielleicht bei?t er die Ziegen, das k?nnen wir nicht wissen“, erwiderte Den. „Oh, das ist Ernst, wirklich ?u?erst Ernst. Ich habe von solchen F?llen geh?rt, aber noch nie einen gesehen mit meiner … meiner … ?h, gro?en Erfahrung.“ „Irre”, sagte Den, „Papa hat sich in Pee Pob, einen Vampir, verwandelt? Wartet, bis ich das meinen Freunden erz?hle! Heng – Pee Pob! Das ist der Wahnsinn!“ „Wird er bald sterben?“, fragte Din. „Wir versuchen, ihn zu retten, Din, wir tun alles, was wir k?nnen, aber das hei?t, dass ihr es niemandem erz?hlen d?rft. Den! Hast du mich verstanden? Niemandem, absolut niemandem. Du dummer Junge! Bist du sicher, dass der Bub ein Lee ist, Wan?“ Sie warf Wan einen anklagenden Blick zu, die finster und mit so viel Verachtung zur?ckstarrte, wie sie einer alten Frau gegen?ber aufbringen konnte, die gerade das Leben ihres sterbenden Mannes gerettet hatte. „Also, so sieht es aus. Das sind eure M?glichkeiten. Am Ende ist es eure Entscheidung – die von allen vier – weil ja ihr es seid, die die ‚Medizin‘ beschaffen m?sst, die Heng f?r den Rest seines Lebens braucht, denn diese Krankheit kann man nicht heilen.“ Da lie? sich schwer gegen eine der Dachst?tzen sinken und schloss die Augen, als ob sie ein Buch schlie?en und damit die Sitzung beenden w?rde. Die Familienmitglieder sahen zuerst sie und dann sich gegenseitig an, sie gr?belten, wie man das Problem l?sen k?nnte. W?hrend Tante Da scheinbar in Trance verfiel oder vielleicht sogar eingeschlafen war, debattierten die Drei, was als N?chstes zu tun w?re. „Also”, sagte Wan, „von den hiesigen Bewohnern bekommen wir wohl nicht viel Blut. Die meisten w?rden einem ja nicht mal die Haut auf einem kalten Reispudding geben, geschweige denn einen halben Liter Blut und kaufen k?nnen wir es auch nicht von ihnen, das k?nnen wir uns nicht leisten.“ „Wir k?nnten Touristen einfangen, das Blut von denen in Flaschen absaugen und es im K?hlschrank aufbewahren …“, sagte Den. „Hier oben gibt es eigentlich nicht viele Touristen, oder, Den?“, meinte seine Mutter und schnalzte missbilligend mit der Zunge. „Wir k?nnten eine Mischung aus dem Blut verschiedener Tiere machen und jeder von uns spendet pro Monat einen halben Liter Blut“, steuerte Din bei. „Also, ich wei? ja nicht, wie viel Blut eine Person im Jahr spenden kann, aber zw?lf Mal ein halber Liter klingt schon nach einer Menge Blut – aber eine nette Idee, Liebes. Vielleicht w?ren ein paar Mitglieder unserer gesamten Sippe bereit, ab und zu Blut zu spenden, euer Vater ist in der Gegend ja recht beliebt …“ „Wir k?nnten anbieten, all das Blut von Leuten zu kaufen, die sterben“, schlug Den vor. „Ich glaube, mein Lieber, du musst das Blut aus dem K?rper herausbekommen, bevor derjenige stirbt, ansonsten schl?gt ja das Herz nicht mehr und kann es auch nicht mehr herauspumpen.“ „K?nnten wir sie nicht an den F??en aufh?ngen und ihnen einen Zapfhahn in den Hals stecken … oder in ihr Herz … oder beides?“ „Aber sicher, wenn also die alte Mama von jemandem im Sterben liegt und alle deswegen weinen, ist dein Vorschlag, dass wir dorthin rennen, noch bevor sie kalt ist und fragen, ob wir sie an den F??en aufh?ngen und ihr Blut in einen Eimer flie?en lassen d?rfen, damit dein Vater es sp?ter trinken kann, richtig? Das kommt bestimmt sehr gut an, ja.“ „Wir k?nnten anbieten, schon vorher etwas abzusaugen …“ „Denk nicht mal an so etwas Widerliches und Dummes!“ „Was ist mit Babys … naja, eher nicht, oder?“, meinte Den und verfiel in Schweigen, da man bisher all seine Vorschl?ge abgewiesen hatte. „Also, fassen wir mal zusammen: erstens, Blut von Familienmitgliedern sammeln und zweitens, eine Mischung aus Tierblut fabrizieren, wobei wir von keiner Idee wissen, ob sie funktioniert. Sonst noch was?“ „Wir k?nnten … nein, eher nicht”, sagte Den. „Sag schon, spuck’s aus, dumm oder nicht“, sagte seine Mutter. „Wir sind verzweifelt und m?ssen jede M?glichkeit pr?fen.“ „Naja, ich k?nnte Moslem werden … dann k?nnte ich vier Frauen nehmen und damit h?tten wir vier Blutspender mehr … und wenn von denen, sagen wir mal, jede vier Kinder hat, dann sind das nochmal sechzehn Spender mehr und…“ „Fein, Den. Danke! Jetzt w?nsche ich mir, ich h?tte nicht gefragt … als n?chstes schl?gst du vielleicht vor, dass deine Schwester anschaffen geht und einen Liter pro Nummer verlangt!“ Din lief bei dem Gedanken puterrot an und war schockiert, dass ihre Mutter das sogar ausgesprochen hatte, aber Den nickte gedankenverloren, bis Wan ihm einen Tritt versetzte. „Soweit ich das sehe gibt es noch zwei Probleme, die wir noch gar nicht bedacht haben“, sagte Din. „Tante Da hat gesagt, dass Papa mit unserem Plan einverstanden sein muss, weil er das Zeug trinken soll und au?erdem brauchen wir etwas f?r morgen.“ „Vielleicht k?nnen wir morgen den Ziegenblut-Milchshake verwenden, weil dein Papa den scheinbar lieber mag als den mit H?hnergeschmack. Aber ja, du hast recht, wir m?ssen uns bald etwas Dauerhaftes einfallen lassen. Wir k?nnen sp?ter Tante fragen. Und was euren Vater angeht: Er wird eben das trinken, was wir ihm geben und dankbar daf?r sein m?ssen, bis er kr?ftig genug ist, seine eigenen Nahrungsbed?rfnisse auf die Reihe zu bekommen. Aber ich bin sicher, er w?re froh, dass ihr euch Gedanken um ihn gemacht habt.“ W?hrend die Drei ein paar Minuten lang ihren eigenen Gedanken nachhingen, ‚erwachte‘ Da. „Habt ihr es geschafft, neue Ideen zu entwickeln oder sollte ich besser L?sungen sagen?“ „Nein, Tante“, gab Wan zu. „Den hatte ein paar einfallsreiche Vorschl?ge, aber die waren nicht wirklich umsetzbar. Leider stecken wir immer noch bei denselben Ideen fest, die du vor ein paar Stunden gemacht hast.“ „Ja, ich dachte mir schon, dass du das sagst, aber mal ganz ehrlich, es gibt keine einfache L?sung f?r das Problem. Bei meinen Meditationen kam auch nichts heraus, aber es ist schon sp?ter Nachmittag und ich bin m?de. K?nnte eines von euch Kindern mich heimbringen und wir ?berschlafen das Ganze?“ Sie warteten mit dem Essen auf Dens R?ckkehr, dann k?mmerten sie sich um die Tiere, duschten einer nach dem anderen und verbrachten die letzten Augenblicke des Tages zusammen, bevor sie fr?h zu Bett gingen, denn sie waren alle emotional ersch?pft. In Wahrheit wollte jedoch keiner von ihnen alleine zu dem Vampir nach oben gehen, also gingen sie lieber alle zusammen. Wan wollte sich nicht einmal neben ihn legen, aber sie f?hlte sich dazu verpflichtet. Also ging sie als ?lteste mit einer Kerze in der Hand vorneweg und die Kinder versteckten sich zitternd hinter ihr. Sie blieben am Ehebett stehen und starrten. Heng sa? kerzengerade im Bett und seine blasse Hautfarbe zusammen mit den korallenroten Augen leuchteten in der Dunkelheit. „Guten Abend, Familie!”, sprach er mit tiefer rauer Stimme. Alle drei legten sich jeweils in ihr Bett, aber sie konnten die Augen nicht von Heng abwenden, der einfach nur reglos vor sich hinstarrte. 1 3 PEE POB HENG Nachdem sie endlich vor Ersch?pfung eingeschlafen waren und in der Fr?h aufwachten, war Heng komplett von Decken verh?llt und hatte ein Kissen ?ber dem Kopf. Sie standen auf, liefen rasch an seinem Bett vorbei und so schnell wie m?glich nach unten. „Mensch, Mama, hast du gestern Papa gesehen?“, fragte Den. „Seine Augen und die blasse Haut haben im Zimmer geleuchtet, aber eigentlich waren es seine Augen, oder? Die Pupillen waren doch immer schwarz mit wei?er Bindehaut wie bei uns, aber jetzt sind sie rot mit rosa Bindehaut … Das ist doch bestimmt wegen dem ganzen Blut.“ „Ich wei? es nicht, mein Lieber, aber ich nehme an, du hast recht. Hole lieber noch mehr davon und nimm deine Schwester mit, sie soll noch Milch bringen. Hast du dir gemerkt, wie die Tante das Blut abgenommen hat?“ „Ja, Mama, aber ich nehme es von einem anderen Ziegenbock, damit die Wunde von dem Bock gestern heilen kann.“ „Ja, gute Idee, Den. Nimm jeden Tag einen anderen Bock f?r das Blut und Din kann wie immer das normale Melken ?bernehmen. Aber vorl?ufig ist die ganze Ziegenmilch f?r deinen Vater, ja? Er braucht sie viel n?tiger als wir und wir wollen ja nicht, dass er mitten in der Nacht Hunger bekommt.“ „Nein, Mama, wirklich nicht! Ich habe gestern Nacht ewig nicht einschlafen k?nnen. Ich war starr vor Angst, dass Papa anfangen k?nnte herumzuwandern um vielleicht nach etwas zu suchen, was er essen k?nnte – oder nach jemandem.“ „Jetzt zerbrich dir mal im Moment nicht den Kopf wegen solcher Sachen, Den. Ich bin n?her bei ihm, also wird er sich zuerst mich vornehmen, aber wenn du eine verschrumpelte, blutlose Hauth?lle in seinem Bett entdeckst, dann zieh aus. Das Gleiche gilt, wenn du eines Morgens siehst, dass dich vier rote Augen unter unserem Moskitonetz anstarren.“ „Da kannst du drauf wetten, Mama! Ich geh jetzt und hole sofort das Blut. Wo ist Din?“ „Ich wei? nicht, vielleicht hat sie schon mit der Milch angefangen. Mach deine Arbeit und ich fahre mit dem Roller zu Tante Da – ich glaube, dass wir immer noch etwas Hilfe mit deinem Vater brauchen. Du und deine Schwester wartet, bis ich zur?ck bin, bevor ihr zu ihm hinaufgeht, ja?“ „Ja, Mama, das brauchst du mir nicht zweimal zu sagen, aber was machen wir, wenn er herunterkommt?“ „Ich glaube nicht, dass er das tut … er hat fest geschlafen, als wir aufgestanden sind, aber es dauert ja nicht lange, bis wir wieder da sind. Falls er doch aufsteht, dann lasst euch von ihm keinen Guten-Morgen-Kuss geben.“ Zehn Minuten sp?ter kam Wan mit Da zur?ck, die auf ihrem Tisch gesessen und auf den unausweichlichen Besuch eines Mitglieds des Heng-Haushalts gewartet hatte. Bei ihrer R?ckkehr war Heng noch nicht heruntergekommen, Din hatte die Milch beschafft und Den war fast fertig. „Gut“, meinte Da, „erstmal empfehle ich halb und halb Ziegenmilch und Blut mit einem Teel?ffel Basilikum, einem halben Teel?ffel Koriander und einer Prise von diesem hier. R?hrt alles gut um und fertig ist der Shake. Gebt ihm in der Fr?h einen halben Liter und dasselbe vor dem Schlafengehen. Das sollte vorl?ufig reichen. Oh ja, gebt ihm niemals Knoblauch, das ist ganz schlecht f?r Vampire! Jetzt gehen wir mal nach oben und sehen nach ihm.“ „Bevor wir hinaufgehen, Tante, muss ich dir noch erz?hlen, dass er in der gestrigen Nacht die meiste Zeit kerzengerade im Bett sa?. Er sah aus wie ein Leuchtturm mit leichenblasser Haut und rosa Augen mit roten Pupillen. Oh je, und wie er mit uns geredet hat! Oh, Buddha! So etwas habe ich noch nie geh?rt. Er hat gesagt ‚Guten Abend, Familie‘ mit einer ganz seltsamen, tiefen Stimme … es war wirklich gruselig.“ „Nimm das jetzt nicht so wichtig … Gehen wir und sehen wir mal nach ihm.“ Sie gingen mit der Milchshake-Flasche nach oben und betraten das Zimmer. Alle Fensterl?den waren geschlossen und es herrschte tiefe Dunkelheit. Wan ging nochmal hinaus und nahm eine Kerze aus dem Kerzenhalter, z?ndete sie mit einem Feuerzeug an, das daneben an einer Schnur hing und ging wieder hinein zu Da, die n?her ans Bett getreten war, in dem Heng schlief. Das Kerzenlicht enth?llte nichts Neues, daher banden die Frauen das Moskitonetz nach oben und setzten sich jeweils an eine Bettseite. Wan zog die Decken zur?ck und da war er: Er lag er auf dem R?cken, die Arme weit ausgebreitet wie Jesus am Kreuz, die offenen Augen wie zwei tiefrote Kreise in rosa Mandeln in einer geisterhaften ausdruckslosen Maske mit Lippen, die zwei d?nne Striche um seinen Mund bildeten. Wan sah Da fragend an, die ihren Patienten studierte. Sie legte ihm den Handr?cken auf die Stirn und war nicht ?berrascht, dass sie Zimmertemperatur hatte. „Wie geht es dir heute, Heng?“, fragte seine Frau. „Hungrig … nicht durstig“, sagte er und die Worte fielen ihm aus dem Mund wie Ger?ll, das bei einem Felsrutsch den Berg herunterpoltert. „Gut, mein Lieber, setz dich auf jetzt. Wir haben einen feinen Milchshake f?r dich.“ Die Frauen r?ckten ihm die Kissen zurecht, halfen ihm sich aufzusetzen und legten ihm dann eine Decke um. „Trink das“, sagte Wan. „Es ist der Geschmack, den du gestern am liebsten gemocht hast.“ Da goss etwas in einen Becher und steckte einen Strohhalm hinein. Heng trank zwei Gl?ser der rosafarbenen Fl?ssigkeit mit dem gr?nen Kr?uterschaum und schien aufzuleben. Er setzte sich gerade hin und blickte um sich, als ob er alles zum ersten Mal s?he. „Das schmeckt dir, Heng, ja?“, fragte Da. „Wie ich sehe, bist du jetzt viel munterer als bei unserer Ankunft. Meinst du, du kannst heute nach unten kommen? Die Sonne tut dir vielleicht gut … Du siehst etwas blass aus … Du bist es nicht gew?hnt, drinnen zu sein.“ Heng sah sie an, als ob er eine Fremdsprache h?rte, dann blickte er auf seine Frau. „Musst du auf die Toilette, Heng? Du warst schon ziemlich lange nicht mehr, ist unten herum alles in Ordnung? Willst du jetzt auf die Toilette oder soll ich dir einen Eimer hochbringen?“ „Ja, gute Idee, ich will unten auf die Toilette, aber erst noch mehr Milchshake.“ Da keine der Frauen wusste, wie viel er trinken sollte, gaben sie ihm so viel er wollte und Heng trank einen ganzen Liter. Da setzte sich zur?ck und sah zu, wie Wan ihm half, sich anzuziehen. Als der Milchshake seine Wirkung entfaltete, wurde Heng lebhafter. „Komm, mein Lieber, jetzt helfe dir, dich fertig anzuziehen, dann gehen wir hinunter.“ Jede Frau nahm einen Arm und sie halfen dem zitternden Mann auf die Beine. Er ?hnelte einem Fahrrad mit eiernden Reifen. Als sie mit ihm drau?en auf dem Treppenabsatz standen, zuckte er im hellem Tageslicht etwas zusammen, aber das h?tte wohl jeder getan, der eineinhalb Tage in einem dunklen Zimmer gelegen war. Den und Din sahen zu, als ihr Vater, unterst?tzt von der Tante und seiner Frau, wie ein Alkoholiker die Treppe hinunterschwankte. Sie waren entsetzt, wie gebrechlich und ver?ndert er aussah. Heng war immer schon d?nn gewesen, aber jetzt war er hager, schneewei? und seine Augen ?hnelten zwei rote Mandeln. Sie machten Platz, als er sich zu einer Atempause auf den Tisch kauerte. „Den, hast du noch die alte Sonnenbrille? Ich glaube, dein Vater braucht sie heute, seine Augen sind ein bisschen empfindlich.“ Da sagte: „Wan, schaffst du es alleine, Heng auf die Toilette zu bringen oder soll dir Den helfen?“ „Nein, ich glaube es geht schon.“ Sie f?hrte ihn weg, dabei benutzte Heng seine freie Hand, um die Augen abzuschirmen. Als sie ihm eine Viertelstunde sp?ter wieder auf den Tisch halfen, schien er von der Anstrengung ersch?pft zu sein. „Din, lauf doch bitte nach oben und hole ein Betttuch und ein paar Kissen. Dein Vater wird sich heute hier unten ausruhen, damit er ein bisschen an der frischen Luft und in der Sonne ist. Er war noch nie in seinem Leben so lange drinnen, das ist sein K?rper nicht gew?hnt. Schau nur, in welchem Zustand er ist …“ W?hrend der ganzen Zeit sah Heng von einer Sprecherin zur anderen, aber er schien die Unterhaltung nicht zu verstehen. Sie machten es ihm mit dem Bettzeug bequem und Den fand die pechschwarze Sonnenbrille mit den verspiegelten Gl?sern, auf die er vor zehn Jahren, als sie in Mode war, so stolz gewesen war. Das Ergebnis war, dass Heng mit Sonnenbrille und eingeh?llt in ein wei?es Betttuch einem schr?gen Vogel ?hnelte, den man an eine Dachst?tze gelehnt hatte. „Gut, Kinder, ich glaube ihr geht besser und bereitet mehr Milchshake f?r euren Vater zu. Heute hat er scheinbar gro?en Hunger und das ist ein gutes Zeichen. Das hei?t, dass wir etwas richtigmachen! Du f?hlst dich heute viel besser, nicht wahr, Paw?“ Sie warteten alle auf seine Reaktion und dann nickte er, wobei er auf eindrucksvolle Weise einer Eule ?hnelte. Den und Din liefen kichernd davon, sie fanden es schwierig, in dem Wesen, das da auf dem Tisch sa?, ihren Vater vor 24 Stunden zu erkennen. „Meinst du, dass ich Heng heute Abend etwas zu essen kochen soll, Tante Da?“ „Es wird ihm nichts schaden, wenn er etwas isst, aber es ist kein Ersatz f?r die Milchmischung.“ „Heng, willst du sp?ter mit uns essen?“ Heng legte seinen Kopf von einer Seite auf die andere und starrte seine Frau an. „Was kochst du heute Abend, Wan?“, fragte Da. „Huhn oder Schwein … was er m?chte.“ Heng blickte weiterhin von einer Sprecherin zur anderen wie jemand in einem Land, dessen Sprache er nicht verstand. „Warum fragst du ihn nicht? Er ist ja nicht dumm geworden, wenigstens glaube ich es nicht.“ „Was m?chtest du heute Abend essen, Heng? Schwein oder Huhn?“ Er sah sie ein paar Sekunden an und dann sagte er: „Kind …“ „Aha, und welches? Ach Heng, du kannst doch nicht die Kinder essen … das w?re v?llig daneben.“ „Nicht unsere Kinder … Ziegenkinder … Wir haben ein paar, oder?“, meinte Heng. „Ja, wir haben noch ein paar, aber ich dachte, dass wir die behalten und die Herde vergr??ern.“ „Nur ein Kind.“ „Na ja, also gut, Heng, weil du krank bist, mache ich dir heute Abend Zicklein-Kotelett und der Rest von uns bekommt Schwein.“ „Ich will meines blutig vom Grill, nicht als Curry, Wan. Ich habe so einen Appetit auf Fleisch, richtig rotes Fleisch.“ Die Kinder waren ?u?erst erleichtert, dass ihr Vater bis jetzt noch keine Absicht zeigte, sie zu essen. Als es so aussah, als sei Heng in Erwartung des Abendessens eingeschlafen, fragte Den seine Mutter, ob sie glaubte, dass er sie eines Tages aufessen wollte. „Oh, ich glaube nicht, Den. Nicht, wenn wir geben, worauf er Appetit hat, obwohl wir noch nicht wissen, was das ist. Tante Da, was h?ltst du von Hengs Zustand?“ „Ich denke, das Ganze ist sehr interessant … in der Tat ?u?erst interessant. Wie ihr ja gesehen habt, war Heng gestern praktisch an der Schwelle des Todes, aber jetzt wird er st?ndlich aktiver, obwohl er scheinbar nicht mehr der Heng ist, den wir alle kennen und so gernhaben. Wir m?ssen sehen, was aus diesem neuen Heng wird, vielleicht bekommen wir den alten Heng zur?ck, wenn er sich an seine neue Di?t gew?hnt und sich davon erholt hat, dass kein richtiges Blut mehr in seinem K?rper war. Ich habe vielleicht etwas mehr Ahnung als du, aber ich gebe zu, das hier ist Neuland f?r mich. Ich muss zus?tzlich zu einigen Vorschl?gen meiner Geisterfreunde improvisieren, obwohl einer meinte, es w?re gn?diger ihn einfach umzubringen, damit er ein neues Leben anfangen kann. Was h?ltst du von diesem Vorschlag, Wan?“ „?h, um ehrlich zu sein, ich glaube, das w?re doch eine etwas drastische Ma?nahme, meinst du nicht auch, Tante Da?“ „Doch, das finde ich auch, deswegen habe ich es auch nicht vorgeschlagen, aber es ist immerhin eine Option, wenn alles au?er Kontrolle ger?t.“ Heng schien w?hrend des Gespr?chs zwar zu schlafen, aber vergewissert hatten sich die Frauen nicht. „Glaubst du, dass er leidet, Tante Da?“ „Er scheint doch ganz friedlich zu sein, oder? Er spricht jetzt wieder und hat nicht ?ber Unwohlsein geklagt. Ich w?rde mir an deiner Stelle nicht so viele Sorgen um seine k?rperliche Verfassung machen, aber du kennst ihn besser als alle anderen. Achte also auf irgendwelche Anzeichen geistiger Ver?nderung und gib mir Bescheid, damit wir das bereden k?nnen.“ „Gut, Tante Da, mache ich. H?r zu, wenn du andere Dinge zu tun hast, dann lass dich von uns nicht aufhalten. Die Kinder sind gro?artig – sie haben alle Hausarbeiten ?bernommen, damit ich bei Heng sitzen kann, aber wenn du willst, dass man dich heimbringt, l?sst sich das machen. Wir sind dir alle sehr dankbar f?r deine Hilfe. Ohne dich w?re Heng gestorben, das wissen wir genau. Wenn es jemals etwas gibt, was wir f?r dich tun k?nnen, dann brauchst du es nur zu sagen.“ „Ja, danke, Wan, vielleicht gehe ich jetzt ein paar Stunden nach Hause, aber ich m?chte sehen, wie Heng sein Zicklein isst. Es w?re also sehr gut, wenn ich heute Abend mit euch Schwein essen k?nnte. Mach dir wegen der Bezahlung vorl?ufig keine Gedanken. Heng ist mein Lieblingsneffe und ich m?chte nicht, dass ihm etwas zust??t, wenn es in meiner Macht steht, es zu verhindern. Ich kann zu Fu? heimgehen und auch wieder herkommen … Um wie viel Uhr gibt es Essen, was meinst du?“ „Zwischen sieben und halb acht, wie immer. Du bist herzlich eingeladen.“ „Gut, ich bin dann mal weg, wir sehen uns gegen sieben. Bis dann.“ „Wiedersehen, Tante Da und nochmal danke f?r all deine Hilfe.“ Als Da weg war, ?berfiel Wan ein seltsames Gef?hl, mit ihrem Mann allein zu sein. Es war das erste Mal, seit Heng ‚krank‘ geworden war, Den hatte die Ziegen an den Fluss gef?hrt und Din k?mmerte sich um das Gem?sebeet der Familie. Wan musste Den noch sagen, dass er eines der Zicklein schlachten sollte, die mit ihren M?ttern in der Herde mitliefen, aber sie wagte es nicht, Heng alleine zu lassen. Din war die einzige, die gehen konnte, daher hoffte sie, dass sie bald zum Mittagessen zur?ckk?me. Normalerweise tat sie das, Wan war also ganz zuversichtlich, dass Heng sein Zicklein-Kotelett bekommen w?rde. Sie versuchte, mit ihm zu reden und da sonst niemand da war um mitzuh?ren, benutzte sie Kosenamen. „Heng, Schatz, bist du wach, mein Lieber? Wir alle … haben uns solche Sorgen gemacht … bitte antworte mir, wenn du mich h?ren kannst.“ „Nat?rlich kann ich dich h?ren, wenn ich wach bin, aber ab und zu d?se ich ein, Mud“, sagte er mit seiner neuen, leisen und grollenden Stimme. „Ich vermute, dass ich ein paar Sachen verpasst habe. Insgesamt f?hle ich mich viel besser, wenn auch ein bisschen komisch. Ich freue mich aber auf das Abendessen. Wie viel Uhr ist es jetzt?“ „Viertel vor zw?lf und bald gibt es ein kleines Mittagessen, magst du auch was?“ „Was gibt es denn?“ „Ach, einen Salat …“ „B?h, Kaninchenfutter!“ „Aber gr?ner Salat hat dir immer so geschmeckt, Heng …“ „Wirklich? Kann ich mir nicht vorstellen. Ich erinnere mich auch nicht, dass mir das jemals geschmeckt hat.“ „Wie steht’s mit einem Omelett?“ „Ja, das klingt besser. Kannst du etwas Milchshake dazugeben?“ „Nat?rlich, mein Lieber, warum nicht, ich nehme etwas von dem, den ich sp?ter f?r das Abendessen vorbereitet habe. Geben wir Din noch eine halbe Stunde und schauen, ob sie zur?ckkommt. Sie muss Den Bescheid sagen, dass er eines der Zicklein f?r dich schlachtet.“ Nach dem Mittagessen brachte Din ihrem Bruder ein paar Messer, einen Beutel f?r das Fleisch und einen Beh?lter f?r das Blut, damit er seine grausige Tat vollbringen konnte, dann ging sie zur?ck zum Gem?sebeet. „Das Omelett hat dir scheinbar geschmeckt, Heng, oder?“ „Ja, es war sehr gesund, sehr gehaltvoll, viel Protein.“ Wan wich Heng den ganzen Nachmittag nicht von der Seite, sie schnitt Gem?se klein und bereitete Naam Prik Chili-Sauce zu. Heng sprach jedoch kein einziges Wort mehr. Er hielt offenbar einen Mittagsschlaf oder vielleicht auch ein nachmitt?gliches Genesungs-Nickerchen nach der ersten festen Nahrung seit zwei Tagen. Din kam am sp?ten Nachmittag als Erste zur?ck mit einem Korb voll Gem?se und Kr?utern f?r die n?chsten 24 Stunden. Nur wenig sp?ter traf Den ein und gab seiner Mutter einen Beutel mit sauber geschlachtetem Fleisch und einen Beh?lter voll Blut von der toten Ziege. „Ich gehe nur schnell und reibe Salz auf die Haut, Mama. Ich habe sie schon abgeschabt, so wie Papa es mir gezeigt hat. In zwanzig Minuten bin ich wieder da.“ „Kein Grund zur Eile, wir haben viel Zeit. Vergiss nicht, dich nach der ganzen Ziegenschlachterei zu duschen, bevor du dich auf den Tisch setzt.“ „Ja, Mama …“ „Hmm, Milchshake, ich rieche feinen Milchshake …“ Heng regte sich und murmelte vor sich hin. „Ja, Heng, Milchshake … Mud macht dir sp?ter Milchshake, aber zuerst essen wir zu Abend, sobald deine Tante kommt.“ Wan wisperte Din zu: „Ich glaube, er kann das Ziegenblut oder das Fleisch riechen. Schau mal, wie seine Nase zuckt, wie bei einer Hexe. Wer h?tte vor einer Woche geglaubt, dass wir mal so leben w?rden?“ Wan gab das ?bersch?ssige Fleisch in die Gefriertruhe, dann legte sie Hengs Fleischportion in ausreichende Entfernung, damit ihn der Blutgeruch nicht reizte und ging weiter ihren Hausarbeiten nach. Heng schlief wieder ein wie ein Aufziehspielzeug, das abgelaufen war. Um Viertel vor sieben holte Wan das gehackte Gem?se zum Abtropfen aus dem Wasser, machte ein offenes Feuer in einem Beh?lter, den man auf einem alten Betonblock auf dem Tisch zum Kochen benutzte und gab noch ein paar Kohlest?cke dazu. Heute Abend gab es das Lieblingsessen der Kinder – gegrilltes Schwein. Die Vorrichtung zum Grillen war einfach, aber effektiv. Man nahm eine Metall-‚Sch?ssel‘, die an eine altmodische Orangenpresse erinnerte. In der Mulde befand sich Wasser, um das Gem?se und Reisnudeln zu kochen, der obere Teil war dazu gedacht, Fleisch zu grillen. Faktisch bereitete jeder sein eigenes Essen zu und f?llte die Mulde f?r alle anderen wieder auf, damit es trotzdem eine gemeinsame Mahlzeit blieb. Als Da, wie es sich geh?rte, nicht zu fr?h kam, sondern um zehn nach sieben, schickte Wan Din zum K?hlschrank, der unter dem Haus stand, um das Fleisch zu holen. Als sie noch etwa zehn Meter vom Tisch entfernt war, wurde Heng wieder ‚lebendig‘, seine Nase zuckte. „Hmm, Milchshake!“ „Nein Heng, Milchshake sp?ter, jetzt gibt’s Ziegenkotelett.“ „Mmm, Kotelett vom Zicklein, herrlich, blutig…“ Da war fasziniert und merkte sich alles. Als Wan das Fleisch auf den Grill legte, nahm Heng die Sonnenbrille ab, um im schnell abnehmenden Tageslicht besser sehen zu k?nnen. Seine Augen gl?hten wie leuchtend rotes Signalfeuer und die Kinder schauderten vor Angst und Unverst?ndnis. Alle waren der Meinung, dass das k?chelnde Gem?se und das bratende Fleisch herrlich rochen, aber Heng ergriff das Wort zuerst. „Zicklein riecht jetzt k?stlich! Nicht das Blut verbrennen. Heng will sein Fleisch blutig … kein Gem?se, riecht furchtbar.“ „Ja, Heng, ich wei?, blutig, aber nicht roh. Es ist noch roh, es braucht noch ein paar Minuten.“ „Nein, Mud, ich will so essen. Es riecht jetzt so gut, aber jede Minute wird der Geruch weniger. Ich will meines jetzt.“ „Also gut, Heng, wie du willst. Magst du etwas Gem?se zu deinen Koteletts oder ein paar Nudeln?“ „Nein, nur Fleisch, will Ziege, kein Kaninchenfutter.“ Wan nahm die beiden Koteletts vom Feuer, gab eines auf den Teller reichte ihn Heng. „Hier, Paw, aber ich finde es immer noch schrecklich blutig. Du wolltest dein Fleisch immer gut durchgegart, so wie wir.“ Heng nahm den Teller und hielt ihn unter seine Nase, die wie bei einem Kaninchen zuckte und schn?ffelte. Dann stellte er den Teller auf seinen Scho?, nahm das kleine Kotelett in beide H?nde und hielt es sich wieder unter die Nase. „Wunderbar”, sagte er. „Etwas zu viel gegrillt, aber sehr fein.“ Heng bemerkte nicht, dass seine Bewegungen von allen genau beobachtet wurden. Er biss ein winziges St?ck Fleisch ab und kaute es mit den Schneidez?hnen. Wan zumindest hatte erwartet, dass er das ganze Fleisch auf einmal abbei?en w?rde. Dann nahm er das Kotelett in eine Hand und zupfte mit der anderen Hand winzige Fleischst?ckchen ab. Als er ein wenig von dem blutigen Inneren freigelegt hatte, hielt er es an die Lippen und saugte. Seine Familie sah sich v?llig verbl?fft an, als er mit seinen roten und rosa Augen wie ein Habicht das Fleisch be?ugte. „Stimmt etwas nicht?“, fragte er seine Frau, wobei er seinen Kopf in einer schnellen Bewegung zur Seite neigte. „Nein, Heng, alles klar. Es ist sch?n zu sehen, dass du feste Nahrung zu dir nimmst, das ist alles. Wir freuen uns einfach f?r dich, nicht wahr?“ „Ja“, stimmten alle sofort zu, aber Da hatte Vorbehalte, obwohl sie momentan nicht vorhatte, sie mit jemandem zu teilen. „Gut! Dann ist alles in Ordnung“, sagte Heng und zupfte mit offensichtlichem Vergn?gen weiter an seinem Fleisch. Heng brauchte eine ganze halbe Stunde, um das etwa 36 Quadratzentimeter gro?e Fleischst?ckchen zu essen, dann nahm er sich den Knochen vor, den er s?uberlich abzupfte und trockensaugte. F?r alle anderen war es fast unm?glich, sich auf das eigene Essen zu konzentrieren. Das f?hrte dazu, dass in der Mulde des ‚Grill‘-Beh?lters das Wasser verdampfte und das Fleisch ein paar Mal anbrannte. Ihre Mahlzeit war also beinahe ruiniert, obwohl sie sie trotzdem a?en, weil man Essen nicht verschwendete. Als er sein erstes Kotelett verzehrt hatte, wischte sich Heng mit dem Handr?cken den Mund ab, dann leckte und saugte er ihn trocken. Ein Au?enstehender h?tte meinen k?nnen, dass Heng gerade aus jahrelanger Einzelhaft in einem Konzentrationslager entlassen worden war, wo er nur Wasser und Brot bekommen hatte. Niemand aus der Familie hatte jemals einen Menschen gesehen, dem ganz offensichtlich das Essen so gut schmeckte. „Magst du jetzt das andere St?ck, Paw?“, fragte Din. Heng ergriff das Laken um seine Schultern, sch?ttelte es zurecht und versuchte, es sich bequemer zu machen. Den rettete den Teller von seinem Scho?, bevor er herunterfiel. „Warten wir, bis das verdaut ist“, sagte Heng, „und dann mehr essen. Sehr gutes Essen. Heng sehr gut schmeckt.“ Den sah seine Mutter an und sie wusste, was er meinte. Heng benutzte eine Art Kauderwelsch-Thai, niemand hatte ihn je zuvor so falsch reden h?ren, obwohl sein Thai noch nie perfekt gewesen war, weil er chinesische Eltern hatte. Gerade als alle anfingen, sich wieder ihrem eigenen Essen zu widmen und Heng still dasa?, ert?nte eine Art dumpfes Rumpeln aus seiner Richtung. Alle wussten, was passiert war, aber aus H?flichkeit taten sie so, als h?tten sie es nicht geh?rt. Dann h?rte man das n?chste Gegurgel zusammen mit einem grauenhaften Gestank. Nur Wan und Da wagten es, Heng anzusehen, der unter seinen dunklen Brillengl?sern breit grinste. Den begann zu kichern. Zuerst leise, aber dann konnte er sich nicht mehr zur?ckhalten und gleich darauf hatte er Din mit seinem Gel?chter angesteckt. „Ruhe, Kinder! Euer Vater kann nichts daf?r. Er ist krank“, sagte Wan „Die feste Nahrung muss einfach durch ihn hindurch gerutscht sein.“ Trotzdem konnten sich Den und Din nicht beherrschen. Heng sa? einfach da und hatte ein zufriedenes Grinsen auf dem Gesicht. Als der Gestank nach ein paar Minuten immer noch nicht nachgelassen hatte, sagte Wan zu Den: „Hilf deinem Vater auf die Toilette, Den, damit er sich saubermachen kann. Wenn es ein Problem gibt, ruf einfach, dann komme ich und helfe ihm. Heng, gib deine Unterhose in den W?schekorb, ich k?mmere mich morgen darum.“ Als sie weg waren, sagte Wan: „Oh je! Du lieber Himmel, was h?ltst du davon, Tante Da?“ „Seltsam, nicht wahr? Aber das Verhalten von Heng erinnert mich an einen Vogel. Ich kann es noch nicht genau erkl?ren, aber denke an die Art, wie er gekr?mmt dagehockt ist, wie er gegessen und gleich danach gekackt hat … das machen V?gel – ich glaube, viele andere Tiere auch, aber schau dir mal deine H?hner im Hof an. Ich kann mir nicht helfen, es sah aus als ob er mit seinem Tuch und der Brille auf einer Stange hockte, nachdem er das Kotelett gegessen hat.“ „Denkst du etwa, dass er jetzt inkontinent ist? Ich mache mir ein bisschen Sorgen um unser Bett … wir haben erst vor einigen Wochen eine neue Matratze gekauft … Es w?re wirklich schade darum. Meinst du es ist in Ordnung, wenn wir ihn in der Scheune schlafen lassen, bis wir sicher sind?“ „Nein, mach dir keine Sorgen! Nicht mal V?gel kacken in ihr eigenes Nest, obwohl du ihm vielleicht eine Windel anziehen solltest, bis wir besser verstehen, was eigentlich Sache ist … Oder Inkontinenzhosen, wenn er so weitermacht, aber um die zu kaufen, musst du in die Stadt fahren.“ Als Heng mit Den zur?ckkam, sah er etwas niedergeschlagen, sogar ein wenig verlegen aus. „Bist du in Ordnung, Heng?“, fragte seine Frau. „Ja, Unfall. Nicht Sorgen machen, kein Problem. Heute nicht mehr. Ich jetzt Bett gehen.“ „Ja, gute Idee. Tante Da, was ist mit seinem Milchshake?“ „Ich glaube, er sollte etwas trinken, bevor er ins Bett geht. Zerbrich dir nicht den Kopf ?ber das neue Bett, er hat es ja vorher auch nicht vollgemacht, also glaube ich nicht, dass er es heute Nacht tut. Aber wenn ich mit ihm zusammenleben w?rde, w?rde ich nicht wollen, dass er mitten in der Nacht aufsteht und nach etwas Essbarem sucht.“ „Nein, da hast du wahrscheinlich recht. Den, setz deinen Vater kurz auf den Tischrand. Din, hol bitte ein Glas Milchshake, ja?“ Als er es hinuntergest?rzt hatte und keine verd?chtigen Ger?usche oder Ger?che folgten, sagte Wan den Kindern, sie sollten ihren Vater ins Bett bringen. „Ich komme bald nach oben und sehe nach, ob alles in Ordnung ist, aber ich glaube, er wird jetzt schlafen. Ja sowas, Tante Da, was f?r ein Theater! Jetzt haben wir einen Vogelmann im Haus! Was meinst du dazu?“ „Ich wei? noch nicht genau, Wan, aber dein Scherz k?nnte der Wahrheit n?herkommen als du denkst. Wir m?ssen abwarten und sehen, was passiert. Schauen wir mal, ob er im Winter als erstes in den S?den ziehen will.“ Wan war sich nicht sicher, ob Da Witze machte oder nicht, also schenkte sie ihr ein halbherziges L?cheln, von dem sie hoffte, es w?re undurchschaubar. Sie wusste aber, dass das bei Tante Da, der Schamanin, nicht funktionierte. Sie war besorgt, aber wer w?re das unter solchen Umst?nden nicht gewesen? Êîíåö îçíàêîìèòåëüíîãî ôðàãìåíòà. Òåêñò ïðåäîñòàâëåí ÎÎÎ «ËèòÐåñ». Ïðî÷èòàéòå ýòó êíèãó öåëèêîì, êóïèâ ïîëíóþ ëåãàëüíóþ âåðñèþ (https://www.litres.ru/pages/biblio_book/?art=65494977&lfrom=688855901) íà ËèòÐåñ. Áåçîïàñíî îïëàòèòü êíèãó ìîæíî áàíêîâñêîé êàðòîé Visa, MasterCard, Maestro, ñî ñ÷åòà ìîáèëüíîãî òåëåôîíà, ñ ïëàòåæíîãî òåðìèíàëà, â ñàëîíå ÌÒÑ èëè Ñâÿçíîé, ÷åðåç PayPal, WebMoney, ßíäåêñ.Äåíüãè, QIWI Êîøåëåê, áîíóñíûìè êàðòàìè èëè äðóãèì óäîáíûì Âàì ñïîñîáîì.
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