×åòûðå âðåìåíè ãîäà.. Òàê äàâíî íàçûâàëèñü èõ âñòðå÷è - Ëåòî - ðîçîâûì áûëî, êëóáíè÷íûì, Äî áåçóìèÿ ÿðêî-áåñïå÷íûì. Îñåíü - ÿáëî÷íîé, êðàñíîðÿáèííîé, Áàáüèì ëåòîì ñïëîøíîãî ñ÷àñòüÿ, À çèìà - ñíåæíî-áåëîé, íåäëèííîé, Ñ âîñõèòèòåëüíîé âüþãîé íåíàñòüÿ.. È âåñíà - íåâîçìîæíî-ìèìîçíîé, ×óäíî ò¸ïëîé è ñàìîé íåæíîé, È íè êàïåëüêè íå ñåðü¸çíîé - Ñóìàñøåä

Lash (Gefallener Engel 1)

Lash (Gefallener Engel 1) L. G. Castillo Die Regeln der Engel waren einfach: Gehorche den Erzengeln, zeige dich nicht vor den Menschen und verliebe dich niemals in einen von ihnen. Lash brach sie alle. Die Regeln der Engel waren einfach: Gehorche den Erzengeln, zeige dich nicht vor den Menschen und verliebe dich niemals in einen von ihnen. Lash brach sie alle. Auf die Erde verbannt, weil er die Erzengel herausforderte, erh?lt Lash eine letzte Chance, Wiedergutmachung zu leisten. Seine Mission ist einfach: Naomi Duran zu besch?tzen, eine faszinierende junge Frau in tiefer Trauer. Die Aufgabe offenbart sich als alles andere als einfach, als die Erzengel ihm wichtige Informationen ?ber Naomi vorenthalten und sich weigern, Lashs Kr?fte wiederherzustellen. Als von unerwarteter Seite her jahrhundertealte Geheimnisse enth?llt werden, ist sein Vertrauen bis ins Innerste ersch?ttert und er beginnt, an denen zu zweifeln, die er einst f?r seine m?chtigsten Verb?ndeten hielt. Entschlossen, alles zu vermeiden, was seine Chance auf eine R?ckkehr nach Hause gef?hrden k?nnte, k?mpft Lash gegen das gr??te Hindernis von allen an: seine wachsenden Gef?hle f?r Naomi. Als aber ihr Leben von einer unbekannten Seite her bedroht wird, zweifelt Lash an der Weisheit der Erzengel und an seiner F?higkeit, sie zu besch?tzen. Bald wird Lash entscheiden m?ssen, worauf er sein Vertrauen setzt: auf sein Zuhause, nachdem er so hart f?r die R?ckkehr dorthin gek?mpft hat, oder auf die verbotene Liebe, deren Verlust er nicht ertragen kann. L.G. Castillo Lash: Gefallener Engel 1 LASH GEFALLENER ENGEL 1 L.G. CASTILLO ?bersetzt von LUISE PAWLING “Lash (Gefallener Engel 1)” Copyright © der Originalausgabe 2013 by L.G. Castillo. Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2019 by L.G. Castillo. Alle Rechte vorbehalten. B?CHER VON L.G. CASTILLO Gefallener Engel Lash (Gefallener Engel 1) (https://smarturl.it/GefallenerEngel1) Nach dem Fall (Gefallener Engel 2) (https://smarturl.it/GefallenerEngel2) Vor dem Fall (Gefallener Engel 3) (https://smarturl.it/GefallenerEngel3) Jeremy (Gefallener Engel 4) (https://smarturl.it/GefallenerEngel4) Der goldene Engel (Gefallener Engel 5) (https://smarturl.it/GefallenerEngel5) Abonnieren Sie den LG Castillo-Newsletter, um benachrichtigt zu werden, wenn das n?chste Buch verf?gbar ist. Jetzt Abonnieren (https://landing.mailerlite.com/webforms/landing/v9w5z6) Englische Ausgabe CONTEMPORARY ROMANCE Stillwater Dusk (https://www.books2read.com/StillwaterDusk) Strong & Wilde (Texas Wild Hearts #1) (https://books2read.com/StrongWildeNovel) Secrets & Surrender (Texas Wild Hearts #2) (https://books2read.com/SecretsSurrenderNovel) Your Gravity (https://books2read.com/YourGravityNovel) PARANORMAL ROMANCE Lash (Broken Angel #1) (https://books2read.com/LASH) After the Fall (Broken Angel #2) (http://books2read.com/AftertheFall) Before the Fall (Broken Angel #3) (https://books2read.com/BeforeTheFall) Jeremy (Broken Angel #4) (https://books2read.com/JeremyBrokenAngel4) Golden Angel (Broken Angel #5) (https://books2read.com/GoldenAngel) Archangel’s Fire (https://books2read.com/ArchangelsFire) www.lgcastillo.com (http://www.lgcastillo.com/) 1 Lash betrachtete eingehend die Anzeige mit den ankommenden Fl?gen. Verwirrt suchten seine haselnussbraunen Augen die Liste der Fl?ge ab, die in Houston Airport landeten und starteten. »1742, 1742…«, murmelte er. Die Buchstaben und Zahlen von Flugnummern und St?dten bl?tterten um, als sich die Ankunftsgates ?nderten. »Verdammt. Wie liest man dieses Ding?« Er fuhr sich ver?rgert mit einer Hand ?ber das dunkle Haar. Ein Seraph sollte in der Lage sein, etwas so Simples wie das Ankunftsgate seines Arbeitsauftrages zu finden. Lash seufzte und warf einen Blick auf die Informationen, die ihm Erzengel Gabrielle, seine direkte Vorgesetzte, gegeben hatte. Wie sein Gl?ck es so wollte, war er dem einen Erzengel unterstellt worden, der seine Misere auskostete. Er traute ihr durchaus zu, ihm absichtlich die falschen Fluginformationen gegeben zu haben, damit er gezwungen war, sich in den letzten Minuten abzuhetzen, um seinen Sch?tzling zu finden. »Javier Duran, acht Jahre alt. Flug 1724, Ankunft 12.05 Uhr«, las er. Er drehte die Karte um und sah auf das Foto des kleinen Jungen mit heller, kaffeefarbener Haut, Pausb?ckchen und gro?en, braunen Augen. »Wo ist dein Flugzeug, Kleiner?« Er blickte erneut auf, als die Nummer 1724 auf der Anzeigetafel erschien. »Endlich.« Er merkte sich die Gatenummer und bahnte sich seinen Weg durch die belebte Menge. »Was? Ich kann dich nicht h?ren!« Eine junge Frau schrie in das M?nztelefon. »Nein, sein Flugzeug ist noch nicht gelandet. Es sollte in wenigen Minuten hier– « Die Frau brach mitten im Satz ab und Lash drehte sich nach ihr um, neugierig zu sehen, was geschehen war. Die Frau blinzelte ihn durch ihre pink-get?nte Brille direkt an. Er zuckte ?berrascht zur?ck. Es war, als k?nnte sie ihn sehen. Die meisten Menschen konnten das nicht, wenn er seine Engelsgestalt annahm – abgesehen von kleinen Kindern oder Tieren, aber selbst das war selten. Wenn Erwachsene einen fl?chtigen Blick auf ihn erhaschten, taten sie ihn h?ufig als ein Gebilde ihrer Fantasie ab. »Anita, qu? pas??«, fragte die Stimme am anderen Ende der Leitung. »Was ist los?« »Warte mal kurz, Gloria.« Anita nahm ihre Brille ab und s?uberte die Gl?ser an ihrer gebl?mten Polyesterbluse. Lash stand bewegungslos und wartete ab, um zu sehen ob sie etwas ?ber seine Anwesenheit sagen w?rde. Anita setzte ihre Brille wieder auf und ihre braunen Augen schossen erneut in seine Richtung. Einen Augenblick sp?ter sch?ttelte sie den Kopf und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Anrufer. »Nicht so wichtig. Ich dachte, ich h?tte was gesehen.« Er atmete aus – sie hatte ihn doch nicht gesehen; zumindest nicht mehr, als den fl?chtigen Schimmer, den andere manchmal zu sehen behaupteten. »Gib mir die Info nochmal. Ich muss das aufschreiben.« Anita kramte in ihrer Handtasche und zog ein St?ck Papier heraus. S??igkeiten- und Kaugummipapier fiel auf den Teppich, zusammen mit einem schwarzen Stift. »Wo ist mein Stift? Ich finde in dieser Tasche ?berhaupt nichts mehr.« »Richte ein Gebet an den heiligen Antonius.« »Gute Idee.« Anita schloss die Augen. »Sankt Antonius, Sankt Antonius. Bitte komm herab. Etwas ist verlorengegangen und kann nicht wiedergefunden werden. Hilf mir, meinen Stift zu finden, damit ich die Infos aufschreiben kann, die Gloria mir diesen Morgen h?tte geben sollen, bevor mein achtj?hriger Sohn ganz allein das Flugzeug bestiegen hat. Und wenn du schon mal dabei bist, kannst du den Herrn bitten, Gloria ihre Vergesslichkeit zu vergeben? Sie muss meinen Exmann ertragen, und Gott allein wei?, wie hilflos dieser Mann ist – besonders, wenn es darum geht, seine Unterw?sche zu waschen.« »Das ist genug gebetet«, fauchte Gloria am anderen Ende der Leitung. Er lachte leise in sich hinein. Es gab keinen heiligen Antonius – zumindest nicht am Flughafen. Er hob den Stift auf und legte ihn auf die Kante der Ablage am M?nztelefon. Anita schauderte. »Dios m?o, mir ist ganz kalt geworden. Sie halten es k?hl hier drinnen. Sie sollten –« Ihre Augen weiteten sich, als sie den Stift sah. »Wie ist der denn hier hingekommen?« Anita drehte sich um und er erstarrte. Sie stand Nasenspitze an Nasenspitze mit ihm – so dicht, dass er ihren Pfefferminz-Atem riechen und einen Lippenstiftfleck auf ihrem Vorderzahn sehen konnte. Sie schloss die Augen und l?chelte. »Gracias, Sankt Antonius. Ich bin gesegnet.« Lash blinzelte verbl?fft. Es war lange her, dass er einem Menschen wie ihr begegnet war. Eine Aura des Friedens umgab die winzige, dunkelhaarige Frau, als ob sie w?sste, dass sie ?ber sie wachten. Er sah zur Uhr und verlie? Anita, die sich weiter mit Gloria unterhielt. Das Flugzeug des Jungen sollte bald landen. W?hrend er durch die Halle eilte, fragte er sich, ob Anitas Sohn sein Auftrag war. Als er das Gate erreichte, sah er aus dem gro?en Fenster hinaus auf die Landebahn, wo das Flugzeug sich h?tte befinden sollen. Stattdessen stand sein bester Freund Jeremy auf dem Rollfeld. Er war tadellos gekleidet, was ihn mehr nach einem Model vom Cover des GQ Magazines aussehen lie?, als nach dem Erzengel des Todes. Sein goldenes Haar, das nach hinten aus dem Gesicht gestrichen war, schimmerte in der texanischen Sonne. Lash fand es ziemlich merkw?rdig, dass ihm sein ?u?eres so wichtig war, wenn man bedachte, dass er selten in seiner menschlichen Form erschien. Die meisten Menschen kannten ihn nur unter seinem Engelsnamen Jeremiel und wenn er ihnen erschien, lag das daran, dass sie im Sterben lagen. Jeremy hatte, wie Lash, vor einigen Jahren entschieden, seinen Namen moderner zu machen. Zu schade, dass er das nicht auch mit seiner Kleidung getan hatte. Verglichen mit Jeremy sah Lash aus wie der ewige Teenage-Rebell, weil er zerrissene Jeans und enganliegende T-Shirts bevorzugte. Lash fragte sich, warum Jeremy beim Pokern letzte Nacht keinen Auftrag in Houston erw?hnt hatte. Zum ersten Mal, seit sie vor Jahrzehnten angefangen hatten zu spielen, hatte Lash gewonnen und sie hatten sich pr?chtig am?siert – Zigarren rauchend und Whisky trinkend. Erst, als Gabrielle aufgetaucht war und Lash den Auftrag ?bergeben hatte, war Jeremy ungew?hnlich still geworden. Er schien au?ergew?hnlich aufgebracht, als er Lash darum bat, einen Schuldschein als Gewinn zu akzeptieren – obwohl Lash sich nicht vorstellen konnte, dass er jemals einen Grund haben sollte, ihn einzul?sen. Gabrielle schien ebenfalls in schlechter Stimmung zu sein. Vielleicht h?tte er noch einmal dar?ber nachdenken sollen, ihr Rauch direkt ins Gesicht zu blasen. Das hatte ihr wahrscheinlich nicht gefallen. Er wollte Jeremy gerade auf der Landebahn Gesellschaft leisten, als Gabrielle in sein Sichtfeld glitt. Sie fl?sterte Jeremy etwas ins Ohr und dessen ewig pr?sentes L?cheln gefrohr. Was auch immer sie ihm erz?hlt hatte, es konnte nichts Gutes gewesen sein. Er folgte Jeremys Blick und blickte zum wolkenlosen Himmel hinauf. Weit entfernt sah er einen winzigen Fleck und wusste instinktiv, dass es Flug 1724 war. Er schaute hin?ber zu Jeremy und fragte sich, ob dessen Auftrag jemanden auf dem gleichen Flug betraf. Jeremy nickte Gabrielle zu und verschwand im selben Moment. Angst grub sich wie eine Faust in Lashs Magen, als Gabrielle ihre Arme in die Luft hob und ihre schlanken H?nde in Kreisen herumwirbeln lie?. Die B?ume am Rand des Flughafens schwankten, als der Wind zunahm und sich dunkle Wolken zu formen begannen. Lash presste seine Handfl?chen gegen die Glasscheibe. Was tat sie da? Er biss die Z?hne zusammen und fragte sich, ob sie ihm seinen Job absichtlich erschwerte. Ihm war aufgetragen worden, ?ber Javier zu wachen und sicherzustellen, dass er heil zu seiner Mutter zur?ckkam. Gabrielle hatte bequemerweise vergessen, ihm zu sagen, dass Javier in echter Gefahr schweben w?rde – oder die Gefahr von Gabrielle selbst ausgehen w?rde. Lash sah zu, w?hrend sie fortfuhr, Wind und Wolken zu manipulieren. »Sieht aus, als ob ein Sturm aufzieht«, sagte eine Frau, die in der Sitzreihe hinter ihm sa?. »Da sieht man mal wieder das texanische Wetter«, sagte der Mann neben ihr. »Im einen Moment der sch?nste Sonnenschein; man blinzelt, und auf einmal ist die H?lle los.« Ein lautes Donnergrollen lie? das Glas unter Lashs H?nden vibrieren. Er trat zur?ck, als ein Schauer von Eisk?rnern auf den Boden trommelte. »Gott sei uns gn?dig.«, sagte die Frau, w?hrend sie eine Hand an ihre Brust presste. »Das war laut.« Sie sah aus dem Fenster. »Ich hoffe, es ist bald vorbei. Ich w?rde nicht gern da oben von diesem Sturm erwischt werden.« Da wusste Lash, weshalb Gabrielle und Jeremy anwesend waren und weshalb er diesen Auftrag erhalten hatte. Nicht alle Passagiere vom Flug 1724 w?rden Houston lebend erreichen. Er schloss die Augen und projizierte sich selbst ins Flugzeug. Als er sie ?ffnete, stand er im Gang neben einem h?bschen M?dchen. Ihr blassblondes Haar war hinter ihre Ohren zur?ckgestrichen und betonte die lebhaften blauen Augen. Sie konnte nicht ?lter als zw?lf sein, aber etwas an ihr lie? sie f?r ihr Alter weise erscheinen. Lash blickte zum Fenster hinaus in den Nebel aus Dunkelheit, der das Flugzeug umgab. Um ihn herum murmelten die Passagiere besorgt, als sie hinaussahen. Sie hatten Angst. Ein schluchzendes Ger?usch vom Sitz hinter dem M?dchen erregte seine Aufmerksamkeit und er trat n?her heran. Auf dem Sitz sa? ein kleiner Junge, dessen F??e kaum den Boden ber?hrten. Javier. »Mutter, er hat Angst«, sagte das kleine M?dchen. »Darf ich mich neben ihn setzen?« Die Frau, eine ?ltere Version des h?bschen M?dchens, nahm nerv?s einen Schluck von ihrem Cocktail.»Nein, es ist jetzt nicht sicher.« Ein Ruck ging durch das Flugzeug und sie lie? ihr Getr?nk zu Boden fallen. Die bernsteinfarbene Fl?ssigkeit spritzte auf ihren wei?en Leinenanzug. Ihr wich alle Farbe aus dem Gesicht, als sie die Armlehne umklammerte. »Oh, mein Gott.« Das M?dchen lehnte sich in den Gang und sah nach hinten zu dem kleinen Jungen, der hinter ihr sa?. »Aber er ist ganz allein.« »Tu, was ich sage, oder ich werde es deinem Vater erz?hlen m?ssen, wenn wir nach Hause kommen!«, fuhr die Frau sie an, w?hrend sie ihre Hose mit einer Serviette abtupfte. »Die Stewardess wird sich um ihn k?mmern.« Lash sah das M?dchen heftig blinzeln und f?hlte ein Ziehen in der Brust, als sie ihre Tr?nen wegwischte. Sie setzte einen entschlossenen Blick auf, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Jungen richtete. »Ist ja okay. Schhhhhh, nicht weinen. Wir werden bald landen«, sagte sie. »Wie hei?t du?« Der kleine Junge sah auf. Braune Augen, die von langen Wimpern eingerahmt wurden, begegneten ihrem Blick. Tr?nen zogen Spuren ?ber seine Pausbacken. »Ja– Javier.« Er schniefte und wischte sich die Nase an der R?ckseite seines Hemds?rmels ab. »Hi, Javier. Ich bin Jane.« Das Flugzeug machte einen Satz nach unten und Javier hob es f?r den Bruchteil einer Sekunde aus dem Sitz, bevor er wieder auf seinen Platz zur?ckfiel. Er schluchzte.. Lash kniete sich neben ihn und sandte eine Welle aus Gelassenheit aus in der Hoffnung, dass der Junge seine Anwesenheit sp?ren konnte. Javier schnaufte, als ob er versuchte, seinen Atem zu beruhigen. Eine blasse Hand streckte sich ihm entgegen. »Alles wird gut, Javier. Mach dir keine Sorgen. Ich werde deine Hand halten, bis wir landen. Okay?« Javier sah Jane an. Seine schwarzen Locken wippten, als er nickte. Lash zerriss es das Herz, als Javier seine Hand ausstreckte und sie in Janes legte. Es war lange her, dass er jemanden so selbstlos hatte handeln sehen. Er sah sich im Flugzeug um in der Erwartung, Jeremy zu sehen. Da er nicht anwesend war, gab es vielleicht noch Hoffnung f?r das kleine M?dchen und die anderen. Das Flugzeug bebte heftig und die Stewardessen liefen die G?nge hinunter, um die Flugg?ste aufzufordern, ihre Sicherheitsgurte anzulegen. Dann eilten sie zu ihren eigenen Sitzen und schnallten sich selbst an. Es gab einen lauten Knall, gefolgt vom Kreischen zerrei?enden Metalls. Schreie erf?llten die Kabine und gelbe Sauerstoffmasken fielen von der Decke. Jane lie? Javiers Hand einen Moment lang los, um ihre Maske aufzusetzen und er begann zu weinen. Lash lehnte sich vor und fl?sterte: »Hab keine Angst. Ich bin f?r dich da.« Javier weinte immer noch laut, als Lash sich ?ber ihn beugte. Er sah hin?ber zu Jane, deren zitternde H?nde die gelbe Maske ?ber ihr Gesicht zogen. Als sie fertig war, beugte sie sich nach hinten und streckte ihre Hand nach Javier aus. »Setz deine Maske auf!«, rief sie. Javier ergriff ihre Hand und sah sie mit verst?ndnislosem Gesichtsausdruck an. Jane blickte ihm direkt in die Augen und zeigte auf das schwebende gelbe St?ck Plastik. »Setz sie auf.« Javier nickte und zog sich die Maske panisch ?bers Gesicht. Ein lautes Krachen ert?nte. Die Schreie erstarben im Ansatz. Javiers Augen weiteten sich und Jane drehte sich um, um zu sehen, was er anstarrte. Sie gab einen hohen Schrei von sich. Rotes und oranges Flackern wurde von Javiers Maske reflektiert und Lash versteifte sich. Hitze prallte auf seinen K?rper. Er drehte sich um, bereit, abzuwehren, was auch immer den Jungen in Gefahr brachte. Sein Magen verkrampfte sich, als eine Woge von Flammen durch den Gang auf sie zurollte. Lashs Schritte hallten im Saal der Gaben wieder, einem riesigen Raum, in dem die Erzengel die Opfergaben ausstellten, die die Menschen dem Himmel ?ber Jahrhunderte hinweg dargebracht hatten. Gem?lde und Skulpturen s?umten die W?nde. Er hielt vor einem Mahagonischrein an und starrte durch das Glas auf eine winzige Figurine, die eine Abbildung von Gabrielle darstellte. Seine hellen Augen verd?sterten sich, w?hrend er sie herausnahm und mit den H?nden ?ber den glatten Stein strich. Er brach den Kopf ab und zerbr?ckelte ihn zwischen seinen Fingern, zermahlte ihn zu Staub. Er stellte den Figurinenk?rper zur?ck auf das Bord und grinste bei der Vorstellung, dass Gabrielle vor Wut aus der Haut fahren w?rde, wenn sie das sah. Er drehte sich um, als das gro?e Eichenportal sich quietschend ?ffnete. Der Erzengel Raphael trat in den Raum und seine ernsten, blauen Augen blieben auf Lash gerichtet, als er n?her kam. »Lahash.« Seine Stimme war schwer vor Entt?uschung. Es war nicht das erste Mal, dass Raphael Lash in die Halle des Gerichts begleitete, dem Ort, wo Engel f?r ihre Vergehen bestraft wurden und wo dar?ber befunden wurde, ob sie w?rdig oder unw?rdig waren im Himmel zu verbleiben. Lash machte sich nie Sorgen, dass er f?r unw?rdig befunden werden k?nnte – Raphael k?mmerte sich immer darum. Nach einem Seitenblick auf die kopflose Figurine sch?rzte Raphael die Lippen, gab aber keinen Kommentar dazu ab. »Michael wird dich empfangen, sobald er damit fertig ist, Gabrielle zu befragen.« »Ich hei?e Lash«, presste er zwischen zusammengebissenen Z?hnen hervor. Er hasste es, mit seinem himmlischen Namen angesprochen zu werden, aber Raphael, der altmodisch in seiner Art war und daran festhielt, Traditionen aufrecht zu erhalten, bestand darauf. Raphael fuhr sich ver?rgert mit einer Hand durch die blonden Wellen seines Haars. Er nahm die Bemerkung nicht zur Kenntnis, aber Lash wusste, dass er sie genau geh?rt hatte. Einige der besonderen Vorz?ge des Engeldaseins waren ein verbessertes Seh- und H?rverm?gen und St?rke – das Fliegen war ein zus?tzlicher Pluspunkt. »Warum hast du es nicht getan, Lash? Gabrielle hat dir genaue Instruktionen erteilt. Alles, was du tun musstest, war, sie zu befolgen.« Was f?r eine Antwort konnte er seinem Mentor geben, demjenigen, der ihn immer verteidigte, wenn er beschloss, seiner eigenen Wege zu gehen? Er w?nschte, er k?nnte Raphael die Wahrheit sagen. Als Gabrielle ihn beauftragt hatte, den Jungen zu retten, war er froh dar?ber gewesen. Jahrelang hatte er Menschen geholfen, die ihr Leben leichtfertig wegwarfen; er hatte gedacht, dass zumindest bei einem Kind immer Hoffnung bestand. Es gab da etwas an Kindern mit ihrer Offenheit und ihren unbefleckten Herzen, das so ganz anders war als die abgebr?hten, selbsts?chtigen Erwachsenen, denen er begegnet war. Den Jungen zu retten, war leicht gewesen; das blondhaarige M?dchen ihrem Schicksal zu ?berlassen war es nicht. »Gabrielle hat einen Fehler gemacht. Sie muss ?bersehen haben, das noch ein anderes Kleines im Flugzeug war, daher dachte ich mir, was k?nnte verkehrt daran sein, sie beide zu retten?« »Es gab keinen Fehler«, sagte Raphael. »Das M?dchen hatte es verdient zu leben.« »Es ist nicht an dir, das zu entscheiden. Das wei?t du.« »Ja, ja, der Boss trifft die Entscheidungen.« Er machte eine abwehrende Handbewegung und setzte sich auf eines der Ledersofas in der Mitte des Saals. Er versuchte, seine Auftr?ge auszuf?hren, aber in letzter Zeit war es schwerer geworden, sie zu akzeptieren – obwohl er wusste, dass Michael und Gabrielle ihre Anweisungen von Gott erhielten. Raphael setzte sich ihm gegen?ber und beugte sich vor. »Lahash, die Menschen liegen dir sehr am Herzen und das macht dich zu einem gro?artigen Seraph. Aber du musst Kontrolle erlernen. Du kannst nicht Entscheidungen treffen, ohne sie zu durchdenken.« »Ich wei?, was ich tue.« Lash lie? sich in das wei?e Leder sinken und lehnte sich zur?ck, die H?nde hinter dem Kopf verschr?nkt. »Ich bin nicht einverstanden mit einigen der Entscheidungen, die hier so getroffen werden.« »Du bist jung. Du wirst noch lernen, dass die Entscheidungen, die wir treffen, auf viel mehr beruhen, als wir sehen k?nnen.« Raphaels Stimme wurde streng. »Jede Handlung hat Konsequenzen, die ber?cksichtigt werden m?ssen.« »Komm schon. Sie ist ein kleines M?dchen.« Er hob die H?nde. »Ich habe ihr eine Chance gegeben, erwachsen zu werden und ihr Leben zu leben. Was kann daran falsch sein?« »Mehr, als du ahnst.« Lashs Gesicht wurde ernst. »Du h?ttest sie sehen sollen, Raphael. Da war eine G?te in ihrem Herzen, die ich schon lange in niemandem mehr gesehen habe.« »Ich bin sicher, dass es so war. Aber du hast kein Wissen dar?ber, was einmal aus ihr wird.« Raphael lehnte sich zur?ck, ein abwesender Blick lag in seinen Augen. »Es gab eine Zeit, in der ich meinem Herzen gefolgt bin. Ich habe es gewagt, Michael und die anderen herauszufordern.« Seine Augen senkten sich und ein trauriger Ausdruck legte sich auf sein Gesicht. »Das habe ich zu einem hohen Preis getan.« Lash hatte diesen Ausdruck schon von Zeit zu Zeit wahrgenommen und sich gefragt, was Raphael erlebt hatte, das ihm einen derart offensichtlichen Kummer bereitete. Er w?nschte, er k?nnte sich an das erste Mal erinnern, als er ihm begegnet war. Aus irgendeinem Grund gab es da eine L?cke in seiner Erinnerung. Alles, woran er sich erinnern konnte, war, dass er eines Morgens aufgewacht war und Raphael an seiner Seite sa?. Als Raphael aufstand und zur T?r schritt, folgte Lash ihm und schlug ihm spielerisch auf die Schulter. »Hey, mach dir keine Sorgen. Ich werde einen Klaps auf die Finger bekommen wie beim letzten Mal.« Raphael sch?ttelte den Kopf. »Eines Tages wird sich deine Aufs?ssigkeit r?chen.« Er grinste. »Nicht heute. Da bin ich mir sicher.« Als sie den Korridor entlanggingen, kam ein hochgewachsener, schlanker Engel auf sie zu. Wellen blonden Haars umrahmten ein finsteres Gesicht. »Michael ist bereit, dich zu empfangen.« Lash grinste. »Bestens, dir auch einen guten Morgen, Gabrielle.« Gabrielle verengte ihre gr?nen, katzenartigen Augen. »Verstehst du die Auswirkungen deines Tuns nicht? Oder sind sie dir einfach egal?« Er wollte gerade antworten, als Raphael sich vor ihn stellte. »Antworte nicht darauf. Gabrielle, ich denke es ist das Beste, dieses Gespr?ch mit Michael zu f?hren. Meinst du nicht?« Ihre Augen wurden sanfter, als sie Raphael ansah. Dann wurden sie kalt. »Diesmal kannst du ihn nicht sch?tzen.« Sie wandte sich an Lash und ihre Augen musterten ihn voller Verachtung. »Wozu versuchst du es ?berhaupt?« Sie machte auf dem Absatz kehrt und ging in Richtung der Halle des Gerichts. An der T?r trat sie beiseite und stellte sich neben Raphael. Als Lash eintrat, zwinkerte er ihm zu und versuchte, seine wachsende Angst zu verbergen. Merkw?rdig. All die Male, die er zuvor in Schwierigkeiten geraten war, war er nie beunruhigt gewesen. Etwas war anders. »Mach dir keine Sorgen, Raphael.« sagte Lash. »Ich hab das hier im Griff.« Was war schon das Schlimmste, das sie tun konnten? 2 F?NFUNDDREI?IG JAHRE SP?TER Naomi Duran schaltete den Motor ihres Motorrads aus und blieb einen Moment lang sitzen, um den Kindern des Viertels beim Basketballspielen zuzusehen. Drei Jungen liefen die Stra?e hinunter, w?hrend ein paar M?dchen auf dem B?rgersteig standen und sie vor vorbeifahrenden Autos warnten. Sie l?ste den Gurt des Helms und lachte leise in sich hinein. Sie konnte nicht glauben, dass sie endlich das College abgeschlossen hatte. Sie war l?ngst nicht mehr das d?rre M?dchen, das auf den Schultern ihres Cousins Chuy gestanden und den Basketballkorb an den Telefonmast genagelt hatte. Die Narbe an ihrem Knie und den Klaps auf den Hintern, den sie daf?r von ihrem Vater bekommen hatte, war es allerdings definitiv wert gewesen. Sie hatte die Wette gegen Lalo Cruz, Chuys besten Freund, gewonnen und die zehn Dollar daf?r verwendet, sich mit Big-Red-Limo zu einzudecken. Sie konnte nicht glauben, dass der Korb noch immer am gleichen Platz hing. Naomi nahm den Helm ab und dunkles Haar fiel ihr ?bers Gesicht. Ich muss zum Friseur, dachte sie und strich die zerzauste M?hne zur?ck. Das letzte Mal, dass sie dort gewesen war, war fast zwei Jahre her, als ihre Mutter ihr eigenes Haar w?hrend der Chemo verloren hatte. Ohne zu z?gern hatte sie ihr eigenes Haar, das ihr bis zur Taille gereicht hatte, abgeschnitten und eine Per?cke anfertigen lassen. Ein Jahr sp?ter waren ihre Haare nachgewachsen und ihre Mutter war von ihnen gegangen. Sie wollte sich die Haare wieder kurz schneiden, aber jedes Mal, wenn sie zum Stylisten ging, brachte das Erinnerungen zur?ck, an die sie nicht denken wollte. Es tat weh, an ihre Mutter zu denken und Naomi vermied es, wann immer es ihr m?glich war. Sie hatte die Ninja 250R gekauft, nachdem ihre Mutter gestorben war. Das gebrauchte, rote Motorrad hatte f?rmlich geschrien: »Fahr mich!«, und sie hatte es haben m?ssen. Dank Chuys F?higkeiten als Mechaniker hatte sich das Motorrad bald wie neu gefahren. Wenn sie auf ihm unterwegs war, konnte sie die Erinnerungen zur?ckdr?ngen: an ihre Mutter, wie sie in ihrem Bett dahinsiechte, und an ihren Vater, der seinen Kummer in Alkohol ertr?nkte, nachdem ihre Mutter gestorben war. »Wieso sitzt du denn hier drau?en?« Chuy kam aus dem kleinen, wei?en Haus heraus. Die Fliegengittert?r fiel hinter ihm ins Schloss. Sie konnte nicht glauben, wie sehr ihr Cousin sich ver?ndert hatte. Er war ein d?nner Junge mit schlimmer Akne gewesen. Jetzt bestand er aus Muskeln – dank seines Jobs in der Cruz Moving Company. Das t?gliche M?belschleppen hatte seinen K?rper gut geformt, obwohl Naomi das niemals laut zugeben w?rde. Seinem Ego wurde schon von einigen M?dchen in der Nachbarschaft regelm??ig geschmeichelt, die sich um ihn scharten. »Ich genie?e die Stille, bevor ich mich dem lauten Mob stelle, den wir als Familie bezeichnen.« Sie schwang ihr Bein ?ber den Sitz und schloss ihren Helm am Motorrad an. »Lass mal. Ich schiebe diese Todesfalle f?r dich.« Er lehnte sich ?ber ihr Motorrad und spannte seine muskul?sen Arme f?r sie an. »Guck dir die Muckis an. Sind gr??er geworden.« Sie verdrehte die Augen und schob ihn beiseite. »Igitt, Chuy. Du hast eine Dusche n?tig.« Chuy grinste. »Was ist los? Ist deine Nase zu fein f?r Eau de Mexicano? Manche von uns m?ssen sich ihren Lebensunterhalt verdienen. Nicht alle von uns k?nnen einen College-Abschluss haben wie du.« Naomi schnaubte. Chuy machte sich immer dann ?ber sie lustig, wenn er versuchte, seine Gef?hle zu verbergen. Er war wie ein ?lterer Bruder und hatte immer auf sie aufgepasst, besonders nachdem die Dinge heftig geworden waren mit ihrem Vater. Manchmal war sie eifers?chtig auf die besondere Beziehung, die Chuy und ihr Vater hatten, aber sie konnte ihrem Vater nicht vorwerfen, dass er Chuy unter seine Fittiche genommen hatte. Schlie?lich waren dessen eigene Eltern get?tet worden, als er f?nf war. Ihre Gro?mutter hatte Chuy gro?gezogen, ihre Argusaugen stets wachsam, damit er nicht einer der Gangs des Viertels in die H?nde fiel. Aber wann immer Chuy ein Problem hatte, war es ihr Vater, der da gewesen war, um die Dinge zu richten. »Du k?nntest mittlerweile deine eigene Firma haben, wenn du nicht nach dem ersten Semester alles hingeschmissen h?ttest.« »Kannst du mir das vorwerfen? Alles ?ber Sokrates zu lernen h?tte mir kaum geholfen, meine Rechnungen zu bezahlen.« Chuy schob den Seitenst?nder nach unten. Sie musterte ihn aufmerksam. Das war sein wunder Punkt. Er hatte auf dem College bleiben wollen, aber selbst mit finanzieller Unterst?tzung hatte er es sich nicht leisten k?nnen, die College-Geb?hren aufzubringen und gleichzeitig ihre Gro?mutter zu unterst?tzen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ihr Vater M?he gehabt, seinen eigenen Job zu behalten und hatte deshalb auch nicht helfen k?nnen. »Okay, okay. Das gebe ich zu. Du bist wirklich schlau, wei?t du.« Sie stupste ihn am Arm an. »Ich h?tte Algebra ohne deine Hilfe nicht geschafft.« »Nicht so laut.« Chuy sah sich nerv?s um, als sie die Vordertreppe des Hauses erreichten. »Ich habe einen Ruf zu wahren.« »Oh, wie schrecklich! Ich w?rde nicht wollen, dass jemand denkt, du w?rst intelligent.« Naomi h?rte in einiger Entfernung Musik n?herkommen. Die Nachbarskinder traten beiseite und sahen zu, wie der schwarze Mustang um die Ecke bog. Verspiegelte Felgenkr?nze drehten sich langsam, als das Auto die Stra?e hinunterrollte. Auf dem K?hlergrill s?umten helle LED-Lichter das Pferdelogo wie ein bl?ulich-wei?er Heiligenschein. »Ernsthaft, Dad?«, fragte Naomi, als ihr Vater, Javier Duran, das Auto vor ihr anhielt. »Depeche Mode?« »Du wei?t, dass ich das mag. Du hast immer dazu getanzt, als du klein warst.« Javier stieg aus dem Auto und umarmte sie. »Herzlichen Gl?ckwunsch, Mijita, mein T?chterchen. Du hast heute Morgen wundersch?n ausgesehen in Doktorhut und Umhang.« »Danke, Dad.« Naomi liebte es, wenn er den spanischen Kosenamen verwendete. »Hast du uns geh?rt? Wir haben f?r dich applaudiert.« Javier ?ffnete den Kofferraum des Autos und nahm eine T?te mit Eink?ufen heraus. »Ja, Dad. Ich glaube, jeder hat Chuys Luftdruckfanfare geh?rt.« »Hey, ich musste ein bisschen Leben da reinbringen«, sagte Chuy, w?hrend er die ?brigen T?ten aus dem Kofferraum hob. »Es war so langweilig, dass wir fast eingeschlafen sind.« »Mission erf?llt. Der Rektor hat fast einen Herzinfarkt bekommen.« Naomi ging zur Vorderseite des Wagens und fuhr mit dem Finger das Licht um das galoppierende Pferd nach. »Du hast die Lichter fertig eingesetzt. Sieht gut aus.« Javier strahlte und t?tschelte die K?hlerhaube des Autos. »Du solltest es mal nachts sehen. Es sieht aus, als w?rde das Pferd direkt auf dich zugaloppieren.« Sie lachte. Es war lange her, seit sie ihren Vater das letzte Mal so gl?cklich gesehen hatte. »Dad, du h?rst dich an wie ein Teenager.« »Das Leben ist hart, Mijita. Man muss es genie?en, solange man kann.« »Ja, wir k?nnen schlie?lich nicht alle so ernste B?cherw?rmer sein wie du, Naomi«, sagte Chuy. »Au?erdem bist du zweiundzwanzig, nicht zweiundachtzig. Leb ein bisschen.« Wenn sie das nur k?nnte. Es hatte einmal eine Zeit gegeben, in der sie in der Lage gewesen war, sich ihrem Alter entsprechend zu verhalten. W?hrend der ersten beiden Jahre am College war sie auf eine Menge Partys der Studentenverbindung gegangen. Aber alles hatte sich in ihrem dritten Jahr ge?ndert, als ihrer Mutter die Diagnose gestellt worden war. Im Gegensatz zu anderen M?dchen ihres Alters war sie nicht daran interessiert, mit Jungen auszugehen, selbst als ihre Mutter sie dazu anspornte. Sie hatte das Gef?hl, dass ihre Mutter hoffte, Naomi w?rde jemanden finden, auf den sie sich st?tzen konnte, wenn sie nicht mehr da w?re. Nachdem sie gestorben war, hatte Naomi keine Zeit gehabt zu trauern, weil sie zu besch?ftigt damit gewesen war, sich um ihren verst?rten Vater zu k?mmern. Wenn sie ihrer Mutter nicht versprochen h?tte, ihren Abschluss zu machen, h?tte sie sogar das College verlassen. Javier und Chuy unterhielten sich angeregt ?ber das Auto, w?hrend sie Richtung Hinterhof gingen. Naomi l?chelte. Es schien, als ob es f?r sie alle aufw?rts ginge. Vor einigen Wochen war Javier den Anonymen Alkoholikern beigetreten und hatte aufgeh?rt zu trinken. Er hatte all seine Energie darein gesteckt, mit Chuy den Mustang zu reparieren. Naomi hatte einen neuen Job als Einzelfallhelferin der Kinderschutzbeh?rde, den sie in zwei Wochen antreten w?rde. Da sie dann mehr Geld verdienen w?rde, w?re sie vielleicht sogar in der Lage, Chuy mit der Abzahlung der Hypothek ihrer Gro?mutter zu helfen. »Mijita! Da bist du ja. Was hat denn so lange gedauert?« Naomis Gro?mutter eilte die Verandatreppe hinab und schlang ihre d?nnen braunen Arme um sie. »Autsch, Belita«, sagte Naomi. »Du zerquetschst mich ja.« Ihre Gro?mutter – oder Belita, wie sie von allen liebevoll genannt wurde – war winzig, aber kr?ftig. Sie trug ihr tintenschwarzes Haar kurzgeschnitten. Sie sagte immer, es sei zu hei? f?r jede andere L?nge. Jahre harter Arbeit, die sie auch damit zugebracht hatte, erst ihren Sohn und dann Chuy gro?zuziehen, hatten ihr wenig Zeit gelassen, sich selbst etwas zu g?nnen, besonders wenn es um Kleidung ging. Sollte jemand ihren Schlafzimmerschrank ?ffnen, h?tte er den Eindruck, in die 70er zur?ckversetzt worden zu sein. Naomi hatte versucht, ihre Gro?mutter zu ?berzeugen, von Polyester auf Baumwolle umzusteigen und hatte sogar angeboten, ihr einen neuen Kleiderschrank zu kaufen, aber Belita hatte abgelehnt mit der Begr?ndung, dass ihre Kleider noch v?llig in Ordnung seien und eines Tages wieder in Mode sein w?rden. »Ay, Dios m?o. Du f?hrst dieses Ding immer noch. Ich habe dir doch gesagt, du kannst meinen Buick haben.« Belita marschierte an ihr vorbei und warf dem Mototorrad ihren besten b?sen Blick zu. »Chuy, kannst du es nicht auf diesem Ding zum Verkauf anbieten… am Computer?« »Auf welchem Ding?« Chuy sah verwirrt aus. »C?mo se dice?«, murmelte Belita, dann schnipste sie mit den Fingern. »Jetzt erinnere ich mich. Stell es auf Ebaze.« »Du meinst eBay. Ja, das kann ich machen.« Chuy sah Naomi mit einem teuflischen Grinsen an. »Oder vielleicht behalte ich es selbst.« »Vergiss es! Du stellst mein Motorrad nicht auf eBay.« Naomi gab ihm einen Klaps auf den Arm. »Ich liebe mein Motorrad.« »Genau wie Stacey«, sagte Javier. »Was?« Naomi be?ugte das Bier, dass er trug und fragte sich, ob er r?ckf?llig geworden war. Sie hatte Alkohol nie besonders gemocht und hatte keinen auf ihrer Abschlussparty gewollt, aber Chuy hatte darauf bestanden und gesagt, dass es ohne Alkohol keine Party sei. Naomi war skeptisch gewesen, aber Chuy hatte versprochen, Javier im Auge zu behalten. »Deine Mutter. Du bist genauso stur, wie sie es war. Wenn sie sich erstmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, konnte man sie nicht aufhalten.« Tr?nen gl?nzten in seinen Augen und er schluckte. »Sie w?re heute so stolz auf dich.« »Ich vermisse sie auch.« Naomi konnte die Male nicht z?hlen, die sie gew?nscht hatte, ihre Mutter w?re da, um den Moment mit ihr zu erleben. Ihr war nicht klar gewesen, wie sehr sie ihrer Mutter ?hnelte, bis sie an diesem Morgen den schwarzen Doktorhut aufgesetzt hatte. Sie hatte im Spiegel dasselbe Bild gesehen, wie das, das sie als Bildschirmhintergrund auf ihrem Handy hatte. Der einzige Unterschied war der, dass auf dem Foto rotbraunes Haar unter dem Hut hervorquoll anstelle von Naomis dunklem Haar. »Sie h?tte es geliebt, dich so zu sehen. So erwachsen. Wenn nur ihre Familie zur Zeremonie h?tte herkommen k?nnen«, sagte er. »Ich habe die ganze Familie, die ich brauche, jetzt hier um mich.« Naomi hatte ihre Familie m?tterlicherseits nie kennengelernt, abgesehen von der allj?hrlichen Postkarte mit einem Foto des gesamten Hamiltonclans vor einem gro?en Weihnachtsbaum. Es war kein Geheimnis, dass die Hamiltons, eine reiche Familie aus der Gegend um Dallas, die Heirat ihrer Tochter mit Javier nicht gutgehei?en hatten. Dabei musste ihnen bequemerweise entfallen sein, dass ihre Tochter ohne Javiers Nachhilfe-F?higkeiten niemals ihre naturwissenschaftlichen F?cher bestanden h?tte. Naomi vermutete, dass es ihre unerwartete Geburt in Staceys letztem Jahr am College gewesen war und die daraus resultierende Ank?ndigung, dass Stacey ihren Abschluss nicht machen w?rde, die die Familie den Durans entfremdet hatten. Naomi legte ihrem Vater einen Arm um die H?fte, w?hrend sie in den Hinterhof gingen. Als sie um die Ecke kamen, schmetterten Trompeten los und sie machte ?berrascht einen Satz nach hinten. »Mariachis? Ihr habt Mariachis f?r mich organisiert?« »Es sind die Mariachi Cascabel«, sagte Belita stolz. »Sie sind den ganzen Weg von Laredo gekommen. Es sind die Besten.« Tr?nen brannten in Naomis Augen, w?hrend ihre Gro?mutter und ihr Vater vor Stolz strahlten. Sie wusste, dass eine solche Band wirklich teuer war und dass sie sich das ganz sicher nicht leisten konnten. Es war erst einen Monat her, dass Lalos Vater, der Besitzer der Cruz Moving Company, angeboten hatte, Javier in Teilzeit einzustellen, damit er ihm beim Managen der Firma helfen konnte. Und das einzige Einkommen, dass Belita hatte, war Sozialhilfe. »Belita, Dad, das ist zu viel. Ihr h?ttet nicht – « »Keine Klagen.« Belita t?tschelte Naomis Hand. »Mach dir keine Sorgen. So teuer war es gar nicht. Au?erdem haben alle in der Nachbarschaft was dazugegeben.« Naomi drehte sich zu ihren Nachbarn um, die beieinander sa?en, sich unterhielten, a?en und tranken. Die meisten von ihnen kannte sie, seit sie ein kleines M?dchen war – wie Lalos Familie, die Cruzes, die an einem der Picknicktische sa?en und sich mit einigen ihrer Verwandten aus Los Angeles unterhielten. Die Durans waren ebenfalls alle erschienen und waren sogar aus Laredo angereist, nur um hier sein zu k?nnen. College-Abschl?sse waren in ihrer Familie selten und es r?hrte sie, dass sie alle hier sein wollten, um mit ihr zu feiern. »Ich wei? nicht, was ich sagen soll.« »Du sagst danke.«, sagte Chuy, w?hrend er die Einkaufst?ten auf einem Picknicktisch in der N?he abstellte. »Das wei? ich.« Sie gab erst Belita, dann ihrem Vater einen Kuss auf die Wange. »Vielen, vielen Dank.« »Chuy, hier r?ber, Alter. Bring den Alkohol mit.« Naomi sah zu, wie Lalo eine helle Fl?ssigkeit in den Grill spritzte. Er wischte sich mit einem Papiertuch ?ber die verschwitzte Stirn und stopfte es dann in seine Hosentasche. Lalo war ein gro?er Fan von XXXL-Hawaii-Hemden und Fajitas. Er war ein lieber Kerl und ?u?erst loyal. Man konnte ihm blind in allen Dingen vertrauen – au?er mit entflammbaren Substanzen. »Ihr habt Lalo die Verantwortung f?r den Grill ?bertragen? Seid ihr verr?ckt? Er wird das ganze Viertel in Flammen setzen.« Sie wollte gerade zu ihm eilen, als Belita sie zur?ckhielt. »Warte mal kurz.«, sagte Belita. »Ich habe ein Geschenk f?r dich.« Chuy schirmte seine Augen ab, als sie mit einer Hand in ihren Ausschnitt griff. »Ach, Belita. Mach das doch nicht vor allen Leuten.« »Ay, Ama! Wieso steckst du Zeugs da rein?« Javier stellte sich vor sie und sah sich um, um zu sehen, ob jemand zusah. Belita zog einen zusammengefalteten Umschlag heraus. »Es ist der sicherste Ort, den ich kenne.« »Damit hast du allerdings recht«, sagte Chuy. »Geh und hilf Lalo, Pendejo.« Belita schlug nach ihm. »Nein, Lalo!« Chuy rannte zu ihm hin. »Eine Dose reicht!« »Das hier ist f?r dich, Mijita.« Belita legte das wei?e P?ckchen in Naomis Hand. »Das kann ich nicht annehmen. Du hast mir schon so viel gegeben.« Naomi versuchte, den Umschlag wieder in die Tasche ihrer Gro?mutter zu stecken. »Nein, nein. Nimm es an. Es ist ein Geschenk. Du kannst ein Geschenk nicht ablehnen. Das w?re eine Beleidigung.« Belita hatte die H?nde in die H?fte gestemmt und sah Naomi mit angriffslustigem Blick an. Es w?re wie ein Schlag ins Gesicht ihrer Gro?mutter, wenn sie das Geschenk nicht akzeptierte. Es war eine Frage des Stolzes, dass Belita es geschafft hatte, einen kleinen Geldbetrag zusammenzubringen. Sie beugte sich herunter und k?sste sie auf die Wange. »Gracias, Belita.« Irgendwie, das schwor sich Naomi, w?rde sie es ihr zur?ckgeben. Es w?re besser, das zu tun, ohne dass Belita es mitbekam. In dieser Hinsicht war sie ?u?erst stur. Als der Abend voranschritt, lehnte sich Naomi mit Belita und den anderen zur?ck und lauschte den Mariachis. Irgendwann leitete Belita allen voran den bekannten Ranchero-Song »Cielito Lindo« ein. »Anita, du bist genauso gut wie die S?ngerin Lola Beltr?n«, sagte Chela, ihre Nachbarin von nebenan, als Belita mit dem Singen fertig war. Naomi sah Belita ?berrascht an. Sie war so daran gew?hnt, dass alle sie Belita nannten, dass sie manchmal ihren richtigen Namen verga?. Sie reichte ihrer Gro?mutter eine Flasche Big-Red-Soda und und pr?gte sich die funkelnden Augen genau ein, die sich in F?ltchen legten, wenn Belita lachte. Ihre H?nde, die nach Jahrzehnten t?glichen Gebrauchs abgearbeitet waren, t?tschelten Naomis Knie, als sie ihr f?r das Getr?nk dankte. Ein paar Stunden sp?ter nickte Belita ein und die Leute begannen, die Party zu verlassen. Naomi sah sich nach ihrem Vater um und winkte ihn heran, als sie ihn im Gespr?ch mit Mr. Cruz erblickte. »Schl?ft sie?«, fragte Javier, als er sich ihr n?herte. Er sah herab auf seine schnarchende Mutter und lachte leise. »Sie sieht so jung aus, wenn sie schl?ft. Es ist, als h?tte sie sich ?berhaupt nicht ver?ndert.« Naomi starrte sie einen Moment lang an und glaubte, einen fl?chtigen Blick auf die junge Frau zu erhaschen, die Belita einst gewesen war. Sie hoffte, ganz genau wie sie zu sein, wenn sie ?lter w?re. »Mom.« In einem Versuch sie aufzuwecken, stupste er sie an der Schulter an. »Mom. Es Zeit f?rs Bett.« »Was?«, murmelte sie und rieb sich die Augen. »Nein, das hier ist eine Party. Ich kann etwas l?nger aufbleiben.« »Es ist fast Mitternacht, Belita. Ich bin selbst ziemlich m?de.« Naomi t?uschte ein G?hnen vor und erhob sich von ihrem Platz. »Ich werde aufr?umen. Geh du ins Bett.« »Ich werde dir helfen.« Belita schob sich zur Kannte ihres Stuhls vor. »Hilf mir hoch, Javier.« Javier stellte die Flasche, die er hielt, auf dem Tisch ab und streckte ihr einen Arm entgegen. Sie stemmte sich mit ihrem Gewicht gegen ihn und zog sich hoch. »Geh du ins Bett.«, sagte er. »Ich werde Naomi helfen.« Belita drehte sich zu ihrem Sohn um und t?tschelte ihm die Wange. »Du bist ein guter Junge und hast eine phantastische Tochter gro?gezogen. Meine College-Absolventen.« W?hrend sie das sagte, ergriff sie ihre H?nde. »Ich bin so stolz auf euch beide.« Naomi warf einen Blick hin?ber zu Chuy, der sich noch immer mit einigen von seinen Freunden unterhielt, w?hrend sie und ihr Vater die beiseite geworfenen Becher und Teller aufsammelten. Jedes Mal, wenn Chuy zu einem der M?dchen hinsah, senkte dieses die Augen und gab vor, jedem Wort gebannt zu folgen, das aus seinem Mund kam. Er belohnte sie, indem er jedes Mal den Bizeps anspannte, wenn er die Flasche an die Lippen f?hrte oder wenn er sich an der K?hltruhe zu schaffen machte, was er oft tat. Irgendwann sah Chuy zu Naomi her?ber und wackelte mit den Augenbrauen, als ein M?dchen namens Rosie sich an ihn schob. Sie war eines jener M?dchen – der Typ mit beeindruckendem Dekolltee, der die M?nner zum Sabbern brachte. Rosie schob ihr langes gewelltes Haar ?ber ihre Schulter und schenkte Chuy eines ihrer besonderen L?cheln. Naomi steckte sich einen Finger in den Mund und tat so, als m?sste sie w?rgen. Sie war nicht besonders begeistert. Rosie hatte den Ruf, sich an alles heranzumachen, was sich bewegte und sie hatte zwei Babys, um das zu beweisen. W?re Belita wach, w?rde sie wahrscheinlich ihren Besen holen und Rosie davonscheuchen. »Hey, Naomi, komm mal her!«, rief Chuy. »Was ist los?« Naomi lehnte das Bier, das Lalo ihr anbot, mit einer Handbewegung ab. »Was stimmt denn mit deiner Cousine nicht, Alter?«, fragte Mateo, einer von Chuys Freunden. »Zu fein, um mit uns zu trinken?« »Ich kann dich h?ren, Mateo«, sagte Naomi und stemmte die H?nde in die H?ften. »Und um deine Frage zu beantworten, ich bin auf meinem Motorrad hergekommen, also kein Alkohol f?r mich – wenn ich nicht die Nacht auf der Couch verbringen und Chuys Schnarchen ertragen m?chte, das das ganze Haus ersch?ttert.« »Ich schnarche nicht«, entgegnete Chuy. »Du schnarchst.« »Mhm. Ja, richtig.« Sie verdrehte die Augen. »Komm schon Chuy, jetzt reib’s schon«, sagte Lalo. »Wenn wir jetzt losgehen, k?nnen wir noch ein paar Runden am W?rfeltisch schaffen und vor unserem Konzert am Nachmittag zur?ck sein.« »Reib was? Und wohin willst noch so sp?t? Musst du morgen nicht arbeiten?« Naomi schlug nach Chuys H?nden, als er ihr das Haar von der Schulter strich. »Was machst du da?« »Wir fahren zum Lake-Charles-Casino in Louisiana«, antwortete er, w?hrend er versuchte, den Kragen ihrer Bluse nach unten zu ziehen. »Komm schon, Naomi. Lass mich dran reiben, das bringt Gl?ck.« Naomi schlug ihm noch einmal auf die Finger, »Lass das sein, Chuy. Meine Geburtsfehler sind nicht zu deiner Unterhaltung da.« »Ich gebe dir zwanzig M?use, wenn ich gewinne.« »Nein.« »Ach, komm schon.« »Es ist nur eine Ansammlung von Sommersprossen, Chuy.« »Sie bringen Gl?ck.« »Sprecht ihr von ihren Sommersprossen?«, rief Javier, als er, zwei volle M?lls?cke hinter sich herziehend, an ihnen vorbeikam. »Sie bringen Gl?ck«, erkl?rte er, bevor er im Vorgarten verschwand. »Dad«, st?hnte sie. »Siehst du?«, sagte Chuy. »Selbst dein Dad denkt, sie sind Gl?cksbringer.« »Ich muss dieses Ding sehen.« Mateo trat einen Schritt n?her an Naomi heran. Chuy stellte sich ihm in den Weg und hielt ihn zur?ck, indem er ihm eine Hand auf die Brust legte. »Das kannst du nicht, Mann. Es ist eine Familiensache.« »Im Ernst, Chuy, jetzt bist du schon so abergl?ubisch wie Belita. Nur, weil meine Sommersprossen wie eine Sieben aussehen, hei?t das noch lange nicht, dass sie Gl?ck bringen. Wenn sie das t?ten, glaubst du, ich w?rde Belita in diesem Viertel wohnen lassen… mit dir?« Es was ein merkw?rdig geformtes Mal in ihrem Nacken. Sie hatte es in ihrer Kindheit nicht bemerkt, bis sie eines Tages mit Chuy schwimmen gegangen war. Er hatte sich von hinten an sie herangeschlichen und wollte sie gerade in den Pool schubsen, als er das ungew?hnliche geformte Mal bemerkt hatte. Belita hatte ihnen erz?hlt, dass Naomi damit geboren worden und zu etwas Besonderem bestimmt war. Chuy hatte das so aufgefasst, dass das Mal ein Gl?cksbringer war. »Es bringt Gl?ck. Letzte Woche, nachdem ich dir den Nacken massiert hatte, habe ich ein Los f?rs Lotto gekauft und f?nfzig M?use gewonnen.« Sie sch?umte vor Wut. »Und ich dachte, du wolltest nett sein, weil ich in der Pr?fungswoche so gestresst war!« Chuy versuchte noch einmal, ihren Nacken zu ber?hren und sie schlug ihm auf die Finger. »H?r auf damit! Ich bin kein Flaschengeist.« »Und wenn ich dich in meinen Selbstverteidigungskurs lasse?« Chuy bot ehrenamtlich Selbstverteidigungskurse im Begegnungszentrum des Stadtteils an. Sie hatte ihn seit Wochen darum gebeten, sie beitreten zu lassen. Wenn man in Houston lebte, vor allem in diesem Stadtteil, war Selbstverteidigung etwas, das jede Frau beherrschen sollte. Naomi seufzte. »Okay.« Sie hob ihr Haar an und zog den Kragen ihrer Bluse nach unten. »Mach schnell, ich will’s hinter mich bringen.« Chuy rieb kurz daran. »Na siehst du, das war doch gar nicht so schlimm, oder?« »Igitt, hau ab. Und nimm deine Freunde gleich mit.« Sie schubste ihn scherzhaft und ging davon, um nach ihrem Vater zu suchen. 3 Naomi warf den letzten M?llsack in die Tonne und setzte sich ihrem Vater gegen?ber auf die Vordertreppe. Er spielte mit einer roten Marke, seinem Einen-Monat-n?chtern-Abzeichen und lie? es zwischen seinen Fingern kreisen. Sie lehnte sich gegen das Gel?nder und sah hinauf zu den Sternen am wolkenlosen Himmel. Sie sa?en in einvernehmlichem Schweigen, keiner von ihnen wollte die au?ergew?hnlich friedliche Stille der Nacht st?ren. Normal waren das ferne Krachen von Sch?ssen und das Heulen von Sirenen. Obwohl Naomi nur wenige Meilen entfernt wohnte, machte sie sich Sorgen, weil ihre Gro?mutter und Chuy in einer so gef?hrlichen Gegend lebten. »Hat es dir gefallen, Mijita?«, fragte Javier. »Es war gro?artig, Dad.« Naomi warf einen Seitenblick auf die braune Flasche, die er hielt. »Das ist Limo«, sagte er als Antwort auf ihren Gesichtsausdruck. »Ich wei?, dass du Angst hast, ich k?nnte wieder zu trinken anfangen. Du hast mein Wort darauf, dass ich das nicht tun werde.« »Bist noch in Kontakt mit deinem Sponsor?« »Jeden Tag.« »Gut.« Ihr Vater blieb einen Moment lang still. Er verlagerte das Gewicht, bevor er sprach. »Es gibt etwas, das ich dir geben m?chte.« »Dad– « »Bevor du nein sagst, lass es mich erkl?ren.« Er klopfte auf die freie Stelle neben ihm. »Komm her.« »Aber– « »Bitte, das hier ist wichtig.« Sie rutschte ?ber die Stufe heran und Unbehagen ?berkam sie, als sie darauf wartete, dass ihr Vater zu sprechen anfing. Das letzte Mal, als er so ein Gesicht gemacht hatte wie jetzt, war, als er ihr hatte sagen m?ssen, dass ihre Mutter gestorben war. Er griff in seine Tasche und zog ein filigranes Silberkettchen hervor. Als er es im Verandalicht baumeln lie?, strahlten blaue und wei?e Lichtblitze von den winzigen Diamanten ab, die das Kreuz s?umten. Die Halskette ihrer Mutter. Tr?nen verschleierten ihren Blick, als sie sich erinnerte, wie sie auf dem Krankenhausbett gesessen hatte, ihre Mutter blass vor Schmerzen, mit dunklen Ringen unter den Augen und hohlen Wangen. Immer, wenn sie das Kettchen mit dem Finger nachgezogen hatte, hatte Frieden in ihren Augen geleuchtet. Ihr Glaube war so stark gewesen; es war etwas, von dem Naomi w?nschte, sie h?tte es auch. Sie lie? ihre Finger ?ber den Anh?nger gleiten und f?hlte die kalte Ber?hrung des Silbers. Seitdem ihre Mutter gestorben war, hatte ihr Vater das Kettchen in einem kleinen Samtbeutelchen aufbewahrt, das er immer bei sich trug. »Das kann ich nicht annehmen.« »Es ist deins«, sagte er. Seine Stimme klang laut in der stillen Nacht, obwohl er fl?sterte. Naomi lie? ihre Hand herabfallen. »Sie geh?rt dir.« Er hob ihre Hand auf und drehte sie um. Er lie? die Kette in ihre Handfl?che fallen und starrte einen Moment lang darauf. »Nein, sie geh?rt dir.« »Dad, ich –« »Hast du geh?rt, was ich gerade gesagt habe?« »Schon, aber –« »Ich f?hle mich besser, wenn ich wei?, dass du sie hast. Du bist erwachsen und hast ein ganzes Leben vor dir. Jetzt musst du losziehen. Jemand Besonderen treffen. Wann bist du das letzte Mal auf einem Date gewesen?« Naomi schnitt eine Grimasse. Es war etwas daran gewesen, ihren Vater die Liebe seines Lebens verlieren zu sehen, das das Daten in neues Licht ger?ckt hatte. Sie dachte an all die Jungen, mit denen sie ausgegangen war. Sie konnte sich an niemanden erinnern, f?r den sie so tief empfunden h?tte wie ihre Eltern f?r einander. »Ich bin nicht am Daten interessiert, zumindest jetzt nicht.« Javier sch?ttelte den Kopf. »Schotte dich nicht vor der Liebe ab, Mijita. Wenn die Zeit reif ist, wird der Richtige dich finden. Alles, was du brauchst, ist Vertrauen.« Er nahm ihr das Kettchen aus der Hand und befestigte es um ihren Hals. Naomi sah ihm aufmerksam ins Gesicht und fragte sich, weshalb er sich so merkw?rdig verhielt. Er schien ihr noch mehr sagen zu wollen und sie wartete stumm ab in der Hoffnung, dass er fortfahren w?rde. Stattdessen seufzte er und stand auf. »Wohin gehst du?«, fragte sie, ?berrascht, dass er jetzt los wollte. »Zur Arbeit.« Er nahm den Autoschl?ssel aus der Tasche. »Ich putze heute Nacht B?ros.« »Du hast zwei Teilzeitjobs?« »Ich muss viele Rechnungen nachzahlen. Sieh mich nicht so an.« Er tippte ihr auf die gerunzelte Stirn. »Du kriegst noch Falten, bevor du drei?ig bist.« »Jetzt, wo es dir besser geht, k?nntest du vielleicht an einen IT-Job kommen.« Sie wandte den Blick ab, wohlwissend, dass selbst sein Abschluss in Computer Science die mehrfachen Verwarnungen seiner fr?heren Arbeitgeber nicht ausl?schen konnte. Sie klammerte sich an die Hoffnung, dass in einer Gro?stadt wie Houston jemand ihm eine neue Chance geben w?rde und dass er einen Job fand, bevor die Welt der Technologie sich bereits viel weiter entwickelt hatte. »Vielleicht.« Javier drehte den Schl?ssel im Motor und die Lichter, die einen Kreis um den Mustang herum formten, erwachten blinkend zum Leben. »Du und Chuy, ihr habt das wirklich gut hingekriegt.« Naomi trat zur?ck, um eine bessere Sicht zu haben. »Er ist wirklich cool. Ihr zwei solltet zusammen eine Firma aufmachen.« »Das ist keine schlechte Idee. Obwohl, wie ich Chuy kenne, w?rde er die ganzen Gewinne verfressen.« Er legte den R?ckw?rtsgang ein. »Bis morgen. Vergiss nicht, deinen Helm aufzusetzen.« »Mach ich doch immer.« Sie winkte. Er war schon halb die Stra?e hinuntergefahren, als sie aus heiterem Himmel heraus das Bed?rfnis hatte, ihm nachzulaufen. Sie sch?ttelte den Kopf schalt sich selbst f?r diesen Unsinn. Ich sehe ihn morgen. Sie startete das Motorrad und fuhr in die entgegengesetzte Richtung davon. Jane Sutherland lehnte sich an das Waschbecken und streifte ihre Jimmy Choos ab. Nach f?nf Stunden voller Gespr?che und Kontaktekn?pfen mit den Reichen Houstons und den f?hrenden Gr??en von Texas Oil schrien ihre F??e vor Schmerz. Sie wackelte mit den Zehen, w?hrend der Boden ihre gequ?lten F??e k?hlte. Viel besser, dachte sie. Wenn sie doch blo? barfu? zu formellen Veranstaltungen gehen k?nnte, das w?rde sie um einiges erfreulicher machen. Sie sah in den Spiegel und trug eine neue Schicht rubinroten Lippenstift auf. Ihr platinumblondes Haar, das zu einem Dutt aufgesteckt war, betonte ihre gro?en saphirfarbenen Augen. Siebenundvierzig Jahre, in denen sie die Sonne vermieden hatte – sie bekam leicht einen Sonnenbrand – hatten ihr Gesicht blass und faltenlos gelassen. Es kopfte an der T?r. »Senatorin Sutherland? Mr. Prescott hat einen Gast, den er Ihnen gern vorstellen w?rde.« »Ich bin gleich da.« Jane seufzte und legte den Lippenstift in ihr Gucci-Etui. Noch ein Gast. Noch ein Drink. Als sie ihre politische Karriere begonnen hatte, hatte sie keine Ahnung gehabt, dass sie die meiste Zeit mit der Beschaffung von Geldern verbringen w?rde. Sie hatte naiverweise geglaubt, sie sei anders als die anderen. Sie w?rde etwas bewegen. Mittlerweile war das Einzige, wor?ber sie entschied, ob ihre Geldgeber von ihren gro?z?gigen Spenden f?r ihre Kampagne profitieren w?rden oder nicht. Sie ?ffnete die T?r und fand im Flur einen wohlsituierten Mann vor. »Senatorin.« Er l?chelte strahlend. »Ich wollte gerade nachsehen kommen, ob ich dir behilflich sein kann.« »Ich meine mich zu erinnern, dass ich dir das letzte Mal, als du mir behilflich sein wolltest und mir in die Damentoilette gefolgt bist, Wasser ?ber deine Seidenkrawatte gekippt habe.« Jane l?chelte Luke Prescott an. Er bot ihr seinen Arm an und sie h?ngte sich bei ihm ein. »Ich habe dir einen Gefallen getan und dich hochgehoben, damit du dir die H?nde waschen konntest. Ich hatte keine Ahnung, dass du meine Lieblingskrawatte zerst?ren w?rdest.« »Das ist das Risiko, dass die Gesellschaft einer F?nfj?hrigen mit sich bringt.« Jane dr?ckte z?rtlich seinen Arm. Ihr Vater hatte f?r Luke Prescott gearbeitet und er war ein enger Freund der Familie. In ihrer Kindheit und Jugend war Luke bei den wichtigen Ereignissen in ihrem Leben immer dabei gewesen – als sie die Hauptrolle in der Theaterauff?hrung der Schule innehatte, beim Abschlussball, bei der Abschlusszeremonie – selbst, als ihr Vater es nicht gewesen war. Als dann ihre Mutter gestorben war, hatte er darauf geachtet, wenigstens einmal am Tag vorbeizuschauen. Er war ihr engster Vertrauter geworden. Es war seine Idee gewesen, dass sie die rechtswissenschaftliche Fakult?t besuchen sollte und danach hatte er sie darin best?rkt und unterst?tzt, sich zur Senatorenwahl aufstellen zu lassen. »Zum Gl?ck hatte ich ein ganzes Dutzend mehr davon.« Seine grauen Augen funkelten. »Und wieso auch nicht? I w?rde davon ausgehen, dass ein Milliard?r zumindest einige hat.« »Aber, aber, Jane. Sei nett zu den Superreichen. Wir haben auch Gef?hle.« Jane hielt vor dem Eingang zum Festsaal an. Im Raum wimmelte es von Unterst?tzern der American Federation Party und alle erwarteten sie Gro?es von ihr. Alles, was sie je gewollt hatte, war, daran mitzuwirken, dass Menschen ein besseres Leben hatten. Wann hatte sich das in das Tragen eines Designerkleids verwandelt und in Gespr?che mit Leuten, die den Preis f?r einen Kleinwagen zahlten, nur um mit ihr im selben Raum zu sein? Wenn Luke sie nicht st?ndig zu dem, was er f?r eine notwendige Uniformierung hielt, gedr?ngt und ihre Garderobe gekauft h?tte, h?tte sie etwas weniger Pomp?ses getragen. »Ich bin ein bisschen m?de, Luke. Lass uns Schluss machen.« »Noch eine letzte Person«, fl?sterte er ihr ins Ohr. »Die Conoleys wollen dich unbedingt pers?nlich kennenlernen. Sie sind extra von Oklahoma hergeflogen.« »Zweifellos in ihrem Privatjet.« »Es ist ein kleiner!« »Oh, Verzeihung.« Jane t?uschte Anteilnahme vor. »Ich wusste ja nicht, welche Strapazen sie auf sich genommen haben. Lernen wir sie also kennen.« Sie konnte es ebenso gut hinter sich bringen. So sehr sie die Spendenaktionen auch hasste, die American Federation Party war ihre Leidenschaft, denn sie glaubte daran, dass ihre Grundwerte in Hinblick auf steuerliche und gemeinschaftliche Verantwortung gut f?r das Land waren. Nachdem Jane mit den Conoleys einen Drink eingenommen hatte, f?hrte Luke sie zu einer anderen Gruppe von Leuten, die sie treffen sollte. Jedes Mal, wenn sie verschwinden wollte, fand Luke f?r sie einen Vorwand zum Bleiben. Es war merkw?rdig, dass sie mit zunehmendem Abend das Gef?hl hatte, betrunken zu sein, obwohl sie nur ein klein wenig an einem Glas Wein genippt hatte. Sie warf einen Blick auf ihr Glas und fragte sich, wie es immer noch halbvoll sein konnte. Es war, als h?tte sie ?berhaupt nichts getrunken. »Mir reicht’s, Luke«, sagte sie. »Geh und g?nn dir deinen Sch?nheitsschlaf.« Er winkte einem hochgewachsenen Mann zu, der am Rand des Raums stand. »Ich werde Sal sagen, dass er dir nach Hause folgen soll.« »Das ist nicht n?tig«, sagte sie. Sal war Lukes pers?nlicher Assistent und Bodyguard. Wo auch immer Luke hinging, Sal war immer dicht hinter ihm und lauerte im Schatten. Er versuchte, sich unauff?llig unter die anderen zu mischen, was schwierig war f?r einen schwerf?lligen, fast zwei Meter gro?en Muskelberg. Die Krokodillederstiefel, die er immer trug, halfen dabei auch nicht. Sal stand mit ausdruckslosem Gesicht neben Luke. Seine schwarzen Augen glitten ?ber Jane und f?r einen Moment spannte sich sein Blick an und er musterte sie, als sei sie unter seiner W?rde. Ein eiskaltes Gef?hl breitete sich in ihrem Magen aus. So hatte er sie noch nie angesehen; und Jane fragte sich, was sie getan hatte, um einen solchen Blick zu verdienen. Luke nickte ihm kaum merklich zu und Sal warf einen letzten Blick auf Jane, bevor er sich seinen Weg durch die Menge bahnte und den Festsaal verlie?. »Ich werde dich f?r heute gehen lassen, aber du wirst dich daran gew?hnen m?ssen, st?ndig Leute an deiner Seite zu haben, wenn du Pr?sidentin bist.« Luke ergriff ihren Ellbogen und f?hrte sie zur Lobby. Jane lachte. »Du bist voreilig. Lass uns erstmal abwarten und sehen, ob ich meine Amtszeit ?berstehe. Ich habe ja kaum meinen Platz im Senat gewonnen.« Als Luke und seine Freunde vorgeschlagen hatten, sie solle sich als Senatorin der American Federation Party aufstellen lassen, h?tte sie nie geglaubt, dass sie die Wahl tats?chlich gewinnen k?nnte, weil die Partei neu war und wenige Unterst?tzer hatte. Luke hingegen hatte nie daran gezweifelt. »Ich habe mich noch nie in Situationen wie dieser geirrt. Merk dir meine Worte, Jane. Du wirst noch Pr?sidentin der Vereinigten Staaten.« Bei diesen Worten ?berlief Jane ein Fr?steln. Sie h?tte sich beschwingt f?hlen sollen. Wieso f?hlte sich das Fr?steln an, als r?hrte es eher von Angst her als von Aufregung? Ein safter Regen fiel, als sie in ihrem silbernen Jaguar XF – einem Geschenk von Luke, als sie vor langer Zeit ihr Studium der Rechtswissenschaften abgeschlossen hatte – durch die Au?enbezirke Houstons in die Vororte nachhause fuhr. Weil ihr ein wenig schwindelig war, drehte sie die Klimaanlage auf und richtete die k?hle Luft auf ihr Gesicht. Sie ergriff ihr Smartphone, presste einen Knopf und wartete auf den vertrauten Piepton. »Spiel Mozart«, wies sie an. »Eine kleine Nachtmusik« ert?nte aus den Lautsprechern, w?hrend sie eine kurvenreiche Stra?e entlangfuhr. Das Scheinwerferlicht des Autos wurde von der Glasfassade eines B?rogeb?udes reflektiert, an dem sie vorbeifuhr. Als sie, darum k?mpfend, wachzubleiben, auf den Highway vor sich starrte, sah sie, wie in einiger Entfernung eine Stra?enlaterne flackerte. Als sie daran vorbeifuhr, wurde das Licht st?rker und normalisierte sich dann. Dann beobachtete sie dasselbe an einer anderen Laterne, als sie daran vorbeifuhr– sie flackerte, wurde heller und leuchtete dann normal. Ich muss mehr getrunken haben, als ich dachte. Sie schlug sich leicht auf die Wangen. Das Handy klingelte und sie fuhr erschrocken zusammen. Als sie einen Blick nach unten warf, erkannte sie den Namen »Luke Prescott« auf dem Bildschirm. Es schien alles gleichzeitig zu geschehen. Ein gewaltiger Druck lag schwer auf ihrer Brust und eine Sekunde lan glaubte sie, sie h?tte einen Herzinfarkt. Der Druck breitete sich aus, als ob er ihren ganzen K?rper mit einem Kokon umg?be, der sie sch?tzte. Es war das gleiche Gef?hl, dass sie vor f?nfunddrei?ig Jahren gehabt hatte, kurz bevor das Flugzeug abgest?rzt war. Da war das Quietschen von Reifen und ein Adrenalinrausch durchfuhr sie. Das Letzte, was sie sah, bevor sie ohnm?chtig wurde, war ein galloppierendes Pferd, das auf sie zuraste. 4 Lash beobachtete die hochgewachsene Rothaarige, w?hrend sie den verr?ucherten Raum absuchte. Die einzige Beleuchtung kam von einer Reihe Lichter, die die B?hne s?umten, wo zwei ihrer Kolleginnen an der Stange tanzten. Es war sp?ter Nachmittag und das Gesch?ft ging schleppend, abgesehen von der Gruppe M?nner im Ruhestand, die Stammg?ste der Bar waren. Als die Augen der Frau zur hinteren Ecke des Raums wanderten und seinem Blick begegneten, l?chelte er sp?ttisch ?ber das Begehren, das ihr ins Gesicht geschrieben stand, als sie das schwarze T-Shirt musterte, das wie angegossen um seinen gutgebauten Oberk?rper lag, die ausgeblichenen, zerrissenen Jeans, die ihm auf den H?ften sa?en und das wilde dunkle Haar. Lash l?chelte ihr entgegen, als sie auf ihn zu schlenderte. Seine Augen wanderten ?ber ihren K?rper und verschlangen die langen Kurven ihrer Beine, die mit Leoparden-Nippelpflastern ?berklebten Br?ste und den dollarges?umten Tanga, der ihre Taille umrahmte und wenig der Phantasie ?berlie?. Er stand auf, um sie zu begr??en, als ihm eine Hand auf die Schulter schlug und ihn auf seinen Platz zur?ckstie?. »Gabrielle«, knurrte er. »Wie hast du mich gefunden?« »Hau ab, Schwester.«, sagte die Rothaarige und be?ugte Gabrielle misstrauisch. »Der hier geh?rt mir.« Gabrielle sah die Rothaarige an und runzelte die Stirn. Sie sch?ttelte den Kopf, zog ihre Lederjacke aus und warf sie dem M?dchen zu. »Verlass diesen Ort und komm nicht wieder.« Die Rothaarige blinzelte verwirrt. Gabrielle lehnte sich zu ihr vor und fl?sterte: »Du wirst morgen einen besseren Job finden. Das verspreche ich.« Verbl?fft nickte die Rothaarige nur, zog Gabrielles Jacke an und ging zur T?r hinaus. »Michael mag es nicht, wenn du deine Jedi-Tricks bei Menschen einsetzt.« Lash drohte mit dem Finger. Gabrielle zerrte einen Stuhl hervor und wischte ihn mit einer Serviette ab, bevor sie sich setzte. »F?nfunddrei?ig Jahre auf der Erde und alles, was du dir angeeignet hast, ist umfasssendes Wissen ?ber George-Lucas-Filme. Hervorragend.« »Lass es uns als anthropologische Studien der menschlichen Natur bezeichnen.« Lash grinste und hob sein Glas. Gabrielle runzelte die Stirn. »Du besudelst deinen K?rper genauso wie deinen Verstand.« »Ich h?tte gedacht, du f?ndest das am?sant.« »Ich habe wichtigere Dinge zu tun, als zuzusehen, wie du in deinem selbstgeschaffenen Elend schwelgst.« »Was? Es ist dir egal, ob ich der dunklen Seite verfalle?« Lash t?uschte gro??ugige Unschuld vor. »Das tut weh.« »Ich wei? nicht, was Raphael in dir sieht. Ich verschwende hier meine Zeit.« »Wenn du nicht vorhast, diese Klamotten da auszuziehen und um diese Stange da dr?ben herumzutanzen, dann w?rde ich sagen, ja, das tust du allerdings.« Ihr Blick wurde kalt. »Primitivling.« »Manchen Frauen gef?llt das.« Er grinste unversch?mt. »Puh, lass uns das hinter uns bringen. Ich habe eine Aufgabe f?r dich.« »Ich bin raus aus dem Familiengesch?ft, wei?t du noch?« Lash lehnte sich auf seinem Sitz zur?ck. »Soweit ich mich erinnere, warst du dabei, als ich ohne viel Aufhebens zur T?r rausgeworfen wurde.« »Das war das Highlight meines Jahrhunderts.« »Da bin ich sicher.« Lash blickte in ihre katzenartigen Augen und w?nschte, er k?nnte ihr die Selbstgef?lligkeit aus dem Gesicht wischen. »Egal, was du f?r mich hast, ich bin nicht interessiert.« Gabrielle zog eine Augenbraue hoch. »Bist du sicher?« Sie zog ein zusammengefaltetes Blatt Papier aus der Hintertasche ihrer Jeans und wedelte damit vor seinem Gesicht herum. »Bist du nicht ein kleines bisschen neugierig, weshalb Michael dir nach all diesen Jahren eine Aufgabe geben w?rde?« Er war neugierig, aber er wollte auf gar keinen Fall, dass Gabrielle das mitbekam. Er kippte auf dem Sitz nach hinten, balancierte auf dessen Hinterbeinen und legte die F??e auf den Tisch. »Es ist mir v?llig egal.« »Ich habe Raphael gesagt, er soll seine Zeit nicht verschwenden.« Sein Stuhl schwankte und er drohte die Balance zu verlieren. Schnell korrigierte er seine Haltung. Ohne die Augen von ihr abzuwenden, sagte er: »Da sind wir tats?chlich mal einer Meinung.« Gabrielle warf das Papier in die Mitte des Tischs. »Ob es dir egal ist oder nicht, geht mich nichts an. Was du damit machst, ist deine Entscheidung.« Lash warf aus dem Augenwinkel einen Blick auf das Papier. Er wusste, dass sie ihn weiterhin beobachten w?rde, nachdem sie gegangen w?re, um zu sehen, ob er doch einen Blick darauf warf. »Du gehst schon?« Er lie? die Vorderbeine des Stuhls auf dem Boden aufsetzen, als sie aufstand. »Ich habe Wichtigeres zu tun, als dir beim Verschwenden deiner Gaben zuzusehen. Michael h?tte sie dir alle wegnehmen sollen, als er dich rausgeworfen hat.« »Gaben? Ich bitte dich. Mach keine Witze. Was ich in meiner menschlichen Form tun kann, ist begrenzt, das wei?t du.« Seine F?higkeit zu sehen und zu h?ren war immer noch besser als die der Menschen und er war um einiges st?rker als sie, aber die Entfernung, die er fliegen konnte, war stark eingeschr?nkt. Er hasste das. »Ach, du ?rmster«, sagte sie, bevor sie sich abwandte und zur T?r ging. »Ich bin hier fertig.« »Warte!«, rief Lash hinter ihr her. »Warum hat Michael dich geschickt, um den Auftrag zu ?berbringen?« Gabrielle drehte sich um, ihre durchdringenden Augen begegneten seinen und ihre Lippen verzogen sich zu einem durchtriebenen L?cheln. »Ich habe mich freiwillig gemeldet.« Ihre Worte waren wie ein Schlag ins Gesicht. Sie wusste, dass er die Nachricht ablehnen w?rde, wenn sie sie selbst ?berbrachte. Es musste etwas wirklich Wichtiges sein, wenn sie verzweifelt genug war, sicherzustellen, dass er sie nicht entgegen nehmen w?rde. Lash griff nach dem Zettel und Gabrielles L?cheln gefrohr. Er lachte leise. »Du willst wirklich nicht, dass ich das sehe, oder?« Gabrielle Gesichtsz?ge gl?tteten sich und sie zuckte mit den Schultern. »Wie gesagt, mir ist es ziemlich egal.« Sie ?ffnete die T?r und lie? das Licht des Nachmittags in den dunklen Club str?men. Als sie zur T?r hinaustrat, murmelte sie leise: »Schw?chling«, und knallte die T?r hinter sich zu. »Schlampe!«, rief Lash hinter ihr her, wohlwissend, dass sie ihn auch dann h?tte h?ren k?nnen, wenn er gefl?stert h?tte. Ohne nachzudenken griff er nach dem Zettel, zerriss ihn in St?cke und warf sie in die Luft. W?hrend die wei?en St?cke zu Boden segelten, st?rzte er den Rest seines Whiskeys hinunter und knallte das Glas auf den Tisch, dass es zerbrach. Verdammter menschlicher K?rper und dessen Schmerzempfinden. Er zuckte zusammen, als er seine Faust ?ffnete, um Glassplitter aus seiner Handfl?che zu pfl?cken. Blut quoll hervor und tropfte auf den Tisch. »S??er, bist du – ach herrjeh, du blutest ja!«, sagte eine Frau mit gedehnter Stimme. Sie lief hin?ber zur Bar und kam mit einem Geschirrtuch zur?ck. »Wickel dir das hier um die Hand.« Lash entriss ihr das Tuch. Er war w?tend, weil Gabrielle ihn ?berlistet hatte. »Hey!«, rief die Frau. »Du musst nicht so gemein sein.« Lash sah auf und blickte in ein Paar gr?ner Augen, die denen Gabrielles nicht un?hnlich waren, nur viel freundlicher. Sie schnappte nach Luft. »Du bist wundersch?n«, murmelte sie fasziniert. »Kann ich dir irgendwas bringen?« Lash grinste. In ihrer menschlichen Gestalt wurden alle Engel von den Menschen als umwerfend wahrgenommen, selbst die gefallenen. Zu seinem Gl?ck bem?hte sich jede Frau, der er seit seinem Rauswurf begegnet war, um seine Aufmerksamkeit und tat alles, worum er sie bat. Zuerst hatte er das nicht ausnutzen wollen, aber als ihm klar geworden war, dass er auf sich allein gestellt war, musste er von irgendetwas leben. Wundersch?ner K?rper hin oder her, er musste bekleidet, ern?hrt und untergebracht werden. Menschen waren so pflegebed?rftig. »Nein, mir geht’s gut«, antwortete Lash, wischte sich die Hand ab und steckte sie in seine Jackentasche. »Es ist nur ein Kratzer.« Er wusste, dass die Wunde in einigen Minuten verheilt sein w?rde. Das war eine der F?higkeiten, die er hatte behalten d?rfen und die sich ?ber die Jahre als praktisch erwiesen hatten. »Bist du sicher? Es sah ziemlich ?bel aus.« »Ja, ich bin sicher.« Er musterte sie, w?hrend sie vorsichtig die Glassplitter aufsammelte und sie in einen M?lleimer in der N?he warf. In der schummrigen Bar sah sie aus wie eine j?ngere Version von Gabrielle. Als sie sich umdrehte, folgten seine Augen den Einstichspuren ihre Arme hinauf. Seine Hand stie? auf ein Plastikt?tchen in seiner Tasche und er l?chelte. Ihm kam ein Gedanke, wie er es Gebrielle heimzahlen und gleichzeitig ein wenig Spa? haben konnte. Er schenkte der Frau seinen gl?hensten Blick. »Wie hei?t du?« Ihre Augen verdunkelten sich. »Megan«, sagte sie atemlos. Er lehnte sich vor und schob ihr eine Str?hne blonden Haars hinters Ohr. »Hast du Lust auf ein bisschen Spa??« Lash konzentrierte sich auf auf den Druck, der sich in seinem Magen anstaute. Sein K?rper bewegte sich vor und zur?ck. Er genoss das Gl?hen auf der Haut – es war die einzige Art von W?rme, die ihm eine Ruhepause von der Taubheit der letzten f?nfunddrei?ig Jahre verschaffen konnte. Anfangs hatte er das Leben unter den Menschen f?r ein Abenteuer gehalten. Er war wirklich neugierig gewesen, wie es sich anf?hlte, sich auf der anderen Seite zu befinden. Er hatte gedacht, man w?rde ihm vergeben und ihn wieder in die Gemeinschaft aufnehmen. Es war ja nicht so, als ob er eine Tods?nde begangen h?tte oder so was. Aber Monate waren zu Jahren geworden und Jahre zu Jahrzehnten. Als ihm klar geworden war, dass er nie nach Hause zur?ckkehren w?rde, war ihm alles egal geworden. Er schloss fest die Augen und versuchte, den zufriedenen Ausdruck auf Gabrielles Gesicht in dem Moment, als er versto?en worden war, auszul?schen, aber er schwelte weiter in seinen Gedanken. Es st?rte ihn, dass er so einfach rausgeworfen worden war. Hatten sie nicht anerkannt, wie schwer es f?r ihn gewesen war, Menschen zu helfen, die so undankbar waren? Es war so weit gekommen, dass viele sich zu dem berechtigt f?hlten, was er zu geben hatte. Die Leute glaubten, dass alles was sie tun musssten, war, darum zu bitten und sie w?rden es erhalten. Ja, es gab Zeiten, in denen er gegen Anordnungen versto?en hatte, aber letztendlich hatte es sich immer ausgezahlt und seinen Sch?tzlingen war es dadurch besser gegangen. Als es um das kleine M?dchen gegangen war, das es wirklich verdient hatte, zu leben, hatte er aus reinem Instinkt heraus gehandelt. Er war sich sicher gewesen, dass Michael in dieser Sache auf seiner Seite stehen w?rde. Na, schei? drauf – und schei? auf den Job. Ein St?hnen lenkte ihn von seinen Gedanken ab und er blickte hinab auf dessen Ursprung. Str?hnen k?nstlich blonden Haars schwangen synchron mit seinen H?ften und streiften seine Oberschenkel. Das Gef?hl von feuchter Hitze verschlang ihn, als er schneller in die glitschigen Tiefen ihres Mundes stie?. Er lechzte verzweifelt nach W?rme und nach dem Loslassen der Dunkelheit, die ihn ?berw?ltigt hatte. »Fuck!«, rief er, als der Druck in seinem Innern explodierte. F?r diesen kurzen Moment entkam er den unsichtbaren Ketten, die ihn an die K?lte fesselten, und W?rme breitete sich in seinem K?rper aus. Er war wieder zuhause, wandelte unter dem leuchtend blauen Himmel und die Sonne schien ihm aufs Gesicht. So schnell, wie es gekommen war, verschwand das Gef?hl. Ein Fr?steln kroch seinen R?cken hinauf und lie? ihn schaudern. Pl?tzlich ?berfiel ihn der Gestank von verfaulten Eiern und Urin und er riss die Augen auf. Er befand sich wieder in dem Drecksloch, das jetzt sein Leben war. Gestern war es das »Triple Leaf Motel« gewesen; heute war es das »The Lucky Seven Inn«. Sie waren alle gleich. So wie die Frauen, die ihm halfen, alldem zu entkommen, selbst wenn es nur f?r einen Augenblick war. Gr?ne Augen sahen zu ihm auf. Er stellte sich vor, dass es ihr Gesicht war, dasjenige, dass ihn zu dem Schicksal verdammt hatte, weitab von Familie und Freunden auf Erden zu wandeln. »Schluck’s runter.« Megan schluckte, stand dann langsam auf und rieb ihren d?nnen, nackten K?rper an seinem. »Komm schon, Baby, gib mir ’nen Schuss.«, schnurrte sie. Er griff nach seiner Jeans, zog ein T?tchen voller klarer Kristalle heraus und warf es ihr zu. Sie kreischte auf und lief zur anderen Seite des Zimmers, wo ihre Handtasche lag. Sie sch?ttete den Inhalt auf den Boden, was ein Gewimmel an Schaben dazu brachte, Deckung zu suchen. Lash ging zur K?che, wenn man das in einer Einzimmerwohnung so nennen konnte. Er goss sich ein Glas Whiskey ein, w?hrend er Megan beobachtete. Mit der Pr?zision einer Chirurgin bewegten sich ihre H?nde. Sie hielt mit der einen Hand ein Feuerzeug unter einen rostigen L?ffel und in der anderen eine Kan?le. F?r einen kurzen Moment regten sich Schuldgef?hle in seinem Gewissen. »Oh, Baby, das hier ist verdammt gutes Zeug!« Sie l?ste die Bandage von ihrem Arm, kroch ins Bett und sah ihn verf?hrerisch an. »Warum leistest du mir nicht Gesellschaft?« Im ged?mpften Licht sah er einen Abglanz der Sch?nheit, die sie einst gewesen war. Es war offensichtlich, dass ihre Drogenabh?ngigkeit ihren Tribut gefordert hatte – ihr Haar hing kraftlos und fettig herunter und ihre Haut war bleich. Nadelzerstochene Arme streckten sich ihm entgegen. »Komm her. Ich helf dir.« »Ich w?rde viel mehr als das brauchen, um auch nur den kleinsten Kick zu f?hlen.« Er sammelte ihre Kleider vom Boden auf und warf sie ihr zu. »Zieh die an.« Sie zog sich ein ausgeleiertes, dunkelrotes T-Shirt ?ber den Kopf. »Wieso das denn? Bist du so ’ne Art Supermensch oder so?« Er schnaubte. »Wenn ich dir was zeige, versprichst du, es f?r dich zu behalten?« Sie kroch an die Bettkannte. »Ich schw?re es bei meinem Leben.« Sie machte das Zeichen eines Kreutzes ?ber der linken Seite ihres Oberk?rpers. Lash grinste und trat einen Schritt zur?ck. Er lie? die Arme an seine Seite fallen, die Handfl?chen nach oben gerichtet, und entspannte seine Schultern. Dann presste er. Das M?dchen keuchte auf, als das Ger?usch zerrei?ender Haut erklang. »Was machst du da?«, rief sie, als Blutstropfen zu Boden fielen. Er l?chelte. »Warte. Da kommt noch mehr.« Ihre Augen weiteten sich, als sich zwei wei?e Objekte hervorschoben, die sich ?ber die L?nge seines R?ckens erstreckten. Er presste ein letztes Mal und sie entfalteten sich. »Was zum…« Sie rieb sich die Augen. »Schei?e! Du bist ein Engel.« Sie fuhr hoch, als es jemand an der T?r klopfte. »Lahash, ich bin es, Raphael. ?ffne die T?r. Ich wei?, dass du da drinnen bist.« »Geh weg!«, knurrte Lash. Die T?r schwang auf und Raphael trat ein. Kalte blaue Augen starrten Lash zornig an. »Ich habe genug von deinem Unsinn, Lahash.« »Oh Gott«, sagte Megan und ihre Augen weiteten sich. »Bist du Er? Bist du –« – sie schluckte – »Gott?« Raphael blickte herab auf das halbnackte M?dchen. Seine Augen wurden sanft. »Wie ist dein Name, mein Kind?« »Megan.« Glasige Augen sahen ihn ehrf?rchtig an. Lash machte einen Schritt nach vorn. »Raphael, du hast kein –« »Ich wei?, was du sagen willst. Und du irrst dich. I habe sehr wohl das Recht, hier zu sein.« Raphaels Lippen pressten sich zu einer d?nnen Linie zusammen, als er zwischen Lashs Fl?geln und Megans schockiertem Gesicht hin- und hersah. »Du h?ttest dich vor ihr nicht so zeigen sollen. Es wird nur eine Belastung f?r das arme M?dchen sein.« »Oh, ich habe Teile von mir gezeigt, von den du nicht einmal tr?umen k?nntest.« Lash zog den Rei?verschluss seiner Jeans hoch und grinste. »Was ist mit dir passiert?« Raphael trat einen Schritt nach vorn und sein Gesichtsausdruck wechselte von w?tend zu besorgt. »Du hast noch nie mit solcher Verachtung zu mir gesprochen.« »F?nfunddrei?ig Jahre sind passiert! Was hast du denn erwartet?« Lash faltete seine Schwingen in seinen K?rper und griff nach seinem Hemd. »Sie wird wahrscheinlich denken, es ist ein Teil ihres Trips.« Um ihretwillen hoffte er, dass sie sich an nichts erinnern w?rde. Raphael hatte Recht – er h?tte sie nie hierher bringen sollen. Er hatte allerdings nicht vor, das ihm gegen?ber zuzugeben. Gabrielle mochte diejenige gewesen sein, die seinen Rauswurf veranlasst hatte, aber bis jetzt hatte er nichts von seinem sogenannten Freund geh?rt. Raphael sch?ttelte den Kopf und wandte sich mit mitleidigem Blick Megan zu. »Komm her, mein Kind.« Megan stolperte auf Raphael zu und war kurz davor, zu Boden zu st?rzen, als er sie auffing. Er hob ihren Kopf und musterte sie aufmerksam. »Wei?t du, wer ich bin?« »Gott?«, fl?sterte sie. »Ich bin Raphael, Erzengel des Heilens, des Mitleids und der Liebe. Du hast deinen K?rper entweiht, um den Schmerz zu lindern, der tief in deiner Seele w?tet. Er wei?, wonach dein Herz sich sehnt. Du musst nur darum bitten, dann wird es dir gew?hrt.« Sie zwinkerte verwirrt. »Wer ist Er?« »Er ist unter vielen verschiedenen Namen bekannt: Gott, Herr, Allah, Jahwe… sie sind alle ein und derselbe. Wisse dies: Er liebt dich.« »Worum soll ich bitten?« »Um was immer du w?nschst.« Raphael streichelte sanft ihr Gesicht. Sie blickte in Raphaels Augen und ihr Gesicht verzerrte sich. Sie lie? sich auf die Knie fallen und schlang ihre Arme um seine Beine. »Mach, dass es weggeht, bitte. Ich will den Schmerz nicht mehr f?hlen.« Raphael hockte sich auf den Boden und nahm Megans H?nde in seine eigenen. »Der Mann, der sich dein Vater nennt, wird dir nicht l?nger weh tun. Du bist kein Sexobjekt oder die pers?nliche Sexsklavin, zu der er dich gemacht hat. Du bist ein Kind Gottes, und mit Vertrauen in Ihn wirst du Frieden finden.« Es tat Lash im Herzen weh, als er sah, wie ihr Tr?nen ?ber die Wangen liefen, und wieder nagten Schuldgef?hle an ihm. Sie war nicht die erste Frau, die er benutzt hatte. Es war leicht, von einem M?dchen zum n?chsten zu ziehen; es war nur Sex. Sie waren zufrieden – er war zufrieden. Was war schlimm daran? So lange er sich auf One-Night-Stands beschr?nkte und sie nicht n?her kennenlernte, war er in der Lage, die Mauer, die er um sich selbst errichtet hatte, aufrecht zu erhalten. Aber tief im Innern hatte er gewusst, dass das, was er tat, egoistisch und falsch war. Raphael fasste nach ihrem Arm und fuhr mit seiner Hand ?ber die frischen Nadelstiche. Megan st?hnte, als ein Kr?useln die L?nge ihres Arms hinauffuhr wie ein Wurm, der unter ihrer Haut gefangen war. Die Bewegung kam an der kleinen Einstichstelle zum Stillstand, wo sie sich die Injektion gesetzt hatte, und eine wei?e, gel-artige Substanz quoll hervor. Megans Augen weiteten sich und sie schauderte, als das wei?e Gel auf den Fu?boden tropfte. Als es vor?ber war, sah sie zu Raphael. Ihre Augen waren klar und wach. »Danke.« »Gehe nun und s?ndige nicht mehr.« Megan k?sste seine H?nde. Eilig zog sie sich ihre Jeans an, griff nach ihrer Handtasche und warf deren Inhalt und ihr Drogenbesteck hinein. Als sie zur T?r ging, begegneten ihre Augen denen Raphaels und ihre Wangen r?teten sich vor Scham. Raphael ber?hrte leicht ihre Wange. »Denke daran, was einmal war, ist nicht mehr.« Sie begann zu l?cheln. Mit einem Blick hinunter auf ihre Handtasche, drehte sie sich um und warf sie in den M?lleimer, bevor sie mit erhobenem Kopf hinausging. Lash ging zum M?lleimer und durchsuchte die Tasche, um ein Feuerzeug und einen Joint herauszuholen. Er funkelte Raphael an und forderte ihn stumm heraus, einzugreifen, als er ihn anz?ndete und einen Zug nahm. »Lahash, du kannst mir nicht wei?machen, dass dieses… dieses Zeug bei dir tats?chlich wirkt«, tadelte Raphael. »Unsere K?rper reagieren nicht so auf Fremdsubstanzen, wie menschliche K?rper es tun.« »Nein«, antwortete er und hielt einen Moment lang den Atem an, um dann langsam den Rauch auszusto?en. »Ich f?hle gar nichts.« Raphael verzog das Gesicht. Lash war kurz davor, einen weiteren Zug zu nehmen, als – mit einem Wedeln von Raphaels Hand – der Rauch verschwand und sich der Joint in Asche verwandelte. »Erkl?re mir doch bitte, warum du dir dann die M?he machst, deinen K?rper damit zu beschmutzen?« »Weil es dich zur Wei?glut treibt.« Er l?chelte sp?ttisch. Raphaels Augen wurden kalt. Er packte Lash am Hals und warf ihn gegen die Wand. Er kam ganz nah heran, sein Gesicht weniger als zwei Zentimeter von Lashs entfernt. »Es ist genau diese Einstellung, die dich aus dem Himmel verbannt hat.« »Einen Schei? war es das.« Lash k?mpfte gegen ihn an. »Diese Schlampe Gabrielle ist Schuld. Sie h?tte mich nicht anschw?rzen m?ssen.« »Nein, Lahash. Du warst es. Du warst es ganz allein.« Raphaels Gesicht r?tete sich, w?hrend er Lash so stark gegen die Wand presste, dass dabei Risse in ihr entstanden. »Du hast in ihre Aufgabe eingegriffen und ihre Autorit?t als Erzengel in Frage gestellt. Alle Missionen werden aus einem Grund erteilt und sollten entsprechend ausgef?hrt werden. Das M?dchen h?tte den Unfall nicht ?berleben sollen.« »Gabrielle« – er spuckte ihren Namen aus, als h?tte er einen bitteren Geschmack – »hat auf eine Gelegenheit gewartet, mich rauswerfen zu lassen. Sie hasst mich.« »Das ist nicht wahr.« Sein Blick verfinsterte sich. »Das tut sie. Du bist nur zu blind, es zu sehen.« Raphael schloss seine Augen und atmete tief ein. Seine Wut half Lash nicht, zur Vernunft zu kommen; sie tat genau das Gegenteil. »Ich wei?, dass ihr beide nicht im besten Einvernehmen steht.« »Das ist eine Untertreibung«, murmelte Lash. Raphael beachtete ihn nicht und fuhr fort. »Ihr liegt das Wohl aller am Herzen, auch deines. Davon bin ich ?berzeugt.« Er lockerte seinen Griff und trat beiseite. »Du warst leichtsinnig, diejenigen um dich herum nicht zu beachten. Ich verstehe diese Art deines Verhaltens nicht.« Lash seufzte und setzte sich auf die Kannte des Bettes. »Ich sehe den Sinn darin nicht. Wieso geben wir uns ?berhaupt mit dem, was wir tun, ab? Die Menschen werden sowieso machen, was sie wollen. Wie Megan. Sie wird wahrscheinlich innerhalb einer Stunde wieder high sein.« »Genau das ist dein Problem, Lahash. Du hast den Glauben verloren.« »Den Glauben?« Lash schnappte sich die Fernbedienung vom Nachttisch und schaltete den Fernseher ein. Er zappte durch die verschiedenen Kan?le und hielt zwischen jedem Knopfdruck einen Moment lang inne. Er spannte de Unterkiefer an, als er d?ster auf jedes Bild sah, das ?ber den Bildschirm flackerte: blut?berstr?mte M?nner, Leichen auf einer Schotterstra?e und in Schwarz gewandete Frauen, die vor Schmerz und Trauer weinten; ein zerst?rtes Geb?ude mit Rauch und Asche in der Luft, Frauen und Kinder, die aus ihm hinausliefen, aschebedeckt; ein dunkelh?utiger kleiner Junge, nicht ?lter als vier Jahre, gekleidet in schlammverschmierte Shorts, mit vor Hunger geschwollenem Bauch und leerem Gesichtsausdruck, der allein am Rande einer Stra?e stand. Er stoppte bei einem Kanal, der eine Gruppe Frauen zeigte, die Kleinkinder schminkten und anzogen, so dass sie wie teure Eskort-Girls aussahen, damit sie bei einem Sch?nheitswettbewerb gewannen. Lash schleuderte die Fernbedienung von sich, so dass der Bildschirm zerbrach. »Ist es das, von dem du willst, dass ich daran glauben soll? Wie soll ich an sie glauben?« Raphael sah zum zerbrochenen Fernseher, seine Augen gl?nzten. »Lash, denkst du nicht, dass ich nicht genau wie du gef?hlt habe? Ich hatte auch Schwierigkeiten, an Menschen zu glauben, besonders, wenn es so aussieht, als ob sich niemand um irgendjemanden schert als sich selbst.« Raphael legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Michael hat zugestimmt, dir noch eine Chance zu geben. Er wird dir erlauben, zur?ckzukehren, wenn du deine Hingabe und dein Vertrauen unter Beweis stellst.« »Weshalb sollte ich das tun wollen?«, fragte Lash und t?uschte Desinteresse vor. Die Mauer, die er um sich selbst errichtet hatte, um sich vor Verletzungen zu sch?tzen, war vollkommen. »Mich kannst du nicht t?uschen. Ich wei?, dass du zur?ck willst.« Schei?e. Er h?tte sich denken k?nnen, dass Raphael ihn sofort durchschauen w?rde. »Also gut. Was muss ich tun?« Erleichterung leuchtete in Raphaels Augen auf und er lie? den Atem ausstr?men. Er nahm einen Umschlag aus der Innentasche seiner Jacke. »Das sind der Ort und das Foto deines n?chsten Sch?tzlings.« Lash seufzte, riss den Umschlag auf und holte eine Karte heraus. »Naomi Duran«, las er. »Duran. Warte mal, ist sie mit Javier Duran verwandt?« Raphael ?ffnete den Mund und schloss ihn dann. Lash ahnte, dass es etwas Wichtiges gab was er ihm sagen wollte, aber es sah aus, als hielte ihn etwas zur?ck. »Alles, was ich dir sagen kann, ist, dass es von gr??ter Wichtigkeit ist, dass du sie besch?tzt«, erkl?rte Raphael. Lash fluchte zwischen zusammengebissenen Z?hnen. Sie w?rden es ihm nicht leicht machen. Er drehte die Karte um. Von der R?ckseite blickte ihn eine h?bsche junge Frau mit gro?en hellblauen Augen an. Stille senkte sich ?ber das Zimmer, als er das Foto eingehend betrachtete. Er sah auf und stellte fest, dass Raphael sich erwartungsvoll zu ihm hingebeugt hatte. »Was denn?« »Nichts.« Raphael wandte die Augen ab. Er ging zum einzigen Fenster im Zimmer und zog den Vorhang zur?ck. »Schau es dir nochmal an. Wenn du ein Foto von besserer Qualit?t brauchst, kann ich dir eines besorgen.« Lash sah Raphael misstrauisch an. Er verhielt sich seltsam. Lash sah noch einmal auf das Foto hinunter. Da war etwas Vertrautes an ihr, das er nicht genau benennen konnte. Er zeichnete mit einem Finger ihren vollen, roten Lippen nach. Er hatte ihr nicht in der Vergangenheit zugeteilt sein k?nnen; an jemanden, der so aussah wie sie, h?tte er sich erinnert. »Das Foto ist in Ordnung. Also, alles, was ich tun muss, ist sie zu besch?tzen. Wovor?« Raphael blickte zum schmutzigen Fenster hinaus und neigte dann den Kopf, als lauschte er auf etwas. »Wir sollten uns bei dem hier beeilen«, sagte er und kam auf Lash zu. Er legte seine H?nde an Lashs Schl?fen und eine Vision von Naomi erschien. »Was zum… versucht sie, sich umzubringen?«, rief Lash. Raphael zog seine Hand zur?ck. »Du kannst mir das nicht einfach zeigen und verschwinden«, sagte Lash. »Ich h?tte dir das ?berhaupt nicht zeigen sollen.« Raphaels Gesicht spiegelte Sorge wider, w?hrend er hinausging. Lash lief in den Flur. »Warte! Wird Michael mir wenigstens alle meine Kr?fte wiedergeben?« Raphael ging weiter, sein Bild verblasste mit jedem Schritt, den er machte, mehr. »Nein. Das hier musst du allein machen.« 5 Jane wische sich die verschwitzten H?nde am Saum ihrer schwarzen Bluse ab. Sie sah aus der get?nten Fensterscheibe des Mercedes hinaus auf die kleine Menschenansammlung, die sich um den geschlossenen Sarg versammelt hatte. »Das hier ist falsch, Luke. Ich sollte nicht hier sein.« Luke nahm sein Handy vom Halter und t?tschelte Janes Hand. »Wir haben das doch besprochen«, sagte er. »Es w?re schlimmer, wenn du der Familie nicht deine Anteilnahme f?r ihren Verlust ausspr?chest. Du bist vollkommen in Sicherheit. Sal wird direkt hinter dir sein.« »Das meinte ich nicht,«, entgegnete sie. Das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte, war die Familie mit Sals Anwesenheit zu beunruhigen. »Meinetwegen ist dieser arme Mann tot. Ich bin die Letzte, die sie sehen wollen.« »Es wurde entschieden, dass es ein Unfall war«, merkte er an. »Der Mann ist tot.« Sie schloss die Augen und presste eine Hand gegen ihre Stirn. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt f?r eine weitere Migr?ne. »Ich habe nicht auf die Stra?e geachtet und deshalb hat ein Mann sein Leben verloren.« Luke nahm ihre Hand und gab ihr ein Aspirin. »Es war nicht deine Schuld.« Er reichte ihr eine Flasche Wasser. »Eine meiner Quellen in der Investigation sagte mir, dass er Alkohol im Blut hatte.« »Ich bin sicher, das h?tten sie in meinem auch gefunden, wenn sie sich die M?he gemacht h?tten, es zu ?berpr?fen.« Jane warf sich die Pille in den Mund und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Beerdigung. Eine kleine ?ltere Frau, wahrscheinlich die Mutter des Mannes, lehnte sich an einen jungen Mann und weinte an seiner Brust. »Das hast du Sals Geistegegenwart zu verdanken.« Luke drehte sich beim Ger?usch von knirschendem Kies um, als ein Lieferwagen neben dem Auto zum Stehen kam. »Gut. Sie sind hier.« »Du hast die Medien herbestellt?« Jane schnappte nach Luft. »Unglaublich.« »Sieh mal, Jane. Wir k?nnen nicht das Risiko eingehen, dass dieser Vorfall deinen unbefleckten Ruf beschmutzt.« Luke tippte an die R?ckseite des Fahrersitzes. »Sie ist so weit.«, sagte er zu Sal. »Ich m?chte das hier lieber privat erledigen.« Sie hasste den Gedanken an eine ?bertragung ihrer Entschuldigung in den Abendnachrichten. »Deine Wahl in ein politisches Amt betrifft mehr als nur dich selbst.«, sagte Luke streng. »Denk an all die Arbeitskraft und das Geld, das dich zu dem gemacht hat, was du heute bist. Du schuldest es der Partei.« So sehr Jane es hasste, das zuzugeben, er hatte Recht; zu viele Menschen verlie?en sich auf sie und im Spiel der Politik war das Image alles. Luke sah hinunter auf seine Uhr. »Es wird nur wenige Minuten dauern. In einer Stunde steht die Spendenaktion des Houstoner Kinderkrankenhauses im Stadtzentrum an.« Janes Magen verkrampfte sich. Sie konnte sich nicht vorstellen, diese bedauernswerte Familie zu verlassen und dann direkt zu einer Spendenaktion zu fahren, wo sie eine Rede ?ber die Wichtigkeit des gegenseitigen Unterst?tzens in einer Gesellschaft in schweren Zeiten halten sollte. Es f?hlte sich so verlogen an. Die T?r ?ffnete sich und Sal streckte ihr abwartend seine Hand entgegen. Sie seufzte, reichte ihm die Hand und stieg aus. Als sie in Richtung der Versammelten gingen, konnte sie f?hlen, wie ihre Augen neugierig zu ihr hinsahen. Sie blieb in einiger Entfernung stehen und wartete auf den richtigen Moment, um sich den Durans zu n?hern. Sie musste an dein kleinen Jungen denken, Javier, der an jenem schicksalhaften Tag hinter ihr gesessen hatte, als ihr Flugzeug von Los Angeles abgest?rzt war und alle bis auf sie beide umgekommen waren. Als sie herausgefunden hatte, dass der Name des Mannes, in den sie hineingefahren war, Javier Duran war, hatte sie Luke gebeten, etwas ?ber dessen Hintergrund herauszufinden. Die Wahrscheinlichkeit war gering, dass es sich um den gleichen Javier handelte, dem sie vor vielen Jahren begegnet war, aber sie wurde das Gef?hl nicht los, dass es sich um dieselbe Person handelte. Sie war erleichtert gewesen, als Luke ihr mitgeteilt hatte, dass er untr?stlich sei, aber der Javier aus dem Flugzeug sei vor Jahren an Krebs gestorben. »Frau Senatorin.« Sal ber?hrte sie am Ellbogen und f?hrte sie n?her an die Gruppe heran. Jane sah zu den Medienvertretern und presste ihre Lippen zu einem d?nnen Strich zusammen. Die perfekte Szene, dachte sie. Stellt blo? sicher, dass ihr das Aush?ngesschild der American Federation Party auf das Foto bekommt, wenn sie die Familie tr?stet. Als die Beerdigungszeremonie sich dem Ende n?herte, wartete Jane ab, bis die anderen gegangen waren, bevor sie sich ihnen n?herte. Tief einatmend wischte sie sich die H?nde ein letztes Mal an ihrem Rock ab und ging auf die trauernde Familie zu. Naomi musste ihre ganze Kraft aufwenden, um zu bleiben, wo sie war und nicht vor dem Schmerz wegzulaufen, der sie zu ?berw?ltigen drohte. W?hrend der letzten paar Tage der Beerdigungsvorbereitungen hatte sie es geschafft, die Trauer ?ber den Verlust ihres Vaters in Schach zu halten. Beim Anblick Belitas, die sich in ihr schwarzes Spitzentuch schn?uzte, zerriss es ihr das Herz und sie fragte sich, was f?r ein Gott ihnen das antun w?rde. Von all den Menschen auf der Welt, warum er? Warum jetzt? Es war nicht fair. Ihr Vater war endlich dabei gewesen, sein Leben umzukrempeln und es neu aufzubauen, nur um es innerhalb eines Augenblicks zu verlieren. Sie legte eine Rose auf seinen Sarg und fragte sich, was sie tun w?rde, jetzt, da er tot war. In diesem Moment sah sie aus einem Augenwinkel heraus eine schlanke Frau aus einem schwarzen Mercedes steigen. Ihre Augen verengten sich, als sie erkannte, wer es war. F?r wen zur H?lle h?lt sie sich, dass sie hierher kommt? Sie stie? einen unterdr?ckten Fluch aus, als zwei M?nner mit Kameras dicht hinter der Senatorin folgten. Chuy stupste sie am Arm an. »Was ist los?« »Da dr?ben.« Sie deutete mit dem Kopf in Richtung der Eindringlinge. »Die Dreistigkeit dieser Frau. Sie hat ihre eigene Crew mit dabei.« »Wir sind hier fertig. Ich werde Lalo sagen, er soll das Auto holen. Belita muss das nicht ertragen.«Chuy eilte zu Belita, die sich gerade mit dem Priester unterhielt. »Beeil dich.« Naomi beobachtete die Senatorin, als sie auf sie zu kam. Ihre Absatzschuhe knirschten auf dem Kies, der den Pfad bedeckte. Ein grobschl?chtiger Riese folgte hinter ihr. Mit seinem schwarzen Cowboyhut und seinen Krokodillederstiefeln sah er aus wie der typische Texaner, aber der scharfe Blick in seinen Augen strahlte Gefahr aus. Sie fr?stelte. »Was ist los, Mijita?« Belita trat neben sie. »Chuy sagt, du willst gehen.« »Es wird hei?, und die Hitze ist nicht gut f?r dein Herz«, antwortete Naomi. »Wir m?ssen dich nach Hause bringen.« Belita sah verwirrt aus. »Meinem Herzen geht es – « »Mrs. Duran!«, rief Jane ihr zu. »Schei?e,«, murmelte Naomi leise. Belita drehte sich um und Wiedererkennen zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. »Senatorin Sutherland.« Naomi stellte sich vor Belita. »Senatorin, wir haben Ihnen nichts zu sagen.« Sie nahm Belitas Arm und steuerte sie in Richtung ihres Autos. »Nein, bitte,«, sagte Jane und trat auf sie zu. »Bitte f?hlen Sie sich nicht angegriffen. Ich bin hier, um Ihnen mein Beileid auszusprechen.« Naomi fuhr herum. »Sie sind nicht unseretwegen hier.« Sie schoss einen Blick in Richtung der Nachrichtenkameras. »Sie sind hier zu Ihrem eigenen Vorteil, Sie Schlam – « »No seas grocera, Naomi!«, schalt Belita. »H?te deine Zunge.« »Tut mir leid, Belita. Diese Frau verdient keine Freundlichkeit. Sie platzt hier herein mit ihrem schicken Mercedes, als ob ihr alles geh?rte, und denkt sich, sie kann einfach sagen ,Es tut mir leid’ und wir werden uns alle umarmen und ihr vergeben.« »Das ist gar nicht meine Absicht, schauen Sie – « – Jane nahm einen tiefen Atemzug – »beruhigen wir uns doch alle, bevor die Dinge eskalieren.« »Uns beruhigen? Beruhigen?« Naomi lie? Belita los und machte einen gro?en Schritt auf Jane zu, die H?nde zu F?usten geballt. »Lady, Sie haben keine Ahnung, wozu ich f?hig bin.« »Chuy, halt sie zur?ck!«, rief Belita und ihre Augen weiteten sich, als sie Sal in die Innenseite seines Jacketts greifen sah. Jane ber?hrte Sal am Arm und sch?ttelte den Kopf. Er z?gerte und trat zur?ck, seine Hand noch immer im Jackett. »Komm, Naomi.« Chuy ergriff ihren Arm. »Du regst Belita auf.« »Ich? Ich rege sie auf? Sie – « – Naomi zeigte auf Jane – »sie hat doch angefangen, indem sie ihre Visage hier zeigt.« Naomi hatte M?he, sich von Chuys festem Griff zu befreien, ihre Stimme klang hitzig. »Sie will in die Nachrichten kommen. Ich werde sie in die Nachrichten bringen. Ich werde ihr Video ber?hmt machen.« »Naomi… h?r auf.« Belita bgeann zu schnaufen. »Beruhigen wir uns doch.«, sagte Jane. »Ich bin sicher – « »Halten Sie verflucht nochmal die Klappe!«, knurrte Naomi und sah dann zu Belita. »Sehen Sie doch, was Sie meiner Gro?mutter antun.« Sie drehte sich zu der TV-Crew um. »Nehmen Sie das auch alles auf? Ist das Bel?stigen einer alten Frau genug, um Ihnen hohe Einschaltquoten zu sichern oder brauchen Sie noch ein bisschen Blut?« »H?r auf damit. Sofort!« Chuy sch?ttelte Naomi, dann packte er ihr Gesicht. »Sieh mich an. Rei? dich zusammen. Was w?rde dein Vater sagen, wenn er s?he, dass du dich so auff?hrst?« Naomi sah Chuy an und blinzelte. In seinen braunen Augen sah sie ihren Vater. Die Erkenntnis erf?llte sie und sie h?rte Belita hinter sich schluchzen, als sie sie mit ihrer weichen Stimme darum bat, mit ihnen nach Hause zur?ckzukehren. Sie wollte w?tend bleiben. Wut war das Einzige, das die dunkle Trauer zur?ckhielt, die sie zu ?berw?ltigen drohte. Sie sah hinab auf Belita und dann zur?ck zu Chuy. Der Schmerz ?berkam sie mit aller Macht, als ihr klar wurde, wie sehr sie der einzigen Familie wehtat, die sie noch hatte. Sie musste aufh?ren – f?r den Moment. Tr?nen brannten in ihren Augen und sie schluckte schwer, als das Feuer in ihr abk?hlte. Das Letzte, was sie wollte, war, der Welt zu zeigen, wie sie heulte. Ohne ein weiteres Wort ging sie zu Belita, k?sste sie auf die Wange und legte ihr einen Arm um die d?rre Schulter, als sie sie zum Auto f?hrte. »Mrs. Duran. Wenn es irgendwas gibt, was ich f?r Sie tun kann…« Diese Frau wird nicht aufgeben. Statt einer Antwort packte Naomi den T?rgriff, drehte sich aber nicht um. Sie atmete tief ein und schwor sich, dass sie einen Weg finden w?rde, der Senatorin heimzuzahlen, was sie getan hatte. Auf die eine oder andere Weise w?rde sie Gerechtigkeit f?r ihren Vater finden. 6 Verborgen in den Schatten hinter Belitas Haus sp?hte Lash durch das offene Fenster und hoffte, dass er Naomi finden w?rde. Er war zu der Adresse gegangen, die man ihm gegeben hatte, aber als er herausgefunden hatte, dass sie nicht da war, hatte er die Wohnung nach Hinweisen darauf durchsucht, wo sie sein k?nnte. Nach der Vision, die Raphael ihm gezeigt hatte, musste er offensichtlich vorrausschauend vorgehen und konnte nicht warten, bis sie zur?ckkam. Er fand nichts Ungew?hnliches: ein sp?rlich eingerichtetes, kleines Schlafzimmer, ein Wohnzimmer, in dem Schulb?cher die Regale f?llten, eine K?che, die abgesehen von einem Stapel Zeitungen auf dem Tisch makellos war. Er warf einen Blick auf die Zeitung ganz oben auf dem Stapel. Die Seiten mit den Nachrufen war aufgeschlagen und das Foto eines Mannes im mittleren Alter l?chelte ihm entgegen. Unter dem Foto stand ein Name: Javier Duran. Lash griff sich die Zeitung und las es sich durch. Da waren einige S?tze, die besagten, dass Javier seinen Abschluss an der University of Texas gemacht hatte und dass seine Frau verstorben war. Was ihm ins Auge fiel, waren zwei der Namen, die unter den Hinterbliebenen aufgef?hrt waren: Naomi und Anita Duran. Er rief sich die junge Frau mit dem pechschwarzen Haar und der get?nten Brille, die am Telefon gesprochen hatte, in Erinnerung. Anita war Javiers Mutter. Derselbe kleine Junge, der vor Jahren sein Sch?tzling gewesen war, und jetzt war er tot. Lash warf die Zeitung zur?ck auf den Tisch und fuhr sich niedergeschlagen mit der Hand durchs Haar. Was war hier los? Das Kind, dass er gerettet hatte, hatte nicht einmal die M?glichkeit gehabt, sein Leben zu Ende zu leben. Er schritt nachdenklich auf und ab. Es musste einen Grund daf?r geben, dass Michael Naomi gerade ihm zugeteilt hatte und es w?rde sich um mehr handeln, als nur darum, sein Vertrauen und seine Loyalit?t zu beweisen – aber was? Lash sah sich einen Laptop auf dem Couchtisch im Wohnzimmer an und ergriff ihn. Was auch immer die Verbindung war, er w?rde es bald genug herausfinden. Aber zuallererst musste er Naomi finden. Er googelte kurz und fand Anitas Adresse. Er dachte, dass Naomi vielleicht dort w?re, zumal heute die Beerdigung war, und begab sich direkt zu Anitas Haus. Als Lash sich dem kleinen wei?en Haus n?herte, h?rte er ged?mpfte Stimmen streiten. Er schlich sich in den Hinterhof und nahm Bewegungen hinter einem ge?ffneten Fenster wahr. »Streite es nicht ab, Naomi.«, sagte eine tiefe Stimme. »Dir ist schon der Gedanke gekommen, dass dein Vater wahrscheinlich betrunken war.« »Er hat es mir versprochen, Chuy«, sagte Naomi hitzig. »Er hat gesagt, er h?tte das Zeug seit ?ber einem Monat nicht anger?hrt.« »In den Zeitungen stand –« »Schei? auf die Zeitungen. Ich kenne meinen Vater.« Lash war ?berrascht von Naomis kr?ftiger Stimme, so anders als das liebliche L?cheln auf dem Foto, dass ihm gegeben worden war. Er schob sich in eine bessere Position, um zu versuchen, einen Blick auf sie zu erhaschen. Er war neugierig zu sehen, wie jemand, der so zerbrechlich aussah, so klingen konnte. Als er sich allerdings vorlehnte, war ein Blick auf Chuys breite Schultern, die von einem wei?en Tr?gershirt bedeckt waren, alles, was er bekam. »Komm schon, Naomi«, sagte er. »Du hattest Zweifel.« Naomi hielt den Atem an und atmete dann langsam aus. »Ja, hatte ich. Als ich ihn in der N?he des Biers sah, war ich ein bisschen nerv?s, das gebe ich zu. Bevor er zur Arbeit gefahren ist, haben wir miteinander gesprochen. Er war n?chtern. Ich wei? es. Es ist unm?glich, dass er irgendwo angehalten hat und – « »Schhhh, da kommt Belita.« Belita schlurfte in die K?che. »Wieso tut ihr so, als k?nnte ich nicht h?ren? Ich kann euch den ganzen Weg bis in den Flur hinunter h?ren.« »Du solltest dich ausruhen. Wieso bist du auf?« Chuy trat vom Fenster weg. Lash stockte der Atem, als er endlich Naomi sah, die am K?hlschrank lehnte und einen Fu? gegen die T?r gestemmt hatte. Seine Augen wanderten ihre langen Beine hinauf. Die ?rmel und der Kragen des schwarzen Band-T-Shirts waren abgeschnitten und lie?en ihre blassen Schultern frei. Dunkle Wimpern rahmten eindringliche hellblaue Augen ein, die zwischen Belita und Chuy hin- und herfuhren. Ein merkw?rdiges Gef?hl ?berkam ihn und sein Herz klopfte heftig. Ihre Augen hatten etwas an sich… Er hatte sie schon einmal irgendwo gesehen, aber er konnte nicht sagen, wo. Belita ging in Richtung der Speisekammer. »Ich bin gekommen, um Futter zu holen f?r… was ist das?« Was zur H?lle? Lash duckte sich, als Belita sich zum Fenster umdrehte. Wie konnte sie mich sehen? Es war dunkel drau?en und es gab kein Licht, das ihn h?tte verraten k?nnen. »Was ist los?«, fragte Naomi. »Ich dachte, ich h?tte was am Fenster gesehen«, entgegnete Belita. Nackte F??e tappten ?ber den Boden und Lash h?rte, wie die Fensterscheibe h?her geschoben wurde. Er hielt den Atem an, als Naomi heraussah. Wind kam auf und der Geruch von Jasmin und Vanille, gemischt mit Moschus, wurde durch die Luft herangetragen. Sie roch genau so sinnlich wie sie aussah. »Ich sehe nichts.« Naomi zog sich in die K?che zur?ck. »Ich frage mich, ob das wieder sie ist.« Belita ?ffnete die T?r der Speisekammer und holte eine Dose Hundefutter heraus. »Wer, ‚sie‘?« Chuy nahm einen Dosen?ffner heraus und reichte in Belita. »Rebecca«, antwortete sie. »Wer ist Rebec–au!«, rief Naomi. »Bear, h?r auf mich anzuspringen. Ich bin nicht diejenige mit dem Fressen.« Es gab einen Tumult und etwas klang wie das Klicken von Pfoten auf dem Boden. »Belita, du musst Bears Krallen schneiden lassen. Sie zerkratzt mir die Beine.« Verdammt, ein Hund. So gern Lash pelzige kleine Wesen auch hatte, er war noch keinem begegnet, das ihn mochte. Es war, als k?nnten sie f?hlen, dass mit ihm etwas nicht stimmte. Er fragte sich, wie viel Zeit ihm noch blieb, bevor der Hund seinen Geruch wahrnahm. W?rde Bear ihn angreifen, wie es die anderen in der Vergangenheit versucht hatten? Er k?mpfte gegen den Drang an, einen Blick zu riskieren, um die Gr??e des Hundes einzusch?tzen. Gebissen zu werden war kein Problem, weil er schnell heilte, aber er wollte sich lieber nicht mit den Schmerzen befassen. Wenn Bear seinen Geruch wahrnahm, w?rde es dadurch schwer werden, Naomi aus der Ferne zu besch?tzen. Êîíåö îçíàêîìèòåëüíîãî ôðàãìåíòà. Òåêñò ïðåäîñòàâëåí ÎÎÎ «ËèòÐåñ». Ïðî÷èòàéòå ýòó êíèãó öåëèêîì, êóïèâ ïîëíóþ ëåãàëüíóþ âåðñèþ (https://www.litres.ru/pages/biblio_book/?art=57159361&lfrom=688855901) íà ËèòÐåñ. Áåçîïàñíî îïëàòèòü êíèãó ìîæíî áàíêîâñêîé êàðòîé Visa, MasterCard, Maestro, ñî ñ÷åòà ìîáèëüíîãî òåëåôîíà, ñ ïëàòåæíîãî òåðìèíàëà, â ñàëîíå ÌÒÑ èëè Ñâÿçíîé, ÷åðåç PayPal, WebMoney, ßíäåêñ.Äåíüãè, QIWI Êîøåëåê, áîíóñíûìè êàðòàìè èëè äðóãèì óäîáíûì Âàì ñïîñîáîì.
Íàø ëèòåðàòóðíûé æóðíàë Ëó÷øåå ìåñòî äëÿ ðàçìåùåíèÿ ñâîèõ ïðîèçâåäåíèé ìîëîäûìè àâòîðàìè, ïîýòàìè; äëÿ ðåàëèçàöèè ñâîèõ òâîð÷åñêèõ èäåé è äëÿ òîãî, ÷òîáû âàøè ïðîèçâåäåíèÿ ñòàëè ïîïóëÿðíûìè è ÷èòàåìûìè. Åñëè âû, íåèçâåñòíûé ñîâðåìåííûé ïîýò èëè çàèíòåðåñîâàííûé ÷èòàòåëü - Âàñ æä¸ò íàø ëèòåðàòóðíûé æóðíàë.