Вроде как было терпимо. Нет ни тоски, ни печали. Но, пролетавшие мимо, Утки с утра прокричали. Острым, ноябрьским клином Врезали с ходу по двери. Годы сказали: с почином! Зря ты в такое не верил. Зря не закрыл ещё с лета В бедной храмине все щели. С возрастом старше и ветры, Жёстче и злее метели. Надо бы сразу, с железа, Выковать в сердце ворота

Der Steppenwolf / Степной волк. Книга для чтения на немецком языке

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Тип:Книга
Цена:151.00 руб.
Издательство: КАРО
Год издания: 2013
Язык: Немецкий
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Der Steppenwolf / Степной волк. Книга для чтения на немецком языке Герман Гессе С. А. Минченкова Чтение в оригинале (Каро)Moderne Prosa Роман «Степной волк» известнейшего немецкого писателя ипоэта Германа Гессе (1877–1962) повествует о поисках смысла жизни художника Гарри Галлера и развивает тему фаустовского дуализма. В книге представлен неадаптированный текст на языке оригинала. Герман Гессе / Hermann Hesse Степной волк / Der Steppenwolf © Антология, 2005 © КАРО, 2005 Vorwort des Herausgebers Dieses Buch enth?lt die uns gebliebenen Aufzeichnungen jenes Mannes, welchen wir mit einem Ausdruck, den er selbst mehrmals gebrauchte, den „Steppenwolf“ nannten. Ob sein Manuskript eines einf?hrenden Vorwortes bed?rfe, sei dahingestellt; mir jedenfalls ist es ein Bed?rfnis, den Bl?ttern des Steppenwolfes einige beizuf?gen, auf denen ich versuche, meine Erinnerungen an ihn aufzuzeichnen. Es ist nur wenig, was ich ?ber ihn wei?, und namentlich ist seine ganze Vergangenheit und Herkunft mir unbekannt geblieben. Doch habe ich von seiner Pers?nlichkeit einen starken und, wie ich trotz allem sagen mu?, sympathischen Eindruck behalten. Der Steppenwolf war ein Mann von ann?hernd f?nfzig Jahren, der vor einigen Jahren eines Tages im Hause meiner Tante vorsprach und nach einem m?blierten Zimmer suchte. Er mietete die Mansarde oben im Dachstock und die kleine Schlafkammer daneben, kam nach einigen Tagen mit zwei Koffern und einer gro?en B?cherkiste wieder und hat neun oder zehn Monate bei uns gewohnt. Er lebte sehr still und f?r sich, und wenn nicht die nachbarliche Lage unsrer Schlafr?ume manche zuf?llige Begegnung auf Treppe und Korridor herbeigef?hrt h?tte, w?ren wir wohl ?berhaupt nicht miteinander bekannt geworden, denn gesellig war dieser Mann nicht, er war in einem hohen, von mir bisher bei niemandem beobachteten Grade ungesellig, er war wirklich, wie er sich zuweilen nannte, ein Steppenwolf, ein fremdes, wildes und auch scheues, sogar sehr scheues Wesen aus einer anderen Welt als der meinigen. In wie tiefe Vereinsamung er sich auf Grund seiner Anlage und seines Schicksals hineingelebt hatte und wie bewu?t er diese Vereinsamung als sein Schicksal erkannte: dies erfuhr ich allerdings erst aus den von ihm hier zur?ckgelassenen Aufzeichnungen; doch habe ich ihn immerhin schon vorher durch manche kleine Begegnungen und Gespr?che einigerma?en kennengelernt und fand das Bild, das ich aus seinen Aufzeichnungen von ihm gewann, im Grunde ?bereinstimmend mit dem freilich blasseren und l?ckenhafteren, wie es sich mir aus unsrer pers?nlichen Bekanntschaft ergeben hatte. Zuf?llig war ich in dem Augenblick zugegen, wo der Steppenwolf zum erstenmal unser Haus betrat und bei meiner Tante sich einmietete. Er kam in der Mittagszeit, die Teller standen noch auf dem Tisch, und ich hatte noch eine halbe Stunde Freizeit, ehe ich in mein B?ro gehen mu?te. Ich habe den sonderbaren und sehr zwiesp?ltigen Eindruck nicht vergessen, den er mir beim ersten Begegnen machte. Er kam durch die Glast?r, wo er vorher die Glocke gezogen hatte, herein, und die Tante fragte ihn im halbdunkeln Flur, was er w?nsche. Er aber, der Steppenwolf, hatte seinen scharfen kurzhaarigen Kopf witternd in die H?he gereckt, schnupperte mit der nerv?sen Nase um sich her und sagte, noch ehe er Antwort gab oder seinen Namen nannte: „Oh, hier riecht es gut.“ Er l?chelte dazu, und meine gute Tante l?chelte auch, ich aber fand diese Begr??ungsworte eher komisch und hatte etwas gegen ihn. „Nun ja“, sagte er, „ich komme wegen des Zimmers, das Sie zu vermieten haben.“ Erst als wir alle drei die Treppe zum Dachboden hinaufstiegen, konnte ich den Mann genauer ansehen. Er war nicht sehr gro?, hatte aber den Gang und die Kopfhaltung von gro?gewachsenen Menschen, er trug einen modernen bequemen Wintermantel und war im ?brigen anst?ndig, aber unsorgf?ltig gekleidet, glatt rasiert und mit ganz kurzem Kopfhaar, das hier und dort ein wenig grau flimmerte. Sein Gang gefiel mir anfangs gar nicht, er hatte etwas M?hsames und Unentschlossenes, das nicht zu dem scharfen, heftigen Profil und auch nicht zum Ton und Temperament seiner Rede pa?te. Erst sp?ter merkte und erfuhr ich, da? er krank war und da? das Gehen ihm M?he machte. Mit einem eigent?mlichen L?cheln, das mir damals ebenfalls unangenehm war, betrachtete er die Treppe, die W?nde und Fenster und die alten hohen Schr?nke im Treppenhaus, dies alles schien ihm zu gefallen und schien ihm doch zugleich irgendwie l?cherlich. ?berhaupt machte der ganze Mann den Eindruck, als komme er aus einer fremden Welt, etwa aus ?berseeischen L?ndern, zu uns und finde hier alles zwar h?bsch, aber ein wenig komisch. Er war, wie ich nicht anders sagen kann, h?flich, ja freundlich, er war auch mit dem Haus, dem Zimmer, dem Preis f?r Miete und Fr?hst?ck und allem sofort und ohne Einw?nde einverstanden, und dennoch war um den ganzen Mann herum eine fremde und, wie mir scheinen wollte, ungute oder feindliche Atmosph?re. Er mietete das Zimmer, mietete noch die Schlafkammer zu, lie? sich ?ber Heizung, Wasser, Bedienung und Hausordnung unterrichten, h?rte alles aufmerksam und freundlich an, war mit allem einverstanden, bot auch sogleich eine Vorauszahlung auf die Miete an, und doch schien er bei alledem nicht recht dabei zu sein, schien sich selber in seinem Tun komisch zu finden und nicht ernst zu nehmen, so als sei es ihm seltsam und neu, ein Zimmer zu mieten und mit Leuten Deutsch zu sprechen, w?hrend er eigentlich und im Innern mit ganz anderen Sachen besch?ftigt w?re. So etwa war mein Eindruck, und er w?re kein guter gewesen, wenn er nicht durch allerlei kleine Z?ge durchkreuzt und korrigiert worden w?re. Vor allem war es das Gesicht des Mannes, das mir von Anfang an gefiel; trotz jenem Ausdruck von Fremdheit gefiel es mir, es war ein vielleicht etwas eigenartiges und auch trauriges Gesicht, aber ein waches, sehr gedankenvolles, durchgearbeitetes[1 - durchgearbeitet – здесь: живое, выразительное.] und vergeistigtes. Und dann kam, um mich vers?hnlicher zu stimmen, dazu, da? seine Art von H?flichkeit und Freundlichkeit, obwohl sie ihm etwas M?he zu machen schien, doch ganz ohne Hochmut war – im Gegenteil, es war darin etwas beinah R?hrendes, etwas Flehendes, wof?r ich erst sp?ter die Erkl?rung fand, das mich aber sofort ein wenig f?r ihn einnahm. Noch ehe die Besichtigung der beiden R?ume und die ?ndern[2 - ?nder(e)n – то же, что ander(e)n.] Verhandlungen beendet waren, war meine Mittagszeit abgelaufen, und ich mu?te in mein Gesch?ft gehen. Ich empfahl mich und ?berlie? ihn der Tante. Als ich am Abend wiederkam, erz?hlte sie mir, der Fremde habe gemietet und werde dieser Tage einziehen, er habe nur darum gebeten, seine Ankunft nicht polizeilich zu melden, da ihm, einem kr?nklichen Mann, diese Formalit?ten und das Herumstehen in Polizeischreibstuben und so weiter unertr?glich seien. Ich erinnere mich noch genau daran, wie das mich stutzig machte und wie ich meine Tante davor warnte, auf diese Bedingung einzugehen. Gerade zu dem Unvertrauten und Fremden, das der Mann an sich hatte, schien mir diese Scheu vor der Polizei allzu gut zu passen, um nicht als verd?chtig aufzufallen. Ich legte meiner Tante dar, da? sie auf dies ohnehin etwas eigent?mliche Ansinnen, dessen Erf?llung unter Umst?nden recht widerliche Folgen f?r sie haben k?nne, einem v?llig Fremden gegen?ber unter keinen Umst?nden eingehen d?rfe. Aber da stellte sich heraus, da? die Tante ihm die Erf?llung seines Wunsches schon zugesagt hatte und da? sie ?berhaupt sich von dem fremden Menschen schon hatte einfangen und bezaubern lassen; denn sie hat niemals Mieter aufgenommen, zu denen sie nicht in irgendein menschliches, freundliches und tantenhaftes oder vielmehr m?tterliches Verh?ltnis treten konnte, was denn auch von manchen fr?heren Mietern reichlich ausgen?tzt worden ist. Und in den ersten Wochen blieb es denn auch so, da? ich an dem neuen Mieter mancherlei auszusetzen hatte[3 - …ich an dem neuen Mieter mancherlei auszusetzen hatte – я по разным поводам был недоволен новым жильцом.], w?hrend meine Tante ihn jedesmal mit W?rme in Schutz nahm. Da diese Sache mit dem Unterlassen der polizeilichen Meldung mir nicht gefiel, wollte ich wenigstens erfahren, was die Tante ?ber den Fremden, ?ber seine Herkunft und Absichten wisse. Und da wu?te sie schon dies und jenes, obwohl er nach meinem Weggang um Mittag nur noch ganz kurz dageblieben war. Er hatte ihr gesagt, er gedenke sich einige Monate in unserer Stadt aufzuhalten, die Bibliotheken zu benutzen und die Altert?mer der Stadt anzusehen. Eigentlich pa?te es der Tante nicht, da? er nur f?r so kurze Zeit mieten wollte, aber er hatte sie offenbar schon f?r sich gewonnen, trotz seinem etwas sonderbaren Auftreten. Kurz, die Zimmer waren vermietet, und meine Einw?nde kamen zu sp?t. „Warum hat er das wohl gesagt, da? es hier so gut rieche?“ fragte ich. Da sagte meine Tante, welche manchmal recht gute Ahnungen hat: „Das wei? ich ganz genau. Es riecht hier bei uns nach Sauberkeit und Ordnung und nach einem freundlichen und anst?ndigen Leben, und das hat ihm gefallen. Er sieht aus, wie wenn er daran nicht mehr gew?hnt w?re und es entbehrt h?tte.“ Nun ja, dachte ich, meinetwegen. „Aber“, sagte ich, „wenn er an ein ordentliches und anst?ndiges Leben nicht gew?hnt ist, wie soll dann das werden? Was willst du machen, wenn er unreinlich ist und alles verdreckt oder wenn er zu allen Nachtstunden besoffen heimkommt?“ „Das werden wir ja sehen“, sagte sie und lachte, und ich lie? es gut sein. Und in der Tat waren meine Bef?rchtungen unbegr?ndet. Der Mieter, obwohl er keineswegs ein ordentliches und vern?nftiges Leben f?hrte, hat uns nicht bel?stigt noch gesch?digt, wir denken noch heute gerne an ihn. Im Innern aber, in der Seele, hat dieser Mann uns beide, die Tante und mich, doch sehr viel gest?rt und bel?stigt, und offen gesagt, bin ich noch lange nicht mit ihm fertig. Ich tr?ume nachts manchmal von ihm und f?hle mich durch ihn, durch die blo?e Existenz eines solchen Wesens, im Grunde gest?rt und beunruhigt, obwohl er mir geradezu lieb geworden ist. * * * Zwei Tage sp?ter brachte ein Fuhrmann die Sachen des Fremden, der Harry Haller hie?. Ein sehr sch?ner Lederkoffer machte mir einen guten Eindruck, und ein gro?er flacher Kabinenkoffer schien auf fr?here weite Reisen zu deuten, wenigstens war er beklebt mit den vergilbten Firmenzetteln von Hotels und Transportgesellschaften verschiedener, auch ?berseeischer L?nder. Dann erschien er selbst, und es begann die Zeit, in der ich diesen sonderbaren Mann allm?hlich kennenlernte. Anfangs tat ich von meiner Seite nichts dazu. Obwohl ich mich f?r Haller von der ersten Minute an, in der ich ihn sah, interessierte, tat ich in den ersten paar Wochen doch keinen Schritt, um ihn anzutreffen oder ins Gespr?ch mit ihm zu kommen. Dagegen habe ich allerdings, dies mu? ich gestehen, schon von allem Anfang an den Mann ein wenig beobachtet, auch zuweilen w?hrend seiner Abwesenheit sein Zimmer betreten und ?berhaupt aus Neugierde ein klein wenig Spionage getrieben. ?ber das ?u?ere des Steppenwolfes habe ich einige Angaben schon gemacht. Er machte durchaus und gleich beim ersten Anblick den Eindruck eines bedeutenden, eines seltenen und ungew?hnlich begabten Menschen, sein Gesicht war voll Geist, und das au?erordentlich zarte und bewegliche Spiel seiner Z?ge spiegelte ein interessantes, h?chst bewegtes, ungemein zartes und sensibles Seelenleben. Wenn man mit ihm sprach und er, was nicht immer der Fall war, die Grenzen des Konventionellen ?berschritt und aus seiner Fremdheit heraus pers?nliche, eigene Worte sagte, dann mu?te unsereiner sich ihm ohne weiteres unterordnen, er hatte mehr gedacht als andre Menschen und hatte in geistigen Angelegenheiten jene beinah k?hle Sachlichkeit, jenes sichere Gedachthaben und Wissen, wie es nur wahrhaft geistige Menschen haben, welchen jeder Ehrgeiz fehlt, welche niemals zu gl?nzen oder den andern zu ?berreden oder recht zu behalten w?nschen. Eines solchen Ausspruches, welcher aber nicht einmal ein Ausspruch war, sondern lediglich in einem Blick bestand, erinnere ich mich aus der letzten Zeit seines Hierseins. Da hatte ein ber?hmter Geschichtsphilosoph und Kulturkritiker, ein Mann von europ?ischem Namen[4 - ein Mann von europ?ischem Namen – человек с европейским именем, человек, известный в Европе.], einen Vortrag in der Aula angek?ndigt, und es war mir gelungen, den Steppenwolf, der erst gar keine Lust dazu hatte, zum Besuch des Vortrags zu ?berreden. Wir gingen zusammen hin und sa?en im H?rsaal nebeneinander. Als der Redner seine Kanzel bestieg und seine Ansprache begann, entt?uschte er manche Zuh?rer, welche eine Art von Propheten in ihm vermutet hatten, durch die etwas geschniegelte und eitle Art seines Auftretens. Als er nun zu reden begann und zum Beginn den Zuh?rern einige Schmeicheleien sagte und f?r ihr zahlreiches Erscheinen dankte, da warf mir der Steppenwolf einen ganz kurzen Blick zu, einen Blick der Kritik ?ber diese Worte und ?ber die ganze Person des Redners, oh, einen unverge?lichen und furchtbaren Blick, ?ber dessen Bedeutung man ein ganzes Buch schreiben k?nnte! Der Blick kritisierte nicht blo? jenen Redner und machte den ber?hmten Mann durch seine zwingende, obwohl sanfte Ironie zunichte, das war das wenigste daran. Der Blick war viel eher traurig als ironisch, er war sogar abgr?ndig und hoffnungslos traurig; eine stille, gewisserma?en schon Gewohnheit und Form gewordene Verzweiflung war der Inhalt dieses Blickes. Er durchleuchtete mit seiner verzweifelten Helligkeit nicht blo? die Person des eitlen Redners, ironisierte und erledigte die Situation des Augenblicks, die Erwartung und Stimmung des Publikums, den etwas anma?enden Titel der angek?ndigten Ansprache – nein, der Blick des Steppenwolfes durchdrang unsre ganze Zeit, das ganze betriebsame Getue, die ganze Streberei[5 - Streberei – карьеризм.], die ganze Eitelkeit, das ganze oberfl?chliche Spiel einer eingebildeten, seichten Geistigkeit – ach, und leider ging der Blick noch tiefer, ging noch viel weiter, als blo? auf M?ngel und Hoffnungslosigkeiten unserer Zeit, unsrer Geistigkeit, unsrer Kultur. Er ging bis ins Herz alles Menschentums, er sprach beredt in einer einzigen Sekunde den ganzen Zweifel eines Denkers, eines vielleicht Wissenden aus an der W?rde, am Sinn des Menschenlebens ?berhaupt. Dieser Blick sagte: „Schau, solche Affen sind wir! Schau, so ist der Mensch!“, und alle Ber?hmtheit, alle Gescheitheit, alle Errungenschaften des Geistes, alle Anl?ufe zur Erhabenheit, Gr??e und Dauer im Menschlichen fielen zusammen und waren ein Affenspiel! Ich habe damit weit vorgegriffen und, eigentlich gegen meinen Plan und Willen, im Grunde schon das Wesentliche ?ber Haller gesagt, w?hrend es urspr?nglich meine Absicht war, sein Bild nur allm?hlich, im Erz?hlen meines stufenweisen Bekanntwerdens mit ihm zu enth?llen. Nachdem ich nun denn so vorgegriffen habe, er?brigt es sich, noch weiter ?ber die r?tselhafte „Fremdheit“ Hallers zu sprechen und im einzelnen zu berichten, wie ich allm?hlich die Gr?nde und Bedeutungen dieser Fremdheit, dieser au?erordentlichen und furchtbaren Vereinsamung ahnte und erkannte. Es ist besser so, denn ich m?chte meine eigene Person m?glichst im Hintergrunde lassen. Ich will nicht meine Bekenntnisse vortragen oder Novellen erz?hlen oder Psychologie treiben, sondern lediglich als Augenzeuge etwas zum Bild des eigent?mlichen Mannes beitragen, der diese Steppenwolfmanuskripte hinterlassen hat. Schon beim allerersten Anblick, als er durch die Glast?r der Tante hereintrat, den Kopf so vogelartig reckte und den guten Geruch des Hauses r?hmte, war mir irgendwie das Besondere an diesem Manne aufgefallen, und meine erste naive Reaktion darauf war Widerwille gewesen. Ich sp?rte (und meine Tante, die im Gegensatz zu mir ganz und gar kein intellektueller Mensch ist, sp?rte ziemlich genau dasselbe) – ich sp?rte, da? der Mann krank sei, auf irgendeine Art geistes- oder gem?ts- oder charakterkrank, und wehrte mich dagegen mit dem Instinkt des Gesunden. Diese Abwehr wurde im Lauf der Zeit abgel?st durch Sympathie, beruhend auf einem gro?en Mitleid mit diesem tief und dauernd Leidenden, dessen Vereinsamung und inneres Sterben ich mit ansah. In dieser Periode kam mir mehr und mehr zum Bewu?tsein, da? die Krankheit dieses Leidenden nicht auf irgendwelchen M?ngeln seiner Natur beruhe, sondern im Gegenteil nur auf dem nicht zur Harmonie gelangten gro?en Reichtum seiner Gaben und Kr?fte. Ich erkannte, da? Haller ein Genie des Leidens sei, da? er, im Sinne mancher Ausspr?che Nietzsches, in sich eine geniale, eine unbegrenzte, furchtbare Leidensf?higkeit herangebildet habe. Zugleich erkannte ich, da? nicht Weltverachtung, sondern Selbstverachtung die Basis seines Pessimismus sei, denn so schonungslos und vernichtend er von Institutionen oder Personen reden konnte, nie schlo? er sich aus, immer war er selbst der erste, gegen den er seine Pfeile richtete, war er selbst der erste, den er ha?te und verneinte … Hier mu? ich eine psychologische Anmerkung einf?gen. Obgleich ich ?ber das Leben des Steppenwolfes sehr wenig wei?, habe ich doch allen Grund, zu vermuten, da? er von liebevollen, aber strengen und sehr frommen Eltern und Lehrern in jenem Sinne erzogen wurde, der das „Brechen des Willens“ zur Grundlage der Erziehung macht. Dieses Vernichten der Pers?nlichkeit und Brechen des Willens nun war bei diesem Sch?ler nicht gelungen, dazu war er viel zu stark und hart, viel zu stolz und geistig. Statt seine Pers?nlichkeit zu vernichten, war es nur gelungen, ihn sich selbst hassen zu lehren. Gegen sich selber, gegen dies unschuldige und edle Objekt richtete er nun zeitlebens die ganze Genialit?t seiner Phantasie, die ganze St?rke seines Denkverm?gens. Denn darin war er, trotz allem, durch und durch Christ und durch und durch M?rtyrer, da? er jede Sch?rfe, jede Kritik, jede Bosheit, jeden Ha?, dessen er f?hig war, vor allem und zuerst auf sich selbst loslie?. Was die anderen, was die Umwelt betraf, so machte er best?ndig die heldenhaftesten und ernstesten Versuche, sie zu lieben, ihnen gerecht zu werden, ihnen nicht weh zu tun, denn das „Liebe deinen N?chsten“ war ihm ebenso tief eingebleut wie das Hassen seiner selbst, und so war sein ganzes Leben ein Beispiel daf?r, da? ohne Liebe zu sich selbst auch die N?chstenliebe unm?glich ist, da? der Selbstha? genau dasselbe ist und am Ende genau dieselbe grausige Isoliertheit und Verzweiflung erzeugt wie der grelle Egoismus. Aber es wird nun Zeit, da? ich meine Gedanken hintanstelle und von Wirklichkeiten spreche. Das erste also, was ich ?ber Herrn Haller in Erfahrung brachte, teils durch meine Spionage, teils durch Bemerkungen meiner Tante, bezog sich auf die Art seiner Lebensf?hrung. Da? er ein Gedanken- und B?chermensch war und keinen praktischen Beruf aus?bte, war bald zu sehen. Er lag immer sehr lange im Bett, oft stand er erst kurz vor Mittag auf und ging im Schlafrock die paar Schritte von der Schlafkammer zu seinem Wohnzimmer hin?ber. Dies Wohnzimmer, eine gro?e und freundliche Mansarde mit zwei Fenstern, sah schon nach wenigen Tagen anders aus als zur Zeit, da es von andern Mietern bewohnt gewesen war. Es f?llte sich, und mit der Zeit wurde es immer voller. An den W?nden wurden Bilder aufgeh?ngt, Zeichnungen angeheftet, zuweilen aus Zeitschriften ausgeschnittene Bilder, die h?ufig wechselten. Eine s?dliche Landschaft, Photographien aus einem deutschen Landst?dtchen, offenbar die Heimat Hallers, hingen da, farbige, leuchtende Aquarelle dazwischen, von denen wir erst sp?t erfuhren, da? er selbst sie gemalt hatte. Dann die Photographie einer h?bschen jungen Frau oder eines jungen M?dchens. Eine Zeitlang hing ein siamesischer Buddha an der Wand, er wurde abgel?st durch eine Reproduktion der „Nacht“ von Michelangelo, dann von einem Bildnis des Mahatma Gandhi. B?cher f?llten nicht nur den gro?en B?cherschrank, sondern lagen auch ?berall auf den Tischen, auf dem h?bschen alten Sekret?r, auf dem Diwan, auf den St?hlen, auf dem Boden herum, B?cher mit eingelegten Papierzeichen, die best?ndig wechselten. Die B?cher nahmen best?ndig zu, denn er brachte nicht nur ganze Packen von den Bibliotheken mit, sondern bekam auch sehr h?ufig Pakete mit der Post. Der Mann, der diese Stube bewohnte, konnte ein Gelehrter sein. Dazu pa?te auch der Zigarrenrauch, der alles einh?llte, und die ?berall herumliegenden Zigarrenreste und Aschenschalen. Ein gro?er Teil der B?cher jedoch war nicht gelehrten Inhalts, die gro?e Mehrzahl waren Werke der Dichter aus allen Zeiten und V?lkern. Eine Zeitlang lagen auf dem Diwan, wo er oft ganze Tage liegend zubrachte, alle sechs dicken B?nde eines Werkes herum mit dem Titel „Sophiens Reise von Memel nach Sachsen“, vom Ende des achtzehnten Jahrhunderts. Eine Gesamtausgabe von Goethe und eine von Jean Paul schien viel ben?tzt zu werden, ebenso Novalis, aber auch Lessing, Jacobi und Lichtenberg. Einige Dostojewskib?nde staken[6 - staken – то же, что steckten (imp. от stecken).] voll von beschriebenen Zetteln. Auf dem gro?en Tisch zwischen den vielen B?chern und Schriften stand h?ufig ein Blumenstrau?, dort trieb sich auch ein Aquarellierkasten herum, der aber stets voller Staub war, daneben die Aschenschalen und, um auch dies nicht zu verschweigen, allerlei Flaschen mit Getr?nken. Eine strohumflochtene Flasche war meist mit italienischem Rotwein gef?llt, den er in der N?he in einem kleinen Laden holte, manchmal war auch eine Flasche Burgunder zu sehen sowie Malaga, und eine dicke Flasche mit Kirschgeist sah ich innerhalb recht kurzer Zeit nahezu leer werden, dann aber in eine Stubenecke verschwinden, und, ohne da? der Rest sich weiter verminderte, verstauben. Ich will mich ?ber die von mir getriebene Spionage nicht rechtfertigen und gestehe auch offen, da? in der ersten Zeit alle diese Anzeichen eines zwar von geistigen Interessen erf?llten, aber doch recht verbummelten und zuchtlosen Lebens bei mir Abscheu und Mi?trauen hervorriefen. Ich bin nicht nur ein b?rgerlicher, regelm??ig lebender Mensch, an Arbeit und genaue Zeiteinteilung gewohnt, ich bin auch Abstinent und Nichtraucher, und jene Flaschen in Hallers Zimmer gefielen mir noch weniger als die ?brige malerische Unordnung. Wie mit Schlaf und Arbeit, so lebte der Fremde auch in bezug auf Essen und Trinken sehr ungleichm??ig und launisch. An manchen Tagen ging er ?berhaupt nicht aus und nahm au?er dem Morgenkaffee gar nichts zu sich, zuweilen fand die Tante als einzigen Rest seiner Mahlzeit eine Bananenschale liegen, aber an andern Tagen speiste er in Restaurants, bald in guten und eleganten, bald in kleinen Vorstadtkneipen. Seine Gesundheit schien nicht gut zu sein; au?er der Hemmung in den Beinen, mit denen er oft recht m?hsam seine Treppen stieg, schien er auch von andren St?rungen geplagt zu sein, und einmal sagte er nebenbei, er habe seit Jahren nicht mehr richtig verdaut noch richtig geschlafen. Ich schrieb es vor allem seinem Trinken zu. Sp?ter, als ich ihn zuweilen in eines seiner Wirtsh?user begleitete, war ich manchmal Zeuge, wie er rasch und launisch die Weine hinuntergo?[7 - hinuntergo? – опрокидывал (в себя).], richtig betrunken aber habe weder ich noch sonst jemand ihn gesehen. Nie vergesse ich unsre erste pers?nlichere Begegnung. Wir kannten einander nur so, wie eben Zimmernachbarn in einem Miethaus sich kennen. Da kam ich eines Abends aus dem Gesch?ft nach Hause und fand zu meinem Erstaunen Herrn Haller beim Absatz der Treppe zwischen dem ersten und zweiten Stockwerk sitzen. Er hatte sich auf die oberste Treppenstufe gesetzt und r?ckte beiseite, um mich vorbeizulassen. Ich fragte ihn, ob er nicht wohl sei, und bot mich an, ihn vollends nach oben zu begleiten. Haller sah mich an, und ich merkte, da? ich ihn aus einer Art von Traumzustand geweckt hatte. Langsam begann er zu l?cheln, sein h?bsches und j?mmerliches L?cheln, mit dem er mir so oft das Herz schwer gemacht hat, dann lud er mich ein, mich neben ihn zu setzen. Ich dankte und sagte, ich sei nicht gewohnt, auf der Treppe vor anderer Leute Wohnungen zu sitzen. „Ach ja“, sagte er und l?chelte st?rker, „Sie haben recht. Aber warten Sie noch einen Augenblick, ich mu? Ihnen doch zeigen, warum ich hier ein wenig sitzen bleiben mu?te.“ Dabei deutete er auf den Vorplatz der Wohnung im ersten Stock, wo eine Witwe wohnte. Auf dem kleinen parkettbelegten Platz zwischen Treppe, Fenster und Glast?re stand ein hoher Mahagonischrank an der Wand, mit altem Zinn darauf, und vor dem Schrank am Boden standen, auf zwei kleinen niedern St?nderchen, zwei Pflanzen in gro?en T?pfen, eine Azalee und eine Araukarie. Die Pflanzen sahen h?bsch aus und waren immer sehr sauber und tadellos gehalten, das war auch mir schon angenehm aufgefallen. „Sehen Sie“, fuhr Haller fort, „dieser kleine Vorplatz mit der Araukarie, der riecht so fabelhaft, ich kann hier oft gar nicht vorbeigehen, ohne eine Weile haltzumachen. Auch bei Ihrer Frau Tante duftet es ja gut und herrscht Ordnung und h?chste Sauberkeit, aber der Araukarienplatz hier, der ist so strahlend rein, so abgestaubt und gewichst und abgewaschen, so unantastbar sauber, da? er f?rmlich ausstrahlt. Ich mu? da immer eine Nase voll einatmen – riechen Sie es nicht auch? Wie da der Geruch von Bodenwachs und ein schwacher Nachklang von Terpentin zusammen mit dem Mahagoni, den abgewaschenen Pflanzenbl?ttern und allem einen Duft ergibt, einen Superlativ von b?rgerlicher Reinheit, von Sorgfalt und Genauigkeit, von Pflichterf?llung und Treue im Kleinen. Ich wei? nicht, wer da wohnt, aber es mu? hinter dieser Glast?r ein Paradies von Reinlichkeit und abgestaubter B?rgerlichkeit wohnen, von Ordnung und ?ngstlichr?hrender Hingabe an kleine Gewohnheiten und Pflichten.“ Da ich schwieg, fuhr er fort: „Glauben Sie bitte nicht, da? ich ironisch spreche! Lieber Herr, nichts liegt mir ferner, als diese B?rgerlichkeit und Ordnung etwa verlachen zu wollen. Es ist ja richtig, ich selbst lebe in einer andern Welt, nicht in dieser, und vielleicht w?re ich nicht imstande, es auch nur einen Tag lang in einer Wohnung mit solchen Araukarien auszuhalten. Aber wenn ich auch ein alter und etwas ruppiger Steppenwolf bin, so bin doch auch ich der Sohn einer Mutter, und auch meine Mutter war eine B?rgersfrau und zog Blumen und wachte ?ber Stube und Treppe, M?bel und Gardinen und bem?hte sich, ihrer Wohnung und ihrem Leben so viel Sauberkeit, Reinheit und Ordentlichkeit zu geben, als nur immer gehen wollte. Daran erinnert mich der Hauch von Terpentin, daran die Araukarie, und da sitze ich denn hie und da[8 - hie und da – там и сям.], sehe in diesen stillen kleinen Garten der Ordnung und freue mich, da? es das noch gibt.“ Er wollte aufstehen, hatte aber M?he damit und wies mich nicht ab, als ich ihm dabei ein wenig half. Ich blieb schweigsam, aber ich unterlag, ebenso wie es zuvor meiner Tante ergangen war, irgendeinem Zauber, den der seltsame Mensch zuweilen haben konnte. Wir gingen langsam miteinander die Treppen hinauf, und vor seiner T?re, schon die Schl?ssel in der Hand, blickte er mir nochmals voll und sehr freundlich ins Gesicht und sagte: „Sie kommen aus Ihrem Gesch?ft? Nun ja, davon verstehe ich nichts, ich lebe so etwas abseits, etwas am Rande, wissen Sie. Aber ich glaube, Sie haben auch Interesse f?r B?cher und dergleichen, ihre Tante sagte mir einmal, da? Sie das Gymnasium absolviert haben und ein guter Grieche waren[9 - ein guter Grieche waren – (у вас) были хорошие успехи в древнегреческом языке.]. Nun, ich habe da heut morgen einen Satz bei Novalis gefunden, darf ich Ihnen den zeigen? Sie werden auch Freude daran haben.“ Er nahm mich mit in sein Zimmer, wo es stark nach Tabak roch, zog ein Buch aus einem Haufen heraus, bl?tterte, suchte– „Auch das ist gut, sehr gut“, sagte er, „h?ren Sie einmal den Satz: ,Man sollte stolz auf den Schmerz sein – jeder Schmerz ist eine Erinnerung unsres hohen Ranges.’ Fein! Achtzig Jahre vor Nietzsche! Aber das ist nicht der Spruch, den ich meinte – warten Sie – da habe ich ihn. Also: ,Die meisten Menschen wollen nicht eher schwimmen, als bis sie es k?nnen.’ Ist das nicht witzig? Nat?rlich wollen sie nicht schwimmen! Sie sind ja f?r den Boden geboren, nicht f?rs Wasser. Und nat?rlich wollen sie nicht denken; sie sind ja f?rs Leben geschaffen, nicht f?rs Denken! Ja, und wer denkt, wer das Denken zur Hauptsache macht, der kann es darin zwar weit bringen, aber er hat doch eben den Boden mit dem Wasser vertauscht, und einmal wird er ersaufen.“ Er hatte mich nun eingefangen[10 - eingefangen – здесь: привлёк к себе.] und interessiert, und ich blieb eine kleine Weile bei ihm, und von da an kam es nicht selten vor, da? wir auf der Treppe oder auf der Stra?e, wenn wir uns trafen, ein wenig miteinander sprachen. Dabei hatte ich im Anfang, ebenso wie bei der Araukarie, immer ein wenig das Gef?hl, da? er mich ironisierte. Aber es war nicht so. Er hatte vor mir, wie vor der Araukarie, geradezu Hochachtung, er war von seiner Vereinsamung, seinem Schwimmen im Wasser, seiner Entwurzelung so bewu?t ?berzeugt, da? tats?chlich und ohne jeden Hohn zuweilen der Anblick einer allt?glichen b?rgerlichen Handlung, die P?nktlichkeit zum Beispiel, mit der ich zu meinen B?rostunden ging, oder der Ausspruch eines Dienstboten oder Trambahnschaffners, ihn begeistern konnte. Zuerst erschien mir das recht l?cherlich und ?bertrieben, so eine Herren- und Bummlerlaune, eine spielerische Sentimentalit?t. Aber mehr und mehr mu?te ich sehen, da? er in der Tat unsre kleine b?rgerliche Welt aus seinem luftleeren R?ume[11 - R?ume – то же, что Raum(e) (Dat. от Raum).], aus seiner Fremdheit und Steppenwolfigkeit heraus geradezu bewunderte und liebte, als das Feste und Sichere, als das ihm Ferne und Unerreichbare, als die Heimat und den Frieden, zu denen ihm kein Weg gebahnt war. Er zog vor unsrer Zug?ngerin, einer braven Frau, den Hut jedesmal mit einer wahren Ehrfurcht, und wenn meine Tante sich einmal mit ihm ein wenig unterhielt oder ihn auf eine Reparaturbed?rftigkeit an seiner W?sche, auf einen h?ngenden Knopf an seinem Mantel aufmerksam machte, dann h?rte er mit einer merkw?rdigen Aufmerksamkeit und Wichtigkeit zu, als g?be er sich eine uns?gliche und hoffnungslose M?he, durch irgendeinen Spalt in diese kleine, friedliche Welt einzudringen und dort heimisch zu werden, sei es auch nur f?r eine Stunde. Schon bei jenem ersten Gespr?ch, bei der Araukarie, nannte er sich den Steppenwolf, und auch dies befremdete und st?rte mich ein wenig. Was waren das f?r Ausdr?cke?! Aber ich lernte, den Ausdruck nicht nur durch Gew?hnung gelten zu lassen, sondern bald nannte ich den Mann bei mir selbst, in meinen Gedanken, nie mehr anders als den Steppenwolf und w??te auch heute noch kein treffenderes Wort f?r diese Erscheinung. Ein zu uns, in die St?dte und ins Herdenleben verirrter Steppenwolf – schlagender konnte kein andres Bild ihn zeigen, seine scheue Vereinsamung, seine Wildheit, seine Unruhe, sein Heimweh und seine Heimatlosigkeit. Einmal konnte ich ihn einen ganzen Abend lang beobachten, in einem Symphoniekonzert, wo ich ihn zu meiner ?berraschung in meiner N?he sitzen sah, ohne da? er mich bemerkte. Erst wurde H?ndel gespielt, eine edle und sch?ne Musik, aber der Steppenwolf sa? in sich versunken ohne Anschlu?, weder an die Musik noch an seine Umgebung. Unzugeh?rig, einsam und fremd sa? er, mit einem k?hlen, aber sorgenvollen Gesicht vor sich nieder blickend. Dann kam ein anderes St?ck, eine kleine Symphonie von Friedemann Bach, und da war ich ganz erstaunt zu sehen, wie nach wenigen Takten mein Fremdling anfing zu l?cheln und sich hinzugeben, er sank ganz in sich hinein und sah, wohl zehn Minuten lang, so gl?cklich versunken und in gute Tr?ume verloren aus, da? ich mehr auf ihn als auf die Musik achtete. Als das St?ck zu Ende war, erwachte er, setzte sich gerader, machte Miene aufzustehen und schien gehen zu wollen, blieb dann aber doch sitzen und h?rte auch das letzte St?ck noch an, es waren Variationen von Reger, eine Musik, die von vielen als etwas lang und erm?dend empfunden wurde. Und auch der Steppenwolf, der anfangs noch aufmerksam und gutwillig zugeh?rt hatte, fiel wieder ab, er steckte die H?nde in die Taschen und sank wieder in sich hinein, diesmal aber nicht gl?cklich und tr?umerisch, sondern traurig und schlie?lich b?se, sein Gesicht war wieder fern, grau und erloschen, er sah alt und krank und unzufrieden aus. Nach dem Konzert sah ich ihn auf der Stra?e wieder und ging hinter ihm her; in seinen Mantel verkrochen, schritt er unlustig und m?de in der Richtung nach unsrem Viertel davon, vor einem kleinen altmodischen Wirtshause aber blieb er stehen, sah unschl?ssig auf die Uhr und ging hinein. Ich folgte einem augenblicklichen Gel?ste und ging ihm nach. Da sa? er an einem kleinb?rgerlichen Wirtstisch, Wirtin und Kellnerin begr??ten ihn als bekannten Gast, und ich gr??te und setzte mich zu ihm. Eine Stunde sa?en wir dort, und w?hrend ich zwei Gl?ser Mineralwasser trank, lie? er sich einen halben und dann noch einen viertel Liter Rotwein geben. Ich sagte, da? ich im Konzert gewesen sei, aber er ging nicht darauf ein. Er las das Etikett meiner Wasserflasche und fragte, ob ich keinen Wein trinken wolle, zu dem er mich einlade. Als er h?rte, da? ich nie Wein trinke, machte er wieder ein hilfloses Gesicht und sagte: „Ja, da haben Sie recht. Ich habe auch jahrelang enthaltsam gelebt und auch lange Zeit gefastet, aber zur Zeit stehe ich wieder im Zeichen des Wassermanns, einem dunklen und feuchten Zeichen.“ Und als ich nun scherzend auf diese Anspielung einging und andeutete, wie unwahrscheinlich es mir sei, da? gerade er an Astrologie glaube, da nahm er wieder den h?flichen Ton an, der mich oft verletzte, und sagte: „Ganz richtig, auch an diese Wissenschaft kann ich leider nicht glauben.“ Ich ging und empfahl mich, und er kam erst sehr sp?t in der Nacht nach Hause, aber sein Schritt war der gewohnte, und wie immer ging er nicht sogleich zu Bett (ich h?rte das als sein Zimmernachbar ja genau), sondern hielt sich wohl noch eine Stunde bei Licht in seinem Wohnzimmer auf. Auch einen andern Abend habe ich nicht vergessen. Da war ich allein zu Hause, die Tante war nicht da, und es l?utete an der Haust?r, und als ich ?ffnete, stand da eine junge, sehr h?bsche Dame, und als sie nach Herrn Haller fragte, erkannte ich sie: es war die auf der Photographie in seinem Zimmer. Ich zeigte ihr seine T?r und zog mich zur?ck, sie blieb eine Weile oben, bald darauf aber h?rte ich sie miteinander die Treppe hinab- und ausgehen, lebhaft und sehr vergn?gt in scherzendem Gespr?ch. Ich war sehr erstaunt, da? der Einsiedler eine Geliebte habe, und eine so junge, h?bsche und elegante, und alle meine Vermutungen ?ber ihn und sein Leben wurden mir wieder ungewi?. Aber eine kleine Stunde sp?ter kam er schon wieder nach Hause, allein, mit schwerem, traurigem Schritt, m?hte sich die Treppe hinauf[12 - m?hte sich die Treppe hinauf – с трудом поднялся по лестнице.] und schlich dann stundenlang in seinem Wohnzimmer leise auf und ab, richtig wie ein Wolf im K?fig geht, die ganze Nacht bis fast zum Morgen war Licht in seinem Zimmer. Ich wei? ?ber dieses Verh?ltnis gar nichts und will nur hinzuf?gen: noch einmal sah ich ihn mit jener Frau zusammen, in einer Stra?e der Stadt. Sie gingen Arm in Arm, und er sah gl?cklich aus, ich wunderte mich wieder, wieviel Anmut, ja Kindlichkeit sein versorgtes, einsames Gesicht gelegentlich haben konnte, und begriff die Frau und begriff auch die Teilnahme, die meine Tante f?r diesen Mann hatte. Aber auch an jenem Tage kam er abends traurig und elend nach Hause; ich traf ihn an der Haust?r an, er hatte, wie manches Mal, unterm Mantel die italienische Weinflasche bei sich und sa? mit ihr die halbe Nacht in seiner H?hle oben. Er tat mir leid, aber was war das auch f?r ein trostloses, verlorenes und wehrloses Leben, das er f?hrte! Nun, es ist genug geplaudert. Es bedarf weiter keiner Berichte und Schilderungen, um zu zeigen, da? der Steppenwolf das Leben eines Selbstm?rders f?hrte. Aber dennoch glaube ich nicht, da? er sich das Leben genommen hat, damals, als er unversehens und ohne Abschied, aber nach Bezahlung aller R?ckst?nde unsre Stadt eines Tages verlie? und verschwunden war. Wir haben nie mehr etwas von ihm geh?rt und bewahren noch immer einige Briefe auf, die noch f?r ihn ankamen. Zur?ck lie? er nichts als sein Manuskript, das er w?hrend seines hiesigen Aufenthaltes geschrieben hat und das er mit wenigen Zeilen mir zueignete, mit dem Bemerken, ich k?nne damit machen, was ich wolle. Es war mir nicht m?glich, die Erlebnisse, von denen Hallers Manuskript erz?hlt, auf ihren Gehalt an Realit?t nachzupr?fen. Ich zweifle nicht daran, da? sie zum gr??ten Teil Dichtungen sind, nicht aber im Sinn willk?rlicher Erfindung, sondern im Sinne eines Ausdrucksversuches, der tief erlebte seelische Vorg?nge im Kleide sichtbarer Ereignisse darstellt. Die zum Teil phantastischen Vorg?nge in Hallers Dichtung stammen vermutlich aus der letzten Zeit seines hiesigen Aufenthaltes, und ich zweifle nicht daran, da? ihnen auch ein St?ck wirklichen, ?u?eren Erlebens zugrunde liegt. In jener Zeit zeigte unser Gast in der Tat ein ver?ndertes Benehmen und Aussehen, war sehr viel au?er Hause, zuweilen auch ganze N?chte, und seine B?cher lagen unber?hrt. Die wenigen Male, die ich ihn damals antraf, schien er auffallend lebendig und verj?ngt, einige Male geradezu vergn?gt. Gleich darauf folgte allerdings eine neue schwere Depression, er blieb tagelang im Bett, ohne Essen zu begehren, und in jene Zeit fiel auch ein au?erordentlich heftiger, ja brutaler Zank mit seiner wieder aufgetauchten Geliebten, der das ganze Haus revoltierte und f?r welchen Haller tags darauf meine Tante um Entschuldigung gebeten hat. Nein, ich bin davon ?berzeugt, da? er sich nicht das Leben genommen hat. Er lebt noch, er geht irgendwo auf seinen m?den Beinen die Treppen fremder H?user auf und ab, starrt irgendwo auf blankgescheuerte Parkettb?den und auf sauber gepflegte Araukarien, sitzt in Bibliotheken und N?chte in Wirtsh?usern oder liegt auf einem gemieteten Kanapee, h?rt hinter den Fenstern die Welt und die Menschen leben und wei? sich ausgeschlossen, t?tet sich aber nicht, denn ein Rest von Glaube sagt ihm, da? er dies Leiden, dies b?se Leiden in seinem Herzen zu Ende kosten und da? dies Leiden es sei, woran er sterben m?sse. Ich denke oft an ihn, er hat mir das Leben nicht leichter gemacht, er hatte nicht die Gabe, das Starke und Frohe in mir zu st?tzen und zu f?rdern, oh, im Gegenteil! Aber ich bin nicht er, und ich f?hre nicht seine Art von Leben, sondern meine, ein kleines und b?rgerliches, aber gesichertes und von Pflichten erf?lltes. Und so k?nnen wir seiner in Ruhe und Freundschaft denken, ich und meine Tante, welche mehr ?ber ihn zu sagen w??te als ich, aber das bleibt in ihrem g?tigen Herzen verborgen. * * * Was nun die Aufzeichnungen Hallers betrifft, diese wunderlichen, zum Teil krankhaften, zum Teil sch?nen und gedankenvollen Phantasien, so mu? ich sagen, da? ich diese Bl?tter, w?ren sie mir zuf?llig in die Hand gefallen und ihr Urheber mir nicht bekannt gewesen, gewi? entr?stet weggeworfen h?tte. Aber durch meine Bekanntschaft mit Haller ist es mir m?glich geworden, sie teilweise zu verstehen, ja zu billigen. Ich w?rde Bedenken tragen, sie anderen mitzuteilen, wenn ich in ihnen blo? die pathologischen Phantasien eines einzelnen, eines armen Gem?tskranken sehen w?rde. Ich sehe in ihnen aber etwas mehr, ein Dokument der Zeit, denn Hallers Seelenkrankheit ist – das wei? ich heute – nicht die Schrulle eines einzelnen, sondern die Krankheit der Zeit selbst, die Neurose jener Generation, welcher Haller angeh?rt, und von welcher keineswegs nur die schwachen und minderwertigen Individuen befallen scheinen, sondern gerade die starken, geistigsten, begabtesten. Diese Aufzeichnungen – einerlei, wie viel oder wenig realen Lebens ihnen zugrunde liegen mag – sind ein Versuch, die gro?e Zeitkrankheit nicht durch Umgehen und Besch?nigen zu ?berwinden, sondern durch den Versuch, die Krankheit selber zum Gegenstand der Darstellung zu machen. Sie bedeuten, ganz w?rtlich, einen Gang durch die H?lle, einen bald angstvollen, bald mutigen Gang durch das Chaos einer verfinsterten Seelenwelt, gegangen mit dem Willen, die H?lle zu durchqueren, dem Chaos die Stirn zu bieten, das B?se bis zu Ende zu erleiden. Ein Wort Hallers hat mir den Schl?ssel zu diesem Verst?ndnis gegeben. Er sagte einmal zu mir, nachdem wir ?ber sogenannte Grausamkeiten im Mittelalter gesprochen hatten: „Diese Grausamkeiten sind in Wirklichkeit keine. Ein Mensch des Mittelalters w?rde den ganzen Stil unseres heutigen Lebens noch ganz anders als grausam, entsetzlich und barbarisch verabscheuen! Jede Zeit, jede Kultur, jede Sitte und Tradition hat ihren Stil, hat ihre ihr zukommenden Zartheiten und H?rten, Sch?nheiten und Grausamkeiten, h?lt gewisse Leiden f?r selbstverst?ndlich, nimmt gewisse ?bel geduldig hin. Zum wirklichen Leiden, zur H?lle wird das menschliche Leben nur da, wo zwei Zeiten, zwei Kulturen und Religionen einander ?berschneiden. Ein Mensch der Antike, der im Mittelalter h?tte leben m?ssen, w?re daran j?mmerlich erstickt, ebenso wie ein Wilder inmitten unsrer Zivilisation ersticken m??te. Es gibt nun Zeiten, wo eine ganze Generation so zwischen zwei Zeiten, zwischen zwei Lebensstile hineinger?t, da? ihr jede Selbstverst?ndlichkeit, jede Sitte, jede Geborgenheit und Unschuld verlorengeht. Nat?rlich sp?rt das nicht ein jeder gleich stark. Eine Natur wie Nietzsche hat das heutige Elend um mehr als eine Generation voraus erleiden m?ssen – was er einsam und unverstanden auszukosten hatte, das erleiden heute Tausende.“ Dieses Wortes mu?te ich beim Lesen der Aufzeichnungen oft gedenken. Haller geh?rt zu denen, die zwischen zwei Zeiten hineingeraten, die aus aller Geborgenheit und Unschuld herausgefallen sind, zu denen, deren Schicksal es ist, alle Fragw?rdigkeiten des Menschenlebens gesteigert als pers?nliche Qual und H?lle zu erleben. Darin, scheint mir, liegt der Sinn, den seine Aufzeichnungen f?r uns haben k?nnen, und darum entschlo? ich mich, sie mitzuteilen. Im ?brigen will ich sie nicht in Schutz nehmen noch ?ber sie urteilen, m?ge jeder Leser dies nach seinem Gewissen tun! Harry Hallers Aufzeichnungen Nur f?r Verr?ckte Der Tag war vergangen, wie eben die Tage so vergehen; ich hatte ihn herumgebracht, hatte ihn sanft umgebracht, mit meiner primitiven und sch?chternen Art von Lebenskunst; ich hatte einige Stunden gearbeitet, alte B?cher gew?lzt, ich hatte zwei Stunden lang Schmerzen gehabt, wie ?ltere Leute sie eben haben, hatte ein Pulver genommen und mich gefreut, da? die Schmerzen sich ?berlisten lie?en, hatte in einem hei?en Bad gelegen und die liebe W?rme eingesogen, hatte dreimal die Post empfangen und all die entbehrlichen Briefe und Drucksachen durchgesehen, hatte meine Atem?bungen gemacht, die Gedanken?bungen aber heut aus Bequemlichkeit weggelassen, war eine Stunde spazieren gewesen und hatte sch?ne, zarte, kostbare Federw?lkchenmuster in den Himmel gezeichnet gefunden. Das war sehr h?bsch, ebenso wie das Lesen in den alten B?chern, wie das Liegen im warmen Bad, aber – alles in allem – war es nicht gerade ein entz?ckender, nicht eben ein strahlender, ein Gl?cks- und Freudentag gewesen, sondern eben einer von diesen Tagen, wie sie f?r mich nun seit langer Zeit die normalen und gewohnten sein sollten: ma?voll angenehme, durchaus ertr?gliche, leidliche, laue Tage eines ?lteren unzufriedenen Herrn, Tage ohne besondere Schmerzen, ohne besondere Sorgen, ohne eigentlichen Kummer, ohne Verzweiflung, Tage, an welchen selbst die Frage, ob es nicht an der Zeit sei, dem Beispiele Adalbert Stifters zu folgen und beim Rasieren zu verungl?cken, ohne Aufregung oder Angstgef?hle sachlich und ruhig erwogen wird. Wer die anderen Tage geschmeckt hat, die b?sen, die mit den Gichtanf?llen oder die mit jenem schlimmen, hinter den Aug?pfeln festgewurzelten, teuflisch jede T?tigkeit von Auge und Ohr aus einer Freude zur Qual verhexenden Kopfweh, oder jene Tage des Seelensterbens, jene argen Tage der inneren Leere und Verzweiflung, an denen uns, inmitten der zerst?rten und von Aktiengesellschaften ausgesogenen Erde, die Menschenwelt sogenannte Kultur in ihrem verlogenen und gemeinen blechernen Jahrmarktsglanz auf Schritt und Tritt wie ein Brechmittel entgegengrinst, konzentriert und zum Gipfel der Unleidlichkeit getrieben im eigenen kranken Ich – wer jene H?llentage geschmeckt hat, der ist mit solchen Normal- und Halbundhalbtagen gleich dem heutigen sehr zufrieden, dankbar sitzt er am warmen Ofen, dankbar stellt er beim Lesen des Morgenblattes fest, da? auch heute wieder kein Krieg ausgebrochen, keine neue Diktatur errichtet, keine besonders krasse Schweinerei in Politik und Wirtschaft aufgedeckt worden ist, dankbar stimmt er die Saiten seiner verrosteten Leier zu einem gem??igten, einem leidlich frohen, einem nahezu vergn?gten Dankpsalm, mit dem er seinen stillen, sanften, etwas mit Brom bet?ubten Zufriedenheitshalbundhalbgott langweilt, und in der laudicken Luft[13 - in der laudicken Luft – в спёртом воздухе.] dieser zufriedenen Langeweile, dieser sehr dankenswerten Schmerzlosigkeit sehen die beiden, der ?de nickende Halbundhalbgott und der leicht angegraute, den ged?mpften Psalm singende Halbundhalbmensch, einander wie Zwillinge ?hnlich. Es ist eine sch?ne Sache um die Zufriedenheit, um die Schmerzlosigkeit, um diese ertr?glichen geduckten Tage, wo weder Schmerz noch Lust zu schreien wagt, wo alles nur fl?stert und auf Zehen schleicht. Nur steht es mit mir leider so, da? ich gerade diese Zufriedenheit gar nicht gut vertrage, da? sie mir nach kurzer Dauer unausstehlich verha?t und ekelhaft wird und ich mich verzweiflungsvoll in andre Temperaturen fl?chten mu?, wom?glich auf dem Wege der Lustgef?hle, n?tigenfalls aber auch auf dem Wege der Schmerzen. Wenn ich eine Weile ohne Lust und ohne Schmerz war und die laue, fade Ertr?glichkeit sogenannter guter Tage geatmet habe, dann wird mir in meiner kindischen Seele so windig weh und elend, da? ich die verrostete Dankbarkeitsleier dem schl?frigen Zufriedenheitsgott ins zufriedene Gesicht schmei?e und lieber einen rechten teuflischen Schmerz in mir brennen f?hle als diese bek?mmliche[14 - bek?mmliche – здесь: уютный.] Zimmertemperatur. Es brennt alsdann in mir eine wilde Begierde nach starken Gef?hlen, nach Sensationen, eine Wut auf dies abget?nte, flache, normierte und sterilisierte Leben und eine rasende Lust, irgend etwas kaputt zu schlagen, etwa ein Warenhaus oder eine Kathedrale oder mich selbst, verwegene Dummheiten zu begehen, ein paar verehrten G?tzen[15 - verehrte G?tzen – уважаемые, авторитетные люди, кумиры общества.] die Per?cken abzurei?en, ein paar rebellische Schulbuben mit der ersehnten Fahrkarte nach Hamburg auszur?sten, ein kleines M?dchen zu verf?hren oder einigen Vertretern der b?rgerlichen Weltordnung das Gesicht ins Genick zu drehen. Denn dies ha?te, verabscheute und verfluchte ich von allem doch am innigsten: diese Zufriedenheit, diese Gesundheit, Behaglichkeit, diesen gepflegten Optimismus des B?rgers, diese fette gedeihliche Zucht des Mittelm??igen, Normalen, Durchschnittlichen. In solcher Stimmung also beschlo? ich diesen leidlichen Dutzendtag bei einbrechender Dunkelheit. Ich beschlo? ihn nicht auf die f?r einen etwas leidenden Mann normale und bek?mmliche Weise, indem ich mich von dem bereitstehenden und mit einer W?rmflasche als K?der versehenen Bett einfangen lie?, sondern indem ich unbefriedigt und angeekelt von meinem bi?chen Tagwerk voll Mi?mut meine Schuhe anzog, in den Mantel schl?pfte und mich bei Finsternis und Nebel in die Stadt begab, um im Gasthaus zum Stahlhelm das zu trinken, was trinkende M?nner nach einer alten Konvention „ein Gl?schen Wein“ nennen. So stieg ich denn die Treppe von meiner Mansarde hinab, diese schwer zu steigenden Treppen der Fremde, diese durch und durch b?rgerlichen, geb?rsteten, sauberen Treppen eines hochanst?ndigen Dreifamilienmiethauses, in dessen Dach ich meine Klause habe. Ich wei? nicht, wie das zugeht, aber ich, der heimatlose Steppenwolf und einsame Hasser der kleinb?rgerlichen Welt, ich wohne immerzu in richtigen B?rgerh?usern, das ist eine alte Sentimentalit?t von mir. Ich wohne weder in Pal?sten noch in Proletarierh?usern, sondern ausgerechnet stets in diesen hochanst?ndigen, hochlangweiligen, tadellos gehaltenen Kleinb?rgernestern, wo es nach etwas Terpentin und etwas Seife riecht und wo man erschrickt, wenn man einmal die Haust?r laut ins Schlo? hat fallen lassen oder mit schmutzigen Schuhen hereinkommt. Ich liebe diese Atmosph?re ohne Zweifel aus meinen Kinderzeiten her, und meine heimliche Sehnsucht nach so etwas wie Heimat f?hrt mich, hoffnungslos, immer wieder diese alten dummen Wege. Nun ja, und ich habe auch den Kontrast gern, in dem mein Leben, mein einsames, liebloses und gehetztes, durch und durch unordentliches Leben, zu diesem Familien- und B?rgermilieu steht. Ich habe das gern, auf der Treppe diesen Geruch von Stille, Ordnung, Sauberkeit, Anstand und Zahmheit zu atmen, der trotz meinem B?rgerha? immer etwas R?hrendes f?r mich hat, und habe es gern, dann ?ber die Schwelle meines Zimmers zu treten, wo das alles aufh?rt, wo zwischen den B?cherhaufen die Zigarrenreste liegen und die Weinflaschen stehen, wo alles unordentlich, unheimisch und verwahrlost ist und wo alles, B?cher, Manuskripte, Gedanken, gezeichnet und durchtr?nkt ist von der Not der Einsamen, von der Problematik des Menschseins, von der Sehnsucht nach einer neuen Sinngebung f?r das sinnlos gewordene Menschenleben. Und nun kam ich an der Araukarie vorbei. N?mlich im ersten Stockwerk dieses Hauses f?hrt die Treppe am kleinen Vorplatz einer Wohnung vor?ber, die ist ohne Zweifel noch tadelloser, sauberer und geb?rsteter als die andern, denn dieser kleine Vorplatz strahlt von einer ?bermenschlichen Gepflegtheit, er ist ein leuchtender kleiner Tempel der Ordnung. Auf einem Parkettboden, den zu betreten man sich scheut, stehen da zwei zierliche Schemel und auf jedem Schemel ein gro?er Pflanzentopf, im einen w?chst eine Azalee, im ?ndern eine ziemlich stattliche Araukarie, ein gesunder, strammer Kinderbaum von gr??ter Vollkommenheit, und noch die letzte Nadel am letzten Zweig strahlt von frischester Abgewaschenheit. Zuweilen, wenn ich mich unbeobachtet wei?, ben?tze ich diese St?tte als Tempel, setze mich ?ber der Araukarie auf eine Treppenstufe, ruhe ein wenig, falte die H?nde und blicke and?chtig hinab in diesen kleinen Garten der Ordnung, dessen r?hrende Haltung und einsame L?cherlichkeit mich irgendwie in der Seele ergreift. Ich vermute hinter diesem Vorplatz, gewisserma?en im heiligen Schatten der Araukarie, eine Wohnung voll von strahlendem Mahagoni und ein Leben voll Anstand und Gesundheit, mit Fr?haufstehen, Pflichterf?llung, gem??igt heitern Familienfesten, sonnt?glichem Kirchgang und fr?hem Schlafengehen. Mit gespielter Munterkeit trabte ich ?ber den feucht beschlagenen Asphalt der Gassen, tr?nend und umflort blickten die Laternenlichter durch die k?hlfeuchte Tr?be und sogen tr?ge Spiegellichter aus dem nassen Boden. Meine vergessenen J?nglingsjahre fielen mir ein – wie habe ich damals solche finstre und tr?be Abende im Sp?therbst und Winter geliebt, wie gierig und berauscht sog ich damals die Stimmungen der Einsamkeit und Melancholie, wenn ich halbe N?chte, in den Mantel geh?llt, bei Regen und Sturm durch die feindliche, entbl?tterte Natur lief, einsam auch damals schon, aber voll tiefen Genie?ens und voll von Versen, die ich nachher bei Kerzenlicht in meiner Kammer, auf dem Bettrand sitzend, aufschrieb! Nun, dies war vor?ber, dieser Becher war ausgetrunken und wurde mir nicht mehr gef?llt. War es schade darum? Es war nicht schade darum. Es war um nichts schade, was vor?ber war. Schade war es um das Jetzt und Heute, um all diese ungez?hlten Stunden und Tage, die ich verlor, die ich nur erlitt, die weder Geschenke noch Ersch?tterungen brachten. Aber Gott sei gelobt, es gab auch Ausnahmen, es gab zuweilen, selten, auch andre Stunden, die brachten Ersch?tterungen, brachten Geschenke, rissen W?nde ein und brachten mich Verirrten wieder zur?ck ans lebendige Herz der Welt. Traurig und doch zuinnerst angeregt suchte ich mich des letzten Erlebnisses dieser Art zu erinnern. Es war bei einem Konzert gewesen, eine herrliche alte Musik wurde gespielt, da war zwischen zwei Takten eines von Holzbl?sern gespielten Piano mir pl?tzlich wieder die T?r zum Jenseits aufgegangen, ich hatte Himmel durchflogen und Gott an der Arbeit gesehen, hatte selige Schmerzen gelitten und mich gegen nichts mehr in der Welt gewehrt, mich vor nichts mehr in der Welt gef?rchtet, hatte alles bejaht, hatte an alles mein Herz hingegeben. Es hatte nicht lange gedauert, vielleicht eine Viertelstunde, aber es war im Traum jener Nacht wiedergekehrt und hatte seither, durch alle die ?den Tage, hin und wieder heimlich aufgegl?nzt, ich sah es zuweilen f?r Minuten deutlich wie eine goldene g?ttliche Spur durch mein Leben gehen, fast immer tief im Kot und Staub versch?ttet, dann wieder in goldenen Funken vorleuchtend, nie mehr verlierbar scheinend und dennoch bald wieder tief verloren. Einmal geschah es nachts, da? ich im Wachliegen pl?tzlich Verse sagte, Verse, viel zu sch?n und viel zu wunderlich, als da? ich daran h?tte denken d?rfen, sie aufzuschreiben, die ich am Morgen nicht mehr wu?te und die doch in mir verborgen lagen wie die schwere Nu? in einer alten br?chigen Schale. Ein andermal kam es beim Lesen eines Dichters, beim Nachdenken eines Gedankens von Descartes, von Pascal, ein andres Mal leuchtete es wieder auf und f?hrte mit goldner Spur weiter in die Himmel, wenn ich bei meiner Geliebten war. Ach, es ist schwer, diese Gottesspur zu finden inmitten dieses Lebens, das wir f?hren, inmitten dieser so sehr zufriedenen, so sehr b?rgerlichen, so sehr geistlosen Zeit, im Anblick dieser Architekturen, dieser Gesch?fte, dieser Politik, dieser Menschen! Wie sollte ich nicht ein Steppenwolf und ruppiger Eremit sein inmitten einer Welt, von deren Zielen ich keines teile, von deren Freude keine zu mir spricht! Ich kann weder in einem Theater noch in einem Kino lange aushalten, kann kaum eine Zeitung lesen, selten ein modernes Buch, ich kann nicht verstehen, welche Lust und Freude es ist, die die Menschen in den ?berf?llten Eisenbahnen und Hotels, in den ?berf?llten Caf?s bei schw?ler aufdringlicher Musik, in den Bars und Variet?s der eleganten Luxussst?dte suchen, in den Weltausstellungen, auf den Korsos, in den Vortr?gen f?r Bildungsdurstige, auf den gro?en Sportpl?tzen – ich kann all diese Freuden, die mir ja erreichbar w?ren und um die tausend andre sich m?hen und dr?ngen, nicht verstehen, nicht teilen. Und was hingegen mir in meinen seltnen Freudenstunden geschieht, was f?r mich Wonne, Erlebnis, Ekstase und Erhebung ist, das kennt und sucht, und liebt die Welt h?chstens in Dichtungen, im Leben findet sie es verr?ckt. Und in der Tat, wenn die Welt recht hat, wenn diese Musik in den Caf?s, diese Massenvergn?gungen, diese amerikanischen, mit so wenigem zufriedenen Menschen recht haben, dann habe ich unrecht, dann bin ich verr?ckt, dann bin ich wirklich der Steppenwolf, den ich mich oft nannte, das in eine ihm fremde und unverst?ndliche Welt verirrte Tier, das seine Heimat, Lust und Nahrung nicht mehr findet. Mit diesen gewohnten Gedanken lief ich auf der nassen Stra?e weiter, durch eins der stillsten und ?ltesten Quartiere der Stadt. Da stand gegen?ber, jenseits der Gasse, in der Finsternis eine alte graue Steinmauer, die ich immer gerne sah, sie stand immer so alt und unbek?mmert da, zwischen einer kleinen Kirche und einem alten Hospital, auf ihrer rauhen Fl?che lie? ich bei Tage oft meine Augen ausruhen, es gab wenige so stille, gute, schweigende Fl?chen in der innern Stadt, wo ja sonst auf jedem Quadratmeter ein Gesch?ft, ein Advokat, ein Erfinder, ein Arzt, ein Barbier oder H?hneraugenheilk?nstler einem seinen Namen entgegenschrie. Auch jetzt wieder sah ich die alte Mauer still in ihrem Frieden liegen, und doch war etwas an ihr ver?ndert, ich sah ein kleines h?bsches Portal mit einem Spitzbogen in der Mitte der Mauer und wurde irr, denn ich wu?te wahrhaftig nicht mehr, ob dies Portal immer dagewesen oder neu hinzugekommen war. Alt sah es ohne Zweifel aus, uralt; vermutlich hatte die kleine geschlossene Pforte mit ihrer dunklen Holzt?r schon vor Jahrhunderten in irgendeinen verschlafenen Klosterhof gef?hrt und tat es heute noch, wenn auch das Kloster nicht mehr stand, und wahrscheinlich hatte ich das Tor hundertmal gesehen und blo? nie beachtet, vielleicht war es frisch bemalt und fiel mir darum auf. Immerhin blieb ich stehen und blickte aufmerksam hin?ber, ohne doch hin?ber zu gehen, die Stra?e dazwischen war gar so bodenlos erweicht und na?; ich blieb auf dem Trottoir und schaute blo? hin?ber, es war alles schon sehr n?chtig, und mir schien, um die Pforte sei ein Kranz oder sonst etwas Buntes geflochten. Und jetzt, wo ich mir M?he gab, genauer zu sehen, sah ich ?ber dem Portal ein helles Schild, auf dem stand, so schien mir, irgend etwas geschrieben. Ich strengte die Augen an, und schlie?lich ging ich trotz Schmutz und Pf?tzen hin?ber. Da sah ich ?ber dem Portal auf dem alten Graugr?n der Mauer einen Fleck matt beschienen, und ?ber den Fleck liefen bewegliche bunte Buchstaben und verschwanden alsbald wieder, kamen wieder und verflogen. Nun haben sie, dachte ich, richtig auch diese alte gute Mauer zu einer Lichtreklame mi?braucht! Indesen entzifferte ich einige der fl?chtig erscheinenden Worte, sie waren schwer zu lesen und mu?ten halb erraten werden, die Buchstaben kamen mit ungleichen Zwischenr?umen, so bla? und hinf?llig, und erloschen so rasch. Der Mann, der damit sein Gesch?ft machen wollte, war nicht t?chtig, er war ein Steppenwolf, armer Kerl; warum lie? er seine Buchstaben hier auf dieser Mauer im finstersten G??chen der Altstadt spielen, zu dieser Tageszeit, bei Regenwetter, wo niemand hier unterwegs war, und warum waren sie so fl?chtig, so hingeweht, so launisch und unleserlich? Aber halt, jetzt gelang es mir, hintereinander konnte ich mehrere Worte erhaschen, die hie?en: Magisches Theater Eintritt nicht f?r jedermann – nicht f?r jedermann Ich versuchte die Pforte zu ?ffnen, die schwere alte Klinke bewegte sich auf keinen Druck. Das Buchstabenspiel war zu Ende, pl?tzlich hatte es aufgeh?rt, traurig, seiner Vergeblichkeit innegeworden. Ich trat einige Schritte zur?ck, trat tief in den Schmutz, es kamen keine Buchstaben mehr, das Spiel war erloschen, lange blieb ich im Schmutz stehen und wartete, vergebens. Da, als ich es aufgab und schon auf den B?rgersteig zur?ckgekehrt war, tropften vor mir her ein paar farbige Lichtbuchstaben ?ber den spiegelnden Asphalt. Ich las: Nur – – f?r – – Ver – – r?ckte! Ich hatte nasse F??e bekommen und fror, dennoch blieb ich noch eine ganze Weile wartend stehen. Nichts mehr. W?hrend ich noch stand und dachte, wie h?bsch die zarten bunten Buchstabenirrlichter ?ber die feuchte Mauer und den schwarzgl?nzenden Asphalt gegeistert waren, fiel mir pl?tzlich wieder ein Bruchst?ck aus meinen vorigen Gedanken ein: das Gleichnis von der golden aufleuchtenden Spur, die so pl?tzlich wieder fern und unauffindbar ist. Ich fror und ging nun weiter, jener Spur nachtr?umend, voll Sehnsucht nach der Pforte zu einem Zaubertheater, nur f?r Verr?ckte. Ich hatte inzwischen die Marktgegend betreten, wo es an Abendunterhaltung nicht fehlte, alle paar Schritte hing ein Plakat und warb eine Tafel: Damenkapelle – Variet? – Kino – Tanzabend –, aber dies alles war nichts f?r mich, es war f?r „Jedermann“, f?r Normale, welche ich denn auch ?berall in Scharen durch die Pforten dr?ngen sah. Trotzdem war meine Traurigkeit ein wenig aufgehellt, es hatte mich doch ein Gru? der ?ndern Welt ber?hrt, ein paar farbige Buchstaben hatten getanzt und auf meiner Seele gespielt und an verborgene Akkorde ger?hrt, ein Schimmer der goldenen Spur war wieder sichtbar gewesen. Ich suchte die kleine altvaterische Kneipe auf, in der sich seit meinem ersten Aufenthalt in dieser Stadt, vor wohl f?nfundzwanzig Jahren, nichts ge?ndert hat, auch die Wirtin ist noch die von damals, und manche von den heutigen G?sten sa?en auch damals schon hier, am gleichen Platz, vor den gleichen Gl?sern. Ich trat in das bescheidene Wirtshaus, hier war Zuflucht. Zwar war es nur eine Zuflucht wie etwa die auf der Treppe bei der Araukarie, auch hier fand ich nicht Heimat und Gemeinschaft, fand nur einen stillen Zuschauerplatz, vor einer B?hne, auf der fremde Leute fremde St?cke spielten, aber schon dieser stille Platz war etwas wert: keine Menschenmenge, kein Geschrei, keine Musik, blo? ein paar ruhige B?rger an ungedeckten Holztischen (kein Marmor, kein Emailblech, kein Pl?sch, kein Messing!) und vor jedem ein Abendtrunk, ein guter solider Wein. Vielleicht waren diese paar Stammg?ste, die ich vom Sehen alle kannte, richtige Philister und hatten zu Hause in ihren Philisterwohnungen ?de Hausalt?re vor bl?den Zufriedenheitsg?tzen stehen, vielleicht auch waren sie vereinsamte und entgleiste Burschen wie ich, stille gedankenvolle S?ufer ?ber bankrotten Idealen, Steppenw?lfe und arme Teufel auch sie; ich wu?te es nicht. Jeden von ihnen zog ein Heimweh, eine Entt?uschung, ein Bed?rfnis nach Ersatz hieher, der Verheiratete suchte hier die Atmosph?re seiner Junggesellenzeit, der alte Beamte die Ankl?nge seiner Studentenjahre, alle waren sie ziemlich schweigsam, und alle waren sie Trinker und sa?en gleich mir lieber vor einem halben Liter Els?sser als vor einer Damenkapelle. Hier warf ich Anker, hier war es f?r eine Stunde auszuhalten, auch f?r zwei. Kaum hatte ich einen Schluck Els?sser genommen, so sp?rte ich, da? ich heute noch nichts gegessen hatte au?er dem Fr?hst?cksbrot. Wunderlich, was der Mensch alles schlucken kann! Wohl zehn Minuten las ich in einer Zeitung, lie? durch das Auge den Geist eines verantwortungslosen Menschen in mich hinein, der die Worte anderer im Munde breitkaut und sie eingespeichelt, aber unverdaut wieder von sich gibt. Das nahm ich zu mir, eine ganze Spalte lang. Und alsdann fra? ich ein gutes St?ck von der Leber, die man aus dem Leib eines totgeschlagenen Kalbes geschnitten hatte. Wunderlich! Das Beste war der Els?sser. Ich habe die wilden heftigen Weine nicht gern, wenigstens nicht f?r den Alltag, die mit starken Reizen um sich werfen und ber?hmte Spezialgeschm?cke haben. Ich liebe am meisten ganz reine, leichte, bescheidene Landweine ohne besondere Namen, man kann viel davon vertragen, und sie schmecken gut und freundlich nach Land und Erde und Himmel und Geh?lz. Ein Becher Els?sser und ein St?ck gutes Brot, das ist die beste aller Mahlzeiten. Nun aber hatte ich schon eine Portion Leber in mir, aparter Genu? f?r mich, der selten Fleisch i?t, und hatte den zweiten Becher vor mir stehen. Auch das war wunderlich, da? da irgendwo in gr?nen T?lern von gesunden braven Menschen Reben gebaut wurden und Wein gekeltert wurde, damit hier und dort in der Welt, weit von ihnen entfernt, einige entt?uschte, still sch?ppelnde B?rger und ratlose Steppenw?lfe sich ein wenig Mut und Laune aus ihren Bechern saugen konnten. Meinetwegen, mochte es wunderlich sein! Es war gut, es half, die Laune kam. ?ber den Wortbrei des Zeitungsartikels stieg mir nachtr?glich ein erleichterndes Gel?chter auf, und urpl?tzlich fiel mir die vergessene Melodie jenes Bl?serpiano wieder an, wie eine kleine spiegelnde Seifenblase stieg sie in mir hoch, gl?nzte, spiegelte bunt und klein die ganze Welt und ging sanft wieder auseinander. Wenn es m?glich gewesen war, da? diese himmlische kleine Melodie heimlich in meiner Seele wurzelte und eines Tages in mir ihre holde Blume wieder mit allen lieben Farben emportrieb, konnte ich da ganz verloren sein? War ich auch ein verirrtes Tier, das seine Umwelt nicht begriff, so war doch ein Sinn in meinem t?richten Leben, etwas in mir gab Antwort, war Empf?nger f?r Anrufe aus fernen hohen Welten, in meinem Gehirn waren tausend Bilder gestapelt: Giottosche[16 - Giottosche – работы Джотто (итальянский художник XIIIXIV вв.).] Engelscharen aus einem kleinen blauen Kirchengew?lbe in Padua, und neben ihnen gingen Hamlet und die bekr?nzte Ophelia, sch?ne Gleichnisse aller Trauer und alles Mi?verst?ndnisses in der Welt, da stand im brennenden Ballon der Luftschiffer Gianozzo und stie? ins Horn, trug Attila Schmelzle seinen neuen Hut in der Hand, stie? der Borobudur[17 - Воздухоплаватель Джаноццо – персонаж произведения Жана Поля «Морская книга воздухоплавателя Джаноццо» (1801); Аттила Шмельцле – персонаж сочинения Жана Поля «Странствие полевого проповедника Шмельцле во Флетц» (1809); Боробудур – монументальный памятник буддистскойархитектуры неподалеку от Джокьякарты, построенный в800 г.] sein Skulpturengebirg in die L?fte. Und mochten alle diese sch?nen Gestalten auch in tausend ?ndern Herzen leben, es waren noch zehntausend andere, unbekannte Bilder und Kl?nge da, deren Heimat und sehendes Auge und h?rendes Ohr einzig in mir innen lebte. Die alte Hospitalmauer mit dem alten, verwitterten, fleckigen Graugr?n, in deren Rissen und Verwitterungen tausend Fresken zu ahnen waren – wer gab ihr Antwort, wer lie? sie in seine Seele ein, wer liebte sie, wer empfand den Zauber ihrer zart hinsterbenden Farben? Die alten B?cher der M?nche, mit den sanft leuchtenden Miniaturen, und die von ihrem Volk vergessenen B?cher der deutschen Dichter vor zweihundert und vor hundert Jahren, alle die abgegriffenen und stockfleckigen B?nde, und die Drucke und Handschriften der alten Musiker, die festen, gelblichen Notenbl?tter mit ihren erstarrten Tontr?umen – wer h?rte ihre geistvollen, ihre schelmischen und sehns?chtigen Stimmen, wer trug ein Herz voll von ihrem Geist und ihrem Zauber durch eine andere, ihnen entfremdete Zeit? Wer gedachte noch jener kleinen, z?hen Zypresse hoch am Berge ?ber Gubbio, die von einem Steinsturz geknickt und gespalten war und doch das Leben festgehalten und einen neuen, sp?rlichen Notwipfel getrieben hatte? Wer ward der flei?igen Hausmutter im ersten Stock und ihrer blanken Araukarie gerecht? Wer las nachts ?berm Rhein die Wolkenschriften der ziehenden Nebel? Es war der Steppenwolf. Und wer suchte ?ber den Tr?mmern seines Lebens den zerflatternden Sinn, litt das scheinbar Unsinnige, lebte das scheinbar Verr?ckte, hoffte heimlich im letzten irren Chaos noch Offenbarung und Gottesn?he? Ich hielt meinen Becher fest, den die Wirtin mir wieder f?llen wollte, und stand auf. Ich brauchte keinen Wein mehr. Die goldne Spur war aufgeblitzt, ich war ans Ewige erinnert, an Mozart, an die Sterne. Ich konnte wieder f?r eine Stunde atmen, konnte leben, durfte dasein, brauchte nicht Qualen zu leiden, mich nicht zu f?rchten, mich nicht zu sch?men. Der vom kalten Wind gezauste d?nne Spr?hregen klirrte um die Laternen und blitzte mit glasigem Geflimmer, als ich auf die still gewordene Stra?e hinaustrat. Jetzt wohin? H?tte ich in diesem Augenblick ?ber einen Wunschzauber verf?gt, so h?tte sich mir nun ein kleiner h?bscher Saal dargeboten, Stil Louis Seize[18 - Stil Louis Seize – в стиле Людовика Шестого.], wo ein paar gute Musiker mir zwei, drei St?cke von H?ndel und Mozart gespielt h?tten. Dazu w?re ich jetzt gestimmt gewesen und h?tte die k?hle, edle Musik geschl?rft, wie G?tter Nektar schl?rfen. Oh, wenn ich jetzt einen Freund gehabt h?tte, einen Freund in irgendeiner Dachkammer, der bei einer Kerze gr?belt und die Violine danebenliegen hat! Wie h?tte ich ihn in seiner Nachtstille beschlichen, w?re lautlos durchs winklige Treppenhaus emporgestiegen und h?tte ihn ?berrascht, und wir h?tten mit Gespr?ch und Musik ein paar ?berirdische Nachtstunden gefeiert! Oft hatte ich dies Gl?ck gekostet, einst, in vergangenen Jahren, aber auch dies hatte sich mit der Zeit von mir entfernt und losgel?st, verwelkte Jahre lagen zwischen hier und dort. Z?gernd trat ich den Heimweg an, schlug den Mantelkragen hoch und stie? den Stock aufs nasse Pflaster. Mochte ich den Weg noch so langsam zur?cklegen, allzubald w?rde ich wieder in meiner Mansarde sitzen, in meiner kleinen Scheinheimat, die ich nicht liebte und doch nicht entbehren konnte, denn die Zeit war f?r mich vor?ber, wo ich eine winterliche Regennacht laufend im Freien verbringen konnte. Nun, in Gottes Namen, ich wollte mir die gute Abendlaune nicht verderben lassen, nicht vom Regen, nicht von der Gicht, nicht von der Araukarie, und wenn kein Kammerorchester zu haben und auch kein einsamer Freund mit einer Violine zu finden war, so klang jene holde Melodie doch in mir innen, und ich konnte sie, leise summend im rhythmischen Atemholen, doch andeutend mir selber vorspielen. Sinnend schritt ich weiter. Nein, es ging auch ohne die Kammermusik und ohne den Freund, und es war l?cherlich, sich in machtlosem Verlangen nach W?rme zu verzehren. Einsamkeit ist Unabh?ngigkeit, ich hatte sie mir gew?nscht und mir erworben in langen Jahren. Sie war kalt, o ja, sie war aber auch still, wunderbar still und gro? wie der kalte stille Raum, in dem die Sterne sich drehen. Aus einem Tanzlokal, an dem ich vor?ber kam, scholl mir, hei? und roh wie der Dampf von rohem Fleisch, eine heftige Jazzmusik entgegen. Ich blieb einen Augenblick stehen; immer hatte diese Art von Musik, so sehr ich sie verabscheute, einen heimlichen Reiz f?r mich. Jazz war mir zuwider, aber sie war mir zehnmal lieber als alle akademische Musik von heute, sie traf mit ihrer frohen rohen Wildheit auch bei mir tief in die Triebwelt und atmete eine naive redliche Sinnlichkeit. Ich stand einen Augenblick schnuppernd, roch an der blutigen grellen Musik, witterte b?se und l?stern die Atmosph?re dieser S?le. Die eine H?lfte dieser Musik, die lyrische, war schmalzig, ?berzuckert und troff von Sentimentalit?t, die andre H?lfte war wild, launisch und kraftvoll, und doch gingen beide H?lften naiv und friedlich zusammen und gaben ein Ganzes. Untergangsmusik war es, im Rom der letzten Kaiser mu?te es ?hnliche Musik gegeben haben. Nat?rlich war sie, mit Bach und Mozart und wirklicher Musik verglichen, eine Schweinerei – aber das war all unsre Kunst, all unser Denken, all unsre Scheinkultur, sobald man sie mit wirklicher Kultur verglich. Und diese Musik hatte den Vorzug einer gro?en Aufrichtigkeit, einer liebenswerten unverlogenen Negerhaftigkeit und einer frohen, kindlichen Laune. Sie hatte etwas vom Neger und etwas vom Amerikaner, der uns Europ?ern in all seiner St?rke so knabenhaft frisch und kindlich erscheint. W?rde Europa auch so werden? War es schon auf dem Wege dazu? Waren wir alten Kenner und Verehrer des einstigen Europas, der einstigen echten Musik, der ehemaligen echten Dichtung, waren wir blo? eine kleine dumme Minorit?t von komplizierten Neurotikern, die morgen vergessen und verlacht w?rden? War das, was wir „Kultur“, was wir Geist, was wir Seele, was wir sch?n, was wir heilig nannten, war das blo? ein Gespenst, schon lange tot und nur von uns paar Narren noch f?r echt und lebendig gehalten? War es vielleicht ?berhaupt nie echt und lebendig gewesen? War das, worum wir Narren uns m?hten, schon immer vielleicht nur ein Phantom gewesen? Das alte Stadtviertel nahm mich auf, erloschen und unwirklich stand im Grau die kleine Kirche. Pl?tzlich fiel mir das Erlebnis vom Abend wieder ein, mit der r?tselhaften Spitzbogent?r, mit der r?tselhaften Tafel dar?ber, mit den sp?ttisch tanzenden Lichtbuchstaben. Wie hatten ihre Inschriften gelautet? „Eintritt nicht f?r jedermann.“ Und: „Nur f?r Verr?ckte.“ Pr?fend blickte ich zu der alten Mauer hin?ber, heimlich w?nschend, der Zauber m?ge wieder beginnen, die Inschrift mich Verr?ckten einladen, das kleine Tor mich einlassen. Dort vielleicht war das, was ich begehrte, dort vielleicht w?rde meine Musik gespielt? Gelassen sah die dunkle steinerne Wand mich an, in tiefer D?mmerung, zugeschlossen, tief in ihrem Traum versunken. Und nirgends ein Tor, nirgends ein Spitzbogen, nur dunkle, stille Mauer ohne Loch. L?chelnd ging ich weiter, nickte dem Gem?uer freundlich zu. „Schlaf wohl, Mauer, ich wecke dich nicht. Die Zeit wird kommen, da sie dich einrei?en oder dich mit ihren habgierigen Firmenschildern bekleben, aber noch bist du da, noch bist du sch?n und still und bist mir lieb.“ Aus einer schwarzen Gassehschlucht dicht vor mir gespien, erschreckte mich ein Mensch, ein einsamer sp?ter Heimkehrer mit m?dem Schritt, eine M?tze auf dem Kopf, mit einer blauen Bluse angetan, ?ber die Schulter trug er eine Stange mit einem Plakat, vor dem Bauche trug er am Riemen eine offene Lade, wie sie die Verk?ufer an Jahrm?rkten tragen. M?de schritt er vor mir her, sah sich nicht nach mir um, sonst h?tte ich ihn gegr??t und ihm eine Zigarre geschenkt. Im Lichte der n?chsten Laterne versuchte ich seine Standarte zu lesen, sein rotes Plakat an der Stange, aber es schwankte hin und her, ich konnte nichts entziffern. Da rief ich ihn an und bat ihn, mir das Plakat zu zeigen. Er blieb stehen und hielt seine Stange etwas gerade, da konnte ich tanzende, taumelnde Buchstaben lesen: Anarchistische Abendunterhaltung! Magisches Theater! Eintritt nicht f?r jed … „Sie habe ich ja gesucht“, rief ich freudig. „Was ist das mit Ihrer Abendunterhaltung? Wo ist sie? Wann?“ Er lief schon wieder. „Nicht f?r jedermann“, sagte er gleichg?ltig, mit schl?friger Stimme, und lief. Er hatte genug, er wollte heim. „Halt“, rief ich und lief ihm nach. „Was haben Sie da in Ihrem Kasten? Ich will Ihnen etwas abkaufen.“ Ohne anzuhalten, griff der Mann in seinen Kasten, mechanisch, zog ein kleines B?chlein heraus und hielt es mir hin. Ich nahm es schnell und steckte es ein. W?hrend ich an meinem Mantel kn?pfte und Geld hervorsuchen wollte, bog er seitw?rts in einen Torweg, zog das Tor hinter sich zu und war verschwunden. Im Hof klangen seine schweren Schritte, auf Steinpflaster erst, dann auf einer h?lzernen Treppe, dann h?rte ich nichts mehr. Und pl?tzlich war auch ich sehr m?de und hatte das Gef?hl, es sei sehr sp?t und es sei gut, jetzt heimzukommen. Ich lief rascher und war bald durch die schlafende Vorstadtgasse in meine Gegend zwischen den Wallanlagen gelangt, wo in kleinen sauberen Mieth?usern hinter etwas Rasen und Efeu die Beamten und kleinen Rentner wohnen. Am Efeu, am Rasen, an der kleinen Tanne vorbei erreichte ich die Haust?r, fand das Schl?sselloch, fand den Dr?cker f?r das Licht, schlich an den Glast?ren, an den polierten Schr?nken und Topfpflanzen vor?ber und schlo? meine Stube auf, meine kleine Scheinheimat, wo der Lehnstuhl und der Ofen, das Tintenfa? und die Malschachtel, der Novalis und der Dostojewski auf mich warteten, so, wie auf andere, auf richtige Menschen, wenn sie heimkommen, die Mutter oder Frau, die Kinder, die M?gde, die Hunde, die Katzen warten. Als ich den nassen Mantel auszog, fiel das kleine Buch mir wieder in die H?nde. Ich zog es heraus, es war ein d?nnes, schlecht auf schlechtem Papier gedrucktes Jahrmarktsb?chlein, so wie jene Hefte „Der Mensch im Januar geboren“ oder „Wie werde ich in acht Tagen um zwanzig Jahre j?nger?“ Aber als ich mich in den Lehnstuhl genistet und die Lesebrille aufgesetzt hatte, las ich mit Verwunderung und pl?tzlich aufschie?endem Schicksalsgef?hl auf dem Umschlag dieses Jahrmarktsheftes den Titel: „Traktat vom Steppenwolf. Nicht f?r jedermann.“ Und folgendes war der Inhalt der Schrift, die ich mit stets wachsender Spannung in einem Zuge las: Tractat vom Steppenwolf Es war einmal einer namens Harry, genannt der Steppenwolf. Er ging auf zwei Beinen, trug Kleider und war ein Mensch, aber eigentlich war er doch eben ein Steppenwolf. Er hatte vieles von dem gelernt, was Menschen mit gutem Verstande lernen k?nnen, und war ein ziemlich kluger Mann. Was er aber nicht gelernt hatte, war dies: mit sich und seinem Leben zufrieden zu sein. Dies konnte er nicht, er war ein unzufriedener Mensch. Das kam wahrscheinlich daher, da? er im Grunde seines Herzens jederzeit wu?te (oder zu wissen glaubte), da? er eigentlich gar kein Mensch, sondern ein Wolf aus der Steppe sei. Es m?gen sich kluge Menschen dar?ber streiten, ob er nun wirklich ein Wolf war, ob er einmal, vielleicht schon vor seiner Geburt, aus einem Wolf in einen Menschen verzaubert worden war oder ob er als Mensch geboren, aber mit der Seele eines Steppenwolfes begabt und von ihr besessen war oder aber ob dieser Glaube, da? er eigentlich ein Wolf sei, blo? eine Einbildung oder Krankheit von ihm war. Zum Beispiel w?re es ja m?glich, da? dieser Mensch etwa in seiner Kindheit wild und unb?ndig und unordentlich war, da? seine Erzieher versucht hatten, die Bestie in ihm totzukriegen, und ihm gerade dadurch die Einbildung und den Glauben schufen, da? er in der Tat eigentlich eine Bestie sei, nur mit einem d?nnen ?berzug von Erziehung und Menschentum dar?ber. Man k?nnte hier?ber lang und unterhaltend sprechen und sogar B?cher dar?ber schreiben; dem Steppenwolf aber w?re damit nicht gedient, denn f?r ihn war es ganz einerlei, ob der Wolf in ihn hineingehext oder -gepr?gelt oder aber nur eine Einbildung seiner Seele sei. Was andre dar?ber denken mochten und auch was er selbst dar?ber denken mochte, das war f?r ihn nichts wert, das holte den Wolf doch nicht aus ihm heraus. Der Steppenwolf hatte also zwei Naturen, eine menschliche und eine w?lfische, dies war sein Schicksal, und es mag wohl sein, da? dies Schicksal kein so besonderes und seltenes war. Es sollen schon viele Menschen gesehen worden sein, welche viel vom Hund oder vom Fuchs, vom Fisch oder von der Schlange in sich hatten, ohne da? sie darum besondre Schwierigkeiten gehabt h?tten. Bei diesen Menschen lebte eben der Mensch und der Fuchs, der Mensch und der Fisch nebeneinander her, und keiner tat dem andern weh, einer half sogar dem andern, und in manchem Manne, der es weit gebracht hat und beneidet wird, war es mehr der Fuchs oder Affe als der Mensch, der sein Gl?ck gemacht hat. Dies ist ja jedermann bekannt. Bei Harry hingegen war es anders, in ihm liefen Mensch und Wolf nebeneinander her, und noch viel weniger halfen sie einander, sondern sie lagen in st?ndiger Todfeindschaft gegeneinander, und einer lebte dem andern lediglich zu Leide, und wenn Zwei in Einem Blut und Einer Seele miteinander todfeind sind, dann ist das ein ?bles Leben. Nun, jeder hat sein Los, und leicht ist keines. Bei unsrem Steppenwolfe nun war es so, da? er in seinem Gef?hl zwar bald als Wolf, bald als Mensch lebte, wie es bei allen Mischwesen der Fall ist, da? aber, wenn er Wolf war, der Mensch in ihm stets zuschauend, urteilend und richtend auf der Lauer lag[19 - auf der Lauer lag – подкарауливал, поджидал в засаде.] – und in Zeiten, wo er Mensch war, tat der Wolf ebenso. Zum Beispiel, wenn Harry als Mensch einen sch?nen Gedanken hatte, eine feine, edle Empfindung f?hlte oder eine sogenannte gute Tat verrichtete, dann bleckte der Wolf in ihm die Z?hne und lachte und zeigte ihm mit blutigem Hohn, wie l?cherlich dieses ganze edle Theater einem Steppentier zu Gesicht stehe, einem Wolf, der ja in seinem Herzen ganz genau dar?ber Bescheid wu?te, was ihm behage, n?mlich einsam durch Steppen zu traben, zuzeiten Blut zu saufen oder eine W?lfin zu jagen – und, vom Wolf aus gesehen, wurde dann jede menschliche Handlung schauerlich komisch und verlegen, dumm und eitel. Aber ganz ebenso war es, wenn Harry sich als Wolf f?hlte und benahm, wenn er andern die Z?hne zeigte, wenn er Ha? und Todfeindschaft gegen alle Menschen und ihre verlogenen und entarteten Manieren und Sitten f?hlte. Dann n?mlich lag das Menschenteil in ihm auf der Lauer, beobachtete den Wolf, nannte ihn Vieh und Bestie und verdarb und verg?llte ihm alle Freude an seinem einfachen, gesunden und wilden Wolfswesen. So war dies mit dem Steppenwolf beschaffen, und man kann sich vorstellen, da? Harry nicht gerade ein angenehmes und gl?ckliches Leben hatte. Doch soll damit nicht gesagt sein, da? er in ganz besonderem Grade ungl?cklich gewesen sei (obwohl es ihm selber allerdings so erschien, wie denn jeder Mensch die ihm zufallenden Leiden f?r die gr??ten h?lt). Man sollte das von keinem Menschen sagen. Auch wer keinen Wolf in sich hat, braucht darum nicht gl?cklich zu sein. Und auch das ungl?cklichste Leben hat seine Sonnenstunden und seine kleinen Gl?cksblumen zwischen dem Sand und Gestein. So war es denn auch bei dem Steppenwolf. Er war meistens sehr ungl?cklich, das ist nicht zu leugnen, und ungl?cklich konnte er auch andre machen, n?mlich wenn er sie liebte und sie ihn. Denn alle, die ihn liebgewannen, sahen immer nur die eine Seite in ihm. Manche liebten ihn als einen feinen, klugen und eigenartigen Menschen und waren dann entsetzt und entt?uscht, wenn sie pl?tzlich den Wolf in ihm entdecken mu?ten. Und das mu?ten sie, denn Harry wollte, wie jedes Wesen, als Ganzes geliebt werden und konnte darum gerade vor denen, an deren Liebe ihm viel gelegen war, den Wolf nicht verbergen und wegl?gen. Es gab aber auch solche, die gerade den Wolf in ihm liebten, gerade das Freie, Wilde, Unz?hmbare, Gef?hrliche und Starke, und diesen wieder war es dann au?erordentlich entt?uschend und j?mmerlich, wenn pl?tzlich der wilde, b?se Wolf auch noch ein Mensch war, auch noch Sehnsucht nach G?te und Zartheit in sich hatte, auch noch Mozart h?ren, Verse lesen und Menschheitsideale haben wollte. Gerade diese waren meistens besonders entt?uscht und b?se, und so brachte der Steppenwolf seine eigene Doppeltheit und Zwiesp?ltigkeit auch in alle fremden Schicksale hinein, die er ber?hrte. Wer nun aber meint, den Steppenwolf zu kennen und sein kl?gliches, zerrissenes Leben sich vorstellen zu k?nnen, der ist dennoch im Irrtum, er wei? noch lange nicht alles. Er wei? nicht, da? es (wie keine Regel ohne Ausnahme und wie ein einziger S?nder unter Umst?nden Gott lieber ist als neunundneunzig Gerechte) – da? es bei Harry immerhin auch Ausnahmen und Gl?cksf?lle gab, da? er zuweilen den Wolf, zuweilen den Menschen auch rein und ungest?rt in sich atmen, denken und f?hlen konnte, ja, da? beide manchmal, in sehr seltenen Stunden, Frieden schlossen und einander zu Liebe lebten, so da? nicht blo? der eine schlief, w?hrend der andre wachte, sondern beide einander st?rkten und jeder den ?ndern verdoppelte. Auch im Leben dieses Mannes schien, wie ?berall in der Welt, zuweilen alles Gewohnte, Allt?gliche, Erkannte und Regelm??ige blo? den Zweck zu haben, hie und da eine sekundenkurze Pause zu erleben, durchbrochen zu werden und dem Au?erordentlichen, dem Wunder, der Gnade Platz zu machen. Ob nun diese kurzen, seltenen Gl?cksstunden das schlimme Los des Steppenwolfes ausglichen und milderten, so da? Gl?ck und Leid sich schlie?lich die Waage hielten, oder ob vielleicht sogar das kurze, aber starke Gl?ck jener wenigen Stunden alles Leid aufsog und ein Plus ergab, das ist nun wieder eine Frage, ?ber welche m??ige Leute nach Belieben br?ten m?gen. Auch der Wolf br?tete[20 - br?ten – здесь: размышлять.] oft dar?ber, und das waren seine m??igen und unn?tzen Tage. Hierzu mu? eines noch gesagt werden. Es gibt ziemlich viele Menschen von ?hnlicher Art, wie Harry einer war, viele K?nstler namentlich geh?ren dieser Art an. Diese Menschen haben alle zwei Seelen, zwei Wesen in sich, in ihnen ist G?ttliches und Teuflisches, ist m?tterliches und v?terliches Blut, ist Gl?cksf?higkeit und Leidensf?higkeit ebenso feindlich und verworren neben- und ineinander vorhanden, wie Wolf und Mensch in Harry es waren. Und diese Menschen, deren Leben ein sehr unruhiges ist, erleben zuweilen in ihren seltenen Gl?cksaugenblicken so Starkes und unnennbar Sch?nes, der Schaum des Augenblicksgl?ckes spritzt zuweilen so hoch und blendend ?ber das Meer des Leides hinaus, da? dies kurze aufleuchtende Gl?ck ausstrahlend auch andere ber?hrt und bezaubert. So entstehen, als kostbarer fl?chtiger Gl?cksschaum ?ber dem Meer des Leides, alle jene Kunstwerke, in welchen ein einzelner leidender Mensch sich f?r eine Stunde so hoch ?ber sein eigenes Schicksal erhob, da? sein Gl?ck wie ein Stern ausstrahlt und all denen, die es sehen, wie etwas Ewiges und wie ihr eigener Gl?ckstraum erscheint. Alle diese Menschen, m?gen ihre Taten und Werke hei?en wie sie wollen, haben eigentlich ?berhaupt kein Leben, das hei?t, ihr Leben ist kein Sein, hat keine Gestalt, sie sind nicht Helden oder K?nstler oder Denker in der Art, wie andere Richter, ?rzte, Schuhmacher oder Lehrer sind, sondern ihr Leben ist eine ewige, leidvolle Bewegung und Brandung, ist ungl?cklich und schmerzvoll zerrissen und ist schauerlich und sinnlos, sobald man den Sinn nicht in ebenjenen seltenen Erlebnissen, Taten, Gedanken und Werken zu sehen bereit ist, die ?ber dem Chaos eines solchen Lebens aufstrahlen. Unter den Menschen dieser Art ist der gef?hrliche und schreckliche Gedanke entstanden, da? vielleicht das ganze Menschenleben nur ein arger Irrtum, eine heftige und mi?gl?ckte Fehlgeburt der Urmutter, ein wilder und grausig fehlgeschlagener Versuch der Natur sei. Unter ihnen ist aber auch der andere Gedanke entstanden, da? der Mensch vielleicht nicht blo? ein halbwegs vern?nftiges Tier, sondern ein G?tterkind und zur Unsterblichkeit bestimmt sei. Jede Menschenart hat ihre Kennzeichen, ihre Signaturen, jede hat ihre Tugenden und Laster, jede ihre Tods?nde. Es geh?rte zu den Zeichen des Steppenwolfes, da? er ein Abendmensch war. Der Morgen war f?r ihn eine schlimme Tageszeit, die er f?rchtete und die ihm niemals Gutes gebracht bat. Nie ist er an irgendeinem Morgen seines Lebens richtig froh gewesen, nie hat er in den Stunden vor Mittag Gutes getan, gute Einf?lle gehabt, sich und anderen Freude bereiten k?nnen. Erst im Laufe des Nachmittags wurde er langsam warm und lebendig, und erst gegen Abend wurde er, an seinen guten Tagen, fruchtbar, regsam und zuweilen gl?hend und freudig. Damit hing auch sein Bed?rfnis nach Einsamkeit und nach Unabh?ngigkeit zusammen. Nie hat ein Mensch ein tieferes, leidenschaftlicheres Bed?rfnis nach Unabh?ngigkeit gehabt als er. In seiner Jugendzeit, als er noch arm war und M?he hatte, sein Brot zu verdienen, zog er es vor, zu hungern und in zerrissenen Kleidern zu gehen, nur um daf?r ein St?ckchen Unabh?ngigkeit zu retten. Er hat sich nie f?r Geld und Wohlleben, nie an Frauen oder an M?chtige verkauft und hat hundertmal das, was in aller Welt Augen sein Vorteil und Gl?ck war, weggeworfen und ausgeschlagen, um daf?r seine Freiheit zu bewahren. Keine Vorstellung war ihm verha?ter und grauenhafter als die, da? er ein Amt aus?ben, eine Tages- und Jahreseinteilung innehalten, anderen gehorchen m??te. Ein Bureau, eine Kanzlei, eine Amtsstube, das war ihm verha?t wie der Tod, und das Entsetzlichste, was er im Traum erleben konnte, war die Gefangenschaft in einer Kaserne. All diesen Verh?ltnissen wu?te er sich zu entziehen, oft unter gro?en Opfern. Hierin lag seine St?rke und Tugend, hier war er unbeugsam und unbestechlich, hier war sein Charakter fest und gradlinig. Allein mit dieser Tugend hing wieder sein Leid und Schicksal aufs engste zusammen. Es ging ihm, wie es allen ergeht: was er, aus einem innersten Trieb seines Wesens, aufs hartn?ckigste suchte und anstrebte, das ward ihm zuteil, aber mehr als f?r einen Menschen gut ist. Es wurde anf?nglich sein Traum und Gl?ck, dann sein bittres Schicksal. Der Machtmensch geht an der Macht zugrunde, der Geldmensch am Geld, der Unterw?rfige am Dienen, der Lustsucher an der Lust. Und so ging der Steppenwolf an seiner Unabh?ngigkeit zugrunde. Er erreichte sein Ziel, er wurde immer unabh?ngiger, niemand hatte ihm zu befehlen, nach niemandem hatte er sich zu richten, frei und allein bestimmte er ?ber sein Tun und Lassen. Denn jeder starke Mensch erreicht unfehlbar das, was ein wirklicher Trieb ihn suchen hei?t. Aber mitten in der erreichten Freiheit nahm Harry pl?tzlich wahr, da? seine Freiheit ein Tod war, da? er allein stand, da? die Welt ihn auf eine unheimliche Weise in Ruhe lie?, da? die Menschen ihn nichts mehr angingen, ja er selbst sich nicht, da? er in einer immer d?nner und d?nner werdenden Luft von Beziehungslosigkeit und Vereinsamung langsam erstickte. Denn nun stand es so, da? Alleinsein und Unabh?ngigkeit nicht mehr sein Wunsch und Ziel war, sondern sein Los, seine Verurteilung, da? der Zauberwunsch getan und nicht mehr zur?ckzunehmen war, da? es nichts mehr half, wenn er voll Sehnsucht und guten Willens die Arme ausstreckte und zu Bindung und Gemeinsamkeit bereit war: man lie? ihn jetzt allein. Dabei war er nicht etwa verha?t und den Menschen zuwider. Im Gegenteil, er hatte sehr viele Freunde. Viele hatten ihn gern. Aber es war immer nur Sympathie und Freundlichkeit, was erfand, man lud ihn ein, man beschenkte ihn, schrieb ihm nette Briefe, aber nahe an ihn heran kam niemand, Bindung entstand nirgends, sein Leben zu teilen war niemand gewillt und f?hig. Es umgab ihn jetzt die Luft der Einsamen, eine stille Atmosph?re, ein Weggleiten der Umwelt, eine Unf?higkeit zu Beziehungen, gegen welche kein Wille und keine Sehnsucht etwas vermochte. Dies war eins der wichtigen Kennzeichen seines Lebens. Ein anderes war, da? er zu den Selbstm?rdern geh?rte. Hier mu? gesagt werden, da? es falsch ist, wenn man nur jene Menschen Selbstm?rder nennt, welche sich wirklich umbringen. Unter diesen sind sogar viele, die nur gewisserma?en aus Zufall Selbstm?rder werden, zu deren Wesen das Selbstm?rdertum nicht nowendig geh?rt. Unter den Menschen ohne Pers?nlichkeit, ohne starke Pr?gung, ohne starkes Schicksal, unter den Dutzend- und Herdenmenschen sind manche, die durch Selbstmord umkommen, ohne darum in ihrer ganzen Signatur und Pr?gung dem Typus der Selbstm?rder anzugeh?ren[21 - ohne darum in ihrer ganzen Signatur und Pr?gung dem Typus der Selbstm?rder anzugeh?ren – но не принадлежат при этом к типу самоубийц с его характером и всеми его особенностями.], w?hrend wiederum von jenen, welche dem Wesen nach zu den Selbstm?rdern z?hlen, sehr viele, vielleicht die meisten, niemals tats?chlich Hand an sich legen. Der „Selbstm?rder“ – und Harry war einer – braucht nicht notwendig in einem besonders starken Verh?ltnis zum Tode zu leben – dies kann man tun, auch ohne Selbstm?rder zu sein. Aber dem Selbstm?rder ist es eigent?mlich, da? er sein Ich, einerlei, ob mit Recht oder Unrecht, als einen besonders gef?hrlichen, zweifelhaften und gef?hrdeten Keim der Natur empfindet, da? er sich stets au?erordentlich exponiert und gef?hrdet vorkommt, so, als st?nde er auf allerschmalster Felsenspitze, wo ein kleiner Sto? von au?en oder eine winzige Schw?che von innen gen?gt, um ihn ins Leere fallen zu lassen. Diese Art von Menschen ist in ihrer Schicksalslinie dadurch gekennzeichnet, da? der Selbstmord f?r sie die wahrscheinlichste Todesart ist, wenigstens in ihrer eigenen Vorstellung. Voraussetzung dieser Stimmung, welche fast immer schon in fr?her Jugend sichtbar wird und diese Menschen ihr Leben lang begleitet, ist nicht etwa eine besonders schwache Lebenskraft, man findet im Gegenteil unter den „Selbstm?rdern“ au?erordentlich z?he, begehrliche und auch k?hne Naturen. Aber so wie es Naturen gibt, die bei der kleinsten Erkrankung zu Fieber neigen, so neigen diese Naturen, die wir „Selbstm?rder“ hei?en und die stets sehr empfindlich und sensibel sind, bei der kleinsten Ersch?tterung dazu, sich intensiv der Vorstellung des Selbstmordes hinzugeben. H?tten wir eine Wissenschaft, die den Mut und die Verantwortungskraft bes??e, sich mit dem Menschen zu besch?ftigen, statt blo? mit den Mechanismen der Lebenserscheinungen, h?tten wir etwas wie eine Anthropologie, etwas wie eine Psychologie, so w?ren diese Tatsachen jedem bekannt. Was wir hier ?ber die Selbstm?rder sagten, bezieht sich alles selbstverst?ndlich nur auf die Oberfl?che, es ist Psychologie, also ein St?ck Physik. Metaphysisch betrachtet, sieht die Sache anders und viel klarer aus, denn bei solcher Betrachtung stellen die „Selbstm?rder“ sich uns dar als die vom Schuldgef?hl der Individuation Betroffenen, als jene Seelen, welchen nicht mehr die Vollendung und Ausgestaltung ihrer selbst als Lebensziel erscheint, sondern ihre Aufl?sung, zur?ck zur Mutter, zur?ck zu Gott, zur?ck ins All. Von diesen Naturen sind sehr viele vollkommen unf?hig, jemals den realen Selbstmord zu begehen, weil sie dessen S?nde tief erkannt haben. F?r uns sind sie dennoch Selbstm?rder, denn sie sehen im Tod, nicht im Leben den Erl?ser, sie sind bereit, sich wegzuwerfen und hinzugehen, auszul?schen und zum Anfang zur?ckzukehren. Wie jede Kraft auch zu einer Schw?che werden kann (ja unter Umst?nden werden mu?), so kann umgekehrt der typische Selbstm?rder aus seiner anscheinenden Schw?che oft eine Kraft und eine St?tze machen, ja er tut dies au?erordentlich h?ufig. Zu diesen F?llen geh?rt auch der Harrys, des Steppenwolfes. Wie Tausende von seinesgleichen, machte er aus der Vorstellung, da? ihm zu jeder Stunde der Weg in den Tod offensteht, nicht blo? ein jugendlichmelancholisches Phantasiespiel, sondern baute sich aus ebendiesem Gedanken einen Trost und eine St?tze. Zwar rief in ihm, wie in allen Menschen seiner Art, jede Ersch?tterung, jeder Schmerz, jede ?ble Lebenslage sofort den Wunsch wach, sich durch den Tod zu entziehen. Allm?hlich aber schuf er sich aus dieser Neigung gerade eine dem Leben dienliche Philosophie. Die Vertrautheit mit dem Gedanken, da? jener Notausgang best?ndig offenstehe, gab ihm Kraft, machte ihn neugierig auf das Auskosten von Schmerzen und ?blen Zust?nden, und wenn es ihm recht elend ging, konnte er zuweilen mit grimmiger Freude, einer Art Schadenfreude, empfinden: „Ich bin doch neugierig zu sehen, wie viel eigentlich ein Mensch auszuhalten vermag! Ist die Grenze des noch Ertr?glichen erreicht, dann brauche ich ja blo? die T?r zu ?ffnen und bin entronnen.“ Es gibt sehr viele Selbstm?rder, denen aus diesem Gedanken ungew?hnliche Kr?fte kommen. Andrerseits ist allen Selbstm?rdern auch der Kampf gegen die Versuchung zum Selbstmord vertraut. Jeder wei?, in irgendeinem Winkel seiner Seele, recht wohl, da? Selbstmord zwar ein Ausweg, aber doch nur ein etwas sch?biger und illegitimer Notausgang ist, da? es im Grunde edler und sch?ner ist, sich vom Leben selbst besiegen und hinstrecken zu lassen als von der eigenen Hand. Dies Wissen, dies schlechte Gewissen, dessen Quelle dieselbe ist wie etwa f?r das b?se Gewissen der sogenannten Selbstbefriediger, veranla?t die meisten „Selbstm?rder“ zu einem dauernden Kampf gegen ihre Versuchung. Sie k?mpfen, wie der Kleptomane gegen sein Laster k?mpft. Auch dem Steppenwolf war dieser Kampf wohl bekannt, mit vielerlei wechselnden Waffen hatte er ihn gestritten. Schlie?lich kam er, im Alter von etwa siebenundvierzig Jahren, auf einen gl?cklichen und nicht harmlosen Einfall, der ihm oft Freude machte. Er setzte seinen f?nfzigsten Geburtstag als den Tag fest, an welchem er sich den Selbstmord erlauben wolle. An diesem Tag, so vereinbarte er mit sich selber, sollte es ihm freistehen, den Notausgang zu ben?tzen oder nicht, je nach der Laune des Tages. Mochte ihm nun geschehen was da wollte, mochte er krank werden, verarmen, Leid und Bitternis erfahren – alles war befristet, alles konnte allerh?chstem nur diese wenigen Jahre, Monate, Tage andauern, deren Zahl t?glich kleiner wurde! Und in der Tat ertrug er manches Ungemach jetzt viel leichter, das ihn fr?her tiefer und l?nger gequ?lt, ja vielleicht bis zur Wurzel ersch?ttert h?tte. Wenn es ihm aus irgendwelchem Grunde besonders schlecht ging, wenn zur Ver?dung, Vereinsamung und Verwilderung seines Lebens noch besondere Schmerzen oder Verluste hinzukamen, dann konnte er zu den Schmerzen sagen: „Wartet nur, noch zwei Jahre, dann bin ich euer Herr!“ Und dann vertiefte er sich mit Liebe in die Vorstellung, wie an seinem f?nfzigsten Geburtstag morgens die Briefe und Gratulationen ankommen w?rden, w?hrend er, seines Rasiermessers sicher, Abschied von allen Schmerzen nahm und die T?r hinter sich zuzog. Dann konnte die Gicht in den Knochen, dann konnten Schwermut, Kopfschmerz und Magenweh sehen, wo sie blieben. * * * Es er?brigt noch, das Einzelph?nomen des Steppenwolfes, und namentlich sein eigent?mliches Verh?ltnis zum B?rgertum, dadurch zu erkl?ren, da? wir diese Erscheinungen auf ihre Grundgesetze zur?ckf?hren. Nehmen wir, da dies sich von selbst anbietet, ebenjenes sein Verh?ltnis zum „B?rgerlichen“ zum Ausgangspunkt! Der Steppenwolf stand, seiner eigenen Auffassung zufolge, g?nzlich au?erhalb der b?rgerlichen Welt, da er weder Familienleben noch sozialen Ehrgeiz kannte. Er f?hlte sich durchaus als Einzelnen, bald als Sonderling und krankhaften Einsiedler, bald auch als ?bernormal, als ein geniem??ig veranlagtes, ?ber die kleinen Normen des Durchschnittslebens erhabenes Individuum. Mit Bewu?tsein verachtete er den Bourgeois und war stolz darauf, keiner zu sein. Dennoch lebte er in mancher Hinsicht ganz und gar b?rgerlich, er hatte Geld auf der Bank und unterst?tzte arme Verwandte, er kleidete sich zwar sorglos, doch anst?ndig und unauff?llig, er suchte mit der Polizei, dem Steueramt und ?hnlichen M?chten in gutem Frieden zu leben. Au?erdem aber zog ihn eine starke, heimliche Sehnsucht best?ndig zur b?rgerlichen Kleinwelt, zu den stillen, anst?ndigen Familienh?usern mit sauberen G?rtchen, blankgehaltenem Treppenhaus und ihrer ganz bescheidenen Atmosph?re von Ordnung und Wohlanst?ndigkeit. Es gefiel ihm, seine kleinen Laster und Extravaganzen zu haben, sich als au?erb?rgerlich, als Sonderling oder Genie zu f?hlen, doch hauste und lebte er, um es so auszudr?cken, niemals in den Provinzen des Lebens, wo keine B?rgerlichkeit mehr existiert. Er war weder in der Luft der Gewalt- und Ausnahmemenschen zu Hause noch bei den Verbrechern oder Entrechteten, sondern blieb immer in der Provinz der B?rger wohnen, zu deren Gewohnheiten, zu deren Norm und Atmosph?re er stets in Beziehung stand, sei es auch in der des Gegensatzes und der Revolte. Au?erdem war er in kleinb?rgerlicher Erziehung aufgewachsen und hatte von dort her eine Menge von Begriffen und Schablonen beibehalten. Er hatte theoretisch nicht das mindeste gegen das Dirnentum, w?re aber unf?hig gewesen, pers?nlich eine Dirne ernst zu nehmen und wirklich als seinesgleichen zu betrachten. Den politischen Verbrecher, den Revolution?r oder den geistigen Verf?hrer, den Staat und Gesellschaft ?chteten, vermochte er als seinen Bruder zu lieben, aber mit einem Dieb, Einbrecher, Lustm?rder h?tte er nichts anzufangen gewu?t, als sie auf eine ziemlich b?rgerliche Art zu bedauern. Auf diese Weise anerkannte und bejahte er stets mit der einen H?lfte seines Wesens und Tuns das, was er mit der anderen bek?mpfte und verneinte. In einem kultivierten B?rgerhause aufgewachsen, in fester Form und Sitte, war er mit einem Teil seiner Seele stets an den Ordnungen dieser Welt h?ngengeblieben, auch nachdem er sich l?ngst ?ber das im B?rgerlichen m?gliche Ma? hinaus individualisiert und sich vom Inhalt b?rgerlichen Ideals und Glaubens l?ngst befreit hatte. Das „B?rgerliche“ nun, als ein stets vorhandener Zustand des Menschlichen, ist nichts andres als der Versuch eines Ausgleiches, als das Streben nach einer ausgeglichenen Mitte zwischen den zahllosen Extremen und Gegensatzpaaren menschlichen Verhaltens. Nehmen wir irgendeines dieser Gegensatzpaare als Beispiel, etwa das des Heiligen und des W?stlings, so wird unser Gleichnis alsbald verst?ndlich werden. Der Mensch hat die M?glichkeit, sich ganz und gar dem Geistigen, dem Ann?herungsversuch ans G?ttliche, hinzugeben, dem Ideal des Heiligen. Er hat umgekehrt auch die M?glichkeit, sich ganz und gar dem Triebleben, dem Verlangen seiner Sinne hinzugeben und sein ganzes Streben auf den Gewinn von augenblicklicher Lust zu richten. Der eine Weg f?hrt zum Heiligen, zum M?rtyrer des Geistes, zur Selbstaufgabe an Gott. Der andre Weg f?hrt zum W?stling, zum M?rtyrer der Triebe, zur Selbstaufgabe an die Verwesung. Zwischen beiden nun versucht in temperierter Mitte der B?rger zu leben. Nie wird er sich aufgeben, sich hingeben, weder dem Rausch noch der Askese, nie wird er M?rtyrer sein, nie in seine Vernichtung willigen – im Gegenteil sein Ideal ist nicht Hingabe, sondern Erhaltung des Ichs, sein Streben gilt weder der Heiligkeit noch deren Gegenteil, Unbedingtheit ist ihm unertr?glich, er will zwar Gott dienen, aber auch dem Rausche, will zwar tugendhaft sein, es aber auch ein bi?chen gut und bequem auf Erden haben. Kurz, er versucht es, in der Mitte zwischen den Extremen sich anzusiedeln, in einer gem??igten und bek?mmlichen Zone ohne heftige St?rme und Gewitter, und dies gelingt ihm auch, jedoch auf Kosten jener Lebens- und Gef?hlsintensit?t, die ein aufs Unbedingte und Extreme gerichtetes Leben verleiht. Intensiv leben kann man nur auf Kosten des Ichs. Der B?rger nun sch?tzt nichts h?her als das Ich (ein nur rudiment?r entwickeltes Ich allerdings). Auf Kosten der Intensit?t also erreicht er Erhaltung und Sicherheit, statt Gottbesessenheit erntet er Gewissensruhe, statt Lust Behagen, statt Freiheit Bequemlichkeit, statt t?dlicher Glut eine angenehme Temperatur. Der B?rger ist deshalb seinem Wesen nach ein Gesch?pf von schwachem Lebensantrieb, ?ngstlich, jede Preisgabe seiner selbst f?rchtend, leicht zu regieren. Er hat darum an Stelle der Macht die Majorit?t gesetzt, an Stelle der Gewalt das Gesetz, an Stelle der Verantwortung das Abstimmungsverfahren. Es ist klar, da? dies schwache und ?ngstliche Wesen, existierte es auch in noch so gro?er Anzahl, sich nicht halten kann, da? es verm?ge seiner Eigenschaften in der Welt keine andre Rolle spielen k?nnte als die einer L?mmerherde zwischen freischweifenden[22 - freischweifend – независимо (сам по себе) блуждающий.] W?lfen. Dennoch sehen wir, da? zwar in Zeiten des Regiments sehr starker Naturen der B?rger sofort an die Wand gedr?ckt wird, da? er aber niemals untergeht, zuzeiten sogar anscheinend die Welt beherrscht. Wie ist das m?glich? Weder die gro?e Zahl seiner Herde, noch die Tugend, noch der common sense[23 - common sense (англ.) – здравый смысл.], noch die Organisation w?ren stark genug, ihn vor dem Untergang zu retten. Wessen Lebensintensit?t von vornherein so sehr geschw?cht ist, den kann keine Medizin der Welt am Leben erhalten. Und dennoch lebt das B?rgertum, ist stark und gedeiht. – Warum? Die Antwort lautet: Wegen der Steppenw?lfe. In der Tat beruht die vitale Kraft des B?rgertums keineswegs auf den Eigenschaften seiner normalen Mitglieder, sondern auf denen der au?erordentlich zahlreichen Outsiders, die es infolge der Verschwommenheit und Dehnbarkeit seiner Ideale mit zu umschlie?en vermag. Es lebt im B?rgertum stets eine gro?e Menge von starken und wilden Naturen mit. Unser Steppenwolf Harry ist ein charakteristisches Beispiel. Er, der weit ?ber das dem B?rger m?gliche Ma? hinaus zum Individuum entwickelt ist, er, der die Wonne der Meditation ebenso wie die d?stern Freuden des Hasses und Selbsthasses kennt, er, der das Gesetz, die Tugend und den common sense verachtet, ist dennoch ein Zwangsh?ftling des B?rgertums und kann ihm nicht entrinnen. Und so lagern um die eigentliche Waffe des echten B?rgertums weite Schichten der Menschheit, viele Tausende von Leben und Intelligenzen, deren jede dem B?rgertum zwar entwachsen und f?r ein Leben im Unbedingten berufen w?re, deren jede aber, durch infantile Gef?hle der B?rgerlichkeit anh?ngend und von ihrer Schw?chung der Lebensintensit?t ein St?ck weit angesteckt, dennoch irgendwie im B?rgertum verharrt, ihm irgendwie h?rig, verpflichtet und dienstbar bleibt. Denn dem B?rgertum gilt der umgekehrte Grundsatz der Gro?en: Wer nicht wider mich ist, der ist f?r mich! Pr?fen wir daraufhin die Seele des Steppenwolfes, so stellt er sich dar als Mensch, den schon sein hoher Grad von Individuation zum Nichtb?rger bestimmt – denn alle hochgetriebene Individuation kehrt sich gegen das Ich und neigt wieder zu dessen Zerst?rung. Wir sehen, da? er sowohl nach dem Heiligen wie nach dem W?stling hin starke Antriebe in sich hat, jedoch aus irgendeiner Schw?chung oder Tr?gheit heraus den Schwung in den freien wilden Weltraum nicht nehmen konnte und an das schwere m?tterliche Gestirn des B?rgertums gebannt bleibt. Dies ist seine Lage im Raum der Welt, dies seine Gebundenheit. Die allermeisten Intellektuellen, der gr??te Teil der K?nstlermenschen geh?rt demselben Typus an. Nur die st?rksten von ihnen durchsto?en die Atmosph?re der B?rgererde und gelangen ins Kosmische, die andern alle resignieren oder schlie?en Kompromisse, verachten das B?rgertum und geh?ren ihm dennoch an und st?rken und verherrlichen es, indem sie letzten Endes es bejahen m?ssen, um noch leben zu k?nnen. Es reicht diesen zahllosen Existenzen nicht zur Tragik, wohl aber zu einem recht ansehnlichen Mi?geschick und Unstern, in dessen H?lle ihre Talente gar gekocht und fruchtbar werden. Die wenigen, die sich losrei?en, finden ins Unbedingte und gehen auf bewundernswerte Weise unter, sie sind die Tragischen, ihre Zahl ist klein. Den andern aber, den Gebundenbleibenden, deren Talenten oft das B?rgertum gro?e Ehre zollt, ihnen steht ein drittes Reich offen, eine imagin?re, aber souver?ne Welt: der Humor. Die friedlosen Steppenw?lfe, die best?ndig und furchtbar leidenden, denen die zur Tragik, zum Durchbruch in den Sternenraum erforderliche Wucht versagt ist, die sich zum Unbedingten berufen f?hlen und doch in ihm nicht zu leben verm?gen: ihnen bietet sich, wenn ihr Geist im Leiden stark und elastisch geworden ist, der vers?hnliche Ausweg in den Humor. Der Humor bleibt stets irgendwie b?rgerlich, obwohl der echte B?rger unf?hig ist, ihn zu verstehen. In seiner imagin?ren Sph?re wird das verzwickte, vielsp?ltige Ideal aller Steppenw?lfe verwirklicht: hier ist es m?glich, nicht nur gleichzeitig den Heiligen und den W?stling zu bejahen, die Pole zueinander zu biegen, sondern auch noch den B?rger in die Bejahung einzubeziehen. Es ist ja dem Gottbesessenen sehr wohl m?glich, den Verbrecher zu bejahen, und ebenso umgekehrt, ihnen beiden aber, und allen anderen Unbedingten, ist es unm?glich, auch noch jene neutrale laue Mitte, das B?rgerliche, zu bejahen. Einzig der Humor, die herrliche Erfindung der in ihrer Berufung zum Gr??ten Gehemmten, der beinahe Tragischen, der h?chstbegabten Ungl?cklichen, einzig der Humor (vielleicht die eigenste und genialste Leistung des Menschentums) vollbringt dies Unm?gliche, ?berzieht und vereinigt alle Bezirke des Menschenwesens mit den Strahlungen seiner Prismen. In der Welt zu leben, als sei es nicht die Welt, das Gesetz zu achten und doch ?ber ihm zu stehen, zu besitzen, „als bes??e man nicht“, zu verzichten, als sei es kein Verzicht – alle diese beliebten und oft formulierten Forderungen einer hohen Lebensweisheit ist einzig der Humor zu verwirklichen f?hig. Und falls es dem Steppenwolf, dem es an Gaben und Ans?tzen dazu nicht fehlt, in der schw?len Wirrnis seiner H?lle noch gelingen sollte, diesen Zaubertrank auszukochen, auszuschwitzen, dann w?re er gerettet. Noch fehlt ihm dazu vieles. Die M?glichkeit aber, die Hoffnung ist vorhanden. Wer ihn liebt, wer an ihm Teil nimmt, mag ihm diese Rettung w?nschen. Er w?rde dadurch zwar f?r immer im B?rgerlichen verharren bleiben, aber seine Leiden w?ren ertr?glich, w?rden fruchtbar. Sein Verh?ltnis zur B?rgerwelt, in Liebe und Ha?, w?rde die Sentimentalit?t verlieren, und sein Gebundensein an diese Welt w?rde aufh?ren, ihn best?ndig als Schande zu qu?len. Um dies zu erreichen, oder um vielleicht am Ende doch noch den Sprung ins Weltall wagen zu k?nnen, m??te solch ein Steppenwolf einmal sich selbst gegen?bergestellt werden, m??te tief in das Chaos der eigenen Seele blicken und zum vollen Bewu?tsein seiner selbst kommen. Seine fragw?rdige Existenz w?rde sich ihm alsdann in ihrer ganzen Unab?nderlichkeit enth?llen, und es w?rde ihm fernerhin unm?glich werden, sich immer wieder aus der H?lle seiner Triebe in sentimentalphilosophische Tr?stungen und aus diesen wieder in den blinden Rausch seines Wolftums hin?berzufl?chten. Mensch und Wolf w?rden gen?tigt sein, einander ohne f?lschende Gef?hlsmasken zu erkennen, einander nackt in die Augen zu sehen. Dann w?rden sie entweder explodieren und f?r immer auseinandergehen, so da? es keinen Steppenwolf mehr g?be, oder sie w?rden unter dem aufgehenden Licht des Humors eine Vernunftehe schlie?en. M?glich, da? Harry eines Tages vor diese letzte M?glichkeit gef?hrt wird. M?glich, da? er eines Tages sich erkennen lernt, sei es, da? er einen unsrer kleinen Spiegel in die Hand bekomme, sei es, da? er den Unsterblichen begegnete oder vielleicht in einem unsrer magischen Theater dasjenige finde, wessen er zur Befreiung seiner verwahrlosen Seele bedarf. Tausend solche M?glichkeiten warten auf ihn, sein Schicksal zieht sie unwiderstehlich an, alle diese Au?enseiter des B?rgertums leben in der Atmosph?re dieser magischen M?glichkeiten. Ein Nichts gen?gt, und der Blitz schl?gt ein. Конец ознакомительного фрагмента. Текст предоставлен ООО «ЛитРес». 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