Àëåêñåé Íàñò. Çàáàâêè äëÿ ìàëûøåé. «ÁÇÛÊ». Îòäûõàë â äåðåâíå ÿ. Ðàññêàçàëè ìíå äðóçüÿ, Òî, ÷òî ñëåïåíü – ýòî ÁÇÛÊ! Ýòîò ÁÇÛÊ Óêóñèë ìåíÿ â ÿçûê! : : : : «Ëÿãóøêà è êîìàð» Áîëîòíàÿ ëÿãóøêà Îõîòèëàñü ñ óòðà, Òîëñòóøêà-ïîïðûãóøêà Ëîâèëà êîìàðà. À ìàëåíüêèé ïîñòðåë Èñêóñàë êâàêóøêó, È ñûòûé óëåòåë… : : : :

Effi Briest / Ýôôè Áðèñò. Êíèãà äëÿ ÷òåíèÿ íà íåìåöêîì ÿçûêå

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Òèï:Êíèãà
Öåíà:283.00 ðóá.
Èçäàòåëüñòâî: Àíòîëîãèÿ, ÊÀÐÎ
Ãîä èçäàíèÿ: 2005
ßçûê: Íåìåöêèé
Ïðîñìîòðû: 138
Ñêà÷àòü îçíàêîìèòåëüíûé ôðàãìåíò
ÊÓÏÈÒÜ È ÑÊÀ×ÀÒÜ ÇÀ: 283.00 ðóá. ×ÒÎ ÊÀ×ÀÒÜ è ÊÀÊ ×ÈÒÀÒÜ
Effi Briest / Ýôôè Áðèñò. Êíèãà äëÿ ÷òåíèÿ íà íåìåöêîì ÿçûêå Theodor Fontane Òåîäîð Ôîíòàíå ÿâëÿåòñÿ ñàìûì çíà÷èòåëüíûì íåìåöêèì ðåàëèñòîì âòîðîé ïîëîâèíû XIX âåêà. Îñîáûì ïñèõîëîãèçìîì îòëè÷àåòñÿ åãî ðîìàí «Ýôôè Áðèñò». Ñþæåò ðàçâîðà÷èâàåòñÿ âîêðóã þíîé Ýôôè, êîòîðóþ ïðîòèâ åå âîëè âûäàþò çàìóæ çà íåìîëîäîãî äâîðÿíèíà. Ëèøü ñïóñòÿ ìíîãî ëåò åå ñóïðóã óçíàåò î åå íåäîëãîì äàâíåì ðîìàíå… Â êíèãå ïðåäñòàâëåí íåàäàïòèðîâàííûé òåêñò íà ÿçûêå îðèãèíàëà, ñíàáæåííûé êîììåíòàðèÿìè è ñëîâàðåì.  ôîðìàòå PDF A4 ñîõðàíåí èçäàòåëüñêèé ìàêåò. Theodor Fontane Effi Briest © Àíòîëîãèÿ, 2005 © ÊÀÐÎ, 2005 Âñå ïðàâà çàùèùåíû Erstes Kapitel In Front des schon seit Kurf?rst Georg Wilhelm von der Familie von Briest bewohnten Herrenhauses zu Hohen-Cremmen fiel heller Sonnenschein auf die mittagsstille Dorfstra?e, w?hrend nach der Park- und Gartenseite hin ein rechtwinklig angebauter Seitenfl?gel einen breiten Schatten erst auf einen wei? und gr?n quadrierten Fliesengang und dann ?ber diesen hinaus auf ein gro?es, in seiner Mitte mit einer Sonnenuhr und an seinem Rande mit Canna indica und Rhabarberstauden besetztes Rondell warf. Einige zwanzig Schritte weiter, in Richtung und Lage genau dem Seitenfl?gel entsprechend, lief eine ganz in kleinbl?ttrigem Efeu stehende, nur an einer Stelle von einer kleinen wei?gestrichenen Eisent?r unterbrochene Kirchhofsmauer, hinter der der Hohen-Cremmener Schindelturm mit seinem blitzenden, weil neuerdings erst wieder vergoldeten Wetterhahn aufragte. Fronthaus, Seitenfl?gel und Kirchhofsmauer bildeten ein einen kleinen Ziergarten umschlie?endes Hufeisen, an dessen offener Seite man eines Teiches mit Wassersteg und angeketteltem Boot und dicht daneben einer Schaukel gewahr wurde, deren horizontal gelegtes Brett zu H?upten und F??en an je zwei Stricken hing – die Pfosten der Balkenlage schon etwas schief stehend. Zwischen Teich und Rondell aber und die Schaukel halb versteckend standen ein paar m?chtige alte Platanen. Auch die Front des Herrenhauses – eine mit Aloek?beln und ein paar Gartenst?hlen besetzte Rampe – gew?hrte bei bew?lktem Himmel einen angenehmen und zugleich allerlei Zerstreuung bietenden Aufenthalt; an Tagen aber, wo die Sonne niederbrannte, wurde die Gartenseite ganz entschieden bevorzugt, besonders von Frau und Tochter des Hauses, die denn auch heute wieder auf dem im vollen Schatten liegenden Fliesengange sa?en, in ihrem R?cken ein paar offene, von wildem Wein umrankte Fenster, neben sich eine vorspringende kleine Treppe, deren vier Steinstufen vom Garten aus in das Hochparterre des Seitenfl?gels hinauff?hrten. Beide, Mutter und Tochter, waren flei?ig bei der Arbeit, die der Herstellung eines aus Einzelquadraten zusammenzusetzenden Altarteppichs galt; ungez?hlte Wollstr?hnen und Seidendocken lagen auf einem gro?en runden Tisch, bunt durcheinander, dazwischen, noch vom Lunch her, ein paar Dessertteller und eine mit gro?en, sch?nen Stachelbeeren gef?llte Majolikaschale. Rasch und sicher ging die Wollnadel der Damen hin und her, aber w?hrend die Mutter kein Auge von der Arbeit lie?, legte die Tochter, die den Rufnamen Effi f?hrte, von Zeit zu Zeit die Nadel nieder und erhob sich, um unter allerlei kunstgerechten Beugungen und Streckungen den ganzen Kursus der Heil- und Zimmergymnastik durchzumachen. Es war ersichtlich, dass sie sich diesen absichtlich ein wenig ins Komische gezogenen ?bungen mit ganz besonderer Liebe hingab, und wenn sie dann so dastand und, langsam die Arme hebend, die Handfl?chen hoch ?ber dem Kopf zusammenlegte, so sah auch wohl die Mama von ihrer Handarbeit auf, aber immer nur fl?chtig und verstohlen, weil sie nicht zeigen wollte, wie entz?ckend sie ihr eigenes Kind finde, zu welcher Regung m?tterlichen Stolzes sie voll berechtigt war. Effi trug ein blau und wei? gestreiftes, halb kittelartiges Leinwandkleid, dem erst ein fest zusammengezogener bronzefarbener Lederg?rtel die Taille gab; der Hals war frei, und ?ber Schulter und Nacken fiel ein breiter Matrosenkragen. In allem, was sie tat, paarte sich ?bermut und Grazie, w?hrend ihre lachenden braunen Augen eine gro?e, nat?rliche Klugheit und viel Lebenslust und Herzensg?te verrieten. Man nannte sie die „Kleine“, was sie sich nur gefallen lassen musste, weil die sch?ne, schlanke Mama noch um eine Handbreit h?her war. Eben hatte sich Effi wieder erhoben, um abwechselnd nach links und rechts ihre turnerischen Drehungen zu machen, als die von ihrer Stickerei gerade wieder aufblickende Mama ihr zurief: „Effi, eigentlich h?ttest du doch wohl Kunstreiterin werden m?ssen. Immer am Trapez, immer Tochter der Luft. Ich glaube beinah, dass du so was m?chtest.“ „Vielleicht, Mama. Aber wenn es so w?re, wer w?re schuld? Von wem hab ich es? Doch nur von dir. Oder meinst du von Papa? Da musst du nun selber lachen. Und dann, warum steckst du mich in diesen H?nger, in diesen Jungenskittel? Mitunter denk ich, ich komme noch wieder in kurze Kleider. Und wenn ich die erst wieder habe, dann knicks ich auch wieder wie ein Backfisch, und wenn dann die Rathenower her?berkommen, setze ich mich auf Oberst Goetzes Schoss und reite hopp, hopp. Warum auch nicht? Drei Viertel ist er Onkel und nur ein Viertel Courmacher. Du bist schuld. Warum kriege ich keine Staatskleider? Warum machst du keine Dame aus mir?“ „M?chtest du’s?“ „Nein.“ Und dabei lief sie auf die Mama zu und umarmte sie st?rmisch und k?sste sie. „Nicht so wild, Effi, nicht so leidenschaftlich. Ich beunruhige mich immer, wenn ich dich so sehe…“ Und die Mama schien ernstlich willens, in ?u?erung ihrer Sorgen und ?ngste fortzufahren. Aber sie kam nicht weit damit, weil in ebendiesem Augenblicke drei junge M?dchen aus der kleinen, in der Kirchhofsmauer angebrachten Eisent?r in den Garten eintraten und einen Kiesweg entlang auf das Rondell und die Sonnenuhr zuschritten. Alle drei gr??ten mit ihren Sonnenschirmen zu Effi her?ber und eilten dann auf Frau von Briest zu, um dieser die Hand zu k?ssen. Diese tat rasch ein paar Fragen und lud dann die M?dchen ein, ihnen oder doch wenigstens Effi auf eine halbe Stunde Gesellschaft zu leisten. „Ich habe ohnehin noch zu tun, und junges Volk ist am liebsten unter sich. Gehabt euch wohl.“ Und dabei stieg sie die vom Garten in den Seitenfl?gel f?hrende Steintreppe hinauf. Und da war nun die Jugend wirklich allein. Zwei der jungen M?dchen – kleine, rundliche Pers?nchen, zu deren krausem, rotblondem Haar ihre Sommersprossen und ihre gute Laune ganz vorz?glich passten – waren T?chter des auf Hansa, Skandinavien und Fritz Reuter eingeschworenen Kantors Jahnke, der denn auch, unter Anlehnung an seinen mecklenburgischen Landsmann und Lieblingsdichter und nach dem Vorbilde von Mining und Lining[1 - Ïåðñîíàæè ðîìàíà Ôðèòöà Ðîéòåðà „Aus meiner Stromzeit“ (1862–1864), ÷üè èìåíà ñâÿçûâàþòñÿ â ñîçíàíèè Ò. Ôîíòàíå ñ ïðîâèíöèàëüíîé îãðàíè÷åííîñòüþ ñâîèõ ãåðîåâ.], seinen eigenen Zwillingen die Namen Bertha und Hertha gegeben hatte. Die dritte junge Dame war Hulda Niemeyer, Pastor Niemeyers einziges Kind; sie war damenhafter als die beiden anderen, daf?r aber langweilig und eingebildet, eine lymphatische Blondine, mit etwas vorspringenden, bl?den Augen, die trotzdem best?ndig nach was zu suchen schienen, weshalb denn auch Klitzing von den Husaren gesagt hatte: „Sieht sie nicht aus, als erwarte sie jeden Augenblick den Engel Gabriel?“ Effi fand, dass der etwas kritische Klitzing nur zu sehr recht habe, vermied es aber trotzdem, einen Unterschied zwischen den drei Freundinnen zu machen. Am wenigsten war ihr in diesem Augenblicke danach zu Sinn, und w?hrend sie die Arme auf den Tisch stemmte, sagte sie: „Diese langweilige Stickerei. Gott sei Dank, dass ihr da seid.“ „Aber deine Mama haben wir vertrieben“, sagte Hulda. „Nicht doch. Wie sie euch schon sagte, sie w?re doch gegangen; sie erwartet n?mlich Besuch, einen alten Freund aus ihren M?dchentagen her, von dem ich euch nachher erz?hlen muss, eine Liebesgeschichte mit Held und Heldin und zuletzt mit Entsagung. Ihr werdet Augen machen und euch wundern. ?brigens habe ich Mamas alten Freund schon dr?ben in Schwantikow gesehen; er ist Landrat, gute Figur und sehr m?nnlich.“ „Das ist die Hauptsache“, sagte Hertha. „Freilich ist das die Hauptsache,“ Weiber weiblich, M?nner m?nnlich“ – das ist, wie ihr wisst, einer von Papas Lieblingss?tzen. Und nun helft mir erst Ordnung schaffen auf dem Tisch hier, sonst gibt es wieder eine Strafpredigt.“ Im Nu waren die Docken in den Korb gepackt, und als alle wieder sa?en, sagte Hulda: „Nun aber, Effi, nun ist es Zeit, nun die Liebesgeschichte mit Entsagung. Oder ist es nicht so schlimm?“ „Eine Geschichte mit Entsagung ist nie schlimm. Aber ehe Hertha nicht von den Stachelbeeren genommen, eh kann ich nicht anfangen – sie l?sst ja kein Auge davon. ?brigens nimm, soviel du willst, wir k?nnen ja hinterher neue pfl?cken; nur wirf die Schalen weit weg oder, noch besser, lege sie hier auf die Zeitungsbeilage, wir machen dann eine T?te daraus und schaffen alles beiseite. Mama kann es nicht leiden, wenn die Schlusen so ?berall umherliegen, und sagt immer, man k?nne dabei ausgleiten und ein Bein brechen.“ „Glaub ich nicht“, sagte Hertha, w?hrend sie den Stachelbeeren flei?ig zusprach. „Ich auch nicht“, best?tigte Effi. „Denkt doch mal nach, ich falle jeden Tag wenigstens zwei-, dreimal, und noch ist mir nichts gebrochen. Was ein richtiges Bein ist, das bricht nicht so leicht, meines gewiss nicht und deines auch nicht, Hertha. Was meinst du, Hulda?“ „Man soll sein Schicksal nicht versuchen; Hochmut kommt vor dem Fall.“ „Immer Gouvernante; du bist doch die geborne alte Jungfer.“ „Und hoffe mich doch noch zu verheiraten. Und vielleicht eher als du.“ „Meinetwegen. Denkst du, dass ich darauf warte? Das fehlte noch. ?brigens, ich kriege schon einen, und vielleicht bald. Da ist mir nicht bange. Neulich erst hat mir der kleine Ventivegni von dr?ben gesagt: ,,Fr?ulein Effi, was gilt die Wette, wir sind hier noch in diesem Jahre zu Polterabend und Hochzeit.“ „Und was sagtest du da?“ „Wohl m?glich‘, sagt ich, ,wohl m?glich; Hulda ist die ?lteste und kann sich jeden Tag verheiraten.“ Aber er wollte davon nichts wissen und sagte: ,Nein, bei einer anderen jungen Dame, die geradeso br?nett ist, wie Fr?ulein Hulda blond ist.‘ Und dabei sah er mich ganz ernsthaft an… Aber ich komme vom Hundertsten aufs Tausendste und vergesse die Geschichte.“ „Ja, du brichst immer wieder ab; am Ende willst du nicht.“ „Oh, ich will schon, aber freilich, ich breche immer wieder ab, weil es alles ein bisschen sonderbar ist, ja beinah romantisch.“ „Aber du sagtest doch, er sei Landrat.“ „Allerdings Landrat. Und er hei?t Geert von Innstetten, Baron von Innstetten.“ Alle drei lachten. „Warum lacht ihr?“ sagte Effi pikiert. „Was soll das hei?en?“ „Ach, Effi, wir wollen dich ja nicht beleidigen und auch den Baron nicht. Innstetten sagtest du? Und Geert? So hei?t doch hier kein Mensch. Freilich, die adeligen Namen haben oft so was Komisches.“ „Ja, meine Liebe, das haben sie. Daf?r sind es eben Adelige. Die d?rfen sich das g?nnen, und je weiter zur?ck, ich meine der Zeit nach, desto mehr d?rfen sie sich’s g?nnen. Aber davon versteht ihr nichts, was ihr mir nicht ?belnehmen d?rft. Wir bleiben doch gute Freunde. Geert von Innstetten also und Baron. Er ist geradeso alt wie Mama, auf den Tag.“ „Und wie alt ist denn eigentlich deine Mama?“ „Achtunddrei?ig.“ „Ein sch?nes Alter.“ „Ist es auch, namentlich wenn man noch so aussieht wie die Mama. Sie ist doch eigentlich eine sch?ne Frau, findet ihr nicht auch? Und wie sie alles so weghat, immer so sicher und dabei so fein und nie unpassend wie Papa. Wenn ich ein junger Leutnant w?re, so w?rd ich mich in die Mama verlieben.“ „Aber Effi, wie kannst du nur so was sagen“, sagte Hulda. „Das ist ja gegen das vierte Gebot.“ „Unsinn. Wie kann das gegen das vierte Gebot sein? Ich glaube, Mama w?rde sich freuen, wenn sie w?sste, dass ich so was gesagt habe.“ „Kann schon sein“, unterbrach hierauf Hertha. „Aber nun endlich die Geschichte.“ „Nun, gib dich zufrieden, ich fange schon an… Also Baron Innstetten! Als er noch keine zwanzig war, stand er dr?ben bei den Rathenowern und verkehrte viel auf den G?tern hierherum, und am liebsten war er in Schwantikow dr?ben bei meinem Gro?vater Belling. Nat?rlich war es nicht des Gro?vaters wegen, dass er so oft dr?ben war, und wenn die Mama davon erz?hlt, so kann jeder leicht sehen, um wen es eigentlich war. Und ich glaube, es war auch gegenseitig.“ „Und wie kam es nachher?“ „Nun, es kam, wie’s kommen musste, wie’s immer kommt. Er war ja noch viel zu jung, und als mein Papa sich einfand, der schon Ritterschaftsrat war und Hohen-Cremmen hatte, da war kein langes Besinnen mehr, und sie nahm ihn und wurde Frau von Briest… Und das andere, was sonst noch kam, nun, das wisst ihr… das andere bin ich.“ „Ja, das andere bist du, Effi“, sagte Bertha. „Gott sei Dank; wir h?tten dich nicht, wenn es anders gekommen w?re. Und nun sage, was tat Innstetten, was wurde aus ihm? Das Leben hat er sich nicht genommen, sonst k?nntet ihr ihn heute nicht erwarten.“ „Nein, das Leben hat er sich nicht genommen. Aber ein bisschen war es doch so was.“ „Hat er einen Versuch gemacht?“ „Auch das nicht. Aber er mochte doch nicht l?nger hier in der N?he bleiben, und das ganze Soldatenleben ?berhaupt muss ihm damals wie verleidet gewesen sein. Es war ja auch Friedenszeit. Kurz und gut, er nahm den Abschied und fing an, Juristerei zu studieren, wie Papa sagt, mit einem ,wahren Biereifer; nur als der siebziger Krieg kam, trat er wieder ein, aber bei den Perlebergern statt bei seinem alten Regiment, und hat auch das Kreuz. Nat?rlich, denn er ist sehr schneidig. Und gleich nach dem Kriege sa? er wieder bei seinen Akten, und es hei?t, Bismarck halte gro?e St?cke von ihm und auch der Kaiser, und so kam es denn, dass er Landrat wurde, Landrat im Kessiner Kreise.“ „Was ist Kessin? Ich kenne hier kein Kessin.“ „Nein, hier in unserer Gegend liegt es nicht; es liegt eine h?bsche Strecke von hier fort, in Pommern, in Hinterpommern sogar, was aber nichts sagen will, weil es ein Badeort ist (alles da herum ist Badeort), und die Ferienreise, die Baron Innstetten jetzt macht, ist eigentlich eine Vetternreise oder doch etwas ?hnliches. Er will hier alte Freundschaft und Verwandtschaft wiedersehn.“ „Hat er denn hier Verwandte?“ „Ja, und nein, wie man’s nehmen will. Innstettens gibt es hier nicht, gibt es, glaub ich, ?berhaupt nicht mehr. Aber er hat hier entfernte Vettern von der Mutter Seite her, und vor allem hat er wohl Schwantikow und das Bellingsche Haus wiedersehen wollen, an das ihn soviel Erinnerungen kn?pfen. Da war er denn vorgestern dr?ben, und heute will er hier in Hohen-Cremmen sein.“ „Und was sagt dein Vater dazu?“ „Gar nichts. Der ist nicht so. Und dann kennt er ja doch die Mama. Er neckt sie blo?.“ In diesem Augenblick schlug es Mittag, und ehe es noch ausgeschlagen, erschien Wilke, das alte Briestsche Haus- und Familienfaktotum, um Fr?ulein Effi zu bestellen: Die gn?dige Frau lie?e bitten, dass das gn?dige Fr?ulein zu rechter Zeit auch Toilette mache; gleich nach eins w?rde der Herr Baron wohl vorfahren. Und w?hrend Wilke dies noch vermeldete, begann er auch schon auf dem Arbeitstisch der Damen abzur?umen und griff dabei zun?chst nach dem Zeitungsblatt, auf dem die Stachelbeerschalen lagen. „Nein, Wilke, nicht so; das mit den Schlusen, das ist unsere Sache… Hertha, du musst nun die T?te machen und einen Stein hineintun, dass alles besser versinken kann. Und dann wollen wir in einem langen Trauerzug aufbrechen und die T?te auf offener See begraben.“ Wilke schmunzelte. Is doch ein Daus, unser Fr?ulein, so etwa gingen seine Gedanken; Effi aber, w?hrend sie die T?te mitten auf die rasch zusammengeraffte Tischdecke legte, sagte: „Nun fassen wir alle vier an, jeder an einem Zipfel, und singen was Trauriges.“ „Ja, das sagst du wohl, Effi. Aber was sollen wir denn singen?“ „Irgendwas; es ist ganz gleich, es muss nur einen Reim auf ,u‘ haben; ,u‘ ist immer Trauervokal. Also singen wir: Flut, Flut, Mach alles wieder gut…“ Und w?hrend Effi diese Litanei feierlich anstimmte, setzten sich alle vier auf den Steg hin in Bewegung, stiegen in das dort angekettelte Boot und lie?en von diesem aus die mit einem Kiesel beschwerte T?te langsam in den Teich niedergleiten. „Hertha, nun ist deine Schuld versenkt“, sagte Effi, „wobei mir ?brigens einf?llt, so vom Boot aus sollen fr?her auch arme ungl?ckliche Frauen versenkt worden sein, nat?rlich wegen Untreue.“ „Aber doch nicht hier.“ „Nein, nicht hier“, lachte Effi, „hier kommt so was nicht vor. Aber in Konstantinopel, und du musst ja, wie mir eben einf?llt, auch davon wissen, so gut wie ich, du bist ja mit dabeigewesen, als uns Kandidat Holzapfel in der Geographiestunde davon erz?hlte.“ „Ja“, sagte Hulda, „der erz?hlte immer so was. Aber so was vergisst man doch wieder.“ „Ich nicht. Ich behalte so was.“ Zweites Kapitel Sie sprachen noch eine Weile so weiter, wobei sie sich ihrer gemeinschaftlichen Schulstunden und einer ganzen Reihe Holzapfelscher Unpassendheiten mit Emp?rung und Behagen erinnerten. Ja, man konnte sich nicht genugtun damit, bis Hulda mit einem Male sagte: „Nun aber ist es h?chste Zeit, Effi; du siehst ja aus, ja, wie sag ich nur, du siehst ja aus, wie wenn du vom Kirschenpfl?cken k?mst, alles zerknittert und zerknautscht; das Leinenzeug macht immer so viele Falten, und der gro?e wei?e Klappkragen… ja, wahrhaftig, jetzt hab ich es, du siehst aus wie ein Schiffsjunge.“ „Midshipman,[2 - Midshipman – (àíãë.) ãàðäåìàðèí] wenn ich bitten darf. Etwas muss ich doch von meinem Adel haben. ?brigens Midshipman oder Schiffsjunge, Papa hat mir erst neulich wieder einen Mastbaum versprochen, hier dicht neben der Schaukel, mit Rahen und einer Strickleiter. Wahrhaftig, das sollte mir gefallen, und den Wimpel oben selbst anzumachen, das lie? ich mir nicht nehmen. Und du, Hulda, du k?mst dann von der anderen Seite her herauf, und oben in der Luft wollten wir hurra rufen und uns einen Kuss geben. Alle Wetter, das sollte schmecken.“ „Alle Wetter…, wie das nun wieder klingt… Du sprichst wirklich wie ein Midshipman. Ich werde mich aber h?ten, dir nachzuklettern, ich bin nicht so waghalsig. Jahnke hat ganz recht, wenn er immer sagt, du h?ttest zuviel von dem Bellingschen in dir, von deiner Mama her. Ich bin blo? ein Pastorskind.“ „Ach, geh mir. Stille Wasser sind tief. Wei?t du noch, wie du damals, als Vetter Briest als Kadett hier war, aber doch schon gro? genug, wie du damals auf dem Scheunendach entlangrutschtest. Und warum? Nun, ich will es nicht verraten. Aber kommt, wir wollen uns schaukeln, auf jeder Seite zwei; rei?en wird es ja wohl nicht, oder wenn ihr nicht Lust habt, denn ihr macht wieder lange Gesichter, dann wollen wir Anschlag spielen. Eine Viertelstunde hab ich noch. Ich mag noch nicht hineingehen, und alles blo?, um einem Landrat guten Tag zu sagen, noch dazu einem Landrat aus Hinterpommern. ?ltlich ist er auch, er k?nnte ja beinah mein Vater sein, und wenn er wirklich in einer Seestadt wohnt, Kessin soll ja so was sein, nun, da muss ich ihm in diesem Matrosenkost?m eigentlich am besten gefallen und muss ihm beinah wie eine gro?e Aufmerksamkeit vorkommen. F?rsten, wenn sie wen empfangen, soviel wei? ich von meinem Papa her, legen auch immer die Uniform aus der Gegend des anderen an. Also nur nicht ?ngstlich… rasch, rasch, ich fliege aus, und neben der Bank hier ist frei.“ Hulda wollte noch ein paar Einschr?nkungen machen, aber Effi war schon den n?chsten Kiesweg hinauf, links hin, rechts hin, bis sie mit einem Male verschwunden war. „Effi, das gilt nicht; wo bist du? Wir spielen nicht Versteck, wir spielen Anschlag.“ Unter diesen und ?hnlichen Vorw?rfen eilten die Freundinnen ihr nach, weit ?ber das Rondell und die beiden seitw?rts stehenden Platanen hinaus, bis die Verschwundene mit einem Male aus ihrem Verstecke hervorbrach und m?helos, weil sie schon im R?cken ihrer Verfolger war, mit „eins, zwei, drei“ den Freiplatz neben der Bank erreichte. „Wo warst du?“ „Hinter den Rhabarberstauden; die haben so gro?e Bl?tter, noch gr??er als ein Feigenblatt…“ „Pfui…“ „Nein, pfui f?r euch, weil ihr verspielt habt. Hulda, mit ihren gro?en Augen, sah wieder nichts, immer ungeschickt.“ Und dabei flog Effi von neuem ?ber das Rondell hin, auf den Tisch zu, vielleicht weil sie vorhatte, sich erst hinter einer dort aufwachsenden dichten Haselnusshecke zu verstecken, um dann, von dieser aus, mit einem weiten Umweg um Kirchhof und Fronthaus, wieder bis an den Seitenfl?gel und seinen Freiplatz zu kommen. Alles war gut berechnet; aber freilich, ehe sie noch halb um den Teich herum war, h?rte sie schon vom Hause her ihren Namen rufen und sah, w?hrend sie sich umwandte, die Mama, die von der Steintreppe her mit ihrem Taschentuche winkte. Noch einen Augenblick, und Effi stand vor ihr. „Nun bist du doch noch in deinem Kittel, und der Besuch ist da. Nie h?ltst du Zeit.“ „Ich halte schon Zeit, aber der Besuch hat nicht Zeit gehalten. Es ist noch nicht eins; noch lange nicht,“ und sich nach den Zwillingen hin umwendend (Hulda war noch weiter zur?ck), rief sie diesen zu: „Spielt nur weiter; ich bin gleich wieder da.“ Schon im n?chsten Augenblicke trat Effi mit der Mama in den gro?en Gartensaal, der fast den ganzen Raum des Seitenfl?gels f?llte. „Mama, du darfst mich nicht schelten. Es ist wirklich erst halb. Warum kommt er so fr?h? Kavaliere kommen nicht zu sp?t, aber noch weniger zu fr?h.“ Frau von Briest war in sichtlicher Verlegenheit; Effi aber schmiegte sich liebkosend an sie und sagte: „Verzeih, ich will mich nun eilen; du wei?t, ich kann auch rasch sein, und in f?nf Minuten ist Aschenputtel in eine Prinzessin verwandelt. So lange kann er warten oder mit dem Papa plaudern.“ Und der Mama zunickend, wollte sie leichten Fu?es eine kleine eiserne Stiege hinauf, die aus dem Saal in den Oberstock hinauff?hrte. Frau von Briest aber, die unter Umst?nden auch unkonventionell sein konnte, hielt pl?tzlich die schon forteilende Effi zur?ck, warf einen Blick auf das jugendlich reizende Gesch?pf, das, noch erhitzt von der Aufregung des Spiels, wie ein Bild frischesten Lebens vor ihr stand, und sagte beinahe vertraulich: „Es ist am Ende das Beste, du bleibst, wie du bist. Ja, bleibe so. Du siehst gerade sehr gut aus. Und wenn es auch nicht w?re, du siehst so unvorbereitet aus, so gar nicht zurechtgemacht, und darauf kommt es in diesem Augenblicke an. Ich muss dir n?mlich sagen, meine s??e Effi…“, und sie nahm ihres Kindes beide H?nde, „… ich muss dir n?mlich sagen…“ „Aber Mama, was hast du nur? Mir wird ja ganz angst und bange.“ „… Ich muss dir n?mlich sagen, Effi, dass Baron Innstetten eben um deine Hand angehalten hat.“ „Um meine Hand angehalten? Und im Ernst?“ „Es ist keine Sache, um einen Scherz daraus zu machen. Du hast ihn vorgestern gesehen, und ich glaube, er hat dir auch gut gefallen. Er ist freilich ?lter als du, was alles in allem ein Gl?ck ist, dazu ein Mann von Charakter, von Stellung und guten Sitten, und wenn du nicht nein sagst, was ich von meiner klugen Effi kaum denken kann, so stehst du mit zwanzig Jahren da, wo andere mit vierzig stehen. Du wirst deine Mama weit ?berholen.“ Effi schwieg und suchte nach einer Antwort. Aber ehe sie diese finden konnte, h?rte sie schon des Vaters Stimme von dem angrenzenden, noch im Fronthause gelegenen Hinterzimmer her, und gleich danach ?berschritt Ritterschaftsrat von Briest, ein wohlkonservierter F?nfziger von ausgesprochener Bonhomie, die Gartensalonschwelle – mit ihm Baron Innstetten, schlank, br?nett und von milit?rischer Haltung. Effi, als sie seiner ansichtig wurde, kam in ein nerv?ses Zittern; aber nicht auf lange, denn im selben Augenblicke fast, wo sich Innstetten unter freundlicher Verneigung ihr n?herte, wurden an dem mittleren der weit offenstehenden und von wildem Wein halb ?berwachsenen Fenster die rotblonden K?pfe der Zwillinge sichtbar, und Hertha, die Ausgelassenste, rief in den Saal hinein: „Effi, komm.“ Dann duckte sie sich, und beide Schwestern sprangen von der Banklehne, darauf sie gestanden, wieder in den Garten hinab, und man h?rte nur noch ihr leises Kichern und Lachen. Drittes Kapitel Noch an demselben Tage hatte sich Baron Innstetten mit Effi Briest verlobt. Der joviale Brautvater, der sich nicht leicht in seiner Feierlichkeitsrolle zurechtfand, hatte bei dem Verlobungsmahl, das folgte, das junge Paar leben lassen, was auf Frau von Briest, die dabei der nun um kaum achtzehn Jahre zur?ckliegenden Zeit gedenken mochte, nicht ohne herzbeweglichen Eindruck geblieben war. Aber nicht auf lange; sie hatte es nicht sein k?nnen, nun war es statt ihrer die Tochter – alles in allem ebenso gut oder vielleicht noch besser. Denn mit Briest lie? sich leben, trotzdem er ein wenig prosaisch war und dann und wann einen kleinen frivolen Zug hatte. Gegen Ende der Tafel, das Eis wurde schon herumgereicht, nahm der alte Ritterschaftsrat noch einmal das Wort, um in einer zweiten Ansprache das allgemeine Familien-Du zu proponieren. Er umarmte dabei Innstetten und gab ihm einen Kuss auf die linke Backe. Hiermit war aber die Sache f?r ihn noch nicht abgeschlossen, vielmehr fuhr er fort, au?er dem „Du“ zugleich intimere Namen und Titel f?r den Hausverkehr zu empfehlen, eine Art Gem?tlichkeitsrangliste aufzustellen, nat?rlich unter Wahrung berechtigter, weil wohlerworbener Eigent?mlichkeiten. F?r seine Frau, so hie? es, w?rde der Fortbestand von „Mama“ (denn es g?be auch junge Mamas) wohl das Beste sein, w?hrend er f?r seine Person, unter Verzicht auf den Ehrentitel „Papa“, das einfache Briest entschieden bevorzugen m?sse, schon weil es so h?bsch kurz sei. Und was nun die Kinder angehe – bei welchem Wort er sich, Aug in Auge mit dem nur etwa um ein Dutzend Jahre j?ngeren Innstetten, einen Ruck geben musste –, nun, so sei Effi eben Effi und Geert Geert. Geert, wenn er nicht irre, habe die Bedeutung von einem schlank aufgeschossenen Stamm, und Effi sei dann also der Efeu, der sich darum zu ranken habe. Das Brautpaar sah sich bei diesen Worten etwas verlegen an, Effi zugleich mit einem Ausdruck kindlicher Heiterkeit, Frau von Briest aber sagte: „Briest, sprich, was du willst, und formuliere deine Toaste nach Gefallen, nur poetische Bilder, wenn ich dich bitten darf, lass beiseite, das liegt jenseits deiner Sph?re.“ Zurechtweisende Worte, die bei Briest mehr Zustimmung als Ablehnung gefunden hatten. „Es ist m?glich, dass du recht hast, Luise.“ Gleich nach Aufhebung der Tafel beurlaubte sich Effi, um einen Besuch dr?ben bei Pastors zu machen. Unterwegs sagte sie sich: „Ich glaube, Hulda wird sich ?rgern. Nun bin ich ihr doch zuvorgekommen – sie war immer zu eitel und eingebildet.“ Aber Effi traf es mit ihrer Erwartung nicht ganz; Hulda, durchaus Haltung bewahrend, benahm sich sehr gut und ?berlie? die Bezeugung von Unmut und ?rger ihrer Mutter, der Frau Pastorin, die denn auch sehr sonderbare Bemerkungen machte. „Ja, ja, so geht es. Nat?rlich. Wenn’s die Mutter nicht sein konnte, muss es die Tochter sein. Das kennt man. Alte Familien halten immer zusammen, und wo was is, kommt was dazu.“ Der alte Niemeyer kam in arge Verlegenheit ?ber diese fortgesetzten spitzen Redensarten ohne Bildung und Anstand und beklagte mal wieder, eine Wirtschafterin geheiratet zu haben. Von Pastors ging Effi nat?rlich auch zu Kantor Jahnkes; die Zwillinge hatten schon nach ihr ausgeschaut und empfingen sie im Vorgarten. „Nun, Effi“, sagte Hertha, w?hrend alle drei zwischen den rechts und links bl?henden Studentenblumen auf und ab schritten, „nun, Effi, wie ist dir eigentlich?“ „Wie mir ist? Oh, ganz gut. Wir nennen uns auch schon du und bei Vornamen. Er hei?t n?mlich Geert, was ich euch, wie mir einf?llt, auch schon gesagt habe.“ „Ja, das hast du. Mir ist aber doch so bange dabei. Ist es denn auch der Richtige?“ „Gewiss ist es der Richtige. Das verstehst du nicht, Hertha. Jeder ist der Richtige. Nat?rlich muss er von Adel sein und eine Stellung haben und gut aussehen.“ „Gott, Effi, wie du nur sprichst. Sonst sprichst du doch ganz anders.“ „Ja, sonst.“ „Und bist auch schon ganz gl?cklich?“ „Wenn man zwei Stunden verlobt ist, ist man immer ganz gl?cklich. Wenigstens denk ich es mir so.“ „Und ist es dir denn gar nicht, ja, wie sag ich nur, ein bisschen genant?“ „Ja, ein bisschen genant ist es mir, aber doch nicht sehr. Und ich denke, ich werde dar?ber wegkommen.“ Nach diesem im Pfarr- und Kantorhause gemachten Besuche, der keine halbe Stunde gedauert hatte, war Effi wieder nach dr?ben zur?ckgekehrt, wo man auf der Gartenveranda eben den Kaffee nehmen wollte. Schwiegervater und Schwiegersohn gingen auf dem Kieswege zwischen den zwei Platanen auf und ab. Briest sprach von dem Schwierigen einer landr?tlichen Stellung; sie sei ihm verschiedentlich angetragen worden, aber er habe jedes Mal gedankt. „So nach meinem eigenen Willen schalten und walten zu k?nnen ist mir immer das Liebste gewesen, jedenfalls lieber – Pardon, Innstetten –, als so die Blicke best?ndig nach oben richten zu m?ssen. Man hat dann blo? immer Sinn und Merk f?r hohe und h?chste Vorgesetzte. Das ist nichts f?r mich. Hier leb ich so freiweg und freue mich ?ber jedes gr?ne Blatt und ?ber den wilden Wein, der da dr?ben in die Fenster w?chst.“ Er sprach noch mehr dergleichen, allerhand Antibeamtliches, und entschuldigte sich von Zeit zu Zeit mit einem kurzen, verschiedentlich wiederkehrenden „Pardon, Innstetten“. Dieser nickte mechanisch zustimmend, war aber eigentlich wenig bei der Sache, sah vielmehr, wie gebannt, immer aufs neue nach dem dr?ben am Fenster rankenden wilden Wein hin?ber, von dem Briest eben gesprochen, und w?hrend er dem nachhing, war es ihm, als s?h er wieder die rotblonden M?dchenk?pfe zwischen den Weinranken und h?re dabei den ?berm?tigen Zuruf: „Effi, komm.“ Er glaubte nicht an Zeichen und ?hnliches, im Gegenteil, wies alles Abergl?ubische weit zur?ck. Aber er konnte trotzdem von den zwei Worten nicht los, und w?hrend Briest immer weiter perorierte, war es ihm best?ndig, als w?re der kleine Hergang doch mehr als ein blo?er Zufall gewesen. Innstetten, der nur einen kurzen Urlaub genommen, war schon am folgenden Tage wieder abgereist, nachdem er versprochen hatte, jeden Tag schreiben zu wollen. „Ja, das musst du“, hatte Effi gesagt, ein Wort, das ihr von Herzen kam, da sie seit Jahren nichts Sch?neres kannte als beispielsweise den Empfang vieler Geburtstagsbriefe. Jeder musste ihr zu diesem Tage schreiben. In den Brief eingestreute Wendungen, etwa wie „Gertrud und Klara senden Dir mit mir ihre herzlichsten Gl?ckw?nsche“, waren verp?nt; Gertrud und Klara, wenn sie Freundinnen sein wollten, hatten daf?r zu sorgen, dass ein Brief mit selbst?ndiger Marke dal?ge, wom?glich – denn ihr Geburtstag fiel noch in die Reisezeit – mit einer fremden, aus der Schweiz oder Karlsbad. Innstetten, wie versprochen, schrieb wirklich jeden Tag; was aber den Empfang seiner Briefe ganz besonders angenehm machte, war der Umstand, dass er allw?chentlich nur einmal einen ganz kleinen Antwortbrief erwartete. Den erhielt er denn auch, voll reizend nichtigen und ihn jedes Mal entz?ckenden Inhalts. Was es von ernsteren Dingen zu besprechen gab, das verhandelte Frau von Briest mit ihrem Schwiegersohne: Festsetzungen wegen der Hochzeit, Ausstattungs- und Wirtschafts-Einrichtungsfragen. Innstetten, schon an die drei Jahre im Amt, war in seinem Kessiner Hause nicht gl?nzend, aber doch sehr standesgem?? eingerichtet, und es empfahl sich, in der Korrespondenz mit ihm ein Bild von allem, was da war, zu gewinnen, um nichts Unn?tzes anzuschaffen. Schlie?lich, als Frau von Briest ?ber all diese Dinge genugsam unterrichtet war, wurde seitens Mutter und Tochter eine Reise nach Berlin beschlossen, um, wie Briest sich ausdr?ckte, den „Trousseau“ f?r Prinzessin Effi zusammenzukaufen. Effi freute sich sehr auf den Aufenthalt in Berlin, umso mehr, als der Vater darein gewilligt hatte, im H?tel du Nord Wohnung zu nehmen. Was es koste, k?nne ja von der Ausstattung abgezogen werden; Innstetten habe ohnehin alles. Effi – ganz im Gegensatze zu der solche „Mesquinerien“ ein f?r allemal sich verbittenden Mama – hatte dem Vater, ohne jede Sorge darum, ob er’s scherz- oder ernsthaft gemeint hatte, freudig zugestimmt und besch?ftigte sich in ihren Gedanken viel, viel mehr mit dem Eindruck, den sie beide, Mutter und Tochter, bei ihrem Erscheinen an der Table d’h?te[3 - Table d’h?te – (ôð.) ñòîë äëÿ ãîñòåé] machen w?rden, als mit Spinn und Mencke[4 - Èçâåñòíûé ìåáåëüíûé ìàãàçèí â Áåðëèíå], Goschenhofer und ?hnlichen Firmen, die vorl?ufig notiert worden waren. Und diesen ihren heiteren Phantasien entsprach denn auch ihre Haltung, als die gro?e Berliner Woche nun wirklich da war. Vetter Briest vom Alexander-Regiment, ein ungemein ausgelassener junger Leutnant, der die „Fliegenden Bl?tter“ hielt und ?ber die besten Witze Buch f?hrte, stellte sich den Damen f?r jede dienstfreie Stunde zur Verf?gung, und so sa?en sie denn mit ihm bei Kranzler am Eckfenster oder zu statthafter Zeit auch wohl im Caf? Bauer und fuhren nachmittags in den Zoologischen Garten, um da die Giraffen zu sehen, von denen Vetter Briest, der ?brigens Dagobert hie?, mit Vorliebe behauptete, sie s?hen aus wie adlige alte Jungfern. Jeder Tag verlief programm??ig, und am dritten oder vierten Tage gingen sie, wie vorgeschrieben, in die Nationalgalerie, weil Vetter Dagobert seiner Cousine die „Insel der Seligen“ zeigen wollte. Fr?ulein Cousine stehe zwar auf dem Punkte, sich zu verheiraten, es sei aber doch vielleicht gut, die „Insel der Seligen“ schon vorher kennengelernt zu haben. Die Tante gab ihm einen Schlag mit dem F?cher, begleitete diesen Schlag aber mit einem so gn?digen Blick, dass er keine Veranlassung hatte, den Ton zu ?ndern. Es waren himmlische Tage f?r alle drei, nicht zum wenigsten f?r den Vetter, der so wundervoll zu chaperonnieren und kleine Differenzen immer rasch auszugleichen verstand. An solchen Meinungsverschiedenheiten zwischen Mutter und Tochter war nun, wie das so geht, all die Zeit ?ber kein Mangel, aber sie traten gl?cklicherweise nie bei den zu machenden Eink?ufen hervor. Ob man von einer Sache sechs oder drei Dutzend erstand, Effi war mit allem gleichm??ig einverstanden, und wenn dann auf dem Heimwege von dem Preise der eben eingekauften Gegenst?nde gesprochen wurde, so verwechselte sie regelm??ig die Zahlen. Frau von Briest, sonst so kritisch, auch ihrem eigenen geliebten Kinde gegen?ber, nahm dies anscheinend mangelnde Interesse nicht nur von der leichten Seite, sondern erkannte sogar einen Vorzug darin. „Alle diese Dinge“, so sagte sie sich, „bedeuten Effi nicht viel. Effi ist anspruchslos; sie lebt in ihren Vorstellungen und Tr?umen, und wenn die Prinzessin Friedrich Karl vor?berf?hrt und sie von ihrem Wagen aus freundlich gr??t, so gilt ihr das mehr als eine ganze Truhe voll Wei?zeug.“ Das alles war auch richtig, aber doch nur halb. An dem Besitze mehr oder weniger allt?glicher Dinge lag Effi nicht viel, aber wenn sie mit der Mama die Linden hinauf und hinunter ging und nach Musterung der sch?nsten Schaufenster in den Demuthschen Laden eintrat, um f?r die gleich nach der Hochzeit geplante italienische Reise allerlei Eink?ufe zu machen, so zeigte sich ihr wahrer Charakter. Nur das Eleganteste gefiel ihr, und wenn sie das Beste nicht haben konnte, so verzichtete sie auf das Zweitbeste, weil ihr dies Zweite nun nichts mehr bedeutete. Ja, sie konnte verzichten, darin hatte die Mama recht, und in diesem Verzichtenk?nnen lag etwas von Anspruchslosigkeit; wenn es aber ausnahmsweise mal wirklich etwas zu besitzen galt, so musste dies immer was ganz Apartes sein. Und darin war sie anspruchsvoll. Viertes Kapitel Vetter Dagobert war am Bahnhof, als die Damen ihre R?ckreise nach Hohen-Cremmen antraten. Es waren gl?ckliche Tage gewesen, vor allem auch darin, dass man nicht unter unbequemer und beinahe unstandesgem??er Verwandtschaft gelitten hatte. „F?r Tante Therese“, so hatte Effi gleich nach der Ankunft gesagt, „m?ssen wir diesmal inkognito bleiben. Es geht nicht, dass sie hier ins Hotel kommt. Entweder H?tel du Nord oder Tante Therese; beides zusammen passt nicht.“ Die Mama hatte sich schlie?lich einverstanden damit erkl?rt, ja dem Lieblinge zur Besiegelung des Einverst?ndnisses einen Kuss auf die Stirn gegeben. Mit Vetter Dagobert war das nat?rlich etwas ganz anderes gewesen; der hatte nicht blo? den Gardepli, der hatte vor allem auch mit Hilfe jener eigent?mlich guten Laune, wie sie bei den Alexanderoffizieren beinahe traditionell geworden, sowohl Mutter wie Tochter von Anfang an anzuregen und aufzuheitern gewusst, und diese gute Stimmung dauerte bis zuletzt. „Dagobert“, so hie? es noch beim Abschied, „du kommst also zu meinem Polterabend, und nat?rlich mit Cortege. Denn nach den Auff?hrungen (aber kommt mir nicht mit Dienstmann oder Mausefallenh?ndler) ist Ball. Und du musst bedenken, mein erster gro?er Ball ist vielleicht auch mein letzter. Unter sechs Kameraden – nat?rlich beste T?nzer – wird gar nicht angenommen. Und mit dem Fr?hzug k?nnt ihr wieder zur?ck.“ Der Vetter versprach alles, und so trennte man sich. Gegen Mittag trafen beide Damen an ihrer havell?ndischen Bahnstation ein, mitten im Luch, und fuhren in einer halben Stunde nach Hohen-Cremmen hin?ber. Briest war sehr froh, Frau und Tochter wieder zu Hause zu haben, und stellte Fragen ?ber Fragen, deren Beantwortung er meist nicht abwartete. Statt dessen erging er sich in Mitteilung dessen, was er inzwischen erlebt. „Ihr habt mir da vorhin von der Nationalgalerie gesprochen und von der ,Insel der Seligen‘ – nun, wir haben hier, w?hrend ihr fort wart, auch so was gehabt: unser Inspektor Pink und die G?rtnersfrau. Nat?rlich habe ich Pink entlassen m?ssen, ?brigens ungern. Es ist sehr fatal, dass solche Geschichten fast immer in die Erntezeit fallen. Und Pink war sonst ein ungew?hnlich t?chtiger Mann, hier leider am unrechten Fleck. Aber lassen wir das; Wilke wird schon unruhig.“ Bei Tische h?rte Briest besser zu; das gute Einvernehmen mit dem Vetter, von dem ihm viel erz?hlt wurde, hatte seinen Beifall, weniger das Verhalten gegen Tante Therese. Man sah aber deutlich, dass er inmitten seiner Missbilligung sich eigentlich dar?ber freute; denn ein kleiner Schabernack entsprach ganz seinem Geschmack, und Tante Therese war wirklich eine l?cherliche Figur. Er hob sein Glas und stie? mit Frau und Tochter an. Auch als nach Tisch einzelne der h?bschesten Eink?ufe vor ihm ausgepackt und seiner Beurteilung unterbreitet wurden, verriet er viel Interesse, das selbst noch anhielt oder wenigstens nicht ganz hinstarb, als er die Rechnung ?berflog. „Etwas teuer, oder sagen wir lieber sehr teuer; indessen es tut nichts. Es hat alles so viel Schick, ich m?chte sagen so viel Animierendes, dass ich deutlich f?hle, wenn du mir solchen Koffer und solche Reisedecke zu Weihnachten schenkst, so sind wir zu Ostern auch in Rom und machen nach achtzehn Jahren unsere Hochzeitsreise. Was meinst du, Luise? Wollen wir nachexerzieren? Sp?t kommt ihr, doch ihr kommt.“ Frau von Briest machte eine Handbewegung, wie wenn sie sagen wollte: „Unverbesserlich“, und ?berlie? ihn im ?brigen seiner eigenen Besch?mung, die aber nicht gro? war. Ende August war da, der Hochzeitstag (3. Oktober) r?ckte n?her, und sowohl im Herrenhause wie in der Pfarre und Schule war man unausgesetzt bei den Vorbereitungen zum Polterabend. Jahnke, getreu seiner Fritz-Reuter-Passion, hatte sich’s als etwas besonders „Sinniges“ ausgedacht, Bertha und Hertha als Lining und Mining auftreten zu lassen, nat?rlich plattdeutsch, w?hrend Hulda das K?thchen von Heilbronn in der Holunderbaumszene darstellen sollte, Leutnant Engelbrecht von den Husaren als Wetter vom Strahl. Niemeyer, der sich den Vater der Idee nennen durfte, hatte keinen Augenblick ges?umt, auch die versch?mte Nutzanwendung auf Innstetten und Effi hinzuzudichten. Er selbst war mit seiner Arbeit zufrieden und h?rte, gleich nach der Leseprobe, von allen Beteiligten viel Freundliches dar?ber, freilich mit Ausnahme seines Patronatsherrn und alten Freundes Briest, der, als er die Mischung von Kleist und Niemeyer mit angeh?rt hatte, lebhaft protestierte, wenn auch keineswegs aus literarischen Gr?nden. „Hoher Herr und immer wieder hoher Herr – was soll das? Das leitet in die Irre, das verschiebt alles. Innstetten, unbestritten, ist ein famoses Menschenexemplar, Mann von Charakter und Schneid, aber die Briests – verzeih den Berolinismus, Luise –, die Briests sind schlie?lich auch nicht von schlechten Eltern. Wir sind doch nun mal eine historische Familie, lass mich hinzuf?gen Gott sei Dank, und die Innstettens sind es nicht; die Innstettens sind blo? alt, meinetwegen Uradel, aber was hei?t Uradel? Ich will nicht, dass eine Briest oder doch mindestens eine Polterabendfigur, in der jeder das Widerspiel unserer Effi erkennen muss – ich will nicht, dass eine Briest mittelbar oder unmittelbar in einem fort von ,hoher Herr‘ spricht. Da m?sste denn doch Innstetten wenigstens ein verkappter Hohenzoller sein, es gibt ja dergleichen. Das ist er aber nicht, und so kann ich nur wiederholen, es verschiebt die Situation.“ Und wirklich, Briest hielt mit besonderer Z?higkeit eine ganze Zeit lang an dieser Anschauung fest. Erst nach der zweiten Probe, wo das „K?thchen“, schon halb im Kost?m, ein sehr eng anliegendes Sammetmieder trug, lie? er sich – der es auch sonst nicht an Huldigungen gegen Hulda fehlen lie? – zu der Bemerkung hinrei?en, das K?thchen liege sehr gut da, welche Wendung einer Waffenstreckung ziemlich gleichkam oder doch zu solcher hin?berleitete. Dass alle diese Dinge vor Effi geheimgehalten wurden, braucht nicht erst gesagt zu werden. Bei mehr Neugier auf seiten dieser letzteren w?re das nun freilich ganz unm?glich gewesen, aber Effi hatte so wenig Verlangen, in die Vorbereitungen und geplanten ?berraschungen einzudringen, dass sie der Mama mit allem Nachdruck erkl?rte, sie k?nne es abwarten, und wenn diese dann zweifelte, so schloss Effi mit der wiederholten Versicherung: es w?re wirklich so; die Mama k?nne es glauben. Und warum auch nicht? Es sei doch alles nur Theaterauff?hrung und h?bscher und poetischer als „Aschenbr?del“, das sie noch am letzten Abend in Berlin gesehen h?tte, h?bscher und poetischer k?nne es ja doch nicht sein. Da h?tte sie wirklich selber mitspielen m?gen, wenn auch nur, um dem l?cherlichen Pensionslehrer einen Kreidestrich auf den R?cken zu machen. „Und wie reizend im letzten Akt ,Aschenbr?dels Erwachen als Prinzessin‘ oder doch wenigstens als Gr?fin; wirklich, es war ganz wie ein M?rchen.“ In dieser Weise sprach sie oft, war meist ausgelassener als vordem und ?rgerte sich blo? ?ber das best?ndige Tuscheln und Geheimtun der Freundinnen. „Ich wollte, sie h?tten sich weniger wichtig und w?ren mehr f?r mich da. Nachher bleiben sie doch blo? stecken, und ich muss mich um sie ?ngstigen und mich sch?men, dass es meine Freundinnen sind.“ So gingen Effis Spottreden, und es war ganz unverkennbar, dass sie sich um Polterabend und Hochzeit nicht allzusehr k?mmerte. Frau von Briest hatte so ihre Gedanken dar?ber, aber zu Sorgen kam es nicht, weil sich Effi, was doch ein gutes Zeichen war, ziemlich viel mit ihrer Zukunft besch?ftigte und sich, phantasiereich, wie sie war, viertelstundenlang in Schilderungen ihres Kessiner Lebens erging, Schilderungen, in denen sich nebenher und sehr zur Erheiterung der Mama eine merkw?rdige Vorstellung von Hinterpommern aussprach oder vielleicht auch, mit kluger Berechnung, aussprechen sollte. Sie gefiel sich n?mlich darin, Kessin als einen halb sibirischen Ort aufzufassen, wo Eis und Schnee nie recht aufh?rten. „Heute hat Goschenhofer das letzte geschickt“, sagte Frau von Briest, als sie wie gew?hnlich in Front des Seitenfl?gels mit Effi am Arbeitstische sa?, auf dem die Leinen- und W?schevorr?te best?ndig wuchsen, w?hrend der Zeitungen, die blo? Platz wegnahmen, immer weniger wurden. „Ich hoffe, du hast nun alles, Effi. Wenn du aber noch kleine W?nsche hegst, so musst du sie jetzt aussprechen, wom?glich in dieser Stunde noch. Papa hat den Raps vorteilhaft verkauft und ist ungew?hnlich guter Laune.“ „Ungew?hnlich? Er ist immer in guter Laune.“ „In ungew?hnlich guter Laune“, wiederholte die Mama. „Und die muss benutzt werden. Sprich also. Mehrmals, als wir noch in Berlin waren, war es mir, als ob du doch nach dem einen oder anderen noch ein ganz besonderes Verlangen gehabt h?ttest.“ „Ja, liebe Mama, was soll ich da sagen. Eigentlich habe ich ja alles, was man braucht, ich meine, was man hier braucht. Aber da mir’s nun mal bestimmt ist, so hoch n?rdlich zu kommen… ich bemerke, dass ich nichts dagegen habe, im Gegenteil, ich freue mich darauf, auf die Nordlichter und auf den helleren Glanz der Sterne… da mir’s nun mal so bestimmt ist, so h?tte ich wohl gern einen Pelz gehabt.“ „Aber Effi, Kind, das ist doch alles blo? leere Torheit. Du kommst ja nicht nach Petersburg oder nach Archangel.“ „Nein; aber ich bin doch auf dem Wege dahin…“ „Gewiss, Kind. Auf dem Wege dahin bist du; aber was hei?t das? Wenn du von hier nach Nauen f?hrst, bist du auch auf dem Wege nach Russland. Im ?brigen, wenn du’s w?nschst, so sollst du einen Pelz haben. Nur das lass mich im voraus sagen, ich rate dir davon ab. Ein Pelz ist f?r ?ltere Personen, selbst deine alte Mama ist noch zu jung daf?r, und wenn du mit deinen siebzehn Jahren in Nerz oder Marder auftrittst, so glauben die Kessiner, es sei eine Maskerade.“ Das war am 2. September, dass sie so sprachen, ein Gespr?ch, das sich wohl fortgesetzt h?tte, wenn nicht gerade Sedantag gewesen w?re. So aber wurden sie durch Trommel- und Pfeifenklang unterbrochen, und Effi, die schon vorher von dem beabsichtigten Aufzuge geh?rt, aber es wieder vergessen hatte, st?rzte mit einem Male von dem gemeinschaftlichen Arbeitstische fort und an Rondell und Teich vor?ber auf einen kleinen, an die Kirchhofsmauer angebauten Balkon zu, zu dem sechs Stufen, nicht viel breiter als Leitersprossen, hinauff?hrten. Im Nu war sie oben, und richtig, da kam auch schon die ganze Schuljugend heran, Jahnke gravit?tisch am rechten Fl?gel, w?hrend ein kleiner Tambourmajor, weit voran, an der Spitze des Zuges marschierte, mit einem Gesichtsausdruck, als ob ihm obl?ge, die Schlacht bei Sedan noch einmal zu schlagen. Effi winkte mit dem Taschentuch, und der Begr??te vers?umte nicht, mit seinem blanken Kugelstock zu salutieren. Eine Woche sp?ter sa?en Mutter und Tochter wieder am alten Fleck, auch wieder mit ihrer Arbeit besch?ftigt: Es war ein wundersch?ner Tag; der in einem zierlichen Beet um die Sonnenuhr herumstehende Heliotrop bl?hte noch, und die leise Brise, die ging, trug den Duft davon zu ihnen her?ber. „Ach, wie wohl ich mich f?hle“, sagte Effi, „so wohl und so gl?cklich; ich kann mir den Himmel nicht sch?ner denken. Und am Ende, wer wei?, ob sie im Himmel so wundervollen Heliotrop haben.“ „Aber Effi, so darfst du nicht sprechen; das hast du von deinem Vater, dem nichts heilig ist und der neulich sogar sagte: Niemeyer s?he aus wie Lot. Unerh?rt. Und was soll es nur hei?en? Erstlich wei? er nicht, wie Lot ausgesehen hat, und zweitens ist es eine grenzenlose R?cksichtslosigkeit gegen Hulda. Ein Gl?ck, dass Niemeyer nur die einzige Tochter hat, dadurch f?llt es eigentlich in sich zusammen. In einem freilich hat er nur zu sehr recht gehabt, in all und jedem, was er ?ber ,Lots Frau‘, unsere gute Frau Pastorin, sagte, die uns denn auch wirklich wieder mit ihrer Torheit und Anma?ung den ganzen Sedantag ruinierte. Wobei mir ?brigens einf?llt, dass wir, als Jahnke mit der Schule vorbeikam, in unserem Gespr?che unterbrochen wurden – wenigstens kann ich mir nicht denken, dass der Pelz, von dem du damals sprachst, dein einziger Wunsch gewesen sein sollte. Lass mich also wissen, Schatz, was du noch weiter auf dem Herzen hast?“ „Nichts, Mama.“ „Wirklich nichts?“ „Nein, wirklich nichts; ganz im Ernste… Wenn es aber doch am Ende was sein sollte…“ „Nun…“ „…so m?sst es ein japanischer Bettschirm sein, schwarz und goldene V?gel darauf, alle mit einem langen Kranichschnabel… Und dann vielleicht auch noch eine Ampel f?r unser Schlafzimmer, mit rotem Schein.“ Frau von Briest schwieg. „Nun siehst du, Mama, du schweigst und siehst aus, als ob ich etwas besonders Unpassendes gesagt h?tte.“ „Nein, Effi, nichts Unpassendes. Und vor deiner Mutter nun schon gewiss nicht. Denn ich kenne dich ja. Du bist eine phantastische kleine Person, malst dir mit Vorliebe Zukunftsbilder aus, und je farbenpr?chtiger sie sind, desto sch?ner und begehrlicher erscheinen sie dir. Ich sah das so recht, als wir die Reisesachen kauften. Und nun denkst du dir’s ganz wundervoll, einen Bettschirm mit allerhand fabelhaftem Getier zu haben, alles im Halblicht einer roten Ampel. Es kommt dir vor wie ein M?rchen, und du m?chtest eine Prinzessin sein.“ Effi nahm die Hand der Mama und k?sste sie. „Ja, Mama, so bin ich.“ „Ja, so bist du. Ich wei? es wohl. Aber meine liebe Effi, wir m?ssen vorsichtig im Leben sein, und zumal wir Frauen. Und wenn du nach Kessin kommst, einem kleinen Ort, wo nachts kaum eine Laterne brennt, so lacht man ?ber dergleichen. Und wenn man blo? lachte. Die, die dir ungewogen sind, und solche gibt es immer, sprechen von schlechter Erziehung, und manche sagen auch wohl noch Schlimmeres.“ „Also nichts Japanisches und auch keine Ampel. Aber ich bekenne dir, ich hatte es mir so sch?n und poetisch gedacht, alles in einem roten Schimmer zu sehen.“ Frau von Briest war bewegt. Sie stand auf und k?sste Effi. „Du bist ein Kind. Sch?n und poetisch. Das sind so Vorstellungen. Die Wirklichkeit ist anders, und oft ist es gut, dass es statt Licht und Schimmer ein Dunkel gibt.“ Effi schien antworten zu wollen, aber in diesem Augenblick kam Wilke und brachte Briefe. Der eine war aus Kessin von Innstetten. „Ach, von Geert“, sagte Effi, und w?hrend sie den Brief beiseite steckte, fuhr sie in ruhigem Tone fort: „Aber das wirst du doch gestatten, dass ich den Fl?gel schr?g in die Stube stelle. Daran liegt mir mehr als an einem Kamin, den mir Geert versprochen hat. Und das Bild von dir, das stell ich dann auf eine Staffelei; ganz ohne dich kann ich nicht sein. Ach, wie werd ich mich nach euch sehnen, vielleicht auf der Reise schon und dann in Kessin ganz gewiss. Es soll ja keine Garnison haben, nicht einmal einen Stabsarzt, und ein Gl?ck, dass es wenigstens ein Badeort ist. Vetter Briest, und daran will ich mich aufrichten, dessen Mutter und Schwester immer nach Warnem?nde gehen – nun, ich sehe doch wirklich nicht ein, warum der die lieben Verwandten nicht auch einmal nach Kessin hindirigieren sollte. Dirigieren, das klingt ohnehin so nach Generalstab, worauf er, glaub ich, ambiert. Und dann kommt er nat?rlich mit und wohnt bei uns. ?brigens haben die Kessiner, wie mir neulich erst wer erz?hlt hat, ein ziemlich gro?es Dampfschiff, das zweimal die Woche nach Schweden hin?berf?hrt. Und auf dem Schiffe ist dann Ball (sie haben da nat?rlich auch Musik), und er tanzt sehr gut…“ „Wer?“ „Nun, Dagobert.“ „Ich dachte, du meintest Innstetten. Aber jedenfalls ist es an der Zeit, endlich zu wissen, was er schreibt… Du hast ja den Brief noch in der Tasche.“ „Richtig. Den h?tt ich fast vergessen.“ Und sie ?ffnete den Brief und ?berflog ihn. „Nun, Effi, kein Wort? Du strahlst nicht und lachst nicht einmal. Und er schreibt doch immer so heiter und unterhaltlich und gar nicht v?terlich weise.“ „Das w?rd ich mir auch verbitten. Er hat sein Alter, und ich habe meine Jugend. Und ich w?rde ihm mit dem Finger drohen und ihm sagen: ,Geert, ?berlege, was besser ist.‘“ „Und dann w?rde er dir antworten: ,Was du hast, Effi, das ist das Bessere.‘ Denn er ist nicht nur ein Mann der feinsten Formen, er ist auch gerecht und verst?ndig und wei? recht gut, was Jugend bedeutet. Er sagt sich das immer und stimmt sich auf das Jugendliche hin, und wenn er in der Ehe so bleibt, so werdet ihr eine Musterehe f?hren.“ „Ja, das glaube ich auch, Mama. Aber kannst du dir vorstellen, und ich sch?me mich fast, es zu sagen, ich bin nicht so sehr f?r das, was man eine Musterehe nennt.“ „Das sieht dir ?hnlich. Und nun sage mir, wof?r bist du denn eigentlich?“ „Ich bin… nun, ich bin f?r gleich und gleich und nat?rlich auch f?r Z?rtlichkeit und Liebe. Und wenn es Z?rtlichkeit und Liebe nicht sein k?nnen, weil Liebe, wie Papa sagt, doch nur ein Papperlapapp ist (was ich aber nicht glaube), nun, dann bin ich f?r Reichtum und ein vornehmes Haus, ein ganz vornehmes, wo Prinz Friedrich Karl zur Jagd kommt, auf Elchwild oder Auerhahn, oder wo der alte Kaiser vorf?hrt und f?r jede Dame, auch f?r die jungen, ein gn?diges Wort hat. Und wenn wir dann in Berlin sind, dann bin ich f?r Hofball und Galaoper, immer dicht neben der gro?en Mittelloge.“ „Sagst du das so blo? aus ?bermut und Laune?“ „Nein, Mama, das ist mein v?lliger Ernst. Liebe kommt zuerst, aber gleich hinterher kommt Glanz und Ehre, und dann kommt Zerstreuung – ja, Zerstreuung, immer was Neues, immer was, dass ich lachen oder weinen muss. Was ich nicht aushalten kann, ist Langeweile.“ „Wie bist du da nur mit uns fertig geworden?“ „Ach, Mama, wie du nur so was sagen kannst. Freilich, wenn im Winter die liebe Verwandtschaft vorgefahren kommt und sechs Stunden bleibt oder wohl auch noch l?nger und Tante Gundel und Tante Olga mich mustern und mich naseweis finden – und Tante Gundel hat es mir auch mal gesagt –, ja, da macht sich’s mitunter nicht sehr h?bsch, das muss ich zugeben. Aber sonst bin ich hier immer gl?cklich gewesen, so gl?cklich…“ Und w?hrend sie das sagte, warf sie sich heftig weinend vor der Mama auf die Knie und k?sste ihre beiden H?nde. „Steh auf, Effi. Das sind so Stimmungen, die ?ber einen kommen, wenn man so jung ist wie du und vor der Hochzeit steht und vor dem Ungewissen. Aber nun lies mir den Brief vor, wenn er nicht was ganz Besonderes enth?lt oder vielleicht Geheimnisse.“ „Geheimnisse“, lachte Effi und sprang in pl?tzlich ver?nderter Stimmung wieder auf. „Geheimnisse! Ja, er nimmt immer einen Anlauf, aber das meiste k?nnt ich auf dem Schulzenamt anschlagen lassen, da, wo immer die landr?tlichen Verordnungen stehen. Nun, Geert ist ja auch Landrat.“ „Lies, lies.“ „,Liebe Effi…‘ So f?ngt es n?mlich immer an, und manchmal nennt er mich auch seine ,kleine Eva‘.“ „Lies, lies… Du sollst ja lesen.“ „Also: ,Liebe Effi! Je n?her wir unsrem Hochzeitstage kommen, je sparsamer werden Deine Briefe. Wenn die Post kommt, suche ich immer zuerst nach Deiner Handschrift, aber, wie Du wei?t (und ich hab es ja auch nicht anders gewollt), in der Regel vergeblich. Im Hause sind jetzt die Handwerker, die die Zimmer, freilich nur wenige, f?r Dein Kommen herrichten sollen. Das Beste wird wohl erst geschehen, wenn wir auf der Reise sind. Tapezierer Madelung, der alles liefert, ist ein Original, von dem ich Dir mit n?chstem erz?hle, vor allem aber, wie gl?cklich ich bin ?ber Dich, ?ber meine s??e, kleine Effi. Mir brennt hier der Boden unter den F??en, und dabei wird es in unserer guten Stadt immer stiller und einsamer. Der letzte Badegast ist gestern abgereist; er badete zuletzt bei 9 Grad, und die Badew?rter waren immer froh, wenn er wieder heil heraus war. Denn sie f?rchteten einen Schlaganfall, was dann das Bad in Misskredit bringt, als ob die Wellen hier schlimmer w?ren als woanders. Ich juble, wenn ich denke, dass ich in vier Wochen schon mit Dir von der Piazzetta aus nach dem Lido fahre oder nach Murano hin, wo sie Glasperlen machen und sch?nen Schmuck. Und der sch?nste sei f?r Dich. Viele Gr??e den Eltern und den z?rtlichsten Kuss Dir von Deinem Geert.‘“ Effi faltete den Brief wieder zusammen, um ihn in das Kuvert zu stecken. „Das ist ein sehr h?bscher Brief“, sagte Frau von Briest, „und dass er in allem das richtige Ma? h?lt, das ist ein Vorzug mehr.“ „Ja, das rechte Ma?, das h?lt er.“ „Meine liebe Effi, lass mich eine Frage tun; w?nschtest du, dass der Brief nicht das richtige Ma? hielte, w?nschtest du, dass er z?rtlicher w?re, vielleicht ?berschwenglich z?rtlich?“ „Nein, nein, Mama. Wahr und wahrhaftig nicht, das w?nsche ich nicht. Da ist es doch besser so.“ „Da ist es doch besser so. Wie das nun wieder klingt. Du bist so sonderbar. Und dass du vorhin weintest. Hast du was auf deinem Herzen? Noch ist es Zeit. Liebst du Geert nicht?“ „Warum soll ich ihn nicht lieben? Ich liebe Hulda, und ich liebe Bertha, und ich liebe Hertha. Und ich liebe auch den alten Niemeyer. Und dass ich euch liebe, davon spreche ich gar nicht erst. Ich liebe alle, die’s gut mit mir meinen und g?tig gegen mich sind und mich verw?hnen. Und Geert wird mich auch wohl verw?hnen. Nat?rlich auf seine Art. Er will mir ja schon Schmuck schenken in Venedig. Er hat keine Ahnung davon, dass ich mir nichts aus Schmuck mache. Ich klettre lieber, und ich schaukle mich lieber, und am liebsten immer in der Furcht, dass es irgendwo rei?en oder brechen und ich niederst?rzen k?nnte. Den Kopf wird es ja nicht gleich kosten.“ „Und liebst du vielleicht auch deinen Vetter Briest?“ „Ja, sehr. Der erheitert mich immer.“ „Und h?ttest du Vetter Briest heiraten m?gen?“ „Heiraten? Um Gottes willen nicht. Er ist ja noch ein halber Junge. Geert ist ein Mann, ein sch?ner Mann, ein Mann, mit dem ich Staat machen kann und aus dem was wird in der Welt. Wo denkst du hin, Mama.“ „Nun, das ist recht, Effi, das freut mich. Aber du hast noch was auf der Seele.“ „Vielleicht.“ „Nun, sprich.“ „Sieh, Mama, dass er ?lter ist als ich, das schadet nichts, das ist vielleicht recht gut; er ist ja doch nicht alt und ist gesund und frisch und so soldatisch und so schneidig. Und ich k?nnte beinah sagen, ich w?re ganz und gar f?r ihn, wenn er nur… ja, wenn er nur ein bisschen anders w?re.“ „Wie denn, Effi?“ „Ja, wie. Nun, du darfst mich nicht auslachen. Es ist etwas, was ich erst ganz vor kurzem aufgehorcht habe, dr?ben im Pastorhause. Wir sprachen da von Innstetten, und mit einem Male zog der alte Niemeyer seine Stirn in Falten, aber in Respekts- und Bewunderungsfalten, und sagte: ,Ja, der Baron! Das ist ein Mann von Charakter, ein Mann von Prinzipien.‘“ „Das ist er auch, Effi.“ „Gewiss. Und ich glaube, Niemeyer sagte nachher sogar, er sei auch ein Mann von Grunds?tzen. Und das ist, glaub ich, noch etwas mehr. Ach, und ich… ich habe keine. Sieh, Mama, da liegt etwas, was mich qu?lt und ?ngstigt. Er ist so lieb und gut gegen mich und so nachsichtig, aber… ich f?rchte mich vor ihm.“ F?nftes Kapitel Die Hohen-Cremmer Festtage lagen zur?ck; alles war abgereist, auch das junge Paar, noch am Abend des Hochzeitstages. Der Polterabend hatte jeden zufriedengestellt, besonders die Mitspielenden, und Hulda war dabei das Entz?cken aller jungen Offiziere gewesen, sowohl der Rathenower Husaren wie der etwas kritischer gestimmten Kameraden vom Alexander-Regiment. Ja, alles war gut und glatt verlaufen, fast ?ber Erwarten. Nur Bertha und Hertha hatten so heftig geschluchzt, dass Jahnkes plattdeutsche Verse so gut wie verlorengegangen waren. Aber auch das hatte wenig geschadet. Einige feine Kenner waren sogar der Meinung gewesen, das sei das Wahre; Steckenbleiben und Schluchzen und Unverst?ndlichkeit – in diesem Zeichen (und nun gar, wenn es so h?bsche rotblonde Krausk?pfe w?ren) werde immer am entschiedensten gesiegt. Eines ganz besonderen Triumphes hatte sich Vetter Briest in seiner selbstgedichteten Rolle r?hmen d?rfen. Er war als Demuthscher Kommis erschienen, der in Erfahrung gebracht, die junge Braut habe vor, gleich nach der Hochzeit nach Italien zu reisen, weshalb er einen Reisekoffer abliefern wolle. Dieser Koffer entpuppte sich nat?rlich als eine Riesenbonbonniere von H?vel. Bis um drei Uhr war getanzt worden, bei welcher Gelegenheit der sich mehr und mehr in eine h?chste Champagnerstimmung hineinredende alte Briest allerlei Bemerkungen ?ber den an manchen H?fen immer noch ?blichen Fackeltanz und die merkw?rdige Sitte des Strumpfband-Austanzens gemacht hatte, Bemerkungen, die nicht abschlie?en wollten und, sich immer mehr steigernd, am Ende so weit gingen, dass ihnen durchaus ein Riegel vorgeschoben werden musste. „Nimm dich zusammen, Briest“, war ihm in ziemlich ernstem Tone von seiner Frau zugefl?stert worden, „du stehst hier nicht, um Zweideutigkeiten zu sagen, sondern um die Honneurs des Hauses zu machen. Wir haben eben eine Hochzeit und nicht eine Jagdpartie.“ Worauf Briest geantwortet, er s?he darin keinen so gro?en Unterschied; ?brigens sei er gl?cklich. Auch der Hochzeitstag selbst war gut verlaufen. Niemeyer hatte vorz?glich gesprochen, und einer der alten Berliner Herren, der halb und halb zur Hofgesellschaft geh?rte, hatte sich auf dem R?ckwege von der Kirche zum Hochzeitshause dahin ge?u?ert, es sei doch merkw?rdig, wie reich ges?t in einem Staate wie dem unsrigen die Talente seien. „Ich sehe darin einen Triumph unserer Schulen und vielleicht mehr noch unserer Philosophie. Wenn ich bedenke, dieser Niemeyer, ein alter Dorfpastor, der anfangs aussah wie ein Hospitalit… ja, Freund, sagen Sie selbst, hat er nicht gesprochen wie ein Hofprediger? Dieser Takt und diese Kunst der Antithese, ganz wie K?gel und an Gef?hl ihm noch ?ber. K?gel ist zu kalt. Freilich, ein Mann in seiner Stellung muss kalt sein. Woran scheitert man denn im Leben ?berhaupt? Immer nur an der W?rme.“ Der noch unverheiratete, aber wohl ebendeshalb zum vierten Male in einem „Verh?ltnis“ stehende W?rdentr?ger, an den sich diese Worte gerichtet hatten, stimmte selbstverst?ndlich zu. „Nur zu wahr, lieber Freund“, sagte er. „Zuviel W?rme!… Ganz vorz?glich… ?brigens muss ich Ihnen nachher eine Geschichte erz?hlen.“ Der Tag nach der Hochzeit war ein heller Oktobertag. Die Morgensonne blinkte; trotzdem war es schon herbstlich frisch, und Briest, der eben gemeinschaftlich mit seiner Frau das Fr?hst?ck genommen, erhob sich von seinem Platz und stellte sich, beide H?nde auf dem R?cken, gegen das mehr und mehr verglimmende Kaminfeuer. Frau von Briest, eine Handarbeit in H?nden, r?ckte gleichfalls n?her an den Kamin und sagte zu Wilke, der gerade eintrat, um den Fr?hst?ckstisch abzur?umen: „Und nun, Wilke, wenn Sie drin im Saal, aber das geht vor, alles in Ordnung haben, dann sorgen Sie, dass die Torten nach dr?ben kommen, die Nusstorte zu Pastors und die Sch?ssel mit kleinen Kuchen zu Jahnkes. Und nehmen Sie sich mit den Gl?sern in acht. Ich meine die d?nngeschliffenen.“ Briest war schon bei der dritten Zigarette, sah sehr wohl aus und erkl?rte, nichts bekomme einem so gut wie eine Hochzeit, nat?rlich die eigene ausgenommen. „Ich wei? nicht, Briest, wie du zu solcher Bemerkung kommst. Mir war ganz neu, dass du darunter gelitten haben willst. Ich w?sste auch nicht warum.“ „Luise, du bist eine Spielverderberin. Aber ich nehme nichts ?bel, auch nicht einmal so was. Im ?brigen, was wollen wir von uns sprechen, die wir nicht einmal eine Hochzeitsreise gemacht haben. Dein Vater war dagegen. Aber Effi macht nun eine Hochzeitsreise. Beneidenswert. Mit dem Zehnuhrzug ab. Sie m?ssen jetzt schon bei Regensburg sein, und ich nehme an, dass er ihr – selbstverst?ndlich, ohne auszusteigen – die Hauptkunstsch?tze der Walhalla[5 - Òàêîå íàçâàíèå ïîëó÷èë ïàíòåîí, ñîçäàííûé â 1-é ïîëîâèíå XIX â. íåìåöêèì àðõèòåêòîðîì Ëåî ôîí Êëåíöå.  ïàíòåîíå, ñòèëèçîâàííîì ïîä ãðå÷åñêèé õðàì, ìîæíî âèäåòü áþñòû çíàìåíèòûõ ëþäåé Ãåðìàíèè.] herz?hlt. Innstetten ist ein vorz?glicher Kerl, aber er hat so was von einem Kunstfex, und Effi, Gott, unsere arme Effi, ist ein Naturkind. Ich f?rchte, dass er sie mit seinem Kunstenthusiasmus etwas qu?len wird.“ „Jeder qu?lt seine Frau. Und Kunstenthusiasmus ist noch lange nicht das Schlimmste.“ „Nein, gewiss nicht; jedenfalls wollen wir dar?ber nicht streiten; es ist ein weites Feld. Und dann sind auch die Menschen so verschieden. Du, nun ja, du h?ttest dazu getaugt. ?berhaupt h?ttest du besser zu Innstetten gepasst als Effi. Schade, nun ist es zu sp?t.“ „?beraus galant, abgesehen davon, dass es nicht passt. Unter allen Umst?nden aber, was gewesen ist, ist gewesen. Jetzt ist er mein Schwiegersohn, und es kann zu nichts f?hren, immer auf Jugendlichkeiten zur?ckzuweisen.“ „Ich habe dich nur in eine animierte Stimmung bringen wollen.“ „Sehr g?tig. ?brigens nicht n?tig. Ich bin in animierter Stimmung.“ „Und auch in guter?“ „Ich kann es fast sagen. Aber du darfst sie nicht verderben. Nun, was hast du noch? Ich sehe, dass du was auf dem Herzen hast.“ „Gefiel dir Effi? Gefiel dir die ganze Geschichte? Sie war so sonderbar, halb wie ein Kind und dann wieder sehr selbstbewusst und durchaus nicht so bescheiden, wie sie’s solchem Manne gegen?ber sein m?sste. Das kann doch nur so zusammenh?ngen, dass sie noch nicht recht wei?, was sie an ihm hat. Oder ist es einfach, dass sie ihn nicht recht liebt? Das w?re schlimm. Denn bei all seinen Vorz?gen, er ist nicht der Mann, sich diese Liebe mit leichter Manier zu gewinnen.“ Frau von Briest schwieg und z?hlte die Stiche auf dem Kanevas. Endlich sagte sie: „Was du da sagst, Briest, ist das Gescheiteste, was ich seit drei Tagen von dir geh?rt habe, deine Rede bei Tisch mit eingerechnet. Ich habe auch so meine Bedenken gehabt. Aber ich glaube, wir k?nnen uns beruhigen.“ „Hat sie dir ihr Herz ausgesch?ttet?“ „So m?cht ich es nicht nennen. Sie hat wohl das Bed?rfnis zu sprechen, aber sie hat nicht das Bed?rfnis, sich so recht von Herzen auszusprechen, und macht vieles in sich selber ab; sie ist mitteilsam und verschlossen zugleich, beinah versteckt; ?berhaupt ein ganz eigenes Gemisch.“ „Ich bin ganz deiner Meinung. Aber wenn sie dir nichts gesagt hat, woher wei?t du’s?“ „Ich sagte nur, sie habe mir nicht ihr Herz ausgesch?ttet. Solche Generalbeichte, so alles von der Seele herunter, das liegt nicht in ihr. Es fuhr alles so blo? ruckweis und pl?tzlich aus ihr heraus, und dann war es wieder vor?ber. Aber gerade weil es so ungewollt und wie von ungef?hr aus ihrer Seele kam, deshalb war es mir so wichtig.“ „Und wann war es denn und bei welcher Gelegenheit?“ „Es werden jetzt gerade drei Wochen sein, und wir sa?en im Garten, mit allerhand Ausstattungsdingen, gro?en und kleinen, besch?ftigt, als Wilke einen Brief von Innstetten brachte. Sie steckte ihn zu sich, und ich musste sie eine Viertelstunde sp?ter erst erinnern, dass sie ja einen Brief habe. Dann las sie ihn, aber verzog kaum eine Miene. Ich bekenne dir, dass mir bang um’s Herz dabei wurde, so bang, dass ich gern eine Gewissheit haben wollte, so viel, wie man in diesen Dingen haben kann.“ „Sehr wahr, sehr wahr.“ „Was meinst du damit?“ „Nun, ich meine nur… Aber das ist ja ganz gleich. Sprich nur weiter; ich bin ganz Ohr.“ „Ich fragte also rundheraus, wie’s st?nde, und weil ich bei ihrem eigenen Charakter einen feierlichen Ton vermeiden und alles so leicht wie m?glich, ja beinah scherzhaft nehmen wollte, so warf ich die Frage hin, ob sie vielleicht den Vetter Briest, der ihr in Berlin sehr stark den Hof gemacht hatte, ob sie den vielleicht lieber heiraten w?rde…“ „Und?“ „Da h?ttest du sie sehen sollen. Ihre n?chste Antwort war ein schnippisches Lachen. Der Vetter sei doch eigentlich nur ein gro?er Kadett in Leutnantsuniform. Und einen Kadetten k?nne sie nicht einmal lieben, geschweige heiraten. Und dann sprach sie von Innstetten, der ihr mit einem Male der Tr?ger aller m?nnlichen Tugenden war.“ „Und wie erkl?rst du dir das?“ „Ganz einfach. So geweckt und temperamentvoll und beinahe leidenschaftlich sie ist, oder vielleicht auch weil sie es ist, sie geh?rt nicht zu denen, die so recht eigentlich auf Liebe gestellt sind, wenigstens nicht auf das, was den Namen ehrlich verdient. Sie redet zwar davon, sogar mit Nachdruck und einem gewissen ?berzeugungston, aber doch nur, weil sie irgendwo gelesen hat, Liebe sei nun mal das H?chste, das Sch?nste, das Herrlichste. Vielleicht hat sie’s auch blo? von der sentimentalen Person, der Hulda, geh?rt und spricht es ihr nach. Aber sie empfindet nicht viel dabei. Wohl m?glich, dass es alles mal kommt, Gott verh?te es, aber noch ist es nicht da.“ „Und was ist da? Was hat sie?“ „Sie hat nach meinem und auch nach ihrem eigenen Zeugnis zweierlei: Vergn?gungssucht und Ehrgeiz.“ „Nun, das kann passieren. Da bin ich beruhigt.“ „Ich nicht. Innstetten ist ein Karrieremacher – vom Streber will ich nicht sprechen, das ist er auch nicht, dazu ist er zu wirklich vornehm – also Karrieremacher, und das wird Effis Ehrgeiz befriedigen.“ „Nun also. Das ist doch gut.“ „Ja, das ist gut. Aber es ist erst die H?lfte. Ihr Ehrgeiz wird befriedigt werden, aber ob auch ihr Hang nach Spiel und Abenteuer? Ich bezweifle. F?r die st?ndliche kleine Zerstreuung und Anregung, f?r alles, was die Langeweile bek?mpft, diese Todfeindin einer geistreichen kleinen Person, daf?r wird Innstetten sehr schlecht sorgen. Er wird sie nicht in einer geistigen ?de lassen, dazu ist er zu klug und zu weltm?nnisch, aber er wird sie auch nicht sonderlich am?sieren. Und was das Schlimmste ist, er wird sich nicht einmal recht mit der Frage besch?ftigen, wie das wohl anzufangen sei. Das wird eine Weile so gehen, ohne viel Schaden anzurichten, aber zuletzt wird sie’s merken, und dann wird es sie beleidigen. Und dann wei? ich nicht, was geschieht. Denn so weich und nachgiebig sie ist, sie hat auch was Rabiates und l?sst es auf alles ankommen.“ In diesem Augenblicke trat Wilke vom Saal her ein und meldete, dass er alles nachgez?hlt und alles vollz?hlig gefunden habe; nur von den feinen Weingl?sern sei eins zerbrochen, aber schon gestern, als das Hoch ausgebracht wurde – Fr?ulein Hulda habe mit Leutnant Nienkerken zu scharf angesto?en. „Versteht sich, von alter Zeit her immer im Schlaf, und unterm Holunderbaum ist es nat?rlich nicht besser geworden. Eine alberne Person, und ich begreife Nienkerken nicht.“ „Ich begreife ihn vollkommen.“ „Er kann sie doch nicht heiraten.“ „Nein.“ „Also zu was?“ „Ein weites Feld, Luise.“ Dies war am Tage nach der Hochzeit. Drei Tage sp?ter kam eine kleine gekritzelte Karte aus M?nchen, die Namen alle nur mit zwei Buchstaben angedeutet. „Liebe Mama! Heute vormittag die Pinakothek besucht. Geert wollte auch noch nach dem andern hin?ber, das ich hier nicht nenne, weil ich wegen der Rechtschreibung in Zweifel bin, und fragen mag ich ihn nicht. Er ist ?brigens engelsgut gegen mich und erkl?rt mir alles. ?berhaupt alles sehr sch?n, aber anstrengend. In Italien wird es wohl nachlassen und besser werden. Wir wohnen in den ,Vier Jahreszeiten‘, was Geert veranlasste, mir zu sagen, drau?en sei Herbst, aber er habe in mir den Fr?hling. Ich finde es sehr sinnig. Er ist ?berhaupt sehr aufmerksam. Freilich ich muss es auch sein, namentlich wenn er was sagt oder erkl?rt. Er wei? ?brigens alles so gut, dass er nicht einmal nachzuschlagen braucht. Mit Entz?cken spricht er von Euch, namentlich von Mama. Hulda findet er etwas zierig; aber der alte Niemeyer hat es ihm ganz angetan. Tausend Gr??e von Eurer ganz berauschten, aber auch etwas m?den Effi.“ Solche Karten trafen nun t?glich ein, aus Innsbruck, aus Verona, aus Vicenza, aus Padua, eine jede fing an: „Wir haben heute vormittag die hiesige ber?hmte Galerie besucht“, oder wenn es nicht die Galerie war, so war es eine Arena oder irgendeine Kirche „Santa Maria“ mit einem Zunamen. Aus Padua kam, zugleich mit der Karte, noch ein wirklicher Brief. „Gestern waren wir in Vicenza. Vicenza muss man sehn wegen des Palladio; Geert sagte mir, dass in ihm alles Moderne wurzele. Nat?rlich nur in bezug auf Baukunst. Hier in Padua (wo wir heute fr?h ankamen) sprach er im Hotelwagen etliche Male vor sich hin: ,Er liegt in Padua begraben‘ und war ?berrascht, als er von mir vernahm, dass ich diese Worte noch nie geh?rt h?tte. Schlie?lich aber sagte er, es sei eigentlich ganz gut und ein Vorzug, dass ich nichts davon w?sste. Er ist ?berhaupt sehr gerecht. Und vor allem ist er engelsgut gegen mich und gar nicht ?berheblich und auch gar nicht alt. Ich habe noch immer das Ziehen in den F??en, und das Nachschlagen und das lange Stehen vor den Bildern strengt mich an. Aber es muss ja sein. Ich freue mich sehr auf Venedig. Da bleiben wir f?nf Tage, ja vielleicht eine ganze Woche. Geert hat mir schon von den Tauben auf dem Markusplatze vorgeschw?rmt und dass man sich da T?ten mit Erbsen kauft und dann die sch?nen Tiere damit f?ttert. Es soll Bilder geben, die das darstellen, sch?ne blonde M?dchen, ,ein Typus wie Hulda‘, sagte er. Wobei mir denn auch die Jahnkeschen M?dchen einfallen. Ach, ich g?be was drum, wenn ich mit ihnen auf unserm Hof auf einer Wagendeichsel sitzen und unsere Tauben f?ttern k?nnte. Die Pfauentaube mit dem starken Kropf d?rft Ihr aber nicht schlachten, die will ich noch wiedersehen. Ach, es ist so sch?n hier. Es soll ja auch das Sch?nste sein. Eure gl?ckliche, aber etwas m?de Effi.“ Frau von Briest, als sie den Brief vorgelesen hatte, sagte: „Das arme Kind. Sie hat Sehnsucht.“ „Ja“, sagte Briest, „sie hat Sehnsucht. Diese verw?nschte Reiserei…“ „Warum sagst du das jetzt? Du h?ttest es ja hindern k?nnen. Aber das ist so deine Art, hinterher den Weisen zu spielen. Wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, decken die Ratsherren den Brunnen zu.“ „Ach, Luise, komme mir doch nicht mit solchen Geschichten. Effi ist unser Kind, aber seit dem 3. Oktober ist sie Baronin Innstetten. Und wenn ihr Mann, unser Herr Schwiegersohn, eine Hochzeitsreise machen und bei der Gelegenheit jede Galerie neu katalogisieren will, so kann ich ihn daran nicht hindern. Das ist eben das, was man sich verheiraten nennt.“ „Also jetzt gibst du das zu. Mir gegen?ber hast du’s immer bestritten, immer bestritten, dass die Frau in einer Zwangslage sei.“ „Ja, Luise, das hab ich. Aber wozu das jetzt. Das ist wirklich ein zu weites Feld.“ Sechstes Kapitel Mitte November – sie waren bis Capri und Sorrent gekommen – lief Innstettens Urlaub ab, und es entsprach seinem Charakter und seinen Gewohnheiten, genau Zeit und Stunde zu halten. Am 14. fr?h traf er denn auch mit dem Kurierzuge in Berlin ein, wo Vetter Briest ihn und die Cousine begr??te und vorschlug, die zwei bis zum Abgange des Stettiner Zuges noch zur Verf?gung bleibenden Stunden zum Besuche des St.-Privat-Panoramas zu benutzen und diesem Panoramabesuch ein leichtes Gabelfr?hst?ck folgen zu lassen. Beides wurde dankbar akzeptiert. Um Mittag war man wieder auf dem Bahnhof und nahm hier, nachdem, wie herk?mmlich, die gl?cklicherweise nie ernstgemeinte Aufforderung, „doch auch mal her?berzukommen“, ebenso von Effi wie von Innstetten ausgesprochen worden war, unter herzlichem H?ndesch?tteln Abschied voneinander. Noch als der Zug sich schon in Bewegung setzte, gr??te Effi vom Kupee aus. Dann machte sie sich’s bequem und schloss die Augen; nur von Zeit zu Zeit richtete sie sich wieder auf und reichte Innstetten die Hand. Es war eine angenehme Fahrt, und p?nktlich erreichte der Zug den Bahnhof Klein-Tantow, von dem aus eine Chaussee nach dem noch zwei Meilen entfernten Kessin hin?berf?hrte. Bei Sommerzeit, namentlich w?hrend der Bademonate, benutzte man statt der Chaussee lieber den Wasserweg und fuhr, auf einem alten Raddampfer, das Fl?sschen Kessine, dem Kessin selbst seinen Namen verdankte, hinunter; am 1. Oktober aber stellte der „Ph?nix“, von dem seit lange vergeblich gew?nscht wurde, dass er in einer passagierfreien Stunde sich seines Namens entsinnen und verbrennen m?ge, regelm??ig seine Fahrten ein, weshalb denn auch Innstetten bereits von Stettin aus an seinen Kutscher Kruse telegraphiert hatte: „F?nf Uhr, Bahnhof Klein-Tantow. Bei gutem Wetter offener Wagen.“ Und nun war gutes Wetter, und Kruse hielt in offenem Gef?hrt am Bahnhof und begr??te die Ankommenden mit dem vorschriftsm??igen Anstand eines herrschaftlichen Kutschers. „Nun, Kruse, alles in Ordnung?“ „Zu Befehl, Herr Landrat.“ „Dann, Effi, bitte, steig ein.“ Und w?hrend Effi dem nachkam und einer von den Bahnhofsleuten einen kleinen Handkoffer vorn beim Kutscher unterbrachte, gab Innstetten Weisung, den Rest des Gep?cks mit dem Omnibus nachzuschicken. Gleich danach nahm auch er seinen Platz, bat, sich popul?r machend, einen der Umstehenden um Feuer und rief Kruse zu: „Nun vorw?rts, Kruse.“ Und ?ber die Schienen weg, die vielgleisig an der ?bergangsstelle lagen, ging es in Schr?glinie den Bahndamm hinunter und gleich danach an einem schon an der Chaussee gelegenen Gasthause vor?ber, das den Namen „Zum F?rsten Bismarck“ f?hrte. Denn an ebendieser Stelle gabelte der Weg und zweigte, wie rechts nach Kessin, so links nach Varzin hin ab. Vor dem Gasthofe stand ein mittelgro?er breitschultriger Mann in Pelz und Pelzm?tze, welch letztere er, als der Herr Landrat vor?berfuhr, mit vieler W?rde vom Haupte nahm. „Wer war denn das?“ sagte Effi, die durch alles, was sie sah, aufs h?chste interessiert und schon deshalb bei bester Laune war. „Er sah ja aus wie ein Starost, wobei ich freilich bekennen muss, nie einen Starosten gesehen zu haben.“ „Was auch nicht schadet, Effi. Du hast es trotzdem sehr gut getroffen. Er sieht wirklich aus wie ein Starost und ist auch so was. Er ist n?mlich ein halber Pole, hei?t Golchowski, und wenn wir hier Wahl haben oder eine Jagd, dann ist er obenauf. Eigentlich ein ganz unsicherer Passagier, dem ich nicht ?ber den Weg traue und der wohl viel auf dem Gewissen hat. Er spielt sich aber auf den Loyalen hinaus, und wenn die Varziner Herrschaften hier vor?berkommen, m?cht er sich am liebsten vor den Wagen werfen. Ich wei?, dass er dem F?rsten auch widerlich ist. Aber was hilft’s? Wir d?rfen es nicht mit ihm verderben, weil wir ihn brauchen. Er hat hier die ganze Gegend in der Tasche und versteht die Wahlmache wie kein anderer, gilt auch f?r wohlhabend. Dabei leiht er auf Wucher, was sonst die Polen nicht tun; in der Regel das Gegenteil.“ „Er sah aber gut aus.“ „Ja, gut aussehen tut er. Gut aussehen tun die meisten hier. Ein h?bscher Schlag Menschen. Aber das ist auch das Beste, was man von ihnen sagen kann. Eure m?rkischen Leute sehen unscheinbarer aus und verdrie?licher, und in ihrer Haltung sind sie weniger respektvoll, eigentlich gar nicht, aber ihr Ja ist Ja, und Nein ist Nein, und man kann sich auf sie verlassen. Hier ist alles unsicher.“ „Warum sagst du mir das? Ich muss nun doch hier mit ihnen leben.“ „Du nicht, du wirst nicht viel von ihnen h?ren und sehen. Denn Stadt und Land hier sind sehr verschieden, und du wirst nur unsere St?dter kennenlernen, unsere guten Kessiner.“ „Unsere guten Kessiner. Ist es Spott, oder sind sie wirklich so gut?“ „Dass sie wirklich gut sind, will ich nicht gerade behaupten, aber sie sind doch anders als die andern; ja, sie haben gar keine ?hnlichkeit mit der Landbev?lkerung hier.“ „Und wie kommt das?“ „Weil es eben ganz andere Menschen sind, ihrer Abstammung nach und ihren Beziehungen nach. Was du hier landeinw?rts findest, das sind sogenannte Kaschuben, von denen du vielleicht geh?rt hast, slawische Leute, die hier schon tausend Jahre sitzen und wahrscheinlich noch viel l?nger. Alles aber, was hier an der K?ste hin in den kleinen See- und Handelsst?dten wohnt, das sind von weit her Eingewanderte, die sich um das kaschubische Hinterland wenig k?mmern, weil sie wenig davon haben und auf etwas ganz anderes angewiesen sind. Worauf sie angewiesen sind, das sind die Gegenden, mit denen sie Handel treiben, und da sie das mit aller Welt tun und mit aller Welt in Verbindung stehen, so findest du zwischen ihnen auch Menschen aus aller Welt Ecken und Enden. Auch in unserem guten Kessin, trotzdem es eigentlich nur ein Nest ist.“ „Aber das ist ja entz?ckend, Geert. Du sprichst immer von Nest, und nun finde ich, wenn du nicht ?bertrieben hast, eine ganz neue Welt hier. Allerlei Exotisches. Nicht wahr, so was ?hnliches meintest du doch?“ Er nickte. „Eine ganz neue Welt, sag ich, vielleicht einen Neger oder einen T?rken oder vielleicht sogar einen Chinesen.“ „Auch einen Chinesen. Wie gut du raten kannst. Es ist m?glich, dass wir wirklich noch einen haben, aber jedenfalls haben wir einen gehabt; jetzt ist er tot und auf einem kleinen eingegitterten St?ck Erde begraben, dicht neben dem Kirchhof. Wenn du nicht furchtsam bist, will ich dir bei Gelegenheit mal sein Grab zeigen; es liegt zwischen den D?nen, blo? Strandhafer drum rum und dann und wann ein paar Immortellen, und immer h?rt man das Meer. Es ist sehr sch?n und sehr schauerlich.“ „Ja, schauerlich, und ich m?chte wohl mehr davon wissen. Aber doch lieber nicht, ich habe dann immer gleich Visionen und Tr?ume und m?chte doch nicht, wenn ich diese Nacht hoffentlich gut schlafe, gleich einen Chinesen an mein Bett treten sehen.“ „Das wird er auch nicht.“ „Das wird er auch nicht. H?re, das klingt ja sonderbar, als ob es doch m?glich w?re. Du willst mir Kessin interessant machen, aber du gehst darin ein bisschen weit. Und solche fremde Leute habt ihr viele in Kessin?“ „Sehr viele. Die ganze Stadt besteht aus solchen Fremden, aus Menschen, deren Eltern oder Gro?eltern noch ganz woanders sa?en.“ „H?chst merkw?rdig. Bitte, sage mir mehr davon. Aber nicht wieder was Gruseliges. Ein Chinese, find ich, hat immer was Gruseliges.“ „Ja, das hat er“, lachte Geert. „Aber der Rest ist, Gott sei Dank, von ganz anderer Art, lauter manierliche Leute, vielleicht ein bisschen zu sehr Kaufmann, ein bisschen zu sehr auf ihren Vorteil bedacht und mit Wechseln von zweifelhaftem Wert immer bei der Hand. Ja, man muss sich vorsehen mit ihnen. Aber sonst ganz gem?tlich. Und damit du siehst, dass ich dir nichts vorgemacht habe, will ich dir nur so eine kleine Probe geben, so eine Art Register oder Personenverzeichnis.“ „Ja, Geert, das tu.“ „Da haben wir beispielsweise keine f?nfzig Schritt von uns, und unsere G?rten sto?en sogar zusammen, den Maschinen- und Baggermeister Macpherson, einen richtigen Schotten und Hochl?nder.“ „Und tr?gt sich auch noch so?“ „Nein, Gott sei Dank nicht, denn es ist ein verhutzeltes M?nnchen, auf das weder sein Clan noch Walter Scott besonders stolz sein w?rden. Und dann haben wir in demselben Hause, wo dieser Macpherson wohnt, auch noch einen alten Wundarzt, Beza mit Namen, eigentlich blo? Barbier; der stammt aus Lissabon, gerade daher, wo auch der ber?hmte General de Meza herstammt – Meza, Beza, du h?rst die Landesverwandtschaft heraus. Und dann haben wir flussaufw?rts am Bollwerk – das ist n?mlich der Kai, wo die Schiffe liegen – einen Goldschmied namens Stedingk, der aus einer alten schwedischen Familie stammt; ja, ich glaube, es gibt sogar Reichsgrafen, die so hei?en, und des weiteren, und damit will ich dann vorl?ufig abschlie?en, haben wir den guten alten Doktor Hannemann, der nat?rlich ein D?ne ist und lange in Island war und sogar ein kleines Buch geschrieben hat ?ber den letzten Ausbruch des Hekla oder Krabla.“ „Das ist ja aber gro?artig, Geert. Das ist ja wie sechs Romane, damit kann man ja gar nicht fertig werden. Es klingt erst spie?b?rgerlich und ist doch hinterher ganz apart. Und dann m?sst ihr ja doch auch Menschen haben, schon weil es eine Seestadt ist, die nicht blo? Chirurgen oder Barbiere sind oder sonst dergleichen. Ihr m?sst doch auch Kapit?ne haben, irgendeinen fliegenden Holl?nder oder…“ „Da hast du ganz recht. Wir haben sogar einen Kapit?n, der war Seer?uber unter den Schwarzflaggen.“ „Kenn ich nicht. Was sind Schwarzflaggen?“ „Das sind Leute weit dahinten in Tonkin und an der S?dsee… Seit er aber wieder unter Menschen ist, hat er auch wieder die besten Formen und ist ganz unterhaltlich.“ „Ich w?rde mich aber doch vor ihm f?rchten.“ „Was du nicht n?tig hast, zu keiner Zeit und auch dann nicht, wenn ich ?ber Land bin oder zum Tee beim F?rsten, denn zu allem andern, was wir haben, haben wir ja Gott sei Dank auch Rollo…“ „Rollo?“ „Ja, Rollo. Du denkst dabei, vorausgesetzt, dass du bei Niemeyer oder Jahnke von dergleichen geh?rt hast, an den Normannenherzog, und unserer hat auch so was. Es ist aber blo? ein Neufundl?nder, ein wundersch?nes Tier, das mich liebt und dich auch lieben wird. Denn Rollo ist ein Kenner. Und solange du den um dich hast, so lange bist du sicher und kann nichts an dich heran, kein Lebendiger und kein Toter. Aber sieh mal den Mond da dr?ben. Ist es nicht sch?n?“ Effi, die, still in sich versunken, jedes Wort halb ?ngstlich, halb begierig eingesogen hatte, richtete sich jetzt auf und sah nach rechts hin?ber, wo der Mond, unter wei?em, aber rasch hinschwindendem Gew?lk, eben aufgegangen war. Kupferfarben stand die gro?e Scheibe hinter einem Erlengeh?lz und warf ihr Licht auf eine breite Wasserfl?che, die die Kessine hier bildete. Oder vielleicht war es auch schon ein Haff, an dem das Meer drau?en seinen Anteil hatte. Effi war wie benommen. „Ja, du hast recht, Geert, wie sch?n; aber es hat zugleich so was Unheimliches. In Italien habe ich nie solchen Eindruck gehabt, auch nicht als wir von Mestre nach Venedig hin?berfuhren. Da war auch Wasser und Sumpf und Mondschein, und ich dachte, die Br?cke w?rde brechen; aber es war nicht so gespenstig. Woran liegt es nur? Ist es doch das N?rdliche?“ Innstetten lachte. „Wir sind hier f?nfzehn Meilen n?rdlicher als in Hohen-Cremmen, und eh der erste Eisb?r kommt, musst du noch eine Weile warten. Ich glaube, du bist nerv?s von der langen Reise und dazu das St.-Privat-Panorama und die Geschichte von dem Chinesen.“ „Du hast mir ja gar keine erz?hlt.“ „Nein, ich hab ihn nur eben genannt. Aber ein Chinese ist schon an und f?r sich eine Geschichte…“ „Ja“, lachte sie. „Und jedenfalls hast du’s bald ?berstanden. Siehst du da vor dir das kleine Haus mit dem Licht? Es ist eine Schmiede. Da biegt der Weg. Und wenn wir die Biegung gemacht haben, dann siehst du schon den Turm von Kessin oder richtiger beide…“ „Hat es denn zwei?“ „Ja, Kessin nimmt sich auf. Es hat jetzt auch eine katholische Kirche.“ Eine halbe Stunde sp?ter hielt der Wagen an der ganz am entgegengesetzten Ende der Stadt gelegenen landr?tlichen Wohnung, einem einfachen, etwas altmodischen Fachwerkhause, das mit seiner Front auf die nach den Seeb?dern hinausf?hrende Hauptstra?e, mit seinem Giebel aber auf ein zwischen der Stadt und den D?nen liegendes W?ldchen, das die „Plantage“ hie?, herniederblickte. Dies altmodische Fachwerkhaus war ?brigens nur Innstettens Privatwohnung, nicht das eigentliche Landratsamt, welches letztere, schr?g gegen?ber, an der anderen Seite der Stra?e lag. Kruse hatte nicht n?tig, durch einen dreimaligen Peitschenknips die Ankunft zu vermelden; l?ngst hatte man von T?r und Fenstern aus nach den Herrschaften ausgeschaut, und ehe noch der Wagen heran war, waren bereits alle Hausinsassen auf dem die ganze Breite des B?rgersteiges einnehmenden Schwellstein versammelt, vorauf Rollo, der im selben Augenblicke, wo der Wagen hielt, diesen zu umkreisen begann. Innstetten war zun?chst seiner jungen Frau beim Aussteigen behilflich und ging dann, dieser den Arm reichend, unter freundlichem Gru? an der Dienerschaft vor?ber, die nun dem jungen Paare in den mit pr?chtigen alten Wandschr?nken umstandenen Hausflur folgte. Das Hausm?dchen, eine h?bsche, nicht mehr ganz jugendliche Person, der ihre stattliche F?lle fast ebenso gut kleidete wie das zierliche M?tzchen auf dem blonden Haar, war der gn?digen Frau beim Ablegen von Muff und Mantel behilflich und b?ckte sich eben, um ihr auch die mit Pelz gef?tterten Gummistiefel auszuziehen. Aber ehe sie noch dazu kommen konnte, sagte Innstetten: „Es wird das Beste sein, ich stelle dir gleich hier unsere gesamte Hausgenossenschaft vor, mit Ausnahme der Frau Kruse, die sich – ich vermute sie wieder bei ihrem unvermeidlichen schwarzen Huhn – nicht gerne sehen l?sst.“ Alles l?chelte. „Aber lassen wir Frau Kruse… Dies hier ist mein alter Friedrich, der schon mit mir auf der Universit?t war… Nicht wahr, Friedrich, gute Zeiten damals… und dies hier ist Johanna, m?rkische Landsm?nnin von dir, wenn du, was aus Pasewalker Gegend stammt, noch f?r voll gelten lassen willst, und dies ist Christel, der wir mittags und abends unser leibliches Wohl anvertrauen und die zu kochen versteht, das kann ich dir versichern. Und dies hier ist Rollo. Nun, Rollo, wie geht’s?“ Rollo schien nur auf diese spezielle Ansprache gewartet zu haben, denn im selben Augenblicke, wo er seinen Namen h?rte, gab er einen Freudenblaff, richtete sich auf und legte die Pfoten auf seines Herrn Schulter. „Schon gut, Rollo, schon gut. Aber sieh da, das ist die Frau; ich hab ihr von dir erz?hlt und ihr gesagt, dass du ein sch?nes Tier seiest und sie sch?tzen w?rdest.“ Und nun lie? Rollo ab und setzte sich vor Innstetten nieder, zugleich neugierig zu der jungen Frau aufblickend. Und als diese ihm die Hand hinhielt, umschmeichelte er sie. Effi hatte w?hrend dieser Vorstellungsszene Zeit gefunden, sich umzuschauen. Sie war wie gebannt von allem, was sie sah, und dabei geblendet von der F?lle von Licht. In der vorderen Flurh?lfte brannten vier, f?nf Wandleuchter, die Leuchter selbst sehr primitiv, von blo?em Wei?blech, was aber den Glanz und die Helle nur noch steigerte. Zwei mit roten Schleiern bedeckte Astrallampen, Hochzeitsgeschenk von Niemeyer, standen auf einem zwischen zwei Eichenschr?nken angebrachten Klapptisch, in Front davon das Teezeug, dessen L?mpchen unter dem Kessel schon angez?ndet war. Aber noch viel, viel anderes und zum Teil sehr Sonderbares kam zu dem allen hinzu. Quer ?ber den Flur fort liefen drei, die Flurdecke in ebenso viele Felder teilende Balken; an dem vordersten hing ein Schiff mit vollen Segeln, hohem Hinterdeck und Kanonenluken, w?hrend weiter hin ein riesiger Fisch in der Luft zu schwimmen schien. Effi nahm ihren Schirm, den sie noch in H?nden hielt, und stie? leis an das Unget?m an, so dass es sich in eine langsam schaukelnde Bewegung setzte. „Was ist das, Geert?“ fragte sie. „Das ist ein Haifisch.“ „Und ganz dahinten das, was aussieht wie eine gro?e Zigarre vor einem Tabaksladen?“ „Das ist ein junges Krokodil. Aber das kannst du dir alles morgen viel besser und genauer ansehen; jetzt komm und lass uns eine Tasse Tee nehmen. Denn trotz aller Plaids und Decken wirst du gefroren haben. Es war zuletzt empfindlich kalt.“ Er bot nun Effi den Arm, und w?hrend sich die beiden M?dchen zur?ckzogen und nur Friedrich und Rollo folgten, trat man, nach links hin, in des Hausherrn Wohn- und Arbeitszimmer ein. Effi war hier ?hnlich ?berrascht wie drau?en im Flur; aber ehe sie sich dar?ber ?u?ern konnte, schlug Innstetten eine Portiere zur?ck, hinter der ein zweites, etwas gr??eres Zimmer mit Blick auf Hof und Garten gelegen war. „Das, Effi, ist nun also dein. Friedrich und Johanna haben es, so gut es ging, nach meinen Anordnungen herrichten m?ssen. Ich finde es ganz ertr?glich und w?rde mich freuen, wenn es dir auch gefiele.“ Sie nahm ihren Arm aus dem seinigen und hob sich auf die Fu?spitzen, um ihm einen herzlichen Kuss zu geben. „Ich armes kleines Ding, wie du mich verw?hnst. Dieser Fl?gel und dieser Teppich, ich glaube gar, es ist ein t?rkischer, und das Bassin mit den Fischchen und dazu der Blumentisch. Verw?hnung, wohin ich sehe.“ „Ja, meine liebe Effi, das musst du dir nun schon gefallen lassen, daf?r ist man jung und h?bsch und liebensw?rdig, was die Kessiner wohl auch schon erfahren haben werden, Gott wei? woher. Denn an dem Blumentisch wenigstens bin ich unschuldig. Friedrich, wo kommt der Blumentisch her?“ „Apotheker Giesh?bler… Es liegt auch eine Karte bei.“ „Ah, Giesh?bler, Alonzo Giesh?bler“, sagte Innstetten und reichte lachend und in beinahe ausgelassener Laune die Karte mit dem etwas fremdartig klingenden Vornamen zu Effi hin?ber. „Giesh?bler, von dem hab ich dir zu erz?hlen vergessen – beil?ufig, er f?hrt auch den Doktortitel, hat’s aber nicht gern, wenn man ihn dabei nennt, das ?rgere, so meint er, die richtigen Doktors blo?, und darin wird er wohl recht haben. Nun, ich denke, du wirst ihn kennenlernen, und zwar bald; er ist unsere beste Nummer hier, Sch?ngeist und Original und vor allem Seele von Mensch, was doch immer die Hauptsache bleibt. Aber lassen wir das alles und setzen uns und nehmen unseren Tee. Wo soll es sein? Hier bei dir oder drin bei mir? Denn eine weitere Wahl gibt es nicht. Eng und klein ist meine H?tte.“ Sie setzte sich ohne Besinnen auf ein kleines Ecksofa. „Heute bleiben wir hier, heute bist du bei mir zu Gast. Oder lieber so: den Tee regelm??ig bei mir, das Fr?hst?ck bei dir; dann kommt jeder zu seinem Recht, und ich bin neugierig, wo mir’s am besten gefallen wird.“ „Das ist eine Morgen- und Abendfrage.“ „Gewiss. Aber wie sie sich stellt oder, richtiger, wie wir uns dazu stellen, das ist es eben.“ Und sie lachte und schmiegte sich an ihn und wollte ihm die Hand k?ssen. „Nein, Effi, um Himmels willen nicht, nicht so. Mir liegt nicht daran, die Respektsperson zu sein, das bin ich f?r die Kessiner. F?r dich bin ich…“ „Nun was?“ „Ach lass. Ich werde mich h?ten, es zu sagen.“ Siebentes Kapitel Es war schon heller Tag, als Effi am andern Morgen erwachte. Sie hatte M?he, sich zurechtzufinden. Wo war sie? Richtig, in Kessin, im Hause des Landrats von Innstetten, und sie war seine Frau, Baronin Innstetten. Und, sich aufrichtend, sah sie sich neugierig um; am Abend vorher war sie zu m?de gewesen, um alles, was sie da halb fremdartig, halb altmodisch umgab, genauer in Augenschein zu nehmen. Zwei S?ulen st?tzten den Deckenbalken, und gr?ne Vorh?nge schlossen den alkovenartigen Schlafraum, in welchem die Betten standen, von dem Rest des Zimmers ab; nur in der Mitte fehlte der Vorhang oder war zur?ckgeschlagen, was ihr von ihrem Bette aus eine bequeme Orientierung gestattete. Da, zwischen den zwei Fenstern, stand der schmale, bis hoch hinauf reichende Trumeau, w?hrend rechts daneben, und schon an der Flurwand hin, der gro?e schwarze Kachelofen aufragte, der noch (soviel hatte sie schon am Abend vorher bemerkt) nach alter Sitte von au?en her geheizt wurde. Sie f?hlte jetzt, wie seine W?rme her?berstr?mte. Wie sch?n es doch war, im eigenen Hause zu sein; soviel Behagen hatte sie w?hrend der ganzen Reise nicht empfunden, nicht einmal in Sorrent. Aber wo war Innstetten? Alles still um sie her, niemand da. Sie h?rte nur den Ticktackschlag einer kleinen Pendule und dann und wann einen dumpfen Ton im Ofen, woraus sie schloss, dass vom Flur her ein paar neue Scheite nachgeschoben w?rden. Allm?hlich entsann sie sich auch, dass Geert, am Abend vorher, von einer elektrischen Klingel gesprochen hatte, nach der sie denn auch nicht lange mehr zu suchen brauchte; dicht neben ihrem Kissen war der kleine wei?e Elfenbeinknopf, auf den sie nun leise dr?ckte. Gleich danach erschien Johanna. „Gn?dige Frau haben befohlen.“ „Ach, Johanna, ich glaube, ich habe mich verschlafen. Es muss schon sp?t sein.“ „Eben neun.“ „Und der Herr…“, es wollt ihr nicht gl?cken, so ohne weiteres von ihrem „Manne“ zu sprechen, „… der Herr, er muss sehr leise gemacht haben; ich habe nichts geh?rt.“ „Das hat er gewiss. Und gn?d’ge Frau werden fest geschlafen haben. Nach der langen Reise…“ „Ja, das hab ich. Und der Herr, ist er immer so fr?h auf?“ „Immer, gn?dige Frau. Darin ist er streng; er kann das lange Schlafen nicht leiden, und wenn er dr?ben in sein Zimmer tritt, da muss der Ofen warm sein, und der Kaffee darf auch nicht auf sich warten lassen.“ „Da hat er also schon gefr?hst?ckt?“ „O nicht doch, gn?d’ge Frau… der gn?d’ge Herr…“ Effi f?hlte, dass sie die Frage nicht h?tte tun und die Vermutung, Innstetten k?nne nicht auf sie gewartet haben, lieber nicht h?tte aussprechen sollen. Es lag ihr denn auch daran, diesen ihren Fehler, so gut es ging, wieder auszugleichen, und als sie sich erhoben und vor dem Trumeau Platz genommen hatte, nahm sie das Gespr?ch wieder auf und sagte: „Der Herr hat ?brigens ganz recht. Immer fr?h auf, das war auch Regel in meiner Eltern Hause. Wo die Leute den Morgen verschlafen, da gibt es den ganzen Tag keine Ordnung mehr. Aber der Herr wird es so streng mit mir nicht nehmen; eine ganze Weile hab ich diese Nacht nicht schlafen k?nnen und habe mich sogar ein wenig ge?ngstigt.“ „Was ich h?ren muss, gn?d’ge Frau! Was war es denn?“ „Es war ?ber mir ein ganz sonderbarer Ton, nicht laut, aber doch sehr eindringlich. Erst klang es, wie wenn lange Schleppenkleider ?ber die Diele hinschleiften, und in meiner Erregung war es mir ein paarmal, als ob ich kleine wei?e Atlasschuhe s?he. Es war, als tanze man oben, aber ganz leise.“ Johanna, w?hrend das Gespr?ch so ging, sah ?ber die Schulter der jungen Frau fort in den hohen schmalen Spiegel hinein, um die Mienen Effis besser beobachten zu k?nnen. Dann sagte sie: „Ja, das ist oben im Saal. Fr?her h?rten wir es in der K?che auch. Aber jetzt h?ren wir es nicht mehr; wir haben uns daran gew?hnt.“ „Ist es denn etwas Besonderes damit?“ „O Gott bewahre, nicht im geringsten. Eine Weile wusste man nicht recht, woher es k?me, und der Herr Prediger machte ein verlegenes Gesicht, trotzdem Doktor Giesh?bler immer nur dar?ber lachte. Nun aber wissen wir, dass es die Gardinen sind. Der Saal ist etwas multrig und stockig, und deshalb stehen immer die Fenster auf, wenn nicht gerade Sturm ist. Und da ist denn fast immer ein starker Zug oben und fegt die alten, wei?en Gardinen, die au?erdem viel zu lang sind, ?ber die Dielen hin und her. Das klingt dann so wie seidne Kleider oder auch wie Atlasschuhe, wie die gn?d’ge Frau eben bemerkten.“ „Nat?rlich ist es das. Aber ich begreife nur nicht, warum dann die Gardinen nicht abgenommen werden. Oder man k?nnte sie ja k?rzer machen. Es ist ein so sonderbares Ger?usch, das einem auf die Nerven f?llt. Und nun, Johanna, bitte, geben sie mir doch das kleine Tuch und tupfen Sie mir die Stirn. Oder nehmen Sie lieber den Rafraichisseur aus meiner Reisetasche… Ach, das ist sch?n und erfrischt mich. Nun werde ich hin?bergehen. Er ist doch noch da, oder war er schon aus?“ „Der gn?d’ge Herr war schon aus, ich glaube dr?ben auf dem Amt. Aber seit einer Viertelstunde ist er zur?ck. Ich werde Friedrich sagen, dass er das Fr?hst?ck bringt.“ Und damit verlie? Johanna das Zimmer, w?hrend Effi noch einen Blick in den Spiegel tat und dann ?ber den Flur fort, der bei der Tagesbeleuchtung viel von seinem Zauber vom Abend vorher eingeb??t hatte, bei Geert eintrat. Dieser sa? an seinem Schreibtisch, einem etwas schwerf?lligen Zylinderbureau, das er aber, als Erbst?ck aus dem elterlichen Hause, nicht missen mochte. Effi stand hinter ihm und umarmte und k?sste ihn, noch eh er sich von seinem Platz erheben konnte. „Schon?“ „Schon, sagst du. Nat?rlich um mich zu verspotten.“ Innstetten sch?ttelte den Kopf. „Wie werd ich das?“ Effi fand aber ein Gefallen daran, sich anzuklagen, und wollte von den Versicherungen ihres Mannes, dass sein „schon“ ganz aufrichtig gemeint gewesen sei, nichts h?ren. „Du musst noch von der Reise her wissen, dass ich morgens nie habe warten lassen. Im Laufe des Tages, nun ja, da ist es etwas anderes. Es ist wahr, ich bin nicht sehr p?nktlich, aber ich bin keine Langschl?ferin. Darin, denk ich, haben mich die Eltern gut erzogen.“ „Darin? ln allem, meine s??e Effi.“ „Das sagst du so, weil wir noch in den Flitterwochen sind… aber nein, wir sind ja schon heraus. Um’s Himmels willen, Geert, daran habe ich noch gar nicht gedacht, wir sind ja schon ?ber sechs Wochen verheiratet, sechs Wochen und einen Tag. Ja, das ist etwas anderes; da nehme ich es nicht mehr als Schmeichelei, da nehme ich es als Wahrheit.“ In diesem Augenblicke trat Friedrich ein und brachte den Kaffee. Der Fr?hst?ckstisch stand in Schr?glinie vor einem kleinen rechtwinkligen Sofa, das gerade die eine Ecke des Wohnzimmers ausf?llte. Hier setzten sich beide. „Der Kaffee ist ja vorz?glich“, sagte Effi, w?hrend sie zugleich das Zimmer und seine Einrichtung musterte. „Das ist noch Hotelkaffee oder wie der bei Bottegone… erinnerst du dich noch, in Florenz, mit dem Blick auf den Dom. Davon muss ich der Mama schreiben, solchen Kaffee haben wir in Hohen-Cremmen nicht. ?berhaupt, Geert, ich sehe nun erst, wie vornehm ich mich verheiratet habe. Bei uns konnte alles nur so gerade passieren.“ „Torheit, Effi, ich habe nie eine bessere Hausf?hrung gesehen als bei euch.“ „Und dann, wie du wohnst. Als Papa sich den neuen Gewehrschrank angeschafft und ?ber seinem Schreibtisch einen B?ffelkopf und dicht darunter den alten Wrangel angebracht hatte (er war n?mlich mal Adjutant bei dem Alten), da dacht er, wunder was er getan; aber wenn ich mich hier umsehe, daneben ist unsere ganze Hohen-Cremmener Herrlichkeit ja blo? d?rftig und allt?glich. Ich wei? gar nicht, womit ich das alles vergleichen soll; schon gestern Abend, als ich nur so fl?chtig dar?ber hinsah, kamen mir allerhand Gedanken.“ „Und welche, wenn ich fragen darf?“ „Ja, welche. Du darfst aber nicht dr?ber lachen. Ich habe mal ein Bilderbuch gehabt, wo ein persischer oder indischer F?rst (denn er trug einen Turban) mit untergeschlagenen Beinen auf einem roten Seidenkissen sa?, und in seinem R?cken war au?erdem noch eine gro?e rote Seidenrolle, die links und rechts ganz bauschig zum Vorschein kam, und die Wand hinter dem indischen F?rsten starrte von Schwertern und Dolchen und Parderfellen und Schilden und langen t?rkischen Flinten. Und sieh, ganz so sieht es hier bei dir aus, und wenn du noch die Beine unterschl?gst, ist die ?hnlichkeit vollkommen.“ „Effi, du bist ein entz?ckendes, liebes Gesch?pf. Du wei?t gar nicht, wie sehr ich’s finde und wie gern ich dir in jedem Augenblicke zeigen m?chte, dass ich’s finde.“ „Nun, dazu ist ja noch vollauf Zeit; ich bin ja erst siebzehn und habe noch nicht vor zu sterben.“ „Wenigstens nicht vor mir. Freilich, wenn ich dann st?rbe, n?hme ich dich am liebsten mit. Ich will dich keinem andern lassen; was meinst du dazu?“ „Das muss ich mir doch noch ?berlegen. Oder lieber, lassen wir’s ?berhaupt. Ich spreche nicht gern von Tod, ich bin f?r Leben. Und nun sage mir, wie leben wir hier? Du hast mir unterwegs allerlei Sonderbares von Stadt und Land erz?hlt, aber wie wir selber hier leben werden, davon kein Wort. Dass hier alles anders ist als in Hohen-Cremmen und Schwantikow, das seh ich wohl, aber wir m?ssen doch in dem ,guten Kessin‘, wie du’s immer nennst, auch etwas wie Umgang und Gesellschaft haben k?nnen. Habt ihr denn Leute von Familie in der Stadt?“ „Nein, meine liebe Effi; nach dieser Seite hin gehst du gro?en Entt?uschungen entgegen. In der N?he haben wir ein paar Adlige, die du kennenlernen wirst, aber hier in der Stadt ist gar nichts.“ „Gar nichts? Das kann ich nicht glauben. Ihr seid doch bis zu dreitausend Menschen, und unter dreitausend Menschen muss es doch au?er so kleinen Leuten wie Barbier Beza (so hie? er ja wohl) doch auch noch eine Elite geben, Honoratioren oder dergleichen.“ Innstetten lachte. „Ja, Honoratioren, die gibt es. Aber bei Lichte besehen, ist es nicht viel damit. Nat?rlich haben wir einen Prediger und einen Amtsrichter und einen Rektor und einen Lotsenkommandeur, und von solchen beamteten Leuten findet sich schlie?lich wohl ein ganzes Dutzend zusammen, aber die meisten davon: gute Menschen und schlechte Musikanten. Und was dann noch bleibt, das sind blo? Konsuln.“ „Blo? Konsuln. Ich bitte dich, Geert, wie kannst du nur sagen ,blo? Konsuln‘. Das ist doch etwas sehr Hohes und Gro?es, und ich m?chte beinah sagen Furchtbares. Konsuln, das sind doch die mit dem Rutenb?ndel, draus, glaub ich, ein Beil heraussah.“ „Nicht ganz, Effi. Die hei?en Liktoren.“ „Richtig, die hei?en Liktoren. Aber Konsul ist doch auch etwas sehr Vornehmes und Hochgesetzliches. Brutus war doch ein Konsul.“ „Ja, Brutus war ein Konsul. Aber unsere sind ihm nicht sehr ?hnlich und begn?gen sich damit, mit Zucker und Kaffee zu handeln oder eine Kiste mit Apfelsinen aufzubrechen, und verkaufen dir dann das St?ck pro zehn Pfennige.“ „Nicht m?glich.“ „Sogar gewiss. Es sind kleine, pfiffige Kaufleute, die, wenn fremdl?ndische Schiffe hier einlaufen und in irgendeiner Gesch?ftsfrage nicht recht aus noch ein wissen, die dann mit ihrem Rate zur Hand sind, und wenn sie diesen Rat gegeben und irgendeinem holl?ndischen oder portugiesischen Schiff einen Dienst geleistet haben, so werden sie zuletzt zu beglaubigten Vertretern solcher fremder Staaten, und geradeso viele Botschafter und Gesandte, wie wir in Berlin haben, so viele Konsuln haben wir auch in Kessin, und wenn irgendein Festtag ist, und es gibt hier viel Festtage, dann werden alle Wimpel gehisst, und haben wir gerad eine grelle Morgensonne, so siehst du an solchem Tage ganz Europa von unsern D?chern flaggen und das Sternenbanner und den chinesischen Drachen dazu.“ „Du bist in einer sp?ttischen Laune, Geert, und magst auch wohl recht haben. Aber ich, f?r meine kleine Person, muss dir gestehen, dass ich dies alles entz?ckend finde und dass unsere havell?ndischen St?dte daneben verschwinden. Wenn sie da Kaisers Geburtstag feiern, so flaggt es immer blo? Schwarz und Wei? und allenfalls ein bisschen Rot dazwischen, aber das kann sich doch nicht vergleichen mit der Welt von Flaggen, von der du sprichst. ?berhaupt, wie ich dir schon sagte, ich finde immer wieder und wieder, es hat alles so was Fremdl?ndisches hier, und ich habe noch nichts geh?rt und gesehen, was mich nicht in eine gewisse Verwunderung gesetzt h?tte, gleich gestern Abend das merkw?rdige Schiff drau?en im Flur und dahinter der Haifisch und das Krokodil und hier dein eigenes Zimmer. Alles so orientalisch, und ich muss es wiederholen, alles wie bei einem indischen F?rsten…“ „Meinetwegen. Ich gratuliere, F?rstin…“ „Und dann oben der Saal mit seinen langen Gardinen, die ?ber die Diele hinfegen.“ „Aber was wei?t du denn von dem Saal, Effi?“ „Nichts, als was ich dir eben gesagt habe. Wohl eine Stunde lang, als ich in der Nacht aufwachte, war es mir, als ob ich Schuhe auf der Erde schleifen h?rte und als w?rde getanzt und fast auch wie Musik. Aber alles ganz leise. Und das hab ich dann heute fr?h an Johanna erz?hlt, blo? um mich zu entschuldigen, dass ich hinterher so lange geschlafen. Und da sagte sie mir, das sei von den langen Gardinen oben im Saal. Ich denke, wir machen kurzen Prozess damit und schneiden die Gardinen etwas ab oder schlie?en wenigstens die Fenster; es wird ohnehin bald st?rmisch genug werden. Mitte November ist ja die Zeit.“ Innstetten sah in einer kleinen Verlegenheit vor sich hin und schien schwankend, ob er auf all das antworten solle. Schlie?lich entschied er sich f?r Schweigen. „Du hast ganz recht, Effi, wir wollen die langen Gardinen oben k?rzer machen. Aber es eilt nicht damit, umso weniger, als es nicht sicher ist, ob es hilft. Es kann auch was anderes sein, im Rauchfang oder der Wurm im Holz oder ein Iltis. Wir haben n?mlich hier Iltisse. Jedenfalls aber, eh wir ?nderungen vornehmen, musst du dich in unserem Hauswesen erst umsehen, nat?rlich unter meiner F?hrung; in einer Viertelstunde zwingen wir’s. Und dann machst du Toilette, nur ein ganz klein wenig, denn eigentlich bist du so am reizendsten – Toilette f?r unseren Freund Giesh?bler; es ist jetzt zehn vor?ber, und ich m?sste mich sehr in ihm irren, wenn er nicht um elf oder doch sp?testens um die Mittagsstunde hier antreten und dir seinen Respekt devotest zu F??en legen sollte. Das ist n?mlich die Sprache, drin er sich ergeht. ?brigens, wie ich dir schon sagte, ein kapitaler Mann, der dein Freund werden wird, wenn ich ihn und dich recht kenne.“ Achtes Kapitel Elf war es l?ngst vor?ber, aber Giesh?bler hatte sich noch immer nicht sehen lassen. „Ich kann nicht l?nger warten“, hatte Geert gesagt, den der Dienst abrief. „Wenn Giesh?bler noch erscheint, so sei m?glichst entgegenkommend, dann wird es vorz?glich gehen; er darf nicht verlegen werden; ist er befangen, so kann er kein Wort finden oder sagt die sonderbarsten Dinge; wei?t du ihn aber in Zutrauen und gute Laune zu bringen, dann redet er wie ein Buch. Nun, du wirst es schon machen. Erwarte mich nicht vor drei; es gibt dr?ben allerlei zu tun. Und das mit dem Saal oben wollen wir noch ?berlegen; es wird aber wohl am besten sein, wir lassen es beim alten.“ Damit ging Innstetten und lie? seine junge Frau allein. Diese sa?, etwas zur?ckgelehnt, in einem lauschigen Winkel am Fenster und st?tzte sich, w?hrend sie hinaussah, mit ihrem linken Arm auf ein kleines Seitenbrett, das aus dem Zylinderbureau herausgezogen war. Die Stra?e war die Hauptverkehrsstra?e nach dem Strande hin, weshalb denn auch in Sommerzeit ein reges Leben hier herrschte; jetzt aber, um Mitte November, war alles leer und still, und nur ein paar arme Kinder, deren Eltern in etlichen ganz am ?u?ersten Rande der „Plantage“ gelegenen Strohdachh?usern wohnten, klappten in ihren Holzpantinen an dem Innstettenschen Hause vor?ber. Effi empfand aber nichts von dieser Einsamkeit, denn ihre Phantasie war noch immer bei den wunderlichen Dingen, die sie, kurz vorher, w?hrend ihrer Umschau haltenden Musterung im Hause gesehen hatte. Diese Musterung hatte mit der K?che begonnen, deren Herd eine moderne Konstruktion aufwies, w?hrend an der Decke hin, und zwar bis in die M?dchenstube hinein, ein elektrischer Draht lief – beides vor kurzem erst hergerichtet. Effi war erfreut gewesen, als ihr Innstetten davon erz?hlt hatte, dann aber waren sie von der K?che wieder in den Flur zur?ck- und von diesem in den Hof hinausgetreten, der in seiner ersten H?lfte nicht viel mehr als ein zwischen zwei Seitenfl?geln hinlaufender ziemlich schmaler Gang war. In diesen Fl?geln war alles untergebracht, was sonst noch zu Haushalt und Wirtschaftsf?hrung geh?rte, rechts M?dchenstube, Bedientenstube, Rollkammer, links eine zwischen Pferdestall und Wagenremise gelegene, von der Familie Kruse bewohnte Kutscherwohnung. ?ber dieser, in einem Verschlage, waren die H?hner einlogiert, und eine Dachklappe ?ber dem Pferdestall bildete den Aus- und Einschlupf f?r die Tauben. All dies hatte sich Effi mit vielem Interesse angesehen, aber dies Interesse sah sich doch weit ?berholt, als sie, nach ihrer R?ckkehr vom Hof ins Vorderhaus, unter Innstettens F?hrung die nach oben f?hrende Treppe hinaufgestiegen war. Diese war schief, bauf?llig, dunkel; der Flur dagegen, auf den sie m?ndete, wirkte beinah heiter, weil er viel Licht und einen guten landschaftlichen Ausblick hatte; nach der einen Seite hin, ?ber die D?cher des Stadtrandes und die „Plantage“ fort, auf eine hoch auf einer D?ne stehende holl?ndische Windm?hle, nach der anderen Seite hin auf die Kessine, die hier, unmittelbar vor ihrer Einm?ndung, ziemlich breit war und einen stattlichen Eindruck machte. Diesem Eindruck konnte man sich unm?glich entziehen, und Effi hatte denn auch nicht ges?umt, ihrer Freude lebhaften Ausdruck zu geben. „Ja, sehr sch?n, sehr malerisch“, hatte Innstetten, ohne weiter darauf einzugehen, geantwortet und dann eine mit ihren Fl?geln etwas schief h?ngende Doppelt?r ge?ffnet, die nach rechts hin in den sogenannten Saal f?hrte. Dieser lief durch die ganze Etage; Vorder- und Hinterfenster standen auf, und die mehr erw?hnten langen Gardinen bewegten sich in dem starken Luftzuge hin und her. In der Mitte der einen L?ngswand sprang ein Kamin vor mit einer gro?en Steinplatte, w?hrend an der Wand gegen?ber ein paar blecherne Leuchter hingen, jeder mit zwei Licht?ffnungen, ganz so wie unten im Flur, aber alles stumpf und ungepflegt. Effi war einigerma?en entt?uscht, sprach es auch aus und erkl?rte, statt des ?den und ?rmlichen Saals doch lieber die Zimmer an der gegen?berliegenden Flurseite sehen zu wollen. „Da ist nun eigentlich vollends nichts“, hatte Innstetten geantwortet, aber doch die T?ren ge?ffnet. Es befanden sich hier vier einfenstrige Zimmer, alle gelb get?ncht, gerade wie der Saal, und ebenfalls ganz leer. Nur in einem standen drei Binsenst?hle, die durchgesessen waren, und an die Lehne des einen war ein kleines, nur einen halben Finger langes Bildchen geklebt, das einen Chinesen darstellte, blauer Rock mit gelben Pluderhosen und einen flachen Hut auf dem Kopf. Effi sah es und sagte: „Was soll der Chinese?“ Innstetten selber schien von dem Bildchen ?berrascht und versicherte, dass er es nicht wisse. „Das hat Christel angeklebt oder Johanna. Spielerei. Du kannst sehen, es ist aus einer Fibel herausgeschnitten.“ Effi fand es auch und war nur verwundert, dass Innstetten alles so ernsthaft nahm, als ob es doch etwas sei. Dann hatte sie noch einmal einen Blick in den Saal getan und sich dabei dahin ge?u?ert, wie es doch eigentlich schade sei, dass das alles leer stehe. „Wir haben unten ja nur drei Zimmer, und wenn uns wer besucht, so wissen wir nicht aus noch ein. Meinst du nicht, dass man aus dem Saal zwei h?bsche Fremdenzimmer machen k?nnte? Das w?re so was f?r die Mama; nach hinten heraus k?nnte sie schlafen und h?tte den Blick auf den Fluss und die beiden Molen, und vorn h?tte sie die Stadt und die holl?ndische Windm?hle. In Hohen-Cremmen haben wir noch immer blo? eine Bockm?hle. Nun sage, was meinst du dazu? N?chsten Mai wird doch die Mama wohl kommen.“ Instetten war mit allem einverstanden gewesen und hatte nur zum Schlusse gesagt: „Alles ganz gut. Aber es ist doch am Ende besser, wir logieren die Mama dr?ben ein, auf dem Landratsamt; die ganze erste Etage steht da leer, geradeso wie hier, und sie ist da noch mehr f?r sich.“ Das war so das Resultat des ersten Umgangs im Hause gewesen; dann hatte Effi dr?ben ihre Toilette gemacht, nicht ganz so schnell, wie Innstetten angenommen, und nun sa? sie in ihres Gatten Zimmer und besch?ftigte sich in ihren Gedanken abwechselnd mit dem kleinen Chinesen oben und mit Giesh?bler, der noch immer nicht kam. Vor einer Viertelstunde war freilich ein kleiner, schiefschultriger und fast schon so gut wie verwachsener Herr in einem kurzen eleganten Pelzrock und einem hohen, sehr glatt geb?rsteten Zylinder an der andern Seite der Stra?e vorbeigegangen und hatte nach ihrem Fenster hin?bergesehen. Aber das konnte Giesh?bler wohl nicht gewesen sein! Nein, dieser schiefschultrige Herr, der zugleich etwas so Distinguiertes hatte, das musste der Herr Gerichtspr?sident gewesen sein, und sie entsann sich auch wirklich, in einer Gesellschaft bei Tante Therese, mal einen solchen gesehen zu haben, bis ihr mit einem Male einfiel, dass Kessin blo? einen Amtsrichter habe. W?hrend sie diesen Betrachtungen noch nachhing, wurde der Gegenstand derselben, der augenscheinlich erst eine Morgen- oder vielleicht auch eine Ermutigungspromenade um die Plantage herum gemacht hatte, wieder sichtbar, und eine Minute sp?ter erschien Friedrich, um Apotheker Giesh?bler anzumelden. „Ich lasse sehr bitten.“ Der armen jungen Frau schlug das Herz, weil es das erste Mal war, dass sie sich als Hausfrau und noch dazu als erste Frau der Stadt zu zeigen hatte. Friedrich half Giesh?bler den Pelzrock ablegen und ?ffnete dann wieder die T?r. Effi reichte dem verlegen Eintretenden die Hand, die dieser mit einem gewissen Ungest?m k?sste. Die junge Frau schien sofort einen gro?en Eindruck auf ihn gemacht zu haben. „Mein Mann hat mir bereits gesagt… Aber ich empfange Sie hier in meines Mannes Zimmer… er ist dr?ben auf dem Amt und kann jeden Augenblick zur?ck sein… Darf ich Sie bitten, bei mir eintreten zu wollen?“ Giesh?bler folgte der voranschreitenden Effi ins Nebenzimmer, wo diese auf einen der Fauteuils wies, w?hrend sie sich selbst ins Sofa setzte. „Dass ich Ihnen sagen k?nnte, welche Freude Sie mir gestern durch die sch?nen Blumen und Ihre Karte gemacht haben. Ich h?rte sofort auf, mich hier als eine Fremde zu f?hlen, und als ich dies Innstetten aussprach, sagte er mir, wir w?rden ?berhaupt gute Freunde sein.“ „Sagte er so? Der gute Herr Landrat. Ja, der Herr Landrat und Sie, meine gn?digste Frau, da sind, das bitte ich sagen zu d?rfen, zwei liebe Menschen zueinandergekommen. Denn wie Ihr Herr Gemahl ist, das wei? ich, und wie Sie sind, meine gn?digste Frau, das sehe ich.“ „Wenn Sie nur nicht mit zu freundlichen Augen sehen. Ich bin so sehr jung. Und Jugend…“ „Ach, meine gn?digste Frau, sagen Sie nichts gegen die Jugend. Die Jugend, auch in ihren Fehlern ist sie noch sch?n und liebensw?rdig, und das Alter, auch in seinen Tugenden taugt es nicht viel. Pers?nlich kann ich in dieser Frage freilich nicht mitsprechen, vom Alter wohl, aber von der Jugend nicht, denn ich bin eigentlich nie jung gewesen. Personen meines Schlages sind nie jung. Ich darf wohl sagen, das ist das Traurigste von der Sache. Man hat keinen rechten Mut, man hat kein Vertrauen zu sich selbst, man wagt kaum, eine Dame zum Tanz aufzufordern, weil man ihr eine Verlegenheit ersparen will, und so gehen die Jahre hin, und man wird alt, und das Leben war arm und leer.“ Effi gab ihm die Hand. „Ach, Sie d?rfen so was nicht sagen. Wir Frauen sind gar nicht so schlecht.“ „O nein, gewiss nicht…“ „Und wenn ich mir so zur?ckrufe“, fuhr Effi fort, „was ich alles erlebt habe… viel ist es nicht, denn ich bin wenig herausgekommen und habe fast immer auf dem Lande gelebt… Aber wenn ich es mir zur?ckrufe, so finde ich doch, dass wir immer das lieben, was liebenswert ist. Und dann sehe ich doch auch gleich, dass Sie anders sind als andere, daf?r haben wir Frauen ein scharfes Auge. Vielleicht ist es auch der Name, der in Ihrem Falle mitwirkt. Das war immer eine Lieblingsbehauptung unseres alten Pastors Niemeyer; der Name, so liebte er zu sagen, besonders der Taufname, habe was geheimnisvoll Bestimmendes, und Alonzo Giesh?bler, so mein ich, schlie?t eine ganz neue Welt vor einem auf, ja, fast m?cht ich sagen d?rfen, Alonzo ist ein romantischer Name, ein Preziosa-Name.“ Giesh?bler l?chelte mit einem ganz ungemeinen Behagen und fand den Mut, seinen f?r seine Verh?ltnisse viel zu hohen Zylinder, den er bis dahin in der Hand gedreht hatte, beiseite zu stellen. „Ja, meine gn?digste Frau, da treffen Sie’s.“ „Oh, ich verstehe. Ich habe von den Konsuln geh?rt, deren Kessin so viele haben soll, und in dem Hause des spanischen Konsuls hat Ihr Herr Vater mutma?lich die Tochter eines seem?nnischen Capitanos kennengelernt, wie ich annehme irgendeine sch?ne Andalusierin. Andalusierinnen sind immer sch?n.“ „Ganz wie Sie vermuten, meine Gn?digste. Und meine Mutter war wirklich eine sch?ne Frau, so schlecht es mir pers?nlich zusteht, die Beweisf?hrung zu ?bernehmen. Aber als Ihr Herr Gemahl vor drei Jahren hierherkam, lebte sie noch und hatte noch ganz die Feueraugen. Er wird es mir best?tigen. Ich pers?nlich bin mehr ins Giesh?blersche geschlagen, Leute von wenig Exterieur, aber sonst leidlich im Stande. Wir sitzen hier schon in der vierten Generation, volle hundert Jahre, und wenn es einen Apothekeradel g?be…“ „So w?rden Sie ihn beanspruchen d?rfen. Und ich meinerseits nehme ihn f?r bewiesen an und sogar f?r bewiesen ohne jede Einschr?nkung. Uns, aus den alten Familien, wird das am leichtesten, weil wir, so wenigstens bin ich von meinem Vater und auch von meiner Mutter her erzogen, jede gute Gesinnung, sie komme, woher sie wolle, mit Freudigkeit gelten lassen. Ich bin eine geborene Briest und stamme von dem Briest ab, der, am Tage vor der Fehrbelliner Schlacht, den ?berfall von Rathenow ausf?hrte, wovon Sie vielleicht einmal geh?rt haben…“ „O gewiss, meine Gn?digste, das ist ja meine Spezialit?t.“ „Eine Briest also. Und mein Vater, da reichen keine hundert Male, dass er zu mir gesagt hat: Effi (so hei?e ich n?mlich), Effi, hier sitzt es, blo? hier, und als Froben das Pferd tauschte, da war er von Adel, und als Luther sagte: ,Hier stehe ich‘, da war er erst recht von Adel. Und ich denke, Herr Giesh?bler, Innstetten hatte ganz recht, als er mir versicherte, wir w?rden gute Freundschaft halten.“ Giesh?bler h?tte nun am liebsten gleich eine Liebeserkl?rung gemacht und gebeten, dass er als Cid[6 - Ñèä – ìàâðèòàíñêîå ïðîçâèùå èñïàíñêîãî íàöèîíàëüíîãî ãåðîÿ Ðîäðèãî Ðóÿ Äèàñà äå Âèâàðà (1043–1099), ó÷àñòíèêà Ðåêîíêèñòû, âîñïåòîãî â ýïè÷åñêîé ïîýìå «Ïåñíü î Ñèäå».] oder irgend sonst ein Campeador[7 - Compreador – (èñï.) Âîèòåëü] f?r sie k?mpfen und sterben k?nne. Da dies alles aber nicht ging und sein Herz es nicht mehr aushalten konnte, so stand er auf, suchte nach seinem Hut, den er auch gl?cklicherweise gleich fand, und zog sich, nach wiederholtem Handkuss, rasch zur?ck, ohne weiter ein Wort gesagt zu haben. Neuntes Kapitel So war Effis erster Tag in Kessin gewesen. Innstetten gab ihr noch eine halbe Woche Zeit, sich einzurichten und die verschiedensten Briefe nach Hohen-Cremmen zu schreiben, an die Mama, an Hulda und die Zwillinge; dann aber hatten die Stadtbesuche begonnen, die zum Teil (es regnete gerade so, dass man sich diese Ungew?hnlichkeit schon gestatten konnte) in einer geschlossenen Kutsche gemacht wurden. Als man damit fertig war, kam der Landadel an die Reihe. Das dauerte l?nger, da sich, bei den meist gro?en Entfernungen, an jedem Tage nur eine Visite machen lie?. Zuerst war man bei den Borckes in Rothenmoor, dann ging es nach Morgnitz, Dabergotz und Kroschentin, wo man bei den Ahlemanns, den Jatzkows und den Grasenabbs den pflichtschuldigen Besuch abstattete. Noch ein paar andere folgten, unter denen auch der alte Baron von G?ldenklee auf Papenhagen war. Der Eindruck, den Effi empfing, war ?berall derselbe: mittelm??ige Menschen, von meist zweifelhafter Liebensw?rdigkeit, die, w?hrend sie vorgaben, ?ber Bismarck und die Kronprinzessin zu sprechen, eigentlich nur Effis Toilette musterten, die von einigen als zu pr?tenti?s f?r eine so jugendliche Dame, von andern als zu wenig dezent f?r eine Dame von gesellschaftlicher Stellung befunden wurde. Man merke doch an allem die Berliner Schule: Sinn f?r ?u?erliches und eine merkw?rdige Verlegenheit und Unsicherheit bei Ber?hrung gro?er Fragen. In Rothenmoor bei den Borckes und dann auch bei den Familien in Morgnitz und Dabergotz war sie f?r „rationalistisch angekr?nkelt“, bei den Grasenabbs in Kroschentin aber rundweg f?r eine „Atheistin“ erkl?rt worden. Allerdings hatte die alte Frau von Grasenabb, eine S?ddeutsche (geborene Stiefel von Stiefelstein), einen schwachen Versuch gemacht, Effi wenigstens f?r den Deismus zu retten; Sidonie von Grasenabb aber, eine dreiundvierzigj?hrige alte Jungfer, war barsch dazwischengefahren: „Ich sage dir, Mutter, einfach Atheistin, kein Zollbreit weniger, und dabei bleibt es“, worauf die Alte, die sich vor ihrer eigenen Tochter f?rchtete, kl?glich geschwiegen hatte. Die ganze Tournee hatte so ziemlich zwei Wochen gedauert, und es war am 2. Dezember, als man, zu schon sp?ter Stunde, von dem letzten dieser Besuche nach Kessin zur?ckkehrte. Dieser letzte Besuch hatte den G?ldenklees auf Papenhagen gegolten, bei welcher Gelegenheit Innstetten dem Schicksal nicht entgangen war, mit dem alten G?ldenklee politisieren zu m?ssen. „Ja, teuerster Landrat, wenn ich so den Wechsel der Zeiten bedenke! Heute vor einem Menschenalter oder ungef?hr so lange, ja, da war auch ein zweiter Dezember, und der gute Louis und Napoleons-Neffe…enn er so was war und nicht eigentlich ganz woanders herstammte –, der kart?tschte damals auf die Pariser Kanaille. Na, das mag ihm verziehen sein, f?r so was war er der rechte Mann, und ich halte zu dem Satze: ,Jeder hat es gerade so gut und so schlecht, wie er’s verdient.‘ Aber dass er nachher alle Sch?tzung verlor und Anno 70 so mir nichts, dir nichts auch mit uns anbinden wollte, sehen Sie, Baron, das war, ja wie sag ich, das war eine Insolenz. Es ist ihm aber auch heimgezahlt worden. Unser Alter da oben l?sst sich nicht spotten, der steht zu uns.“ „Ja“, sagte Innstetten, der klug genug war, auf solche Philistereien anscheinend ernsthaft einzugehen, „der Held und Eroberer von Saarbr?cken wusste nicht, was er tat. Aber Sie d?rfen nicht zu streng mit ihm pers?nlich abrechnen. Wer ist am Ende Herr in seinem Hause? Niemand. Ich richte mich auch schon darauf ein, die Z?gel der Regierung in andere H?nde zu legen, und Louis Napoleon, nun, der war vollends ein St?ck Wachs in den H?nden seiner katholischen Frau, oder sagen wir lieber, seiner jesuitischen Frau.“ „Wachs in den H?nden seiner Frau, die ihm dann eine Nase drehte. Nat?rlich, Innstetten, das war er. Aber damit wollen Sie diese Puppe doch nicht etwa retten? Er ist und bleibt gerichtet. An und f?r sich ist es ?brigens noch gar nicht mal erwiesen“, und sein Blick suchte bei diesen Worten etwas ?ngstlich nach dem Auge seiner Eheh?lfte, „ob nicht Frauenherrschaft eigentlich als ein Vorzug gelten kann; nur freilich, die Frau muss danach sein. Aber wer war diese Frau? Sie war ?berhaupt keine Frau, im g?nstigsten Falle war sie eine Dame, das sagt alles; ,Dame‘ hat beinah immer einen Beigeschmack. Diese Eugenie – ?ber deren Verh?ltnis zu dem j?dischen Bankier ich hier gern hingehe, denn ich hasse Tugendhochmut – hatte was vom Caf? chantant, und wenn die Stadt, in der sie lebte, das Babel war, so war sie das Weib von Babel. Ich mag mich nicht deutlicher ausdr?cken, denn ich wei?“, und er verneigte sich gegen Effi, „was ich deutschen Frauen schuldig bin. Um Vergebung, meine Gn?digste, dass ich diese Dinge vor Ihren Ohren ?berhaupt ber?hrt habe.“ So war die Unterhaltung gegangen, nachdem man vorher von Wahl, Nobiling und Raps gesprochen hatte, und nun sa?en Innstetten und Effi wieder daheim und plauderten noch eine halbe Stunde. Die beiden M?dchen im Hause waren schon zu Bett, denn es war nah an Mitternacht. Innstetten, in kurzem Hausrock und Saffianschuhen, ging auf und ab; Effi war noch in ihrer Gesellschaftstoilette; F?cher und Handschuhe lagen neben ihr. „Ja“, sagte Innstetten, w?hrend er sein Aufundabschreiten im Zimmer unterbrach, „diesen Tag m?ssten wir nun wohl eigentlich feiern, und ich wei? nur noch nicht womit. Soll ich dir einen Siegesmarsch vorspielen oder den Haifisch drau?en in Bewegung setzen oder dich im Triumph ?ber den Flur tragen? Etwas muss doch geschehen, denn du musst wissen, das war nun heute die letzte Visite.“ „Gott sei Dank war sie’s“, sagte Effi. „Aber das Gef?hl, dass wir nun Ruhe haben, ist, denk ich, gerade Feier genug. Nur einen Kuss k?nntest du mir geben. Aber daran denkst du nicht. Auf dem ganzen weiten Wege nicht ger?hrt, frostig wie ein Schneemann. Und immer nur die Zigarre.“ „Lass, ich werde mich schon bessern und will vorl?ufig nur wissen, wie stehst du zu dieser ganzen Umgangs- und Verkehrsfrage? F?hlst du dich zu dem einen oder andern hingezogen? Haben die Borckes die Grasenabbs geschlagen oder umgekehrt, oder h?ltst du’s mit dem alten G?ldenklee? Was er da ?ber die Eugenie sagte, machte doch einen sehr edlen und reinen Eindruck.“ „Ei, sieh, Herr von Innstetten, auch medisant! Ich lerne Sie von einer ganz neuen Seite kennen.“ „Und wenn’s unser Adel nicht tut“, fuhr Innstetten fort, ohne sich st?ren zu lassen, wie stehst du zu den Kessiner Stadthonoratioren? Wie stehst du zur Ressource? Daran h?ngt doch am Ende Leben und Sterben. Ich habe dich da neulich mit unserem reserveleutnantlichen Amtsrichter sprechen sehen, einem zierlichen M?nnchen, mit dem sich vielleicht durchkommen lie?e, wenn er nur endlich von der Vorstellung losk?nnte, die Wiedereroberung von Le Bourget durch sein Erscheinen in der Flanke zustande gebracht zu haben. Und seine Frau! Sie gilt als die beste Bostonspielerin und hat auch die h?bschesten Anlegemarken. Also nochmals, Effi, wie wird es werden in Kessin? Wirst du dich einleben? Wirst du popul?r werden und mir die Majorit?t sichern, wenn ich in den Reichstag will? Oder bist du f?r Einsiedlertum, f?r Abschluss von der Kessiner Menschheit, so Stadt wie Land?“ „Ich werde mich wohl f?r Einsiedlertum entschlie?en, wenn mich die Mohrenapotheke nicht herausrei?t. Bei Sidonie werd ich dadurch freilich noch etwas tiefer sinken, aber darauf muss ich es ankommen lassen; dieser Kampf muss eben gek?mpft werden. Ich steh und falle mit Giesh?bler. Es klingt etwas komisch, aber er ist wirklich der einzige, mit dem sich ein Wort reden l?sst, der einzige richtige Mensch hier.“ „Das ist er“, sagte Innstetten. „Wie gut du zu w?hlen verstehst.“ „H?tte ich sonst dich?“ sagte Effi und hing sich an seinen Arm. Das war am 2. Dezember. Eine Woche sp?ter war Bismarck in Varzin, und nun wusste Innstetten, dass, bis Weihnachten und vielleicht noch dr?ber hinaus, an ruhige Tage f?r ihn gar nicht mehr zu denken sei. Der F?rst hatte noch von Versailles her eine Vorliebe f?r ihn und lud ihn, wenn Besuch da war, h?ufig zu Tisch, aber auch allein, denn der jugendliche, durch Haltung und Klugheit gleich ausgezeichnete Landrat stand ebenso in Gunst bei der F?rstin. Zum 14. erfolgte die erste Einladung. Es lag Schnee, weshalb Innstetten die fast zweist?ndige Fahrt bis an den Bahnhof, von wo noch eine Stunde Eisenbahn war, im Schlitten zu machen vorhatte. „Warte nicht auf mich, Effi. Vor Mitternacht kann ich nicht zur?ck sein; wahrscheinlich wird es zwei oder noch sp?ter. Ich st?re dich aber nicht. Gehab dich wohl und auf Wiedersehen morgen fr?h.“ Und damit stieg er ein, und die beiden isabellfarbenen Graditzer jagten im Fluge durch die Stadt hin und dann landeinw?rts auf den Bahnhof zu. Das war die erste lange Trennung, fast auf zw?lf Stunden. Arme Effi. Wie sollte sie den Abend verbringen? Fr?h zu Bett, das war gef?hrlich, dann wachte sie auf und konnte nicht wieder einschlafen und horchte auf alles. Nein, erst recht m?de werden und dann ein fester Schlaf, das war das Beste. Sie schrieb einen Brief an die Mama und ging dann zu der Frau Kruse, deren gem?tskranker Zustand – sie hatte das schwarze Huhn oft bis in die Nacht hinein auf ihrem Scho? – ihr Teilnahme einfl??te. Die Freundlichkeit indessen, die sich darin aussprach, wurde von der in ihrer ?berheizten Stube sitzenden und nur still und stumm vor sich hin br?tenden Frau keinen Augenblick erwidert, weshalb Effi, als sie wahrnahm, dass ihr Besuch mehr als St?rung wie als Freude empfunden wurde, wieder ging und nur noch fragte, ob die Kranke etwas haben wolle. Diese lehnte aber alles ab. Inzwischen war es Abend geworden, und die Lampe brannte schon. Effi stellte sich ans Fenster ihres Zimmers und sah auf das W?ldchen hinaus, auf dessen Zweigen der glitzernde Schnee lag. Sie war von dem Bilde ganz in Anspruch genommen und k?mmerte sich nicht um das, was hinter ihr in dem Zimmer vorging. Als sie sich wieder umsah, bemerkte sie, dass Friedrich still und ger?uschlos ein Kuvert gelegt und ein Kabarett auf den Sofatisch gestellt hatte. „Ja so, Abendbrot… Da werd ich mich nun wohl setzen m?ssen.“ Aber es wollte nicht schmecken, und so stand sie wieder auf und las den an die Mama geschriebenen Brief noch einmal durch. Hatte sie schon vorher ein Gef?hl der Einsamkeit gehabt, so jetzt doppelt. Was h?tte sie darum gegeben, wenn die beiden Jahnkeschen Rotk?pfe jetzt eingetreten w?ren oder selbst Hulda. Die war freilich immer so sentimental und besch?ftigte sich meist nur mit ihren Triumphen, aber so zweifelhaft und anfechtbar diese Triumphe waren, sie h?tte sich in diesem Augenblicke doch gern davon erz?hlen lassen. Schlie?lich klappte sie den Fl?gel auf, um zu spielen; aber es ging nicht. „Nein, dabei werd ich vollends melancholisch; lieber lesen.“ Und so suchte sie nach einem Buche. Das erste, was ihr zu H?nden kam, war ein dickes rotes Reisehandbuch, alter Jahrgang, vielleicht schon aus Innstettens Leutnantstagen her. „Ja, darin will ich lesen; es gibt nichts Beruhigenderes als solche B?cher. Das Gef?hrliche sind blo? immer die Karten; aber vor diesem Augenpulver, das ich hasse, werd ich mich schon h?ten.“ Und so schlug sie denn auf gut Gl?ck auf, Seite 153. Nebenan h?rte sie das Ticktack der Uhr und drau?en Rollo, der, seit es dunkel war, seinen Platz in der Remise aufgegeben und sich, wie jeden Abend, so auch heute wieder, auf die gro?e geflochtene Matte, die vor dem Schlafzimmer lag, ausgestreckt hatte. Das Bewusstsein seiner N?he minderte das Gef?hl ihrer Verlassenheit, ja, sie kam fast in Stimmung, und so begann sie denn auch unverz?glich zu lesen. Auf der gerade vor ihr aufgeschlagenen Seite war von der „Eremitage“, dem bekannten markgr?flichen Lustschloss in der N?he von Bayreuth, die Rede; das lockte sie, Bayreuth, Richard Wagner, und so las sie denn: „Unter den Bildern in der Eremitage nennen wir noch eins, das nicht durch seine Sch?nheit, wohl aber durch sein Alter und durch die Person, die es darstellt, ein Interesse beansprucht. Es ist dies ein stark nachgedunkeltes Frauenportr?t, kleiner Kopf, mit herben, etwas unheimlichen Gesichtsz?gen und einer Halskrause, die den Kopf zu tragen scheint. Einige meinen, es sei eine alte Markgr?fin aus dem Ende des f?nfzehnten Jahrhunderts, andere sind der Ansicht, es sei die Gr?fin von Orlam?nde; darin aber sind beide einig, dass es das Bildnis der Dame sei, die seither in der Geschichte der Hohenzollern unter dem Namen der ,wei?en Frau‘ eine gewisse Ber?hmtheit erlangt hat.“ „Das hab ich gut getroffen“, sagte Effi, w?hrend sie das Buch beiseite schob; „ich will mir die Nerven beruhigen, und das erste, was ich lese, ist die Geschichte von der wei?en Frau, vor der ich mich gef?rchtet habe, solange ich denken kann. Aber da nun das Gruseln mal da ist, will ich doch auch zu Ende lesen.“ Und sie schlug wieder auf und las weiter: „… Eben dies alte Portr?t (dessen Original in der Hohenzollernschen Familiengeschichte solche Rolle spielt) spielt als Bild auch eine Rolle in der Spezialgeschichte des Schlosses Eremitage, was wohl damit zusammenh?ngt, dass es an einer dem Fremden unsichtbaren Tapetent?r h?ngt, hinter der sich eine vom Souterrain her hinauff?hrende Treppe befindet. Es hei?t, dass, als Napoleon hier ?bernachtete, die ,wei?e Frau‘ aus dem Rahmen herausgetreten und auf sein Bett zugeschritten sei. Der Kaiser, entsetzt auffahrend, habe nach seinem Adjutanten gerufen und bis an sein Lebensende mit Entr?stung von diesem ,maudit ch?teau‘[8 - maudit ch?teau – (ôð.) ïðîêëÿòûé çàìîê] gesprochen.“ „Ich muss es aufgeben, mich durch Lekt?re beruhigen zu wollen“, sagte Effi. „Lese ich weiter, so komm ich gewiss noch nach einem Kellergew?lbe, wo der Teufel auf einem Weinfass davongeritten ist. Es gibt, glaub ich, in Deutschland viel dergleichen und in einem Reisehandbuch muss es sich nat?rlich alles zusammenfinden. Ich will also lieber wieder die Augen schlie?en und mir, so gut es geht, meinen Polterabend vorstellen: die Zwillinge, wie sie vor Tr?nen nicht weiterkonnten, und dazu den Vetter Briest, der, als sich alles verlegen anblickte, mit erstaunlicher W?rde behauptete, solche Tr?nen ?ffneten einem das Paradies. Er war wirklich charmant und immer so ?berm?tig… Und nun ich! Und gerade hier. Ach, ich tauge doch gar nicht f?r eine gro?e Dame. Die Mama, ja, die h?tte hierher gepasst, die h?tte, wie’s einer Landr?tin zukommt, den Ton angegeben, und Sidonie Grasenabb w?re ganz Huldigung gegen sie gewesen und h?tte sich ?ber ihren Glauben oder Unglauben nicht gro? beunruhigt. Aber ich… Ich bin ein Kind und werd es auch wohl bleiben. Einmal hab ich geh?rt, das sei ein Gl?ck. Aber ich wei? doch nicht, ob das wahr ist. Man muss doch immer dahin passen, wohin man nun mal gestellt ist.“ In diesem Augenblicke kam Friedrich, um den Tisch abzur?umen. „Wie sp?t ist es, Friedrich?“ „Es geht auf neun, gn?d’ge Frau.“ „Nun, das l?sst sich h?ren. Schicken Sie mir Johanna.“ „Gn?d’ge Frau haben befohlen.“ „Ja, Johanna. Ich will zu Bett gehen. Es ist eigentlich noch fr?h. Aber ich bin so allein. Bitte, tun Sie den Brief erst ein, und wenn Sie wieder da sind, nun, dann wird es wohl Zeit sein. Und wenn auch nicht.“ Effi nahm die Lampe und ging in ihr Schlafzimmer hin?ber. Richtig, auf der Binsenmatte lag Rollo. Als er Effi kommen sah, erhob er sich, um den Platz freizugeben, und strich mit seinem Behang an ihrer Hand hin. Dann legte er sich wieder nieder. Johanna war inzwischen nach dem Landratsamt hin?bergegangen, um da den Brief einzustecken. Sie hatte sich dr?ben nicht sonderlich beeilt, vielmehr vorgezogen, mit der Frau Paaschen, des Amtsdieners Frau, ein Gespr?ch zu f?hren. Nat?rlich ?ber die junge Frau. „Wie ist sie denn?“ fragte die Paaschen. „Sehr jung ist sie.“ „Nun, das ist kein Ungl?ck, eher umgekehrt. Die Jungen, und das ist eben das Gute, stehen immer blo? vorm Spiegel und zupfen und stecken sich was vor und sehen nicht viel und h?ren nicht viel und sind noch nicht so, dass sie drau?en immer die Lichtst?mpfe z?hlen und einem nicht g?nnen, dass man einen Kuss kriegt, blo? weil sie selber keinen mehr kriegen.“ „Ja“, sagte Johanna, „so war meine vorige Madam und ganz ohne Not. Aber davon hat unsere Gn?d’ge nichts.“ „Ist er denn sehr z?rtlich?“ „O sehr. Das k?nnen Sie doch wohl denken.“ „Aber dass er sie so allein l?sst…“ „Ja, liebe Paaschen, Sie d?rfen nicht vergessen… der F?rst. Und dann, er ist ja doch am Ende Landrat. Und vielleicht will er auch noch h?her.“ „Gewiss, will er. Und er wird auch noch. Er hat so was. Paaschen sagt es auch immer, und er kennt seine Leute.“ W?hrend dieses Ganges dr?ben nach dem Amt hin?ber war wohl eine Viertelstunde vergangen, und als Johanna wieder zur?ck war, sa? Effi schon vor dem Trumeau und wartete. „Sie sind lange geblieben, Johanna.“ „Ja, gn?d’ge Frau… Gn?d’ge Frau wollen entschuldigen… Ich traf dr?ben die Frau Paaschen, und da hab ich mich ein wenig verweilt. Es ist so still hier. Man ist immer froh, wenn man einen Menschen trifft, mit dem man ein Wort sprechen kann. Christel ist eine sehr gute Person, aber sie spricht nicht, und Friedrich ist so dusig und auch so vorsichtig und will mit der Sprache nie recht heraus. Gewiss, man muss auch schweigen k?nnen, und die Paaschen, die so neugierig und so ganz gew?hnlich ist, ist eigentlich gar nicht nach meinem Geschmack; aber man hat es doch gern, wenn man mal was h?rt und sieht.“ Effi seufzte. „Ja, Johanna, das ist auch das Beste…“ „Gn?d’ge Frau haben so sch?nes Haar, so lang und so seidenweich.“ „Ja, es ist sehr weich. Aber das ist nicht gut, Johanna. Wie das Haar ist, ist der Charakter.“ „Gewiss, gn?d’ge Frau. Und ein weicher Charakter ist doch besser als ein harter. Ich habe auch weiches Haar.“ „Ja, Johanna. Und Sie haben auch blondes. Das haben die M?nner am liebsten.“ „Ach, das ist doch sehr verschieden, gn?d’ge Frau. Manche sind doch auch f?r das schwarze.“ „Freilich“, lachte Effi, „das habe ich auch schon gefunden. Es wird wohl an was ganz anderem liegen. Aber die, die blond sind, die haben auch immer einen wei?en Teint, Sie auch, Johanna, und ich m?chte mich wohl verwetten, dass Sie viel Nachstellung haben. Ich bin noch sehr jung, aber das wei? ich doch auch. Und dann habe ich eine Freundin, die war auch so blond, ganz flachsblond, noch blonder als Sie, und war eine Predigerstochter…“ „Ja, denn…“ „Aber ich bitte Sie, Johanna, was meinen Sie mit ,ja denn‘. Das klingt ja ganz anz?glich und sonderbar, und Sie werden doch nichts gegen Predigerst?chter haben… Es war ein sehr h?bsches M?dchen, was selbst unsere Offiziere – wir hatten n?mlich Offiziere, noch dazu rote Husaren – auch immer fanden, und verstand sich dabei sehr gut auf Toilette, schwarzes Sammetmieder und eine Blume, Rose oder auch Heliotrop, und wenn sie nicht so vorstehende gro?e Augen gehabt h?tte… Ach, die h?tten Sie sehen sollen, Johanna, wenigstens so gro?“ (und Effi zog unter Lachen an ihrem rechten Augenlid), „so w?re sie geradezu eine Sch?nheit gewesen. Sie hie? Hulda, Hulda Niemeyer, und wir waren nicht einmal so ganz intim; aber wenn ich sie jetzt hier h?tte und sie da s??e, da in der kleinen Sofaecke, so wollte ich bis Mitternacht mit ihr plaudern oder noch l?nger. Ich habe solche Sehnsucht, und…“, und dabei zog sie Johannas Kopf dicht an sich heran, „… ich habe solche Angst.“ „Ach, das gibt sich, gn?d’ge Frau, die hatten wir alle.“ „Die hattet ihr alle? Was soll das hei?en, Johanna?“ „… Und wenn die gn?d’ge Frau wirklich solche Angst haben, so kann ich mir ja ein Lager hier machen. Ich nehme die Strohmatte und kehre einen Stuhl um, dass ich eine Kopflehne habe, und dann schlafe ich hier bis morgen fr?h oder bis der gn?d’ge Herr wieder da ist.“ „Er will mich nicht st?ren. Das hat er mir eigens versprochen.“ „Oder ich setze mich blo? in die Sofaecke.“ „Ja, das ginge vielleicht. Aber nein, es geht auch nicht. Der Herr darf nicht wissen, dass ich mich ?ngstige, das liebt er nicht: Er will immer, dass ich tapfer und entschlossen bin, so wie er. Und das kann ich nicht; ich war immer etwas anf?llig… Aber freilich, ich sehe wohl ein, ich muss mich bezwingen und ihm in solchen St?cken und ?berhaupt zu Willen sein… Und dann habe ich ja auch Rollo. Der liegt ja vor der T?rschwelle.“ Johanna nickte zu jedem Wort und z?ndete dann das Licht an, das auf Effis Nachttisch stand. Dann nahm sie die Lampe. „Befehlen gn?d’ge Frau noch etwas?“ „Nein, Johanna. Die L?den sind doch fest geschlossen?“ „Blo? angelegt, gn?d’ge Frau. Es ist sonst so dunkel und so stickig.“ „Gut, gut.“ Und nun entfernte sich Johanna; Effi aber ging auf ihr Bett zu und wickelte sich in ihre Decken. Sie lie? das Licht brennen, weil sie gewillt war, nicht gleich einzuschlafen, vielmehr vorhatte, wie vorhin ihren Polterabend, so jetzt ihre Hochzeitsreise zu rekapitulieren und alles an sich vor?berziehen zu lassen. Aber es kam anders, wie sie gedacht, und als sie bis Verona war und nach dem Hause der Julia Capulet suchte, fielen ihr schon die Augen zu. Das St?mpfchen Licht in dem kleinen Silberleuchter brannte allm?hlich nieder, und nun flackerte es noch einmal auf und erlosch. Effi schlief eine Weile ganz fest. Aber mit einem Male fuhr sie mit einem lauten Schrei aus ihrem Schlafe auf, ja sie h?rte selber noch den Aufschrei und auch wie Rollo drau?en anschlug, „wau, wau“, klang es den Flur entlang, dumpf und selber beinah ?ngstlich. Ihr war, als ob ihr das Herz stillst?nde; sie konnte nicht rufen, und in diesem Augenblicke huschte was an ihr vorbei, und die nach dem Flur hinausf?hrende T?r sprang auf. Aber ebendieser Moment h?chster Angst war auch der ihrer Befreiung, denn statt etwas Schrecklichem kam jetzt Rollo auf sie zu, suchte mit seinem Kopf nach ihrer Hand und legte sich, als er diese gefunden, auf den vor ihrem Bett ausgebreiteten Teppich nieder. Effi selber aber hatte mit der anderen Hand dreimal auf den Knopf der Klingel gedr?ckt, und keine halbe Minute, so war Johanna da, barf??ig, den Rock ?ber dem Arm und ein gro?es kariertes Tuch ?ber Kopf und Schulter geschlagen. „Gott sei Dank, Johanna, dass Sie da sind.“ „Was war denn, gn?d’ge Frau? Gn?d’ge Frau haben getr?umt.“ „Ja, getr?umt. Es muss so was gewesen sein… aber es war doch auch noch was anderes.“ „Was denn, gn?d’ge Frau?“ „Ich schlief ganz fest, und mit einem Male fuhr ich auf und schrie… Vielleicht, dass es ein Alpdruck war… Alpdruck ist in unserer Familie, mein Papa hat es auch und ?ngstigt uns damit, und nur die Mama sagt immer, er solle sich nicht so gehen lassen; aber das ist leicht gesagt… Ich fuhr also auf aus dem Schlaf und schrie, und als ich mich umsah, so gut es eben ging in dem Dunkel, da strich was an meinem Bett vorbei, gerade da, wo Sie jetzt stehen, Johanna, und dann war es weg. Und wenn ich mich recht frage, was es war…“ „Nun was denn, gn?d’ge Frau?“ „Und wenn ich mich recht frage… ich mag es nicht sagen, Johanna… aber ich glaube, der Chinese.“ „Der von oben?“ Und Johanna versuchte zu lachen. „Unser kleiner Chinese, den wir an die Stuhllehne geklebt haben, Christel und ich. Ach, gn?d’ge Frau haben getr?umt, und wenn Sie schon wach waren, so war es doch alles noch aus dem Traum.“ „Ich w?rd es glauben. Aber es war genau derselbe Augenblick, wo Rollo drau?en anschlug, der muss es also auch gesehen haben, und dann flog die T?r auf, und das gute, treue Tier sprang auf mich los, als ob es mich zu retten k?me. Ach, meine liebe Johanna, es war entsetzlich. Und ich so allein, und so jung. Ach, wenn ich doch wen hier h?tte, bei dem ich weinen k?nnte. Aber so weit von Hause… Ach, von Hause…“ „Der Herr kann jede Stunde kommen.“ „Nein, er soll nicht kommen; er soll mich so nicht sehen. Er w?rde mich vielleicht auslachen, und das k?nnt ich ihm nie verzeihen. Denn es war so furchtbar, Johanna… Sie m?ssen nun hier bleiben… Aber lassen Sie Christel schlafen und Friedrich auch. Es soll es keiner wissen.“ „Oder vielleicht kann ich auch die Frau Kruse holen; die schl?ft doch nicht, die sitzt die ganze Nacht da.“ „Nein, nein, die ist selber so was. Das mit dem schwarzen Huhn, das ist auch so was; die darf nicht kommen. Nein, Johanna, Sie bleiben allein hier. Und wie gut, dass Sie die L?den nur angelegt. Sto?en Sie sie auf, recht laut, dass ich einen Ton h?re, einen menschlichen Ton… ich muss es so nennen, wenn es auch sonderbar klingt. Und dann machen Sie das Fenster ein wenig auf, dass ich Luft und Licht habe.“ Johanna tat, wie ihr gehei?en, und Effi fiel in ihre Kissen zur?ck und bald danach in einen lethargischen Schlaf. Zehntes Kapitel Innstetten war erst sechs Uhr fr?h von Varzin zur?ckgekommen und hatte sich, Rollos Liebkosungen abwehrend, so leise wie m?glich in sein Zimmer zur?ckgezogen. Er machte sich’s hier bequem und duldete nur, dass ihn Friedrich mit einer Reisedecke zudeckte. „Wecke mich um neun.“ Und um diese Stunde war er denn auch geweckt worden. Er stand rasch auf und sagte: „Bringe das Fr?hst?ck.“ Êîíåö îçíàêîìèòåëüíîãî ôðàãìåíòà. Òåêñò ïðåäîñòàâëåí ÎÎÎ «ËèòÐåñ». Ïðî÷èòàéòå ýòó êíèãó öåëèêîì, êóïèâ ïîëíóþ ëåãàëüíóþ âåðñèþ (https://www.litres.ru/pages/biblio_book/?art=66547522&lfrom=688855901) íà ËèòÐåñ. Áåçîïàñíî îïëàòèòü êíèãó ìîæíî áàíêîâñêîé êàðòîé Visa, MasterCard, Maestro, ñî ñ÷åòà ìîáèëüíîãî òåëåôîíà, ñ ïëàòåæíîãî òåðìèíàëà, â ñàëîíå ÌÒÑ èëè Ñâÿçíîé, ÷åðåç PayPal, WebMoney, ßíäåêñ.Äåíüãè, QIWI Êîøåëåê, áîíóñíûìè êàðòàìè èëè äðóãèì óäîáíûì Âàì ñïîñîáîì. notes Ïðèìå÷àíèÿ 1 Ïåðñîíàæè ðîìàíà Ôðèòöà Ðîéòåðà „Aus meiner Stromzeit“ (1862–1864), ÷üè èìåíà ñâÿçûâàþòñÿ â ñîçíàíèè Ò. Ôîíòàíå ñ ïðîâèíöèàëüíîé îãðàíè÷åííîñòüþ ñâîèõ ãåðîåâ. 2 Midshipman – (àíãë.) ãàðäåìàðèí 3 Table d’h?te – (ôð.) ñòîë äëÿ ãîñòåé 4 Èçâåñòíûé ìåáåëüíûé ìàãàçèí â Áåðëèíå 5 Òàêîå íàçâàíèå ïîëó÷èë ïàíòåîí, ñîçäàííûé â 1-é ïîëîâèíå XIX â. íåìåöêèì àðõèòåêòîðîì Ëåî ôîí Êëåíöå.  ïàíòåîíå, ñòèëèçîâàííîì ïîä ãðå÷åñêèé õðàì, ìîæíî âèäåòü áþñòû çíàìåíèòûõ ëþäåé Ãåðìàíèè. 6 Ñèä – ìàâðèòàíñêîå ïðîçâèùå èñïàíñêîãî íàöèîíàëüíîãî ãåðîÿ Ðîäðèãî Ðóÿ Äèàñà äå Âèâàðà (1043–1099), ó÷àñòíèêà Ðåêîíêèñòû, âîñïåòîãî â ýïè÷åñêîé ïîýìå «Ïåñíü î Ñèäå». 7 Compreador – (èñï.) Âîèòåëü 8 maudit ch?teau – (ôð.) ïðîêëÿòûé çàìîê
Íàø ëèòåðàòóðíûé æóðíàë Ëó÷øåå ìåñòî äëÿ ðàçìåùåíèÿ ñâîèõ ïðîèçâåäåíèé ìîëîäûìè àâòîðàìè, ïîýòàìè; äëÿ ðåàëèçàöèè ñâîèõ òâîð÷åñêèõ èäåé è äëÿ òîãî, ÷òîáû âàøè ïðîèçâåäåíèÿ ñòàëè ïîïóëÿðíûìè è ÷èòàåìûìè. Åñëè âû, íåèçâåñòíûé ñîâðåìåííûé ïîýò èëè çàèíòåðåñîâàííûé ÷èòàòåëü - Âàñ æä¸ò íàø ëèòåðàòóðíûé æóðíàë.