Êàêîå, â ñóùíîñòè, íåëåïîå çàíÿòèå ïèñàòü ñòèõè: ......................è "ãëàç ëóíû", è "ñîëíöà äèñê" êàê ìèð ñòàðû. ............................Äóøè øèðîêèå îáúÿòèÿ òîëïå íàâñòðå÷ó ðàñïàõíóòü... - ................................................ïîäîáíûé ðèñê ê ÷åìó òåáå? - ........................Ãëóõîé ñòåíîé - íåïîíèìàíèå; ðàçäàâëåí òÿæåñòüþ

Gesicht der Angst

Gesicht der Angst Blake Pierce Ein Zoe Prime Fall #3 “EIN MEISTERWERK DES THRILLER UND KRIMI-GENRES. Blake Pierce gelingt es hervorragend, Charaktere mit so gut beschriebenen psychologischen Facetten zu entwickeln, dass wir das Gef?hl habe, in ihren Gedanken zu sein, ihre ?ngste zu sp?ren und ihre Erfolge zu bejubeln. Dieses Buch voller Wendungen wird Sie bis zur letzten Seite wachhalten.“. –Books and Movie Reviews, Roberto Mattos (?ber Verschwunden) . GESICHT DER ANGST ist das dritte Buch einer neuen FBI Thrillerserie des USA Today Bestsellerautors Blake Price, dessen Nummer 1 Bestseller Verschwunden (Buch 1) (kostenloser Download) ?ber 1.000 F?nfsternebewertungen erhalten hat. . FBI Special Agent Zoe Price leidet an einer seltsamen St?rung, die ihr aber auch ein einzigartiges Talent verleiht – sie betrachtet die Welt durch einen Filter aus Zahlen. Die Zahlen qu?len sie, machen es ihr unm?glich, Zugang zu andern Menschen zu finden, verhindern ein erfolgreiches Beziehungsleben – sie erm?glichen ihr aber auch, Muster zu sehen, die kein anderer FBI Agent sehen kann. Zoe verheimlicht ihr Leiden aus Scham, hat Angst, dass ihre Kollegen es herausfinden k?nnten.? In Los Angeles werden tote Frauen gefunden, ohne ein Muster, abgesehen von der Tatsache, dass sie alle stark t?towiert sind. Nachdem der Fall in einer Sackgasse ist, ruft das FBI Special Agent Zoe Prime hinzu, um ein Muster zu finden, wo andere es nicht k?nnen – und den M?rder aufzuhalten, bevor er erneut zuschl?gt. . Aber Zoe, in Therapie, bek?mpft ihre eigenen D?monen, kann in ihrer Welt, in der sie von Zahlen geplagt wird, kaum funktionieren und ist kurz davor, beim FBI zu k?ndigen. Kann sie wirklich einen Weg in das Gehirn dieses psychotischen M?rders finden, das versteckte Muster entdecken und unversehrt davonkommen?. Gesicht der Angst, Buch 3 einer fesselnden neuen Serie, ist ein actionreicher Thriller voller mitrei?ender Spannung, der Sie bis sp?t in die Nacht an den Seiten kleben lassen wird. . Buch 4 wird bald erh?ltlich sein.. Blake Pierce GESICHT DER ANGST G E S I C H T D E R A N G S T (Ein Zoe Prime Fall—Buch Drei) B L A K E   P I E R C E AUS DEM ENGLISCHEN ?BERSETZT VON D?RTHE RUSSEK Blake Pierce Blake Pierce ist der USA Today Bestseller-Autor der RILEY PAGE Mystery-Serie, die sechzehn B?cher (und es werden noch mehr) umfasst. Blake Pierce ist auch der Autor der Mystery-Serie MACKENZIE WHITE, die dreizehn B?cher umfasst (Tendenz steigend); der Mystery-Serie AVERY BLACK, die sechs B?cher umfasst; der Mystery-Serie KERI LOCKE, die f?nf B?cher umfasst; der Mystery-Serie DAS MAKING OF RILEY PAIGE, die f?nf B?cher umfasst (Tendenz steigend); der Mystery-Serie KATE WISE, die sechs B?cher umfasst (Tendenz steigend); der psychologischen Krimireihe CHLOE FINE, die f?nf B?cher umfasst (Tendenz steigend); der psychologischen Krimireihe JESSIE HUNT, die f?nf B?cher umfasst (Tendenz steigend); der psychologischen Krimireihe AU PAIR, die zwei B?cher umfasst (Tendenz steigend); der Krimireihe ZOE PRIME, die zwei B?cher umfasst (Tendenz steigend); der neuen Krimireihe ADELE SHARP; sowie der neuen und heimeligen Mystery-Serie EUROPEAN VOYAGE. Als begeisterter Leser und lebenslanger Fan der Mystery- und Thriller-Genres liebt es Blake, von Ihnen zu h?ren. Besuchen Sie www.blakepierceauthor.com (http://www.blakepierceauthor.com/), um mehr zu erfahren und in Kontakt zu bleiben. Copyright © 2020 von Blake Pierce. Alle Rechte vorbehalten. Vorbehaltlich der Bestimmungen des U.S. Copyright Acts von 1976 darf kein Teil dieser Ver?ffentlichung ohne vorherige Genehmigung des Autors in irgendeiner Form oder mit irgendwelchen Mitteln reproduziert, verteilt oder ?bertragen, in einer Datenbank oder einem Datenabfragesystem gespeichert werden.  Dieses eBook ist ausschlie?lich f?r Ihre pers?nliche Nutzung lizensiert. Dieses eBook darf nicht weiterverkauft oder an andere Personen weitergegeben werden. Wenn Sie dieses Buch mit einer weiteren Person teilen m?chten, erwerben Sie bitte eine zus?tzliche Ausgabe f?r jeden Empf?nger. Wenn Sie dieses Buch lesen und es nicht erworben haben, oder es nicht ausschlie?lich f?r Ihren Gebrauch erworben wurde, geben Sie es bitte zur?ck und erwerben Ihre eigene Ausgabe. Danke, dass Sie die harte Arbeit dieses Autors respektieren. Es handelt sich hier um eine erfundene Geschichte. Namen, Charaktere, Unternehmen, Organisationen, Orte, Ereignisse und Vorf?lle beruhen entweder auf der Phantasie des Autors oder werden fiktiv verwendet. Jede ?hnlichkeit mit tats?chlichen Personen, ob lebend oder tot, ist v?llig zuf?llig. Titelbild Copyright Tavarius, verwendet mit Lizenz von Shuitterstock.com. B?CHER VON BLAKE PIERCE ADELE SHARP MYSTERY-SERIE NICHTS ALS STERBEN (Buch #1) NICHTS ALS RENNEN (Buch #2) NICHTS ALS VERSTECKEN (Buch #3) DAS AU-PAIR SO GUT WIE VOR?BER (Band #1) SO GUT WIE VERLOREN (Band #2) SO GUT WIE TOT (Band #3) ZOE PRIME KRIMIREIHE GESICHT DES TODES (Band #1) GESICHT DES MORDES (Band #2) GESICHT DER ANGST (Band #3) JESSIE HUNT PSYCHOTHRILLER-SERIE DIE PERFEKTE FRAU (Band #1) DER PERFEKTE BLOCK (Band #2) DAS PERFEKTE HAUS (Band #3) DAS PERFEKTE L?CHELN (Band #4) DIE PERFEKTE L?GE (Band #5) DER PERFEKTE LOOK (Band #6) DIE PERFEKTE AFF?RE (Band #7) DAS PERFEKTE ALIBI (Band #8) CHLOE FINE PSYCHOTHRILLER-SERIE NEBENAN (Band #1) DIE L?GE EINES NACHBARN (Band #2) SACKGASSE (Band #3) STUMMER NACHBAR (Band #4) HEIMKEHR (Band #5) GET?NTE FENSTER (Band #6) KATE WISE MYSTERY-SERIE WENN SIE W?SSTE (Band #1) WENN SIE S?HE (Band #2) WENN SIE RENNEN W?RDE (Band #3) WENN SIE SICH VERSTECKEN W?RDE (Band #4) WENN SIE FLIEHEN W?RDE (Band #5) WENN SIE F?RCHTETE (Band #6) WENN SIE H?RTE (Band #7) DAS MAKING OF RILEY PAIGE MYSTERY-SERIE BEOBACHTET (Band #1) WARTET (Band #2) LOCKT (Band #3) NIMMT (Band #4) LAUERT (Band #5) T?TET (Band #6) RILEY PAIGE MYSTERY-SERIE VERSCHWUNDEN (Band #1) GEFESSELT (Band #2) ERSEHNT (Band #3) GEK?DERT (Band #4) GEJAGT (Band #5) VERZEHRT (Band #6) VERLASSEN (Band #7) ERKALTET (Band #8) VERFOLGT (Band #9) VERLOREN (Band #10) BEGRABEN (Band #11) ?BERFAHREN (Band #12) GEFANGEN (Band #13) RUHEND (Band #14) GEMIEDEN (Band #15) VERMISST (Band #16) AUSERW?HLT (Band #17) EINE RILEY PAIGE KURZGESCHICHTE EINST GEL?ST MACKENZIE WHITE MYSTERY-SERIE BEVOR ER T?TET (Band #1) BEVOR ER SIEHT (Band #2) BEVOR ER BEGEHRT (Band #3) BEVOR ER NIMMT (Band #4) BEVOR ER BRAUCHT (Band #5) EHE ER F?HLT (Band #6) EHE ER S?NDIGT (Band #7) BEVOR ER JAGT (Band #8) VORHER PL?NDERT ER (Band #9) VORHER SEHNT ER SICH (Band #10) VORHER VERF?LLT ER (Band #11) VORHER NEIDET ER (Band #12) VORHER STELLT ER IHNEN NACH (Band #13) VORHER SCHADET ER (Band #14) AVERY BLACK MYSTERY-SERIE DAS MOTIV (Band #1) LAUF (Band #2) VERBORGEN (Band #3) GR?NDE DER ANGST (Band #4) RETTE MICH (Band #5) ANGST (Band #6) KERI LOCKE MYSTERY-SERIE EINE SPUR VON TOD (Band #1) EINE SPUR VON MORD (Band #2) EINE SPUR VON SCHW?CHE (Band #3) EINE SPUR VON VERBRECHEN (Band #4) EINE SPUR VON HOFFNUNG (Band #5) KAPITEL EINS Callie schob ihre H?nde tiefer in die Taschen und hakte ihren Ellenbogen so ein, dass die Handtasche ?ber ihrer Schulter enger gegen ihre Seite gedr?ckt wurde. Es war die Art von Vorsichtsma?nahme, die sie immer traf, wenn sie Javier besuchte, einen Freund von ihr, der ein gro?es Talent f?r Kunst hatte. Sie hatten sich an der Universit?t kennengelernt, und w?hrend Callie bereits gezwungenerma?en ihren B?rojob aus?bte, versuchte Javier zumindest, seine Tr?ume zu verwirklichen. Nat?rlich bedeutete das Leben als K?nstler mit Studentenschulden, dass er nicht im allerbesten Viertel lebte. Es gab Zeiten, in denen sich auch Callie, die eine attraktive junge Frau war, hier nicht sicher f?hlte. Das war der Grund daf?r, warum sie immer Pfefferspray bei sich trug. Beruhigend glitten ihre Finger ?ber die k?hle Au?enseite des Beh?lters in ihrer Tasche. Sie hatte sogar einen Fluchtplan: spr?hen und rennen, je nachdem, wo sie gerade war. Es gab eine kleine Gasse, die sie durchqueren musste, um zu Javis Atelierwohnung zu gelangen, und sie stellte ebenfalls den Wendepunkt dar. Bevor sie diese erreichte, wusste sie, dass der schnellste Weg, der Weg zur?ck zur Hauptstra?e war, dort konnte sie sich in Sicherheit bringen. Hatte sie bereits mehr als die H?lfte der Strecke zur?ckgelegt, musste sie zu Javis T?r rennen und so lange in die Gegensprechanlage schreien, bis er sie hereinlie?. Es war nicht so, dass sie sich den ganzen Weg lang nur Sorgen ?ber potenzielle Gefahren machte. Tats?chlich war es eher das Gegenteil. Callie hatte sich diesen Plan ausgedacht, als sie Javi dort zum zweiten Mal besuchte, und seitdem konnte sie auf dem Weg zu seinem Haus ihren Gedanken nachh?ngen. Sie tr?umte zum Beispiel von ihrem neuen Tattoo, das er f?r sie gezeichnet hatte, und wie es aussehen w?rde. Bereits seit einigen Jahren arbeiteten sie gemeinsam an Entw?rfen. Eigentlich seit ihrem ersten Tattoo. Sie liebte es so sehr, dass sie ihn anflehte, ihr noch ein anderes zu zeichnen. Es w?re bereits das Dritte seiner Designs, das ihren K?rper schm?cken w?rde. Es hatte etwas seltsam Intimes an sich, obwohl sie nie ein Liebespaar gewesen waren. Etwas an der Art und Weise, wie seine Arbeit eine Spur auf ihrer Haut hinterlie?, eine kleine Geste der Rebellion gegen den spie?igen Lebensstil, den sie zweifellos noch jahrzehntelang ertragen musste. Oder vielleicht auch nicht. Vielleicht w?rde sie einen Ausweg finden, um den Dingen nachzugehen, die sie wirklich liebte. Ihr eigenes Unternehmen gr?nden zum Beispiel, auch wenn sie noch nicht wusste, was genau das sein w?rde. Callie konnte immer noch hoffen. Sie ging die Gasse hinunter, vorbei an einer umgest?rzten M?lltonne und einem Graffiti Wandgem?lde, das inzwischen von Kindern mit Spraydosen bespr?ht worden war. Kunst, bedeckt von der Art Schmiererei, die die St?dte ?berhaupt erst dazu brachte, generell gegen Graffiti vorzugehen. Es war eine Schande. Die kalifornische Sonne, die ihr eben noch ins Gesicht geschienen hatte, verschwand und wurde durch den k?hlen Schatten der hohen Geb?ude ersetzt, sodass sich ihre Augen erst an die neue Dunkelheit gew?hnen mussten. Am anderen Ende der Gasse erschien ein Mann, der in ihre Richtung kam. Callie merkte, wie sich ihr K?rper versteifte, und sie beobachtete ihn, w?hrend sie versuchte, neben ihn auf den Boden schaute. Er hatte die Kapuze seines Pullovers ?ber den Kopf gezogen, das Gesicht im Schatten, die H?nde tief in die Taschen gesteckt, genau wie sie. Sie konnte nicht viel von ihm erkennen. Das war an einem solchen Ort ein schlechtes Zeichen. Er schien nicht erkannt werden zu wollen. Ein wirklich schlechtes Zeichen. Callies Finger schlossen sich um das Pfefferspray in ihrer Tasche, ihre Armmuskeln verkrampften sich, als sie daran dachte, es zu benutzen. Sie k?nnte das Spray mit einer schnellen Bewegung herausziehen und auf sein Gesicht zielen und spr?hen. Mit ihrem Zeigefinger fand sie die D?se und brachte es in ihrer Tasche bereits in die richtige Position. Spr?hen und rennen. Sie beschleunigte ihr Tempo. Je schneller sie an ihm vorbeikam, desto weniger Chancen h?tte er, die Oberhand zu gewinnen, dachte sie. Sie blickte auf den Abstand zwischen ihnen und ?berlegte. Ein Blick in den Himmel. War sie schon auf halber Strecke? W?re es schneller, vorw?rts oder zur?ckzulaufen? Javi erwartete sie. Wenn sie zu ihm lief, w?rde er sie vielleicht schneller hereinlassen. Ja, sie w?rde zu Javi rennen. Sie hielt den Atem an, als der Mann n?herkam, und versuchte, weiterzugehen, ohne sich etwas anmerken zu lassen, das Pfefferspray weiterhin fest umklammert. Sie war vorbereitet, bereit zu spr?hen. Der Mann ging einfach an ihr vorbei. Callie atmete wieder auf und ?rgerte sich dar?ber, wie paranoid sie war. So erging es Menschen, die ?ber vorbereitet waren. Die zu viel dar?ber nachdachten, m?glicherweise in Gassen angegriffen zu werden. Javi w?rde bestimmt dar?ber lachen. Sie w?rde es ihm erz?hlen, auch wenn es peinlich war. Er w?rde lachen und ihr sagen, dass er sie vor gro?en, furchterregenden M?nnern besch?tzen w?rde. Es w?rde ihre Beziehung nur noch verst?rken. Pl?tzlich wurde Callie aus dem Gleichgewicht gebracht, gerade als sie wieder normal atmen konnte. Es kam von hinten. Er, dachte sie. Es musste der Mann sein. Er hatte sie an den Schultern gepackt, einen seiner Arme um sie gelegt und zog sie zu sich. Sie stand mit dem R?cken zu ihm. Ihre Schulterbl?tter kollidierten mit seiner Brust, und etwas zog an ihrem Hals, etwas Scharfes. Sie wollte um Hilfe schreien, nach Javi schreien, ?berhaupt schreien, aber als sie es versuchte, sprudelte die Luft nur durch ihren Hals, durch die neue ?ffnung, f?r die er verantwortlich war. Er hatte ihr die Kehle durchgeschnitten. Etwas Hei?es str?mte ?ber ihre Brust – sie wusste, was es war – ihr eigenes Blut. In diesem Moment wusste Callie Everard, dass sie sterben w?rde. Noch nie zuvor war ihr etwas so klar gewesen. Sie starb. Es geschah jetzt, in diesem Moment. Sie w?rde Javi nie wieder sehen, um das neue Tattoo-Design zu bekommen, sie w?rde nie ihrem Traum folgen, ihr eigener Chef zu sein, und sie w?rde nie den Mercedes besitzen, den sie sich ertr?umt hatte, seitdem sie gelesen hatte, dass ein ber?hmter Moderedakteur ebenso einen Mercedes fuhr. Callies H?nde umklammerten ihre Kehle, konnten sich aber aufgrund des vielen Blutes nicht wirklich festhalten. Sie f?hlte die R?nder der neuen ?ffnung, deren Position f?r ihre suchenden Finger keinen Sinn ergab. Callie fiel, ohne zu wissen, dass sie es tat, bis sie registrierte, dass sie in den Himmel schaute und deshalb auf dem R?cken liegen musste. Sie strengte sich ein letztes Mal an, um ein Ger?usch zu machen, saugte verzweifelt Luft durch ihren offenen Mund ein und versuchte, sie mit einem Schrei wieder auszusto?en. Alles, was sie h?rte, war ein weiterer Schwall von Blut aus ihrer Wunde, durch die der Sauerstoff heraussprudelte, der nicht einmal mehr ihre Lungen erreichte. Es dauerte nur noch einen Augenblick, bis Callie ?berhaupt nichts mehr sah und aufh?rte zu atmen, und dann war es nur noch ihr K?rper, der verlassen in der Gasse lag. Eine H?lle. Ihre Seele oder ihr Bewusstsein oder was auch immer es war, das Callie ausgemacht hatte, war l?ngst weg. KAPITEL ZWEI Zoe stellte ihr Glas auf den Tisch und versuchte, nicht die Wassermenge zu berechnen, die noch darin war. Sie hatte den Kampf nat?rlich bereits verloren. Sie sah immer, ?berall Zahlen, ob sie wollte oder nicht. „Woran denkst du?“ „Hm?“ Zoe blickte schuldbewusst auf und sah in Johns wartende, braune Augen. Sie erwartete, dass er die Geduld verlieren w?rde, aber sie hatte es noch nie geschafft, ihn so weit zu treiben. Stattdessen schenkte er ihr ein sanftes L?cheln. Es war ein schiefes L?cheln, das auf der rechten Seite seines Gesichts h?her war als auf der linken. Er schien sie immer auf diese Art und Weise anzul?cheln und ihr schien es, als w?rde er ihr damit f?r das eine oder andere vergeben. Zoe war sich nicht sicher, ob sie es verdiente. „Wor?ber denkst du nach?“, fragte John. Zoe versuchte, so zu auszusehen, als w?re alles in Ordnung. „Ach, nichts“, sagte sie, und hatte dann das Gef?hl, dass dies vielleicht nicht die beste Antwort war: „Nur Arbeitskram.“ „Du kannst mir ruhig davon erz?hlen“, sagte John und legte seine Hand auf ihre, die auf dem Tisch lag. Sie f?hlte seinen gleichm??igen Herzschlag durch seinen Daumen, an der Stelle, an der er auf ihre Haut dr?ckte. Er war langsamer als ihrer. Bei weitem langsamer. Gro?artig. Zoe hatte sich eine schnelle Ausrede ausgedacht, und nun fragte er nach Einzelheiten. Was sollte sie jetzt tun? „Es ist ein offener Fall“, sagte sie, zuckte die Achseln und hoffte, dass er es ihr abkaufen w?rde. „Ich kann nicht wirklich ?ber die Details sprechen, bevor es zur Verhandlung kommt.“ John nickte und schien sich damit abzufinden. Zoe atmete innerlich erleichtert auf. Sie musste sich konzentrieren, nicht die viermal, die sein Kopf in einem Winkel von drei?ig Grad nach vorne gekippt war, mitzuz?hlen, oder wie sehr sein gepflegtes braunes Haar im Licht gl?nzte, oder die sechs Gl?ser, die die eins siebzig gro?e Kellnerin auf einem Tablett an ihnen vorbeitrug, oder die … Zoe blinzelte und versuchte, ihre Augen und Ohren wieder auf John zu richten und zuzuh?ren, was er sagte. „Also musste ich ihm sagen: ‚Tut mir leid, Mike, aber ich habe heute Abend schon ein Date‘“, lachte er. Zoe runzelte die Stirn. „Du h?ttest das Date auch verschieben k?nnen, falls du was Besseres vorgehabt h?ttest“, sagte sie. „H?tte mir nichts ausgemacht.“ „Was? Nein!“, sagte John, lehnte sich kurz zur?ck und griff dann wieder nach ihrer Hand. „Oh Gott, nein, Zoe. Ich habe mich so darauf gefreut, dich wiederzusehen. Das war nur – ich war nur sarkastisch. Oder ironisch, oder so. Ich vergesse immer, was was ist. Ehrlich, ich w?rde ein Date mit dir immer der Arbeit vorziehen.“ Zoe sah auf ihren Teller hinunter, der inzwischen leer war von den ausgezeichneten Lachsrouladen in Zitronenbutter, die ihr Hauptgericht gewesen waren. Dies war einer der beliebtesten Orte in Washington, D.C. f?r eine Verabredung zum Essen, und sie konnte sich kaum daran erinnern, ?berhaupt etwas gegessen zu haben. Sie war sich nicht sicher, ob John jemals an erster Stelle bei ihr stehen w?rde. Schlie?lich war sie FBI-Agentin. Man erwartete von ihr, dass sie ihr Leben aufgab, um einen Fall zu verfolgen, nicht andersherum. Sie strich sich eine Str?hne ihres kurzen braunen Haares hinters Ohr und f?hlte dabei, dass es einen Zentimeter l?nger war, als sie es gerne h?tte. In letzter Zeit war alles sehr hektisch gewesen. Keine Zeit f?r die allt?glichen Aufgaben des Lebens. „Ich verstehe es nat?rlich, dass du manchmal absagen musst“, sagte John und nippte nonchalant an seinem Wein, als h?tte er gerade ihre Gedanken gelesen. „Du musst Serienm?rder davon abhalten, sich auszuleben. Dein Job ist wichtig. Niemand wird sich aufregen, wenn ich nicht die ganze Nacht im B?ro bleibe und versuche, herauszufinden, ob es Gemeinsamkeiten in drei verschiedenen Gutachten aus dem 19. Jahrhundert gibt, die sich auf den Fall meines Klienten auswirken k?nnten. Au?er vielleicht mein Klient, und er wird nur von der ausgezeichneten Stimmung profitieren, in der ich morgen aufwachen werde, weil ich heute meinen Abend mit dir verbracht habe.“ „Du bist so nett zu mir“, sagte Zoe zu ihm. „Immer. Ich verstehe nicht, warum.“ Es stimmte, das tat sie wirklich nicht. Ihre erste Verabredung hatte sie v?llig vermasselt, und bei der zweiten hatte sie ihn in ein Krankenhaus geschleppt, um zu versuchen, die Akten eines potenziellen M?rders zur?ckzuverfolgen. Er hatte in der K?lte auf sie gewartet, weil sie, v?llig in Gedanken, vergessen hatte, ihm zu sagen, dass sie den Weg nach Hause selbst finden w?rde. Nicht viele M?nner h?tten sich ?berhaupt auf ein drittes Date eingelassen und dies war bereits ihr f?nftes. „Du musst es nicht verstehen“, sagte John und gl?ttete zum elften Mal in dieser Nacht seine Krawatte, eine Geste, die ihr schon ?fter aufgefallen war. „Du musst nur meine Meinung dar?ber akzeptieren, dass du es verdient hast. Ich bin gar nicht zu nett. Ich bin nur nett genug. Eigentlich k?nnte ich sogar noch netter sein.“ „Du k?nntest nicht noch netter sein. Das w?re gegen alle Gesetze der Physik und der Natur.“ „Na ja, wer braucht die denn schon?“ John schenkte ihr wieder sein strahlendes L?cheln und lehnte sich zur?ck, als der Kellner ihre leeren Teller einsammelte. „Woran arbeitest du denn gerade?“, fragte sie und wollte versuchen, sich mehr f?r sein Leben zu interessieren. Er war immer so aufmerksam und fragte nach ihrem Leben. Vermasselte sie jetzt wieder alles? Sie vermasselte es, oder? „Wie gesagt, es geht um vererbte Grundst?cksgrenzen“, sagte John und runzelte verwirrt die Stirn. „Bist du sicher, dass es dir gut geht?“ Zoe schaute ihn an, sah, dass die Pupillen in seinen Augen im ged?mpften Licht des Restaurants nur leicht geweitet waren, und h?rte den Viervierteltakt der sanften Klaviermusik im Hintergrund und wie sich jede Note, eine aufw?rts, eine abw?rts, eine aufw?rts, eine halbe Note aufw?rts, eine abw?rts, bewegte. Wenn sie doch nur die Zahlen ausschalten oder zumindest ihre Lautst?rke d?mpfen k?nnte. Sie musste sich auf John konzentrieren und auf das, was er ihr erz?hlte, aber ihr Gehirn h?rte einfach nicht auf. Aber sie wollte, dass es aufh?rte. Alles drehte sich und sie war sich nicht mehr sicher, ob sie die Kontrolle zur?ckgewinnen konnte. „Ich bin wohl ein wenig m?de“, sagte sie. Diese Ausrede schien ihr halbwegs akzeptabel zu sein. Falls es ?berhaupt eine angemessene Entschuldigung daf?r gab, ihm nicht ihre volle Aufmerksamkeit zu schenken. Er hatte keine Ahnung davon, dass sie ?berall und in allem Zahlen sehen konnte, und sie hatte nicht vor, es ihm zu sagen. Nicht f?r die vierzehnhundertdreiundf?nfzig Dollar und neunzehn Cent an Speisen und Getr?nken, die in den H?nden des Personals an ihrem Tisch vorbeigetragen wurden, seit sie sich vor einer Stunde und dreizehn Minuten hingesetzt hatten. „Ich hatte einen wunderbaren Abend“, sagte sie. Das Schlimmste daran war, dass sie es ernst meinte. Wenn John die ganze Zeit damit verbrachte, ihr entgegenzukommen und ihr ein gutes Gef?hl zu geben, warum konnte sie ihm dann nicht wenigstens zuh?ren? „Ich hatte eine schreckliche Zeit. Sollen wir das n?chste Woche wiederholen?“, sagte er und wischte sich sein L?cheln mit einer Serviette ab. Obwohl er sie ansah und seine Augen dabei verschmitzt funkelten, was irgendwie zu seinem schiefen Mund passte, brauchte sie einen Moment, um zu erkennen, dass er scherzte. Die Worte trafen sie bis ins Mark und kurz dachte sie, dass sie wieder alles ruiniert hatte. „Das w?re sehr sch?n“, sagte Zoe, nickte und verbarg ihr Gef?hlschaos. „N?chste Woche also.“ Sie stand auf, um zu gehen, da sie inzwischen wusste, dass er es nicht zulie?, dass sie ihre achtundneunzig Dollar und zweiunddrei?ig Cent plus Trinkgeld, selbst bezahlte. Obwohl es ihr durch den Kopf schoss, sagte sie nicht laut, dass sie ihr n?chstes Date nur mit Gl?ck einhalten konnte. Ein aktiver Agent zu sein bedeutete, dass man nie wusste, wann der n?chste Fall kam oder wohin man als N?chstes gehen musste. Wer wusste schon, wo sie n?chste Woche um diese Zeit sein w?rde? In genau diesem Moment machte ihr n?chster M?rder wahrscheinlich schon seine Arbeit, stellte ihnen ein R?tsel, und es bestand immer die M?glichkeit, dass der n?chste Fall derjenige sein w?rde, den sie nicht l?sen konnte. Zoe k?mpfte gegen das ungute Gef?hl in ihrem Bauch an, das sie davon ?berzeugen wollte, was sie eigentlich schon wusste: N?chste Woche um diese Zeit w?rde sie tief in einen Fall verwickelt sein, der alle anderen zuvor wie ein Kinderspiel aussehen lie?e. KAPITEL DREI Zoe ?nderte ihre Sitzposition und machte es sich in dem gem?tlichen, alten Sessel bequem. Sie gew?hnte sich langsam daran, hier zu sitzen und so seltsam es selbst f?r ihre eigenen Ohren klang, sie gew?hnte sich an die Therapie. Mit jemandem Woche f?r Woche ?ber ihre pers?nlichen Probleme zu sprechen, kam, zumindest fr?her, Zoes Vorstellung der H?lle, sehr nah, aber Dr. Lauren Monk auf ihrer Seite zu haben, war bisher gar nicht so schlecht gewesen. Schlie?lich war Dr. Monk diejenige, die sie dazu ermutigt hatte, sich ?fter mit John zu treffen, und das war, zumindest bis jetzt, eine sehr gute Entscheidung gewesen. Jedenfalls von ihrer Seite aus. Sie begann sich zu fragen, ob John das wohl auch sagen w?rde. „Also, erz?hlen sie mir von ihrer Verabredung. Wie lief es?“, fragte Dr. Monk und legte sich ihr Notizbuch auf ihren Knien zurecht. Zoe seufzte. „Ich konnte mich einfach nicht konzentrieren“, sagte sie. „Die Zahlen gewannen wieder die Oberhand. Das war alles, woran ich denken konnte. Ich verpasste ganze S?tze seiner Unterhaltung. Ich wollte ihm meine volle Aufmerksamkeit schenken, aber ich konnte es nicht abstellen.“ Dr. Monk nickte ernst und legte ihre Hand ans Kinn. Seit der Sitzung, in der Zoe ?ber ihre Syn?sthesie – der F?higkeit, ?berall und in allem Zahlen zu sehen, wie die Tatsache, dass Dr. Monks Stift wegen des leichten 15-Grad-Neigungswinkels, in dem sie ihn auf ihrem Finger balancierte, ?berdurchschnittlich schwer war – geredet hatte, fand sie die Therapie noch hilfreicher. Sie war in vielerlei Hinsicht befreiend, und half ihr zugeben zu k?nnen, was vor sich ging und wie sie damit zu k?mpfen hatte. Es gab nur wenige Menschen auf der Welt, die von Zoes Syn?sthesie wussten. Es gab Dr. Monk und Dr. Francesca Applewhite, die seit der Uni, Zoes Mentorin war und dann war da noch ihre Partnerin beim FBI, Special Agent Shelley Rose. Da waren auch schon alle. Sie brauchte nicht einmal alle Finger ihrer Hand, um sie zu z?hlen. Das waren die einzigen Menschen, denen sie seit ihrer ersten Diagnose (von einem Arzt, den sie seither nicht mehr gesehen hatte) genug vertraut hatte, um es ihnen zu erz?hlen. Das hatte sie bewusst getan. Lange Zeit hatte sie geglaubt, dass es vielleicht einen Weg geben w?rde, vor der F?higkeit, die ihre Mutter Teufelszauberei nannte, davonzulaufen oder sie zu ignorieren. Solange sie ihr allerdings dabei half, Verbrechen aufzukl?ren, war sich Zoe nicht sicher, ob sie sie wirklich vollst?ndig loswerden wollte. Nicht mehr. Es w?re nur praktisch, wenn sie nicht so stark auftreten w?rde, wenn sie versuchte, eine romantische Beziehung zu f?hren, f?r die nun wirklich keine spezifischen Messungen von Fl?ssigkeit in einem Glas oder die Berechnung der Entfernung zwischen Johns Augen, notwendig war. „Was hilfreich sein, k?nnte, ist, wenn wir uns gemeinsam einige Wege ausdenken, die Ihnen helfen k?nnten, die Lautst?rke herunterzudrehen, ihr Gehirn sozusagen leiser zu stellen“, sagte Dr. Monk. „W?rden sie sich damit gerne n?her besch?ftigen?“ Zoe nickte, erschrocken ?ber den Klo? im Hals, bei dem Gedanken an diese M?glichkeit. „Ja“, brachte sie dann heraus. „Das w?re gro?artig.“ „In Ordnung.“ Dr. Monk dachte einen Augenblick nach und tippe abwesend mit dem Stift gegen ihr Schl?sselbein. Zoe war diese Angewohnheit schon aufgefallen, es handelte sich immer um eine gerade Anzahl von Klopfern. „Warum tun sie das?“, platzte es aus ihr heraus. Noch im gleichen Moment bereute sie ihre Frage, peinlich ber?hrt. Dr. Monk schaute sie ?berrascht an. „Sie meinen das Klopfen auf mein Schl?sselbein?“ „Tut mir leid. Das ist pers?nlich. Sie m?ssen es mir nicht sagen.“ Dr. Monk l?chelte. „Es macht mir nichts aus. Es ist etwas, dass ich als Studentin aufgeschnappt habe. Es ist eine Art Beruhigungs?bung.“ Zoe runzelte die Stirn. „F?hlen sie sich gerade gestresst?“ „Nein, das tue ich nicht. Es ist inzwischen zur Gewohnheit geworden, wenn ich nachdenke. Es erlaubt mir, in einen Zen-Zustand hinabzusteigen. Als ich j?nger war, bekam ich oft Panikattacken. Hatten sie jemals eine Panikattacke, Zoe?“ Zoe dachte nach und versuchte herauszufinden, was wohl als Panikattacke z?hlte. „Ich glaube nicht.“ „Egal, ob es sich um eine vollst?ndige Panikattacke oder um etwas weniger Schwerwiegendes handelt, wir brauchen etwas, das sie beruhigt und sie die Zahlen ausblenden l?sst. Wir wollen, dass ihr Verstand aufh?rt zu rasen, damit sie sich auf eine Sache nach der anderen konzentrieren k?nnen.“ Zoe nickte und fuhr mit den Fingern ?ber die Risse im Leder ihres Stuhls. „Das w?re sch?n.“ „Lassen sie uns mit einer meditativen ?bung beginnen. Ich denke, sie sollten damit beginnen, jeden Abend, vielleicht kurz vor dem Schlafengehen, eine Meditations?bung zu machen. Das wird ihnen eine dauerhafte Hilfe sein, mit der sie lernen, ihren Geist zu kontrollieren. Es ist keine Sofortl?sung, aber wenn sie dranbleiben, werden sie bald Ergebnisse sehen. Soweit alles klar?“ Zoe nickte stumm. „Okay. Passen sie gut auf. Ich m?chte, dass sie es jetzt gleich ausprobieren, und dann k?nnen sie es heute Abend alleine ?ben. Beginnen sie damit, ihre Augen zu schlie?en und ihre Atemz?ge zu z?hlen. Versuchen sie, alles andere aus ihrem Kopf zu verbannen.“ Zoe schloss die Augen und begann, tief einzuatmen. Eins, dachte sie. Zwei. „In Ordnung. Sobald sie bei zehn angelangt sind, fangen sie einfach wieder bei eins an. Z?hlen sie nicht weiter. Sie wollen einfach nur so lange die Atemz?ge z?hlen, bis sie sich entspannt f?hlen.“ Zoe versuchte, alle anderen Gedanken aus ihrem Kopf zu zwingen. Es fiel ihr sehr schwer. Ihr Gehirn wollte ihr sagen, dass ihr rechtes Bein juckte oder dass sie Dr. Monks Kaffee riechen konnte, oder es erinnerte sie daran, wie seltsam es war, mit geschlossenen Augen in einem B?ro zu sitzen. Dann wollte es sie davon ?berzeugen, dass sie die ?bung falsch machte und sich ablenken lie?. Atmete sie ?berhaupt im richtigen Tempo? Wie schnell sollte man ?berhaupt atmen? Machte sie es richtig? Was, wenn sie die ganze Zeit falsch geatmet h?tte? Ihr ganzes Leben lang? Woher sollte sie das wissen? Trotz ihrer Zweifel versuchte sie bei der Sache zu bleiben und begann schlie?lich, sich zu entspannen. „Sie machen das gro?artig“, sagte Dr. Monk, ihre Stimme jetzt leiser und tiefer. „Jetzt m?chte ich, dass sie sich einen Himmel vorstellen. Sie sitzen und schauen in den Himmel. Wundersch?nes Blau, nur eine kleine Wolke, die oben vorbeizieht, sonst nichts am Horizont. Sie erstreckt sich ?ber ein ruhiges blaues Meer. K?nnen sie das sehen?“ Zoe konnte sich generell nicht besonders gut Dinge vorstellen, aber sie erinnerte sich an ein Bild, das sie k?rzlich gesehen hatte, eine Werbung f?r ein Reiseunternehmen. Eine Familie, die fr?hlich im Sand spielte, ein unm?glich blaues Paradies hinter sich. Sie stellte sich vor, dort zu sein und konzentrierte sich darauf. Sie nickte ein wenig, um Dr. Monk wissen zu lassen, dass sie bereit war, weiterzumachen. „Gut. Sp?ren sie die W?rme der Sonne auf ihrem Gesicht und ihren Schultern. Es ist ein sch?ner Tag. Nur eine leichte Brise, genau die Art von Wetter, die sie sich w?nschen w?rden. Sie sitzen in einem kleinen aufblasbaren Boot, direkt vor der K?ste. K?nnen sie sp?ren, wie es sanft im Meer schaukelt. Es ist so friedlich und ruhig. Ist die Sonne nicht wunderbar?“ Normalerweise h?tte Zoe ?ber so etwas gelacht, aber sie tat, was ihr gesagt wurde, und fast konnte sie es sogar sp?ren. Echte Sonne, die ihr ins Gesicht schien. Nicht zu aggressiv: Die Art von Sonne, die einen glauben lie?, man w?rde braun werden und nicht die, von der man Hautkrebs bekam. Hautkrebs. Sie h?tte nicht an Hautkrebs denken sollen. Konzentriere dich, Zoe. Schaukel in der Str?mung. „Schauen sie mal zur Seite. Sie k?nnen die Insel hinter ihnen sehen. Den Strand, von dem sie gerade kommen, und dahinter den Rest des Paradieses. Was sehen sie?“ Zoe wusste genau, was sie sah, als sie dorthin schaute: ein weiteres Bild aus einer Reisereklame. Einen Ort, den sie schon immer hatte sehen wollen. In der Reklame wurde es als Flitterwochenziel beworben, aber sie war damals Single gewesen, und hatte sich dadurch nur noch einsamer gef?hlt. „Goldener Sand“, sagte sie, der Klang ihrer eigenen Stimme war seltsam weit entfernt und ungewohnt. „Dann ?ppiges Gestr?pp. Dahinter ragen tropische B?ume bis in den Himmel, drei Meter und h?her. Die Sonne f?llt in einem harten Winkel, die Schatten sind nur einen halben Meter lang. Ich kann nicht ?ber sie hinaussehen. Ein Baum lehnt in einem f?nfundvierzig Grad Winkel ?ber dem Wasser, darunter ist eine zwei Meter lange H?ngematte gespannt. Sie ist leer.“ „Versuchen sie, sich mehr auf die Szene als auf die Zahlen zu konzentrieren. Jetzt h?ren sie genau hin. H?ren sie, wie die Wellen sanft in den Sand schlagen? K?nnen sie die V?gel h?ren?“ Zoe atmete tief ein und lie? die neuen Empfindungen ?ber sich ergehen. „Ja“, sagte sie. „Es sind, glaube ich Papageien. Die Wellen kommen in Abst?nden von drei Sekunden. Die V?gel rufen alle f?nf Sekunden.“ „Sp?ren sie die warme Sonne auf ihrem Gesicht. Sie k?nnen ihre Augen schlie?en und aufh?ren zu z?hlen. Sie sind hier sicher.“ Zoe atmete und beobachtete die Insel, noch immer in Gedanken. Ihre Augen wanderten weiter zur H?ngematte. F?r wen die wohl war? F?r sich selbst, oder w?rde sich ihr eines Tages jemand anschlie?en? John? Wollte sie ihn dort haben, auf ihrer pers?nlichen Insel? Die Gr??e w?re gut f?r einen Mann. Sie selbst war nur 1,70 m gro?. Die H?ngematte hing sechzig Zentimeter ?ber dem Wasser. „Das ist gro?artig, Zoe. Jetzt m?chte ich, dass sie sich wieder auf Ihre Atmung konzentrieren. Z?hlen sie von zehn abw?rts, genau wie vorher, aber in umgekehrter Reihenfolge. Dabei m?chte ich, dass sie langsam von ihrer Insel zur?ckkommen. Lassen sie sie langsam verschwinden und wachen sie nach und nach wieder auf. Langsam. So ist es gut.“ Zoe ?ffnete die Augen, ein wenig verlegen, wie viel ruhiger sie sich f?hlte. Jetzt erst wurde ihr bewusst, wie seltsam es schien, auf einer kleinen Insel in ihrem Kopf zu sein, w?hrend ihre Therapeutin ihr dabei zusah, wie sie einfach nur in einem Sessel sa?. „Das haben sie wirklich gut gemacht.“ Dr. Monk l?chelte. „Wie f?hlen sie sich jetzt?“ Zoe nickte. „Ruhiger.“ Trotzdem empfand sie Zweifel. Die Zahlen waren da gewesen. Sie waren ihr gefolgt, sogar in diesen Raum. Was w?re, wenn sie sie nie wieder losw?rde? „Es ist ein guter Anfang. Es wird immer beruhigender, je ?fter sie die ?bung machen. Das ist eine gro?artige Sache, denn es kann ein ruhiger Ort sein, an den man immer dann zur?ckkehrt, wenn man sich gestresst oder ?berfordert f?hlt.“ Dr. Monk strich ein paar Notizen aus ihrem Buch, wobei ihr Stift schnelle und krakelige Linien zog, die Zoe nicht erraten konnte. „Was, wenn ich die Zahlen schneller aus meinem Kopf bekommen muss? Zum Beispiel in einer Notsituation?“, fragte Zoe. „Oder wenn ich der anderen Person nicht sagen kann, warum ich mich beruhigen muss?“ Dr. Monk nickte. „Versuchen sie einfach, ihre Atemz?ge zu z?hlen, so wie sie es getan haben, um in die Meditation einzutreten. Wir m?ssen das in einem realen Szenario ausprobieren, aber ich glaube, dass das Z?hlen einer Sache, in diesem Fall ihres Atems, es ihnen erlauben k?nnte, die Zahlen an anderer Stelle nicht mehr zu sehen. Es ist eine Ablenkungstaktik, die Zahlenseite Ihres Gehirns besch?ftigt zu halten, w?hrend sie sich auf etwas anderes konzentrieren.“ Zoe nickte und versuchte, diesen Gedanken festzuhalten. „Okay.“ „Jetzt dazu, Zoe, dass sie den Menschen nicht erkl?ren wollen, warum sie die Zahlen ausblenden m?ssen, oder die Tatsache, dass sie sie ?berhaupt sehen k?nnen. Warum sind sie immer noch entschlossen, dieses Geschenk zu verstecken?“, fragte Dr. Monk und neigte den Kopf so, dass Zoe erkannte, dass dies einen Kurswechsel bedeutete. Sie bem?hte sich, eine passende Antwort zu finden. Wobei, eigentlich musste sie nicht wirklich suchen: Sie kannte den Grund. Es gab eine Angst, die sie seit ihrer Kindheit verfolgte, verst?rkt durch die geschrienen W?rter „Teufelskind“ und die erzwungenen Gebetssitzungen, die sie die ganze Nacht auf den Knien hielten und ihr w?nschten, dass die Zahlen verschwinden w?rden. Es war einfach schwer, das laut auszusprechen. „Ich will einfach nicht, dass die Leute es wissen“, sagte sie und zupfte einen imagin?ren Fussel von ihrer Hose. „Aber warum ist das so, Zoe?“, bohrte Dr. Monk weiter. „Sie haben da eine wunderbare F?higkeit. Warum wollen sie sie nicht mit anderen teilen?“ Zoe k?mpfte. „Ich … m?chte nicht, dass sie anders ?ber mich denken.“ „Haben sie Angst, dass ihre Kollegen sie anders wahrnehmen, als sie es jetzt tun?“ „Ja. Vielleicht …“ Zoe z?gerte und zuckte mit den Schultern. „Vielleicht w?rden sie versuchen, es gegen mich zu benutzen. Es auf irgendeine Weise auszunutzen. Ich m?chte keine Marionette sein, die von jemand anderem benutzt wird. Oder das Opfer von Streichen. Oder eine Art Theaterst?ck, das Leute testen k?nnen.“ Dr. Monk nickte. „Das verstehe ich. Sind sie sicher, dass das alles ist, wovor sie Angst haben?“ Zoe kannte die Antwort. Sie fl?sterte sie sogar in ihren Kopf. Ich habe Angst, dass sie alle wissen werden – dass sie sehen werden, dass ich nicht normal bin. Ich geh?re nicht zu ihnen. Ich bin eine Laune der Natur. Ich habe Angst, dass sie mich daf?r hassen werden. „Ja, ich bin mir sicher“, sagte sie dann laut. Dr. Monk musterte sie einen Moment lang, und Zoe war sich sicher, dass ihr Spiel jetzt vorbei war. Dr. Monk war Therapeutin – nat?rlich konnte sie erkennen, wenn jemand sie anlog. Sie w?rde immer weiter bohren und Zoe dazu bringen, die geheime Angst auszusprechen, die sie so lange Zeit tief in sich vergraben hatte. Aber sie schloss nur ihr Notizbuch und legte es vorsichtig auf ihren Schreibtisch, wobei sie ein strahlendes L?cheln aufsetzte. „Wir haben heute fantastische Fortschritte gemacht, Zoe. Wir sind am Ende unserer Sitzung, also bitte denken sie daran, die Meditation in ihre abendlichen Gewohnheiten einzubauen, und versuchen sie, daran festzuhalten. Ich w?rde gerne h?ren, ob sie Fortschritte gemacht haben, wenn wir uns das n?chste Mal treffen.“ Zoe stand auf, bedankte sich und ging mit dem Gef?hl, dass die Zeit sie noch einmal gerettet hatte. Dann h?rte sie ein Klingeln, das aus ihrer Tasche kam. Als sie durchs Wartezimmer ging, kramte sie ihr Handy aus der Tasche und sah Shelleys Namen auf dem Bildschirm. „Special Agent Zoe Prime“, sagte sie. Es f?hlte sich gut an, die richtige, offizielle Anrede zu benutzen, selbst wenn sie wusste, wer anrief. „Z, ich bin's. Der Chef m?chte, dass du sofort zum Flughafen kommst. Wir haben einen Fall in LA. Nimm eine Tasche f?r die Nacht mit, ich treffe dich dort.“ „Wie lange habe ich noch?“, fragte Zoe. „45 Minuten, dann fliegen wir.“ „Bis gleich“, sagte Zoe. Sie legte auf und ging zielstrebig durch den Flur und rechnete aus, wie viel Zeit sie zum Packen h?tte, wenn sie die Fahrtzeit zum Flughafen mit einkalkulierte. Innerlich freute sie sich, nur ein wenig. Ihr letzter Fall war bereits eine Weile her, in der Zwischenzeit gab es nur Papierkram, Gerichtstermine und viel B?rokratie. Auch wenn sie nicht gerade gl?cklich dar?ber war, dass jemand gestorben war, w?re es gut, in einen sch?nen, einfachen Mordfall verwickelt zu werden. Mental dr?ckte sie sich selbst die Daumen, dass sie den auch bekommen w?rde. KAPITEL VIER Zoe blickte aus dem Fenster und beobachtete die Wolken, die unter dem Fl?gel des Flugzeugs vorbeizogen. Eigentlich sollte sie sich dabei gut und ruhig f?hlen, schlie?lich gab es nichts zu z?hlen. Aber sie mochte das Gef?hl nicht, so hoch in der Luft zu sein, und das w?rde sie auch nie. Sie hasste den Gedanken, dass jemand anderes die volle Kontrolle ?ber ihr Leben hatte und damit die Verantwortung trug. „Der zust?ndige Special Agent Maitland lie? uns diese Akten bereits zukommen“, sagte Shelley und holte ein paar Ordner hervor, um Zoes Aufmerksamkeit zu erregen. Zoe drehte sich vom Fenster weg und blinzelte ein paar Mal, um sich zu konzentrieren. „Okay, und was genau sehen wir uns hier an, das so dringend ist, dass es nicht bis zu einer pers?nlichen Einsatzbesprechung warten konnte?“ Shelleys blonde Haare waren zu einem ordentlichen Knoten an ihrem Hinterkopf zusammengesteckt, ihr Make-up war so gepflegt und pr?zise wie immer. Zoe fragte sich kurz, wie sie es immer schaffte, so perfekt auszusehen, sogar mit einem kleinen Kind zu Hause, und selbst dann, wenn sie schnell zum Flughafen musste. „Es gibt zwei Opfer“, sagte Shelley. Sie breitete die Akten vor ihnen aus. „Offensichtlich hatte das Team vor Ort das Gef?hl, dass sie ohne die Hilfe des FBI nichts erreichen w?rden. Sie ?bergaben den Fall freiwillig.“ „Freiwillig?“ Zoes Augenbrauen schossen hoch. „Kein Wunder, dass Maitland uns so schnell wie m?glich dort haben wollte. Er dachte wohl, sie w?rden ihre Meinung noch ?ndern.“ Es kam nicht oft vor, dass sie einen Fall erhielten, der freiwillig ?bergeben wurde. Die Strafverfolgung neigte dazu, territorial zu sein und einen Fall von Anfang bis Ende durchziehen zu wollen. Zoe verstand das. Dennoch f?hrte es in der Regel zu einer angespannten Atmosph?re und auch die Hilfestellungen erfolgten eher ungern. Die Beamten neigten dazu, zu vermuten, dass das FBI da war, um ihnen ihre Arbeit wegzunehmen, und sie als nicht diensttauglich zu melden, auch wenn dies in der Regel nicht der Fall war. Es k?nnte erfrischend sein, irgendwo tats?chlich mal willkommen zu sein. Shelley ?ffnete die erste Akte und begann, aus ihr zu lesen. „Das erste Opfer, das gefunden wurde, war m?nnlich, wei?, Anfang drei?ig. Er hie? John Dowling. Die Leute vor Ort brauchten allerdings eine Weile, um ihn zu identifizieren.“ Zoe versuchte, den Namen und die Art und Weise, wie er ihr einen Stich ins Herz versetzt hatte, zu ignorieren. John war schlie?lich ein weit verbreiteter Name. Sie sollte sich nicht vorstellen, dass John verblutet oder erschossen oder erw?rgt worden w?re. „Warum?“ „Die Leiche war schwer verbrannt. Die Obduktion besagt, dass ihm zuerst die Kehle durchgeschnitten wurde, dann wurde er an einen anderen Ort gebracht und kurz bevor er gefunden wurde, verbrannt.“ „Wissen wir, wo das Verbrechen begangen wurde?“ Shelley studierte die Notizen. „Wir wissen noch nicht, wo der eigentliche Mord stattfand. Es wird vermutet, dass es in einer Privatwohnung geschehen sein k?nnte, da es viel Blut gegeben haben muss und noch nichts dergleichen gemeldet wurde. Die Leiche wurde auf eine abgelegene Stra?e gebracht und mitten in der Nacht verbrannt. Als ein Anwohner den Brand bemerkte und mutig genug war, es sich anzusehen, war bereits viel Schaden entstanden.“ Shelley gab ihr wortlos ein Foto. Es zeigte einen geschw?rzten und verdrehten K?rper, der fast nicht mehr als Mensch zu erkennen war. Es sah aus wie eine Filmrequisite, nicht wie eine reale Person. Zoe musste es demjenigen lassen, dem es gelungen war, die Todesursache festzustellen. Das war sicher kein leichter Job gewesen. Es gab ein weiteres Foto in der Akte, das Bild eines l?chelnden jungen Mannes. John Dowling zu Lebzeiten, wahrscheinlich von einer seiner Social-Media-Seiten. Auf dem Foto befand er sich in einem dunklen Raum, im Hintergrund waren Menschen zu sehen – wahrscheinlich eine Party. Er sah gl?cklich aus. „Irgendwelche Hinweise? Feinde, Neider?“ „Bisher nicht. Die Ermittlungen sind noch im Gange.“ „Okay. Und das zweite Opfer?“ Shelley schloss die erste Akte und nahm die andere, w?hrend sie scharf einatmete. „?hnliche Geschichte. Kehle durchgeschnitten, dann verbrannt. Eine junge Frau, Callie Everard. Mitte zwanzig. Auch sie war h?bsch.” Zoe schaffte es gerade noch so, nicht mit den Augen zu rollen. Es erstaunte sie immer wieder, dass Menschen, selbst ihre gesch?tzte Partnerin, auf solche Dinge Gewicht legten. Jung, alt, h?bsch, h?sslich, d?nn, dick – tot war tot. Jedes genommene Leben war etwas, das untersucht werden musste, jeder M?rder jemand, der bestraft werden sollte. Die Einzelheiten machten kaum einen Unterschied. „Der Ort?“ „Diesmal fand alles in der gleichen Gasse statt. Es sieht so aus, als ob der M?rder sich ihr n?herte, ihr die Kehle durchschnitt, sie tot umfiel und er sie dann anz?ndete. Immerhin. Sie war nicht mehr bei Bewusstsein, als sie verbrannte.“ Zumindest war dies ein Gef?hl, dem Zoe zustimmen konnte. Es gab nur sehr wenige angenehme Wege zu sterben, und verbrennen geh?rte definitiv nicht dazu. „Was ist mit ihr? K?nnte sie Feinde gehabt haben?“ „Die ?rtliche Polizei hat die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen. Sie wurde erst gestern gefunden, heute Morgen wurde sie erst identifiziert. Sie haben bisher nur die Angeh?rigen informiert, und das war's.“ Zoe nahm die Fotos in die Hand. Dieser K?rper war weniger verbrannt, wenn auch nur gradweise. Man konnte immer noch erkennen, dass es sich um eine Frau handelte, und auf dem K?rper befanden sich Fleischfetzen, die rot und roh durch das geschw?rzte Durcheinander schienen. „Siehst du sonst noch was in den Bildern?“, fragte Shelley. Zoe blickte auf und sah, dass sie intensiv beobachtet wurde. „Noch nicht. Ich sehe nichts, was ich verwenden kann. Das Feuer, es erschwert und verzerrt die Dinge. Ich k?nnte nicht einmal zuverl?ssig ihre Gr??e und ihr Gewicht bestimmen, wenn wir nicht ihre medizinischen Unterlagen h?tten.“ „Beides gesunde junge Menschen. Vielleicht war es nur ein Verbrechen aus Leidenschaft. Sie haben einen gemeinsamen Freund oder Ex-Freund, der durchgedreht ist und beschlossen hat, die Welt in Brand zu setzen.“ „Hoffen wir das.“ Zoe seufzte und lehnte sich wieder in ihrem Sitz zur?ck. Warum mussten Flugzeuge immer so ungem?tlich sein? Sie hatte gelesen, dass Passagiere der ersten Klasse sogar Betten hatten. Nicht, dass das FBI jemals f?r so etwas bezahlen w?rde. „Wie geht es dir sonst so?“, fragte Shelley. Sie steckte die Akten wieder in ihr Handgep?ck und setzte sich wieder auf ihren Platz. „Hast du John gestern wiedergesehen?“ Es war Freitagabend, und John war anscheinend mit der gewohnten Art und Weise, wie Zoe ihr Leben f?hrte, zufrieden gewesen. Die gleichen Dinge zur gleichen Zeit. Der einzige Unterschied war der Ort. „Ja, das habe ich.“ „Ja, und?“, fragte Shelley ungeduldig. „Mehr Einzelheiten, Z. Es l?uft doch gut mit euch beiden, oder nicht?“ Zoe zuckte die Achseln und drehte ihren Kopf wieder zum Fenster. „Gut genug, nehme ich an.“ Shelley seufzte verzweifelt. „Gut genug? Was meinst du damit? Magst du ihn oder nicht?“ „Nat?rlich mag ich ihn.“ Zoe runzelte die Stirn. „Warum sollte ich mich sonst so oft mit ihm treffen?“ Shelley z?gerte „Ich sch?tze, du hast Recht. Obwohl manche Leute einfach weitermachen, auch wenn ihnen etwas nicht wirklich gef?llt. Aber du wei?t schon, was ich meine. Glaubst du, es ist etwas Ernstes?“ Zoe schloss die Augen. Vielleicht w?rde Shelley den Hinweis verstehen und denken, sie wolle sich etwas ausruhen. „Ich wei? nicht, was das bedeutet, und ich glaube nicht, dass ich darauf antworten m?chte.“ Shelley hielt inne und sagte einen langen Moment lang nichts. Dann sagte sie leise: „Du musst mich nicht st?ndig wegsto?en, wei?t du. Du wei?t doch, dass du mir vertrauen kannst. Ich werde niemandem etwas erz?hlen. Ich habe dein Geheimnis nicht verraten, oder?“ Da war die kleine Sache von damals, als Shelley ihrem Vorgesetzten Maitland gegen?ber erw?hnt hatte, dass Zoe „gut in Mathe“ sei; Zoe sah jedoch keinen Sinn darin, dies anzusprechen. Sie antwortete nicht, zumindest nicht direkt. Was konnte sie schon sagen? Es stimmte, dass sie Dinge f?r sich behielt, das war schon immer so gewesen. Musste sie das ?berhaupt rechtfertigen? Zuerst tat Dr. Monk so, als w?re das ein Problem und jetzt Shelley. Als w?re es etwas Schlimmes, sein Privatleben f?r sich behalten zu wollen. „Ich verstehe nicht einmal, warum du es immer noch geheim h?ltst“, fuhr Shelley fort. „Du k?nntest damit wirklich viel Gutes tun.“ „Und wie?“ „Benutze deine F?higkeiten. Zum Beispiel dazu, einen M?rder fangen.“ „Ich fange bereits M?rder.“ Shelley seufzte. „Du wei?t, was ich meine.“ „Nein, das wei? ich wirklich nicht“, antwortete Zoe, die bereit war, dieses Gespr?ch zu beenden. „Wie lange fliegen wir noch?“ Sie fing an, auf den Bildschirm vor ihr zu tippen, damit er ihre Flugbahn und ihren Fortschritt preisgab, obwohl sie genau wusste, wo sie waren und wie lange sie noch fliegen w?rden. „Es ist auf jeden Fall etwas, wor?ber du nachdenken solltest.“, sagte Shelley. „Ich glaube, dass es einen gl?cklicher macht, wenn man unter Menschen ist, die Bescheid wissen. Man verkrampft sich sonst nur und l?sst Dinge, die raus m?ssen, nicht raus, wenn man denkt, dass es nicht sicher ist. Vielleicht h?ttest du insgesamt ein angenehmeres Leben, wenn alle es w?ssten.“ „Noch sechsundf?nfzig Minuten“, sagte Zoe, als h?tte sie sie nicht geh?rt. „Wir sollten uns vorbereiten. Wir werden vom Flughafen aus direkt zum letzten Tatort fahren. Hast du die Adresse?“ Shelley sagte nichts, sondern warf ihr nur einen langen und fragenden Blick zu, bevor sie sich wieder den Akten zuwandte und nach der Adresse suchte. KAPITEL F?NF Zoe blinzelte und blickte in beide Richtungen, die Gasse hinauf und hinunter, in den Himmel. Es war ein k?hler, klarer Tag. ?ber ihnen verlief ein schmaler hellblauer Streifen, der sich in der Ferne verengte, eingefasst von schmutzigen Ziegelsteinen der Wohnblocks und Lagerhallen auf beiden Seiten. Dies hier war weit entfernt von dem Luxus und den wogenden Palmen von Beverly Hills. Die Stra?en und B?rgersteige waren rissig und grau, und das n?chste Geb?ude am Ende der Gasse war ein Obdachlosenheim. Dennoch kosteten die auf der anderen Seite hoch aufragenden Atelierwohnungen wahrscheinlich mehr als ihr Elternhaus im l?ndlichen Vermont. Es lag immer noch etwas in der Luft, obwohl die Leiche mittlerweile entfernt worden war. Zoe konnte es noch immer riechen. Es w?rde wahrscheinlich noch eine Weile so riechen. Der Gestank von brennendem menschlichem Fleisch und Haaren hing in der Luft. Zoe lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Boden und den Fleck mit den versengten Markierungen, die ?ber den Asphalt der Stra?e liefen und sich ?ber Ziegelsteine, M?lls?cke und Spritzen verteilten. Die meisten von ihnen waren verbrannt und hatten sich nun zu unkenntlichen schwarzen Plastikformen zusammengefunden, die den atemraubenden Gestank, der einem die Tr?nen in die Augen trieb, weiter verstr?mten. Der M?rder hatte sich anscheinend nicht sonderlich um die Pr?sentation gek?mmert. Oder vielleicht doch, und es war ein Hinweis darauf, dass diese junge Frau, diese Callie Everard, auch nur ein weiteres St?ck M?ll sei. Shelley sprach mit einem ?rtlichen Polizeibeamten in der N?he, w?hrend die anderen ihre Sachen zusammenpackten. Das Forensik-Team war bereits vor Ort gewesen, und die Leiche war zum Testen mitgenommen worden. Alles, was noch zu tun blieb, war, all die kleinen Beweisst?cke aufzusammeln, die in den Tr?mmern des Mordes zur?ckgelassen worden waren. Eine Beamtin mit kurz geschnittenem Haar und kleiner Statur packte diese behutsam, eins nach dem anderen, in Plastikbeutel. Zoe beobachtete sie nur mit vagem Interesse. Ihr Verstand arbeitete mit Hochdruck und verfolgte, was ihre Augen sahen. Die Frau hatte mit dem Kopf neben den umgest?rzten M?lls?cken gelegen, ihre F??e zeigten zur Mitte der Gasse, in einem Winkel von drei?ig Grad zur Mittellinie. Sie war h?chstwahrscheinlich nach hinten gefallen, nachdem ihre Kehle durchgeschnitten worden war. Unter der Verbrennung und den geschmolzenen K?rperfl?ssigkeiten befanden sich noch einige Blutspuren, die diese Theorie untermauerten. Sie wussten bereits eine Menge ?ber sie, ?ber Callie, und den Rest w?rden sie herausfinden, wenn sie ihre Freunde und ihre Familie befragten. Sie w?rden herausfinden, wer sie war und was sie tat. Vielleicht sogar, warum jemand sie t?ten wollte. Der M?rder selbst war ein anderes Thema. Wo war er oder sie? Zoe konnte auf dem Boden der Gasse nichts sehen. Nichts, was ihn oder sie verraten k?nnte. Es gab keinen einzigen Fu?abdruck, in einer Gasse, die t?glich von Dutzenden, wenn nicht Hunderten von Menschen durchquert wurde. Es gab kein weggeworfenes Feuerzeug oder einen Streichholzstummel, keinen leeren Benzinkanister. Jeglicher Beweis, der die Anwesenheit des M?rders h?tte verraten k?nnen, war weggesp?lt worden, als h?tte jemand Wasser ?ber die Leiche kippte, um zu sie zu l?schen und wom?glich ein Leben zu retten, das bereits vorbei war. Was hatte er als Brennstoff verwendet? Als Beschleuniger? Wo hatte er gestanden? Was f?r eine Waffe hatte er benutzt, um ihre Kehle durchzuschneiden? Oder sie, versuchte Zoe sich selbst zu ermahnen. Sie wollte nicht vorzeitig urteilen und aufgeschlossen bleiben; die Statistiken waren jedoch eindeutig. Dieses Ma? an Gewalt w?rde normalerweise auf einen m?nnlichen Verd?chtigen hindeuten. Es war das „normalerweise“, das das Problem war. Zoe verlie? sich gern auf ihr Bauchgef?hl, aber solange sie sich nicht zu ?ber neunzig Prozent sicher war, war sie nicht bereit, alles darauf zu setzen. Selbst wenn sie sich in der Vergangenheit so sicher gewesen war, hatte sie sich gelegentlich geirrt. Im Moment hatte sie ?berhaupt nichts, wor?ber sie sich sicher sein konnte, nicht, wenn es um diesen M?rder ging. Vielleicht w?rde sie mehr wissen, wenn sie sich die Leiche anschaute. Sie ging zur?ck zu Shelley, die gerade ihr Gespr?ch beendete. „Hier ist nichts“, sagte Zoe, sobald Shelley fertig war. „Ich bin nicht wirklich ?berrascht“, antwortete Shelley. Sie blickte hoch zu den Fenstern der dar?ber liegenden Wohnungen, geschw?rzt nicht durch den aufsteigenden Rauch einer menschlichen Leiche, sondern durch jahrelangen Schmutz und Vernachl?ssigung. „Niemand in der Nachbarschaft sah etwas. Sie sagten, sie h?tten zuerst den Rauch gerochen. Ein paar Anwohner eilten mit einem Eimer Wasser hinaus, um zu versuchen, zu helfen, aber das war alles. Keine Verd?chtigen, niemand, der zusah. Keine Zeugen, die um diese Zeit jemanden in die Gasse gehen sahen.“ „Gibt es Material von den ?berwachungskameras?“ Zoe nickte in Richtung einer der Kameras, die sich direkt am Eingang auf der Seite befand, an dem sie zuvor vorbeigegangen waren. Shelley sch?ttelte den Kopf. „Die Polizisten sagen, dass sie gar nicht angeschlossen sind. Jedes Mal, wenn sie versuchten, sie zu reparieren, kamen Kinder und bespr?hten die Linse mit Farbe oder kappten die Dr?hte. Sie behielten sie als Attrappen, um Leute abzuschrecken, aber sie funktionieren seit Jahren nicht mehr richtig.“ „Die Anwohner wissen das sicherlich“, betonte Zoe. „Eigentlich wei? es auch jeder, der den Zustand des Wohnblocks sieht.“ Zoe sah sich noch einmal um, zufrieden, dass es hier nichts mehr zu lesen gab. Die einzige Geschichte, die ihr die Zahlen erz?hlten, betraf den Bau der Geb?ude und die Gasse selbst. Da sie bezweifelte, dass die H?he der Mauern irgendeinen Einfluss auf das Verbrechen hatte, waren sie hier fertig. „Dann mal auf zum Gerichtsmediziner“, sagte sie entschlossen und ging auf ihren Mietwagen zu. *** Zoe verzog die Nase und versuchte ihre Atmung zu kontrollieren. Sie musste sich nur konzentrieren. Sie atmete durch den Mund ein, um dem schlimmsten Geruch zu entgehen, und durch die Nase wieder aus. Shelley bem?hte sich, nicht zu w?rgen, aber Zoe versuchte, sich davon nicht ablenken zu lassen. „Das ist ein wirklich schlimmer Fall“, sagte die Gerichtsmedizinerin. Sie war eine gro?e junge Frau, braun gebrannt, mit blonden Haaren und zu viel Lidschatten f?r jemanden, der im medizinischen Bereich arbeitete – selbst, wenn sie nur mit Toten zu tun hatte. Zoe ignorierte sie und richtete ihre Aufmerksamkeit auf die Leiche. Falls diese ?berhaupt noch als Leiche bzw. als K?rper definiert werden konnte; Kohle war wohl eine passendere Bezeichnung. Der Mann, den Shelley als John Dowling bezeichnet hatte, war kein Mann mehr. Die Beine waren in einem seltsamen Winkel zur Seite gedreht, die Arme lagen eng am K?rper an, der Kopf war rund, aber es h?tte genauso gut sein k?nnen, dass es sich um ein St?ck M?ll handelte, um den Teil eines Schiffsbauchs oder um ein antikes Relikt, das in den Ruinen von Pompeji verbrannt war. Die zweite Leiche war besser zu erkennen, wenn auch nur knapp. Auch wenn die Verbrennungen nicht so stark waren, war der Geruch bei diesem K?rper schlimmer. Vielleicht, weil sie mitten am Tag der Hitze der kalifornischen Sonne ausgesetzt worden war. Die junge Frau. Die Teile des zerlumpten und verbrannten Fleisches, die noch an ihr hingen, wirkten irgendwie obsz?n. Dreizehn Zentimeter Bein ?ber dem Fu?, f?nf Zentimeter an jedem Ellbogen, ein St?ck Haar vom Hinterkopf, das durch den Kontakt mit dem feuchten Boden gesch?tzt worden war. Noch l?nger in den Flammen, und sie h?tte genauso ausgesehen wie er. „Gab es Vor-Verbrennungswunden?“, fragte Zoe, ohne aufzuschauen. Die Gerichtsmedizinerin z?gerte eine Sekunde lang. „Bevor sie verbrannt wurden, meine ich“, dr?ckte sich Zoe klarer aus. „Ich wei?, was es bedeutet“, antwortete die Gerichtsmedizinerin. Zum ersten Mal lag ein Hauch von Spannung in ihrer ruhigen Stimme. Alles an ihr war f?r Zoe irritierend. „Soweit ich es bei diesem Leichenzustand beurteilen kann, gab es nur einen einzigen Schnitt an der Kehle. Das reichte um sie zu t?ten. Au?er, dass sie dann noch in Brand gesteckt wurden, wurde ihnen nichts weiter angetan.“ Zoe beugte sich herunter und untersuchte die Kehle. Das M?dchen hatte ihre H?nde an der Kehle als sie verbrannte, deswegen waren ihre Finger miteinander verschmolzen. Es gab jedoch immer noch eine deutliche und sichtbare Wunde hinter ihren H?nden, die an der Stelle, an der ihr Kopf nach hinten gekippt war, klaffte. „Sehr pr?zise“, sagte sie mehr zu sich selbst als zu den anderen. „Es passierte sehr schnell“, stimmte die Gerichtsmedizinerin ihr zu. „Wer auch immer der M?rder war, er wusste, was er tat. Er kam von hinten, handelte schnell, in beiden F?llen ein einziger Schnitt durch den Hals, um ihn vollst?ndig zu ?ffnen.“ Zoe richtete sich auf und sah Shelley an, um deutlich zu machen, dass diese n?chste Aussage f?r sie bestimmt war und nicht f?r die andere irritierende Anwesenheit im Raum. „Dies war kein Verbrechen, das aus einem Impuls heraus begangen wurde. Es war geplant, der Ort wurde sorgf?ltig ausgew?hlt.“ „Glaubst du, dass die Opfer mit Absicht ausgew?hlt wurden?“ Zoe kaute einen Moment auf ihrer Lippe herum und schaute zwischen den Leichen hin und her. Was hatten sie gemeinsam, au?er dass sie so verbrannt waren? „Es ist noch zu fr?h, um das zu sagen“, entschied sie. „Wir m?ssen mehr ?ber Callie Everard erfahren. Wenn wir eine Verbindung zwischen ihnen finden k?nnen, gut. Wenn nicht, k?nnte eine gr??ere Botschaft dahinterstecken.“ „Ein Serienm?rder?“, st?hnte Shelley. „Ich hoffe, sie sind ein heimliches Liebespaar oder so was. Ich hatte gehofft, dass wir vielleicht am Wochenende nach Hause k?nnten.“ „Viel Gl?ck dabei“, sagte die Gerichtsmedizinerin, eine Aussage, die absolut unn?tig war. Zoe warf einen b?sen Blick in ihre Richtung und war zumindest ein wenig beruhigt, wie erschrocken die Frau wirkte und sich daraufhin mit einem Metalltablett mit Instrumenten in der N?he besch?ftigte, anstatt ihren Blick zu erwidern. „Wir haben einen Raum, der im ?rtlichen Revier auf uns wartet“, sagte Shelley. „Der Polizist, mit dem ich sprach, versicherte mir, dass der Kaffee schrecklich ist, aber auch, dass die Klimaanlage nicht wirklich funktioniert, wir k?nnen uns also wirklich auf etwas freuen.“ „Geh du vor“, sagte Zoe und w?nschte, sie k?nnte das genauso lustig finden wie ihre Kollegin. KAPITEL SECHS Mit einem Seufzer nahm sich Zoe einen Stuhl, setzte sich und griff nach der ersten Akte, die man ihnen hingelegt hatte. „Danke, Captain Warburton, wir wissen Ihre Hilfe wirklich zu sch?tzen“, sagte Shelley nahe der T?r. Sie war wirklich gut im Smalltalk und immer h?flich, was Zoe hingegen schon immer schwergefallen war. Es f?hlte sich gut an, Teil eines Teams zu sein, das funktionierte. Jeder von ihnen hatte seine eigenen Aufgaben. Shelley verstand die Menschen so, wie Zoe die Zahlen, und obwohl keiner von ihnen wirklich verstehen konnte, was der andere tat, erleichterte es zumindest den Ablauf. Obwohl sie gut zwanzig Minuten lang die Akten studiert hatten, kamen sie nicht weiter. Zwar war es den Anwohnern gelungen, einige Aussagen zu sammeln, wodurch sie viel mehr Informationen hatten als in den urspr?nglichen Akten, die sie im Flugzeug durchgesehen hatten, aber nichts davon schien hilfreich zu sein. Zoe warf ihre Seiten mit einem frustrierten St?hnen auf den Tisch. „Warum kann es eigentlich nie eine eindeutige Verbindung geben?“ „Weil dann alles von lokalen Kr?ften ?bernommen werden k?nnte und wir dann arbeitslos w?ren“, sagte Shelley ruhig. „Lass uns alles nochmal durchgehen, was wir bereits wissen. Vielleicht hilft es, wenn wir es laut aussprechen.“ „Das bezweifle ich sehr. Die beiden waren wirklich sehr unterschiedliche Menschen.“ „Lass es uns trotzdem versuchen. John war ein gesunder Kerl, oder? Ein Fitness-Freak.“ „Sein Mitbewohner sagte, dass er fast seine ganze Freizeit im Fitnessstudio verbrachte. Er war topfit.“ „Und ein netter Kerl war er auch.“ Zoe zog eine Grimasse. „Er spendete Geld f?r wohlt?tige Zwecke und half sonntags in einer Suppenk?che aus. Das bedeutet nicht unbedingt, dass er ein netter Kerl war. Viele Leute tun so etwas, weil sie etwas zu verbergen haben.“ „Du stellst nur Vermutungen an“, sagte Shelley und sch?ttelte den Kopf. „Wir k?nnen da nichts hineininterpretieren. Er hatte einen sauberen Lebensstil. Keine Drogen, keine Verurteilungen, nicht einmal Probleme am Arbeitsplatz.“ „Sie war das genaue Gegenteil.“ Zoe zeigte bei ihrer letzten Aussage auf ein Foto einer l?chelnden Callie Everard, die in die Kamera strahlte und eine Bierflasche in der Hand hielt, w?hrend ein betrunken aussehender junger Mann seinen Arm um ihre Schultern legte. „Nun, vielleicht auch nicht. Ja, sie hatte fr?her in ihrem Leben einige Probleme mit Drogen. Aber sie ging mit dreiundzwanzig Jahren in eine Entzugsklinik, schloss das Programm erfolgreich ab und hatte seitdem nichts mehr mit Drogen zu tun. Sie war seit ein paar Jahren clean. Wieder auf dem richtigen Weg.“ Zoe zog es in Betracht. „Vielleicht k?nnte da die Verbindung liegen. Beide f?hrten ein sauberes Leben, wenn auch erst seit kurzem.“ „Du meinst eine Art Fitnesskult oder so etwas?“, fragte Shelley. Zoe warf ihr einen finsteren Blick zu. „Na ja, es ist m?glich“, sagte Shelley. „Sieh dir nur mal den ganzen Kram mit den Heimtrainern an. Und dieser Selbsthilfekult, der die Frauen dazu gebracht hat, mit dem Gr?nder zu schlafen und ihm ihr ganzes Geld zu schenken.“ „Okay, ich denke, in diesem Punkt muss ich dir zustimmen.“ Zoe war nicht mit allen Einzelheiten vertraut, aber sie hatte geh?rt, wie die F?lle erw?hnt wurden. Shelley hatte in gewisser Weise Recht. Man wusste nie wirklich, was unter der Oberfl?che vor sich ging, bis man sich tief genug hineingegraben hatte. Sie sah sich Fotos von beiden an und suchte nach Gemeinsamkeiten. Solche F?lle waren immer frustrierend. Mit einem einzigen Opfer konnte man die Beweise zielstrebig analysieren und sich auf jedes kleine Detail dieser einen Person fixieren. Bei drei oder mehr Opfern hatte man gen?gend Datenpunkte, um ein Muster zu bilden. Um zu erkennen, dass der M?rder eventuell nur in bestimmte Regionen reiste oder nur Blondinen unter 1,70 m im Visier hatte oder dass an jedem Tatort ein bestimmtes Muster gefunden wurde. Mit zwei Opfern war es viel schwieriger. Man konnte die Dinge nicht auf die gleiche Weise zusammensetzen. Eine zahlenm??ige ?hnlichkeit k?nnte ein Zufall sein, der durch ein neues Opfer wieder zerst?rt werden w?rde. Man k?nnte bemerken, dass es sich bei beiden Alterszahlen um Primzahlen handelte, nur damit sich das sp?ter wieder als bedeutungslos erwies. Man konnte nicht erkennen, was wichtig und was nur eine falsche F?hrte war, die das eigene Gehirn, ohne wirkliche Absicht, zusammengebastelt hatte. „Es gibt eine Sache, die sie gemeinsam haben“, sagte Zoe und klopfte auf die Bilder. „T?towierungen. Dowling hatte einen Tiger auf seinem linken Bizeps. Everard hatte eine Rose aus Punkten auf dem rechten Oberschenkel. Sie war auf dem Weg zu einem Freund, um sich ein neues Motiv auszusuchen.“ Shelley zuckte die Achseln. „Rechtfertigt das wirklich eine Verbindung? Viele Menschen haben Tattoos.“ Zoe bl?tterte durch die Fotos und bemerkte weitere Tattoos, die auf verschiedenen Aufnahmen zu sehen waren. Sie stammten fast alle von den Social-Media-Profilen der Opfer, und es sah so aus, als seien beide stolz darauf gewesen. Stolz darauf, sie zu zeigen. Hatte das etwas zu bedeuten? „Sie hatten beide mehr als ein Tattoo. Schau mal. Beide waren quasi voll davon. Dowlings ganzes Bein, bis hinunter zum Fu?, war mit ihnen bedeckt. Und Everard hatte noch welche auf ihrem R?cken und Bauch.“ „Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob das wirklich etwas bedeutet. Es ist heutzutage einfach eine kulturelle Sache.“ Zoe r?mpfte die Nase. „Eine kulturelle Sache?“ „Ja, klar. Ist dir das bisher nie aufgefallen? Viele Leute lassen sich jetzt mit Anfang zwanzig t?towieren. Sie bedecken ihren ganzen K?rper. Sogar Gesichter und H?nde. Viele Promis zum Beispiel. Justin Bieber, Ariana Grande und so. Rapper, S?nger und sogar Sportler. Das ist im Moment halt cool.“ „Tattoos im Gesicht oder auf den H?nden klingt nach einer wirklich schlechten Idee“, sagte Zoe und zog dabei eine Grimasse. „Stell dir mal vor, du kannst diesen Fehler, den du in jungen Jahren gemacht hast, nie wirklich verstecken, n?mlich den Fehler, sich f?r immer etwas Dummes auf den K?rper t?towieren zu lassen.“ „Irgendwo muss es doch noch eine Verbindung zwischen ihnen geben“, fuhr Shelley fort. „Ich wette, es war in ihrem Privatleben. Vielleicht kannten sie beide dieselben Leute. Aus einer Bar oder einem Club, eine Gruppe von Freunden, ein Cousin, der einen Cousin kannte. Vielleicht waren sie zusammen auf derselben Veranstaltung, ohne es ?berhaupt zu wissen. Wir m?ssen einfach weitergraben, bis wir es finden.“ Zoe nickte. „Nun, dann wei? ich, wo wir anfangen sollten.“ Sie nahm Callie Everards Akte und notierte sich die darin aufgef?hrte Adresse. „Der Freund, den sie besuchen wollte: Javier Santos. KAPITEL SIEBEN Zoe lief in dem kleinen Atelierraum umher und betrachtete die Illustrationen und Zeichnungen, die ?berall verstreut lagen. Ob Javier talentiert war oder nicht, konnte sie nicht beurteilen, daf?r hatte sie nicht genug Ahnung von Kunst. Man sah allerdings sofort, dass er sehr produktiv war. „Sind dies alles Entw?rfe f?r Tattoos?“, fragte sie und versuchte, sie sich einzupr?gen. „Ja, klar.“ Javier nickte. „Die meisten von ihnen wurden schon benutzt. Ich kann Ihnen aber auch etwas Einzigartiges zaubern, wenn sie m?chten.“ Zoe warf ihm einen Blick zu, um zu sehen, ob er einen Witz machte. Er meinte es anscheinend ernst, was das Ganze noch schlimmer machte. „Ich glaube eher nicht“, sagte sie und hoffte, dass er das Thema nicht wieder anschneiden w?rde. Sie wollte die Befragung nicht jetzt schon ruinieren (noch bevor sie ?berhaupt angefangen hatte), indem sie ihm erz?hlte, was sie von Menschen hielt, die sich t?towieren lie?en. Besonders Tattoos wie diese hier: zuf?llige, wahllose Kunstwerke. Zoe konnte es gerade noch verstehen, wenn sich jemand die Karikatur eines Frauengesichts als Kunstwerk an die Wand h?ngen oder in ein Buch kleben w?rde. Aber es f?r den Rest des Lebens auf den K?rper t?towieren zu lassen? Das Gesicht dieser Person zu tragen – dieser fiktiven Person, die weder einem selbst noch sonst jemandem etwas bedeutet, die nur aus den zuf?lligen Tagtr?umen eines K?nstlers geboren wurde? Es kam ihr wirklich seltsam, vor, und sie wusste nicht, ob sie jemandem vertrauen konnte, der bereit war, aus etwas so Bedeutungslosem ein dauerhaftes Statement zu machen. „Wie Sie wollen.“ Javier zuckte mit den Achseln, offensichtlich st?rte ihn ihr Desinteresse nicht wirklich. „Ich wei? nicht, was ich mit dem Entwurf machen soll, den ich f?r Callie gemacht habe. Ich habe erst ?berlegt, ob ich ihn mir selbst stechen lassen soll, aber das k?nnte etwas seltsam sein.“ „Warum?“, fragte Zoe. Wenn jemand, der in einen Mordfall verwickelt war, dachte, dass etwas „seltsam“ erschien, war es ihrer Erfahrung nach, eine ?berpr?fung wert. „Na ja, in erster Linie war es ein Erinnerungsst?ck. Warten Sie, ich zeige es Ihnen.“ Javier begann, auf einem Schreibtisch zwischen Entw?rfen und Transparentpapieren zu w?hlen, und zog schlie?lich ein fertig aussehendes Design hervor. Es war mit schweren schwarzen Strichen getuscht, die die Form eines fliegenden Vogels umrissen. „Was ist das?“, fragte Zoe und ignorierte dabei den Blick, den Javier ihr zuwarf, weil sie seine Kunst nicht sofort verstanden hatte. „Es ist ein Rabe. Basierend auf dem Mythos von Muninn“, begann er. „Aus dem Altnordischen“, unterbrach ihn Zoe. Hier konnte sie zumindest beweisen, dass sie etwas wusste. „Ein Vogel, der den Gott Odin besuchte. Deshalb nannten Sie es ein Erinnerungsst?ck.“ „Ja, und wegen der Blumen.“ Javier deutete auf die Blumenstr?u?e hinter dem schwarzen Vogel, die in sanften Lila- und Violettt?nen gef?rbt waren. „Es sind Zinnien, die die Erinnerung an einen verlorenen Freund darstellen.“ „Um wen geht es?“, fragte Shelley leise und betrachtete den Entwurf, w?hrend sie ?ber Zoes Schulter blickte. „Einen alten Freund.“ Javier verzog den Mund und zuckte mit den Achseln. „Einen alten festen Freund, um ehrlich zu sein. Damals, als Callie, ?hm …“ „Als sie auf Drogen war?“, fragte Zoe. Sie f?hlte, dass Shelley neben ihr zusammenzuckte, reagierte aber nicht weiter. Welchen Sinn hatte es, um den hei?en Brei zu reden? Sie wussten alle, wor?ber sie sprachen. Es war f?r keinen von ihnen ein Geheimnis. „Ja, genau“, sagte Javier und rieb sich mit einer Hand den Nacken. „Ich wollte sagen, als sie sich in einem schlechten Umfeld bewegte, aber ja.“ „Was war denn mit den beiden?“, fragte Shelley. Ihr Tonfall war viel sympathischer als der von Zoe. Irgendwie hatte sie die Gabe, dieselben direkten Fragen zu stellen, aber sie lie? sie so viel … netter klingen. „Er sorgte immer f?r ?rger. Einer aus der Gruppe, die sie ?berhaupt erst auf Drogen gebracht hat. Soweit ich wei?, waren sie, wenn sie nicht bekifft waren, betrunken. Und wenn sie nicht bekifft oder betrunken waren, haben sie auf der Toilette Koks geschnupft und gev?gelt.“ Javier sch?ttelte den Kopf und holte tief Luft. „Entschuldigung. Ich mag es nicht, so an sie zu denken. So ist sie nicht wirklich. War sie nicht. Nicht die letzten Jahre, die ich sie kannte.“ „Nach der Uni wurde sie clean, oder?“, fragte Shelley. „Ja, das stimmt. Ich half ihr dabei. Zuerst konnte sie sich die Entziehungsklinik nicht leisten, also organisierten wir eine Art Kunstflohmarkt. Wir sammelten etwas Geld f?r sie, ich und einige andere aus unserer Klasse. Seitdem sind wir in Kontakt geblieben.“ „Dieser Ex-Freund“, begann Zoe und versuchte, ihn auf Kurs zu halten. „Er wurde get?tet, glaube ich. Ich wei? es nicht. Callie sprach damals nicht gern ?ber ihn. In den letzten Jahren begann sie, sich damit zu arrangieren, weiterzumachen. Ich glaube, sie hatte endlich akzeptiert, dass er schlecht f?r sie war, giftig. Aber das, was sie zusammen hatten, war ihr auch wichtig gewesen. Darum die Blumen. Nicht verlorene Liebe, sondern nur ein verlorener Freund.“ Get?tet? Das hat Zoes Aufmerksamkeit geweckt. „Kennen Sie die Umst?nde seines Todes?“ „Es war zumindest keine ?berdosis. Die Polizei ermittelte, aber ich wei? nicht, ob sie jemals jemanden festgenommen haben. Das war's. Das ist alles, was ich wei?.“ Zoe gr?belte. Es w?re ein sehr verlockender roter Faden, wenn zuerst dieser mysteri?se Freund ermordet wurde und dann Callie. Sie m?ssten nur eine Verbindung zu Dowling finden, und schon h?tten sie etwas. Vielleicht etwas, das mit Drogen zu tun hat. Shelley sagte zwar, es sei alles nur kulturell, aber die T?towierungen … Zoe war nie ein Fan gewesen. Sie repr?sentierten eine Untergruppe der Gesellschaft, die sie ?fter hinter Gittern sah als in respektablen Positionen. Mit einem Tattoo konnte man keinen guten Job bekommen. Sicherlich konnte man nicht in der Strafverfolgung t?tig sein, nicht mit einem Tr?nen-Tattoo im Gesicht oder dem Namen des Kindes am Hals. Die T?towierung, die Javier f?r Callie entworfen hatte, war gro?. Achtzehn Zentimeter von oben nach unten. Es war nichts, was man verstecken konnte. Es wurde entworfen, um gesehen zu werden. Menschen mit sichtbaren T?towierungen, wie ihre und die von Dowling, waren normalerweise keine guten Menschen. Die Dinge begannen einen Sinn zu ergeben. Callie und ihr Freund waren im Drogenmilieu unterwegs. Sie hingen mit der falschen Art von Menschen herum. Obwohl sie clean war, als sie starb, hatte sie die Art von Vergangenheit, die Mord anzog. Nur weil Dowling zuletzt ein sauberes Leben f?hrte, hie? das nicht, dass er nicht schon fr?her in etwas verwickelt gewesen sein konnte. „Danke, Javier“, sagte Zoe schnell. „Das hilft uns bestimmt weiter.“ „Warte mal“, unterbrach Shelley. „Ich habe da noch ein paar Fragen.“ Zoe wollte, dass sie weiterging, und bewegte sich bereits zur?ck zur T?r, wo sie warten konnte. Ihrer Meinung nach waren sie fertig, und sie wollte sich so schnell wie m?glich auf den Weg machen. Sie wollte nicht noch mehr Zeit damit verschwenden, sich diese sinnlosen Tattoo-Zeichnungen anzusehen und mit Javier zu sprechen, der ihnen bereits das Interessanteste, was sie wissen mussten, gegeben hatte. „F?llt ihnen jemand ein, der Callie h?tte schaden wollen?“ Javier sch?ttelte den Kopf. „Das habe ich der Polizei schon gesagt. Sie war ein s??es M?dchen. Mittlerweile, meine ich. Sie hat sich wirklich ver?ndert. Niemand wollte, dass ihr etwas zust??t.“ Hatte sie sich wirklich ver?ndert, fragte sich Zoe. Konnte ein Leopard seine Flecken ?ndern? Callie konnte ihre ganz sicher nicht ver?ndern – nicht die, sie sich f?r immer in ihren K?rper hatte stechen lassen. F?r immer, das hei?t, bis ihr M?rder sie weggebrannt hatte. Vielleicht hing all das zusammen. Vielleicht hatte sie Gang-Tattoos, die weggebrannt werden mussten. Vielleicht sah jemand in ihr das letzte Glied in einem m?rderischen Spiel, das schon seit langer Zeit lief. Die letzte Rache f?r einen Drogenh?ndler, der aus dem Gef?ngnis entlassen wurde, oder f?r eine Biker-Gang, die jemanden loswerden musste, der ihre Regeln gebrochen hatte. „Was ist mit heute Morgen, gestern Abend, gestern? Ist Ihnen jemand Ungew?hnliches aufgefallen?“, fragte Shelley. „Nein, ganz und gar nicht“, sagte Javier. Er brach auf einer kleinen Bank am Tisch zusammen und vergrub sein Gesicht in den H?nden. „Ich w?nschte, ich w?sste mehr. Ich w?nschte, ich k?nnte ihnen mehr erz?hlen, was dabei helfen w?rde, denjenigen zu finden, der ihr das angetan hat. Sie hat das nicht verdient.“ Aber vielleicht dachte jemand, sie h?tte es verdient. Das mussten Zoe und Shelley herausfinden. Aber das w?rden sie nicht hier tun k?nnen. „Wir lassen Sie jetzt mit Ihren Gedanken allein“, sagte Zoe, ein Satz, den sie schon einmal geh?rt hatte und von dem sie dachte, dass er zumindest ein bisschen sympathisch klang. „Wenn ihnen etwas N?tzliches einf?llt, melden sie sich bitte bei uns.“ Sie ignorierte den vorwurfsvollen Blick, den Shelley ihr zuwarf, weil sie nicht freundlicher war, und verlie? Javiers Tattoo H?hle, froh dar?ber, klare Luft zu atmen und nicht mehr durch seine geschmacklosen Entw?rfe abgelenkt zu werden. KAPITEL ACHT Er beobachtete sie von der anderen Stra?enseite. Sie kannte ihn nicht, und er kannte sie nicht. Nicht pers?nlich. Aber er wusste genug. Er beobachtete sie, und er wusste Dinge ?ber sie, die andere nicht wussten. Er wusste, wo sie wohnte, allein im Erdgeschoss eines Wohnhauses in der Innenstadt. Er wusste, dass sie Teilzeit in einem Laden drei Blocks entfernt arbeitete, um w?hrend ihres Studiums ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Er wusste, dass es eine Weile gedauert hatte, bis sie sich selbst gefunden hatte und wusste, was sie mit ihrem Leben anfangen wollte. Er wusste, dass sie eine T?towierung auf ihrem inneren rechten Unterarm hatte und dass sie ihre Haare f?rbte. Er hatte gesehen, wie sie, einen Tag nach dem anderen, ihren Modeschmuck ausf?hrte, und er wusste, dass sie ihr Aussehen jedes Mal, wenn sie hinausging, ein wenig ver?nderte. Er wusste, dass sie das Haus an den Tagen, an denen sie arbeiten musste, genau um 8.32 Uhr morgens verlie?, weil sie genau wusste, wie lange sie brauchte. Er wusste, dass sie sich unterwegs einen Kaffee holen w?rde, den sie in einer App vorbestellt hatte, um die Warteschlangen zu umgehen, und dass sie ins Hinterzimmer gehen w?rde, um ihre Uniform anzuziehen, bevor sie im Laden auftauchte, um Kunden zu bedienen. Er wusste, wann ihre Schicht endete und welchen Weg sie nach Hause nahm. Er wusste, dass sie sterben musste. Er konnte es kaum ertragen, sie anzusehen, aber er wusste, dass er zusehen musste. Er musste beobachten. Er tippte abwesend auf den Bildschirm seines Handys, als w?re er in dessen Inhalt vertieft, und beobachtete sie durch eine Sonnenbrille, die seine Augen verdeckte. Er beobachtete ihre Routine bereits seit ein paar Tagen, und er wusste, dass sie hier vorbeikommen w?rde. Diese Bank war perfekt platziert, um sie vorbeigehen zu sehen. Die Welt w?rde ein viel sichererer Ort sein, wenn sie weg war. So viel wusste er. Er sah zu, wie sie genau nach Plan vorbeiging und aus seinem Blickfeld verschwand. Nicht, dass es eine Rolle spielte. Er wusste genau, wohin sie gehen w?rde. Langsam, als h?tte er alle Zeit der Welt, stand er von seiner Bank auf und begann, auf dem B?rgersteig in dieselbe Richtung zu schlendern, in die sie gegangen war. An Samstagen hatte sie eine Doppelschicht. Sie bezahlte ihre Studiengeb?hren selbst, und sie brauchte das Geld. Da an einem Sonntagmorgen keine Vorlesungen stattfanden, ergab es Sinn, dass sie am Tag zuvor arbeitete. Ihre Kolleginnen und Kollegen waren nur allzu froh, nicht selbst samstags arbeiten zu m?ssen, zumindest nicht so oft, wie sie es tun m?ssten, wenn sie nicht beide Schichten ?bernehmen w?rde. Es war ein Arrangement, das allen entgegenkam. Ihm passte es auch sehr gut, denn wenn sie nach der Schicht ging und abschloss, um nach Hause zu gehen, w?rde es dunkel sein. Er w?rde sich versteckt halten. Sie w?rde ihn nicht kommen sehen. Er folgte ihr aus einiger Entfernung bis zum Laden und warf einen Blick hinein, um zu sehen, wie sie gerade aus dem Personalraum kam. Gut. Er blieb nicht l?nger. Es hatte keinen Sinn. Sie war dort, wo er sie brauchte, und das bedeutete, dass alles nach Plan verlief. Er kochte innerlich, wenn er an sie dachte, an die blo?e Tatsache, dass sie existierte. Sie hatte kein Recht dazu. Wie konnte sie nur alle anderen so in Gefahr zu bringen? Wie konnte sie es nicht sehen, es nicht wissen? Sie war dabei, Lehrerin zu werden. Das war der gr??te Witz von allen. Wie konnte man jemandem wie ihr erlauben, in der N?he von Kindern zu sein? Ihr ihre Ausbildung anzuvertrauen, sich um sie zu k?mmern. Ihr so ein Vertrauen entgegenzubringen. Die Welt w?rde ohne sie viel besser dran sein. Im Moment konnte er nichts anderes tun, als zu warten. Er verbrachte seine Freizeit gerne damit, Menschen nachzuforschen und das ?bel zu beseitigen, das alles bedrohte, wenn er nichts dagegen unternahm. Er hatte viel Zeit, um sich damit zu besch?ftigen. Und heute Abend, wenn es f?r sie an der Zeit war, ihre Schicht zu beenden, w?rde er da sein. Er w?rde zuschauen. Er w?rde warten. Bereit, die Welt von ihren S?nden zu reinigen. KAPITEL NEUN Zoe wartete darauf, dass ihr Computer die Suche startete, lehnte sich in ihrem Stuhl zur?ck und verschr?nkte die Arme ?ber der Brust. „Hast du schon etwas?“, fragte Shelley. „Gib dem System eine Minute“, sagte Zoe. Sie f?hlte sich immer noch ein wenig m?rrisch von vorhin, und sie f?hlte sich in Shelleys Gegenwart zu wohl, um sich die M?he zu machen, es zu verstecken. „Dies ist kein Film. Die Dinge brauchen tats?chlich Zeit, um hier verarbeitet zu werden.“ „Schon gut, schon gut“, sagte Shelley. „Ich bin nur aufgeregt. Das k?nnte eine gro?e Spur sein.“ Zoe be?ugte sie und fragte sich, wie jemand so schnell von Gef?hl zu Gef?hl springen konnte. Wie Shelley verzweifelt und zu Tr?nen ger?hrt sein konnte, wenn sie eine Leiche betrachtete oder einen Menschen befragte, der jemanden verloren hatte, und auf der anderen Seite dann wieder so aufgeregt wie ein Schulkind ?ber die Aussicht, den Fall zu l?sen. Der Bildschirm vor ihr blinkte und bekam wieder ihre volle Aufmerksamkeit, als eine Liste von Ergebnissen auftauchte. Es schien, dass ihr zweites Opfer, Callie Everard, seit einigen Jahren ein vielbesch?ftigtes M?dchen gewesen war. Es gab mehrere Aufzeichnungen ?ber sie im System des ?rtlichen Polizeireviers, einschlie?lich einiger Verhaftungen wegen Besitzes illegaler Substanzen. „Da haben wir es“, sagte Zoe. „Sie wurde einige Male zum Tod eines gewissen Clay Jackson befragt. Das muss er sein.“ „Clay Jackson? Okay“, wiederholte Shelley und startete ihre eigene Suche am Computer, der in ihren vorl?ufigen Untersuchungsraum gebracht worden war. Es war manchmal anstrengend, so zu arbeiten. Immer unterwegs, von Stadt zu Stadt. Sich erst einzuleben und dann woanders hinzugehen. Nur f?r die Gerichtstermine wiederzukommen, die immer unerw?nscht und unweigerlich unangenehm waren. Zoe klickte auf seinen Namen im System, um zu den Aufzeichnungen der Untersuchung zu gelangen. Sie wartete immer noch darauf, dass die Seite geladen wurde, als Shelley sich hinter ihr meldete. Es ?berraschte keinen von ihnen, dass alle Suchmaschinen im Internet schneller arbeiteten als das System der Bezirkspolizei. „Hier ist etwas. Clay Jackson Memorial Social-Media-Seite. Auf ihr sind ein paar wenige Beitr?ge und Bilder zu sehen, die jedes Jahr an seinem Todestag oder Geburtstag gepostet werden. Er hatte eine Menge Tattoos.“ „Viele?“ „Mehr als Callie. Ich glaube, ich erkenne ein oder zwei davon. Sie haben, glaube ich, eine besondere Bedeutung auf der Stra?e. An dieser Gang-Theorie k?nnte etwas dran sein.“ Zoe schnaubte und sch?ttelte den Kopf. Sie stand auf, um ?ber Shelleys Schulter zu schauen und sich die Bilder von Clay Jackson anzusehen. Auf seinen letzten Bildern war er 1,82 Meter gro? und wog 64 Kilo. Drogenabh?ngig und er hatte vermutlich kaum noch gegessen. Er sah so aus, als w?re er vor seiner Sucht fit, gesund und muskul?s gewesen. Auf den Fotos schrumpfte er langsam. Er hatte diesen Kurs nie bis zu seinem Ende verfolgt – er wurde mitten in der Transformation get?tet. „Warum tun Kriminelle so etwas?“, fragte sie. „Warum tun Kriminelle was?“ „Sie markieren sich f?r uns. Sie machen es uns leicht mit ihren Gang-Tattoos.“ „Ich glaube nicht, dass das der Sinn dahinter ist“, sagte Shelley und schenkte ihr ein schiefes L?cheln ?ber die Schulter. „Das ist eine Art soziale Konformit?t. Zu zeigen, dass man zu einer bestimmten Gruppe geh?rt. Manchmal ist die St?rkung von Loyalit?t und Kameradschaft, die jemand durch dieses Gef?hl der Zugeh?rigkeit erf?hrt, gr??er als die Notwendigkeit, sich selbst zu sch?tzen oder die Angst, verhaftet zu werden.“ „Ich w?rde mir nie ein Gang-Tattoo stechen lassen. Selbst wenn es eine Voraussetzung f?r den Beitritt zur Gang w?re. Besonders dann nicht. Was f?r eine bl?de Regel.“ Shelley rutschte auf ihrem Stuhl umher und warf Zoe nun einen am?sierten Blick zu. „Du w?rdest sowieso keiner Gang beitreten, oder? Das w?rde ja eine Menge Smalltalk erfordern. Ich glaube nicht, dass dir das gefallen w?rde.“ „Ich w?rde mir sowieso unter keinen Umst?nden ein Tattoo stechen lassen“, antwortete Zoe und wies damit auf den anderen Teil des Problems hin. „Ich verstehe nicht, warum es jemand tun w?rde. Was k?nnte so wichtig sein, dass es eine dauerhafte T?towierung auf dem K?rper erfordert?“ „Du magst wirklich keine Tattoos, oder?“ Zoe wusste nicht, ob Shelley sich ?ber sie lustig machte oder nicht. „Sie sind ein Zeichen von geringerer Intelligenz. Es ist statistisch gesehen viel wahrscheinlicher, dass Straft?ter Tattoos haben als gesetzestreue B?rger. Und wenn sie ?lter werden, sehen sie unweigerlich dumm aus. Warum grinst du so?“ „Weil es etwas an mir gibt, wovon du nichts wei?t.“ Shelley schob ihren Stuhl ein St?ck von ihrem Schreibtisch zur?ck und stellte ihren Fu? auf die Sitzfl?che des Stuhls. Bevor Zoe die Gelegenheit hatte, zu protestieren oder sie zu fragen, was sie da tat, hatte Shelley den Saum ihrer Hose angehoben, um die nackte Haut an ihrem Unterschenkel zu enth?llen. Dort war eine Miniaturmohnblume in leuchtendem Rot und Schwarz zu sehen, fast realistisch genug, dass Zoe dachte, sie k?nne die Hand ausstrecken und sie pfl?cken. „Du hast ein Tattoo?“, fragte Zoe, obwohl es mehr als offensichtlich war. Es war einfach ein zu gro?er Schock. Sie h?tte sich Shelley niemals als jemanden vorgestellt, der ihren K?rper mit Tinte beschmutzen w?rde. „Sieht aber sehr gut aus, finde ich“, sagte Shelley. Sie l?chelte, und obwohl Zoe dachte, es k?nnte nett gemeint sein, war sie sich nicht sicher. „Ich habe es mir stechen lassen, als ich auf der Uni war. Der Name meiner Gro?mutter war Poppy. Nachdem sie gestorben war, dachte ich, es w?re eine nette Art, sich an sie zu erinnern.“ Zoe kehrte zu ihrem eigenen Stuhl zur?ck und lie? sich darauf nieder. Sie f?hlte sich, als sei ihr der Wind aus den Segeln genommen worden. „Hast du noch andere?“ „Nein“, lachte Shelley. „Das hier tat schon h?llisch weh. Danach habe ich ihnen abgeschworen.“ „Ich wusste gar nichts ?ber … diesen Teil von dir.“ „Welchen Teil? Den kriminellen, wenig intelligenten Teil?“ Zoe schluckte. Sie hatte zwar die meiste Zeit mit menschlichen Emotionen und sozialen Normen zu k?mpfen, aber eines wusste sie: Hier war eine Entschuldigung f?llig. „Ich habe es nicht so gemeint“, sagte sie. „Ich wusste ja nicht, dass…“ „Du hast eine Vermutung angestellt“, sagte Shelley. „Ich wei?, dass du mich nicht f?r einen schlechten Menschen h?ltst, also musst du dir eingestehen, dass deine Vermutung nicht ganz richtig war. Es sind nicht nur Kriminelle und Idioten, die sich t?towieren lassen.“ Zoe nickte und w?hlte ihre n?chsten Worte sorgf?ltig aus. „Ich gebe zu, dass ein Zeichen des Respekts und der Erinnerung an einen verlorenen geliebten Menschen auch ein triftiger Grund sein kann, sich f?r so etwas zu entscheiden.“ „Das ist zumindest ein Fortschritt“, sagte Shelley. Sie l?chelte immer noch, und Zoe hatte das Gef?hl, dass es immer noch auf ihre Kosten war. Aber sie hatte es vermasselt und etwas gesagt, das vielleicht verletzend gewesen war, also schien es fair zu sein. „Wie geht deine Suche voran?“ Zoe erkannte den nicht sehr subtilen Hinweis und schaute auf ihren Monitor zur?ck, wo Clay Jacksons Polizeiakte endlich geladen war. Sie pfiff leise und sch?ttelte den Kopf ?ber die L?nge der Ergebnisse, die ihr angezeigt wurden. „Er ist vorbestraft, okay. Sieht aus, als geh?rte er, wie wir vermuteten, zu einer ?rtlichen Gang.“ Nun war Shelley an der Reihe, her?berzukommen und sich ?ber Zoes Schulter zu beugen. Sie lasen die Ergebnisse zusammen. Sie erz?hlten keine besonders sch?ne Geschichte. Clay Jackson war Mitglied einer Gang in LA gewesen, einer ber?chtigten Stra?engang, die unter anderem in den Handel mit illegalen Drogen verwickelt war. Die Art von Drogen, mit denen Callie zu tun hatte. Es war nicht sonderlich schwer zu erkennen, woher sie ihre Vorr?te bekommen haben k?nnte. Clays Tattoos waren nur der Anfang davon. Er war ein Hauptmitglied der Gang und wurde verd?chtigt, Angriffe in rivalisierendem Territorium geleitet zu haben und der Drahtzieher hinter mehreren Gesch?ften zu sein, die stattfanden, um die Gang mit Lieferanten und K?ufern in Verbindung zu bringen. Er wurde mehrfach verwarnt, sowohl wegen Drogen- als auch wegen Waffenbesitzes, worauf eine tats?chliche Verhaftung und verschiedene weitere Strafen folgten. Er hatte einige Zeit im Gef?ngnis verbracht, kam aber immer nach ein paar Monaten wieder raus und wurde nie f?r etwas wirklich Schlimmes erwischt, das ihm h?tte das Genick brechen k?nnen. Bis zu dem Moment, als auf einmal alles vorbei war. Er wurde in einer Gasse niedergeschossen. Seine Leiche blieb in einem blutigen Haufen liegen, nur um kurz danach, nachdem Anwohner Sch?sse gemeldet hatten, von der Polizei entdeckt zu werden. Es gab nie wirkliche Beweise daf?r, wer der T?ter war, nur Indizienbeweise und Verd?chtigungen, die in dem Muster der Befragungen und Verhaftungen, die dem Verbrechen folgten, leicht erkennbar waren. „Sieh dir das mal an“, sagte Zoe und tippte auf ihren Bildschirm. „Die einzige Anklage, die sie w?hrend der gesamten Untersuchung durchsetzen konnten, war der Besitz einer illegalen Schusswaffe. Der Kerl, von dem sie glaubten, dass er es am ehesten getan haben k?nnte, nur konnten sie es nicht beweisen. Das war alles, wof?r sie ihn drankriegen konnten. Er bekam f?nf Jahre.“ „Such mal nach ihm“, sagte Shelley. „Wie ist sein Name? Cesar Diaz?“ „Ja genau“, antwortete Zoe und wartete, bis die Seite geladen war. „Seine Gang hatte enge Verbindungen zu mexikanischen Schmugglern. Es scheint, als h?tten sie um das Territorium gek?mpft. Wer in diesem Gebiet verkaufen durfte.“ „Es passt alles zusammen. Wenn Clay ein hohes Tier in seiner Gang war, die neue Gesch?fte machte und neue Verk?ufe abschloss, dann h?tten ihre Rivalen es besonders auf ihn abgesehen, um zu zeigen, wem was geh?rt.“ Die Informationen zu Cesar Diaz tauchten auf dem Bildschirm auf. Beide lasen den letzten Eintrag, dann hielten sie inne und sahen sich gegenseitig an. Das war eine gro?e Sache. „Cesar Diaz wurde vor ein paar Monaten auf Bew?hrung entlassen“, sagte Shelley und sprach aus, was beide dachten. „Cesar Diaz ist wieder drau?en und vielleicht auf der Suche nach Rache. Das erkl?rt Callie. Die Dinge ausl?schen, die Clay wichtig waren, um zu zeigen, dass er wieder zur?ck ist, und um zu zeigen, dass er nicht weich geworden ist. Dass er immer noch das Sagen hat.“ „Aber was ist mit John Dowling? Das ergibt f?r mich immer noch keinen Sinn.“ Shelley runzelte die Stirn. „K?nnte es eine Verbindung zwischen John und Cesar geben?“ Zoe ?berflog seine Seite und suchte nach allem, was ihr ins Auge stach. Nichts. Aus einer Laune heraus tippte sie die letzte Seite im System an und kehrte zu Clay Jacksons Profil zur?ck. Unter seinem Namen, Bild und seinen wichtigsten Daten, befanden sich einige Links, die zu l?ngeren Textabschnitten f?hrten. Einer davon f?hrte zu Verbindungen zwischen bekannten Personen. Zoe klickte darauf, um weiterzulesen. „Warte mal eine Sekunde“, sagte sie und bemerkte etwas, das ihr bekannt vorkam. „Alicia Smith. Das scheint ein gew?hnlicher Name zu sein, aber …“ Sie stand auf und nahm die Akte von John Dowling vom Tisch. Sie bl?tterte ein paar Seiten durch, bevor sie endlich fand, wonach sie suchte. „Was ist es?“, fragte Shelley und beobachtete sie nerv?s, w?hrend ihre Finger mit dem Pfeilanh?nger spielten, der um ihren Hals hing. „Alicia Smith wurde vor ein paar Tagen von uniformierten Polizisten im Rahmen der Untersuchung von John Dowlings Tod befragt.“ „In welcher Verbindung stand sie zu John Dowling?“ Zoe l?chelte, ein wenig siegessicher. „Alicia Smith ist die Mutter von John Dowling.“ „Aber was …“ Shelley lehnte sich nach vorne und betrachtete erneut den Bildschirm. „Warte mal. Alicia Smith ist auch Clay Jacksons Tante m?tterlicherseits.“ „John Dowling ist Clay Jacksons Cousin. Das ist die Verbindung zu Callie Everard.“ Auf einmal f?gte sich das Puzzle zusammen. Shelley sprang auf, tippte auf Zoes Bildschirm und bewegte die Maus ungeduldig, w?hrend die Seite erneut geladen wurde. „Hier sind die Bew?hrungsunterlagen von Cesar Diaz. Wir sollten ihm lieber einen Besuch abstatten.“ KAPITEL ZEHN Zoe beobachtete alles von der einen Seite des Raumes, um angeblich die an der Wand h?ngenden Zertifikate zu untersuchen. Von dort aus konnte sie zusehen und zuh?ren, musste sich aber erst dann selbst am Gespr?ch beteiligen, wenn sie bereit war. Craig Lopez sah nicht wie ein durchschnittlicher Bew?hrungshelfer aus, zumindest nicht wie die Art, die sie sich beim H?ren des Begriffs im Kopf vorgestellt hatte. Er war kr?ftig gebaut, 1,80 m gro? und hatte etwa 90 Kilo Muskelmasse. Als w?re das noch nicht genug, waren auch die meisten Muskeln, die um das Polohemd herum sichtbar waren, t?towiert. Von geschmierten Kritzeleien bis hin zu kunstvollen Kunstwerken war alles dabei. Dann war da auch noch eine gezackte Narbe an der Seite seines Halses, wo sich einmal eine Kugel durch sein Fleisch gerissen haben musste, ohne ihn zu t?ten. Offensichtlich war er wegen seiner einzigartigen Erfahrung eingestellt worden. Da er in seiner Jugend Mitglied mehrerer Gangs war, fand er einen Zugang zu denjenigen, die ebenfalls in solche Dinge verwickelt waren. Er konnte sie verstehen. „Ist Cesar wieder in Schwierigkeiten?“, fragte er, sein ganzes Verhalten schwer und entt?uscht. „Er schwor mir, dass er clean werden w?rde. Raus aus der Gang und rein in etwas Besseres.“ „Wir sind uns noch nicht sicher“, betonte Shelley. „Wir m?ssen ihn erst befragen.“ Craig ?ffnete die Schublade eines Aktenschranks und bl?tterte den Inhalt durch, bevor er ein Blatt Papier herauszog. „Das hier ist seine Bew?hrungsauflage. Sie sollten vorsichtig sein. Wenn er wieder in Gang-Machenschaften verwickelt ist, wird er wahrscheinlich ein Gefolge haben. Er hat f?r die Gang gesessen, also hat er etwas Prestige gewonnen. Sie werden ihn besch?tzen wollen. Wenn sie mit gezogenen Waffen reingehen, k?nnte es b?se enden.“ „Verstanden“, sagte Shelley. „Was wenn wir allein hineingehen, nur wir beide? Zeigt das, dass wir nur reden wollen?“ Craig neigte den Kopf. „Sicherer ist es schon. Aber stellen Sie sicher, dass jemand wei?, wo sie sind. Nur f?r alle F?lle.“ Shelley atmete unruhig ein, als sie nickte. Zoe beobachtete sie und dachte, dass Shelley wahrscheinlich noch nie zuvor in einer solchen Situation gewesen war. Sie war in allem so gut, dass man manchmal verga?, dass sie noch nicht lange aus Quantico fort war. Es gab viele Szenarien, die f?r sie immer noch einsch?chternd sein w?rden, frisch und neu. Beim Thema Gangs kannte sich auch Zoe nicht sonderlich gut aus. „Sind sie so etwas wie der lokale Experte f?r diese Gangs?“, fragte Zoe und wandte sich an Craig. Er blickte ?berrascht auf – es war das erste Mal, dass sie w?hrend des gesamten Austauschs gesprochen hatte – und zuckte die Achseln. „Das kann man wohl sagen, denke ich. Zumindest das, was diese Seite des Gesetzes betrifft. Warum? Brauchen sie Informationen?“ „Es geht um Clay Jackson, den Mann, den Cesar wahrscheinlich get?tet hat“, sagte Zoe. „Oh, er hat ihn get?tet. Er hat es nur so gut gemacht, dass sie ihn nicht kriegen konnten.“, sagte Craig. „Ich habe mal sowas ?hnliches wie ein Gest?ndnis von ihm geh?rt, obwohl er zu schlau ist, es wirklich auszusprechen.“ Zoe nickte, zumindest froh ?ber die Best?tigung. „Seine Tante, Alicia Smith. Sie wurde damals zu dem Mord befragt.“ Craig verengte die Augen und sah dann nachdenklich zur Decke. „Bin mir nicht sicher, ob ich den Namen kenne.“ „Ihr Sohn, John Dowling, ist eines der Mordopfer, die wir derzeit untersuchen.“ Craig verstand. „Sie fragen mich nach ihrer Beziehung. Ob Cesar diesen John Dowling ermorden w?rde, sobald er rauskam, um seinen Standpunkt klarzumachen.“ „Ganz genau.“ Craig sch?rzte die Lippen und trommelte mit den Fingern auf seinen Schreibtisch. „Ich w?sste nicht warum. Clay Jackson war wie viele von diesen Typen. Die Gang war seine Familie. Echte Blutsverwandte verblassten im Vergleich dazu. Soweit ich mich erinnere, hatte er zu den meisten seiner Verwandten keinen Kontakt. Seine Eltern wollten nichts mit einem Sohn zu tun haben, der in einer Gang war.“ Das war interessant. Es war eine L?cke in ihrer Theorie, aber andererseits war es kein Beweis. Craig kannte diese M?nner, aber er geh?rte nicht zu den Gangs. Zumindest nicht mehr. Es gab Dinge, die sie vielleicht vor seinem Verdacht verbergen konnten. „Danke“, sagte Shelley und streckte die Hand aus, um seine zu sch?tteln. „Wir melden uns, wenn wir noch etwas brauchen.“ *** Bei der Adresse, die Craig f?r sie auf einem Zettel notiert hatte, handelte es sich um ein heruntergekommenes, einst?ckiges Geb?ude mit kaputten, alten Autos, die quer ?ber das, was der Vorgarten h?tte sein sollen, geparkt waren. Eines von ihnen stand auf Betonbl?cken statt auf Reifen. Nicht gerade das, was man von der Wohnung eines Drogenbarons erwarten w?rde. Vielleicht hatte Craig recht, und Cesar war wirklich aus dem Spiel. Das bedeutete aber nicht, dass er keine Rachepl?ne mehr hegte, dachte Zoe und kaute auf ihrer Lippe herum, als sie sich umsah. Es schien niemand in der N?he zu sein, der sie beachtete oder ihnen h?tte Schaden zuf?gen k?nnen. Niemand, der sie von Fenstern oder Veranden aus beobachtete, keine Autos, die langsam durch die Nachbarschaft fuhren. Keine Anzeichen daf?r, dass jemand im Haus war. „Wir sollten reingehen“, entschied Zoe, ?ffnete die Fahrert?r und stieg aus. Shelley folgte ihr kurz darauf. Sie wartete nicht lange, aber sie wartete. Zoe fragte sich, ob Shelley kalte F??e bekam. Wie auch immer sie es anstellen w?rden, sie mussten hier Untersuchungen anstellen. Egal, was sie auch vorschoben, irgendwann w?rden sie hier landen. Zoe versuchte, Selbstvertrauen auszustrahlen, das sie nicht hatte, als sie zur Haust?r ging und anklopfte. Dreimal, in dem kleinen Haus un?berh?rbar. Keine Reaktion. Sie wechselte einen Blick mit Shelley, die nun dicht hinter ihr stand, und klopfte erneut an. Fester. F?nf Mal. Nicht so leicht zu ignorieren. Da war nichts. Nicht das Knarren einer Diele oder das Flackern einer Bewegung hinter den d?nnen Vorh?ngen. Das Wohnzimmerfenster, das man von dort sehen konnte, wo sie standen, zeigte in einen leeren Raum. „Hier ist niemand“, sagte Zoe nach einem Moment. Es f?hlte sich nicht so an, als w?rde man sie einfach ignorieren. „Was nun?“, fragte Shelley, als sie auf das Auto zur?ckblickte. „Warten wir im Auto?“ Zoe folgte ihrem Blick und sah einen ?lteren lateinamerikanischen Mann, der sich auf den Stufen eines Grundst?cks auf der anderen Stra?enseite niedergelassen hatte. Dreiundsiebzig Jahre alt, sch?tzte sie. „Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht“, sagte sie und ging l?ssig auf ihn zu. Es wirkte immer etwas unbeholfen, auf jemanden so zuzugehen. Der alte Mann beobachtete sie und wusste, dass sie zu ihm wollten. Er wusste, dass sie kamen, um mit ihm zu sprechen, aber er war immer noch zu weit weg, um ihn zu begr??en. Wo sollte man hinschauen? Auf den Boden? In die Ferne, die Gegenwart des Mannes ignorierend, als h?tten sie vor, einfach an ihm vorbeizugehen? Auf sein Gesicht, um Blickkontakt herzustellen, der f?r die lange Zeit, die sie brauchten, um die Sprechdistanz zu erreichen, unangenehm w?re? Zoe entschied sich f?r eine Mischung aus allen dreien, was irgendwie noch schlimmer war, und rief ihn schlie?lich doch, sobald sie auf halber Strecke war. „Entschuldigen sie, Sir?“ Er stellte sich nicht hin oder kam ihnen n?her, sondern be?ugte die beiden misstrauisch, aber er schenkte ihnen zumindest seine Aufmerksamkeit. „Wir suchen den Mann, der auf der anderen Stra?enseite wohnt. Wissen sie, wo er sich zu diesem Zeitpunkt aufhalten k?nnte?“, fragte Zoe, wobei sie ihre Worte etwas neutral hielt. Kein Grund, alles auf einmal zu verraten. Der alte Mann grunzte. „Du meinst Cesar?“ Die Katze war also aus dem Sack. „Ja, Sir.“ Zoe blieb respektvoll. Sie hatte bemerkt, dass der Grad der Kooperation, den man bei ?lteren Zeugen vorfand, oft in direktem Zusammenhang damit stand, wie oft man sie "Sir" oder "Ma'am" nannte. „Drau?en an der Grube.“ „Die Grube?“, wiederholte Zoe. Es gab doch nichts Besseres, als wenn Anwohner Au?enstehende durch lokales Wissen, dumm dastehen lie?en. Der alte Mann grunzte wieder und gab ihr ein ungeduldiges Schulterzucken. „Die Grube. Wo all die Jungs hingehen.“ „Meinen sie die Gangmitglieder, Sir?“ Shelley ?bernahm, ihr Tonfall tief und weich. Der Lateinamerikaner rieb sich die knochigen Finger ?ber den Scheitel, der bis auf ein paar verbleibende Str?hnen fast kahl war, und nickte. „All diese Jungen. Das ist hier kein Geheimnis.“ „K?nnten sie uns den Weg zeigen, Sir?“, fragte Shelley. „Wir sind nicht von hier.“ Der alte Mann sah sie von oben bis unten an und fing an zu lachen, wobei er drei Zahnl?cken entbl??te. „Nein, das sind sie wirklich nicht“, sagte er und lachte dann wieder, lang und laut. Zoe tippte Shelley an. „Es w?re besser, die ?rtliche Polizei anzurufen“, sagte sie und deutete mit dem Kopf zum Auto zur?ck, bevor sie in dessen Richtung ging. Hinter ihnen h?rten sie immer noch das schallende Lachen des alten Mannes, es folgte ihnen die vierundzwanzig Schritte bis zum Auto wie ein schlechter Geruch. Zoe sank auf den Fahrersitz und knallte ihre T?r zu, vielleicht st?rker als n?tig. „Wie sieht unser Plan aus?“, fragte Shelley atemlos. Ihre Wangen waren rosa. Diese ganze Begegnung hatte sie ?berfordert. „Ich werde auf dem Revier anrufen“, sagte Zoe. „Dann bekommen wir Verst?rkung. Die Anwohner werden wissen, was das bedeutet. Dann gehen wir rein.“ Sie w?hlte die Nummer auf ihrem Telefon und ?berlegte bereits, wie viele Leute sie verlangen w?rden, und ob es klug w?re, auch nach kugelsicheren Westen zu fragen . KAPITEL ELF Zoe passte die Gurte ihrer Weste noch einmal an und f?hlte dabei, wie fest der Klettverschluss und sein Gegenst?ck alles zusammenhielten. Der Polizeiwagen war fast schon zu voll. Shelley sa? ihr gegen?ber, daneben acht M?nner und Frauen des SWAT-Teams, alle in voller Ausr?stung. Zoe war das Gef?hl des Helms auf ihrem Kopf nicht gewohnt. Die gepolsterten Seiten dr?ckten gegen ihre Wangen. Trotzdem war ihr dieses Gef?hl lieber, als ungesch?tzt irgendwo hineinzugehen. Sie befanden sich in einer Sackgasse in kurzer Entfernung zu ihrem Ziel, dem Treffpunkt, den die Gangmitglieder ihr Zuhause nannten. Die Grube. Es stellte sich heraus, dass es sich um eine Bar handelte, oder zumindest um die Fassade einer Bar, die Art von Ort, an dem Au?enseiter nicht willkommen waren. Der Zutritt wurde zu einer Razzia mit vollem Einsatz. Der ?rtliche Captain hatte ihnen klar gemacht, dass es bei solchen M?nnern keine andere M?glichkeit gab. Wenn man unbewaffnet und ungesch?tzt hineingehen w?rde, k?me man als Polizist nur tot wieder heraus. Sie hatten eine Karte zwischen sich ausgebreitet, einen gedruckten Plan des Ortes. Es handelte sich um nicht viel mehr als die Umrisse schwarzer Quadrate, eine Einsch?tzung auf der Grundlage dessen, was bei fr?heren Razzien beobachtet worden war, in Kombination mit Stadtgrundrissen. „Es gibt drei Ausg?nge – hier, hier und hier.“ Der Kommandant der Einheit zeigte auf sie, einer in jede Himmelsrichtung. „Das ist der Haupteingang, in den wir abseits der Stra?e st?rmen werden. Erfahrungsgem?? wird sich die Gang in beide Richtungen etwa zur H?lfte aufteilen und damit versuchen, auch unsere Streitkr?fte zu verteilen.“ „Was ist das hier?“, fragte Zoe und zeigte auf ein Rechteck im Geb?ude selbst. „Das ist der Barbereich. Normalerweise erwarten wir dort die meisten Menschen, wobei hier auch Tische und St?hle verteilt sind. Dort, hinter den Doppelt?ren, befindet sich das private Clubhaus. Dort verbringen haupts?chlich ?ltere Mitglieder ihre Zeit.“ „Dort werden wir Cesar finden“, sagte Zoe. Es war eher ein Kommentar als eine Frage. Sie alle wussten, dass das gut m?glich war. Es war eine der ungeschriebenen Regeln einer Gang wie dieser: Wenn man einmal f?r seine Kollegen gesessen hat, ohne etwas zu verraten, geh?rte man zum inneren Kreis. Êîíåö îçíàêîìèòåëüíîãî ôðàãìåíòà. Òåêñò ïðåäîñòàâëåí ÎÎÎ «ËèòÐåñ». Ïðî÷èòàéòå ýòó êíèãó öåëèêîì, êóïèâ ïîëíóþ ëåãàëüíóþ âåðñèþ (https://www.litres.ru/pages/biblio_book/?art=63590656&lfrom=688855901) íà ËèòÐåñ. Áåçîïàñíî îïëàòèòü êíèãó ìîæíî áàíêîâñêîé êàðòîé Visa, MasterCard, Maestro, ñî ñ÷åòà ìîáèëüíîãî òåëåôîíà, ñ ïëàòåæíîãî òåðìèíàëà, â ñàëîíå ÌÒÑ èëè Ñâÿçíîé, ÷åðåç PayPal, WebMoney, ßíäåêñ.Äåíüãè, QIWI Êîøåëåê, áîíóñíûìè êàðòàìè èëè äðóãèì óäîáíûì Âàì ñïîñîáîì.
Íàø ëèòåðàòóðíûé æóðíàë Ëó÷øåå ìåñòî äëÿ ðàçìåùåíèÿ ñâîèõ ïðîèçâåäåíèé ìîëîäûìè àâòîðàìè, ïîýòàìè; äëÿ ðåàëèçàöèè ñâîèõ òâîð÷åñêèõ èäåé è äëÿ òîãî, ÷òîáû âàøè ïðîèçâåäåíèÿ ñòàëè ïîïóëÿðíûìè è ÷èòàåìûìè. Åñëè âû, íåèçâåñòíûé ñîâðåìåííûé ïîýò èëè çàèíòåðåñîâàííûé ÷èòàòåëü - Âàñ æä¸ò íàø ëèòåðàòóðíûé æóðíàë.