×òî æå åñòü ó ìåíÿ? Äûðû â äðàíûõ êàðìàíàõ, Òðè ìîðùèíû íà ëáó, Äà èñò¸ðòûé ïÿòàê... Íî íå æàëêî íè äíÿ- Ìíå ñóäüáîþ ïðèäàííûõ, Õîòü ïîðîé ÿ æèâó Ïîïîäàÿ â ïðîñàê. Âñ¸ ÷òî åñòü ó ìåíÿ: Ñîâåñòü, ÷åñòü è óìåíüå. ß îòäàì íå ñêóïÿñü- Ïðîñòî òàê çà ïóñòÿê. Çà ïîñòåëü ó îãíÿ, Äîáðîòó áåç ñòåñíåíüÿ. È çà òî, ÷òî ïðîñòÿñü, Íå çàáûòü ìíå íè êàê... Âñ¸ ÷

Gesicht des Wahnsinns

Gesicht des Wahnsinns Blake Pierce Ein Zoe Prime Fall #4 „EIN MEISTERWERK AN MYSTERYTHRILLER. Blake Pierce hat es geschafft, seine Charaktere so real zu beschreiben, dass wir mit ihnen f?hlen, ihren ?ngsten folgen und ihren Erfolg bejubeln k?nnen. Damit hat er gro?artige Arbeit geleistet. Dieses Buch voller unerwarteter Wendungen wird Sie bis zur letzten Seite in Atem halten.“. –Books and Movie Reviews, Roberto Mattos (re Verschwunden) . GESICHT DES WAHNSINNS ist Buch Nr. 4 einer neuen FBI-Thriller-Serie des Bestsellerautors Blake Pierce (USA Today), dessen Bestseller „Verschwunden“ (Buch Nr. 1) (erh?ltlich als kostenloser Download) ?ber 1.000 F?nf-Sterne-Rezensionen erhalten hat… FBI Special Agent Zoe Prime leidet an einer seltenen Krankheit, die ihr ein einzigartiges Talent verleiht – f?r sie besteht die ganze Welt aus Zahlen. Diese Zahlen qu?len sie, machen es ihr schwer mit anderen Menschen zu kommunizieren und erschweren zus?tzlich auch noch ihr Liebesleben – und doch erlauben sie es ihr, Muster zu erkennen, die kein anderer FBI-Agent sehen kann. Zoe h?lt ihre Verfassung geheim und hat Angst davor, dass ihre Kollegen es herausfinden k?nnten… In GESICHT DES WAHNSINNS hat es ein grausamer Serienm?rder auf die Frauen in Special Agent Zoe Primes Heimatstaat Nebraska abgesehen. Seine Methoden, erinnern an die von Ted Bundy. Zoe kann zwar alle Zahlen erkennen, aber zum ersten Mal in ihrem Job hilft ihr das nicht weiter. Dieser M?rder scheint von menschlichen und sozialen Gr?nden getrieben – etwas, das Zoe nur schwer verstehen kann… Ist dies der Fall, der sie an ihre Grenzen f?hrt?. Oder steckt doch ein Muster hinter allem? Sogar hinter sozialen Interaktionen?. W?hrend Zoe gegen ihre eigenen D?monen k?mpft, wird die Entscheidung, ihre Familie zu besuchen (eine katastrophale Entscheidung) die sein, die ihren Zusammenbruch bedeutet?. GESICHT DES WAHNSINNS ist der vierte Teil einer fesselnden neuen Buchreihe, ein actiongeladener psychologischer Thriller, der so spannend ist, dass Sie ihn gar nicht mehr weglegen wollen.. Blake Pierce GESICHT DES WAHNSINNS GESICHT DES WAHNSINNS (Ein Zoe Prime Fall—Buch Vier) B L A K E   P I E R C E Aus dem Amerikanischen von Tim Manzella Blake Pierce Blake Pierce ist der USA Today Bestseller-Autor der RILEY PAGE Mystery-Serie, die sechzehn B?cher (und es werden noch mehr) umfasst. Blake Pierce ist auch der Autor der Mystery-Serie MACKENZIE WHITE, die dreizehn B?cher umfasst (Tendenz steigend); der Mystery-Serie AVERY BLACK, die sechs B?cher umfasst; der Mystery-Serie KERI LOCKE, die f?nf B?cher umfasst; der Mystery-Serie DAS MAKING OF RILEY PAIGE, die f?nf B?cher umfasst (Tendenz steigend); der Mystery-Serie KATE WISE, die sechs B?cher umfasst (Tendenz steigend); der psychologischen Krimireihe CHLOE FINE, die f?nf B?cher umfasst (Tendenz steigend); der psychologischen Krimireihe JESSIE HUNT, die f?nf B?cher umfasst (Tendenz steigend); der psychologischen Krimireihe AU PAIR, die zwei B?cher umfasst (Tendenz steigend); der Krimireihe ZOE PRIME, die zwei B?cher umfasst (Tendenz steigend); der neuen Krimireihe ADELE SHARP; sowie der neuen und heimeligen Mystery-Serie EUROPEAN VOYAGE. Als begeisterter Leser und lebenslanger Fan der Mystery- und Thriller-Genres liebt es Blake, von Ihnen zu h?ren. Besuchen Sie www.blakepierceauthor.com (http://www.blakepierceauthor.com/), um mehr zu erfahren und in Kontakt zu bleiben. Copyright © 2020 von Blake Pierce. Alle Rechte vorbehalten. Vorbehaltlich der Bestimmungen des U.S. Copyright Acts von 1976 darf kein Teil dieser Ver?ffentlichung ohne vorherige Genehmigung des Autors in irgendeiner Form oder mit irgendwelchen Mitteln reproduziert, verteilt oder ?bertragen, in einer Datenbank oder einem Datenabfragesystem gespeichert werden.  Dieses eBook ist ausschlie?lich f?r Ihre pers?nliche Nutzung lizensiert. Dieses eBook darf nicht weiterverkauft oder an andere Personen weitergegeben werden. Wenn Sie dieses Buch mit einer weiteren Person teilen m?chten, erwerben Sie bitte eine zus?tzliche Ausgabe f?r jeden Empf?nger. Wenn Sie dieses Buch lesen und es nicht erworben haben, oder es nicht ausschlie?lich f?r Ihren Gebrauch erworben wurde, geben Sie es bitte zur?ck und erwerben Ihre eigene Ausgabe. Danke, dass Sie die harte Arbeit dieses Autors respektieren. Es handelt sich hier um eine erfundene Geschichte. Namen, Charaktere, Unternehmen, Organisationen, Orte, Ereignisse und Vorf?lle beruhen entweder auf der Phantasie des Autors oder werden fiktiv verwendet. Jede ?hnlichkeit mit tats?chlichen Personen, ob lebend oder tot, ist v?llig zuf?llig. Titelbild Copyright Alexey Godzenko, verwendet mit Lizenz von Shuitterstock.com. B?CHER VON BLAKE PIERCE ADELE SHARP MYSTERY-SERIE NICHTS ALS STERBEN (Band #1) NICHTS ALS RENNEN (Band #2) NICHTS ALS VERSTECKEN (Band #3) DAS AU-PAIR SO GUT WIE VOR?BER (Band #1) SO GUT WIE VERLOREN (Band #2) SO GUT WIE TOT (Band #3) ZOE PRIME KRIMIREIHE GESICHT DES TODES (Band #1) GESICHT DES MORDES (Band #2) GESICHT DER ANGST (Band #3) GESICHT DES WAHNSINNS (Band #4) JESSIE HUNT PSYCHOTHRILLER-SERIE DIE PERFEKTE FRAU (Band #1) DER PERFEKTE BLOCK (Band #2) DAS PERFEKTE HAUS (Band #3) DAS PERFEKTE L?CHELN (Band #4) DIE PERFEKTE L?GE (Band #5) DER PERFEKTE LOOK (Band #6) DIE PERFEKTE AFF?RE (Band #7) DAS PERFEKTE ALIBI (Band #8) DIE PERFEKTE NACHBARIN (Band #9) CHLOE FINE PSYCHOTHRILLER-SERIE NEBENAN (Band #1) DIE L?GE EINES NACHBARN (Band #2) SACKGASSE (Band #3) STUMMER NACHBAR (Band #4) HEIMKEHR (Band #5) GET?NTE FENSTER (Band #6) KATE WISE MYSTERY-SERIE WENN SIE W?SSTE (Band #1) WENN SIE S?HE (Band #2) WENN SIE RENNEN W?RDE (Band #3) WENN SIE SICH VERSTECKEN W?RDE (Band #4) WENN SIE FLIEHEN W?RDE (Band #5) WENN SIE F?RCHTETE (Band #6) WENN SIE H?RTE (Band #7) DAS MAKING OF RILEY PAIGE MYSTERY-SERIE BEOBACHTET (Band #1) WARTET (Band #2) LOCKT (Band #3) NIMMT (Band #4) LAUERT (Band #5) T?TET (Band #6) RILEY PAIGE MYSTERY-SERIE VERSCHWUNDEN (Band #1) GEFESSELT (Band #2) ERSEHNT (Band #3) GEK?DERT (Band #4) GEJAGT (Band #5) VERZEHRT (Band #6) VERLASSEN (Band #7) ERKALTET (Band #8) VERFOLGT (Band #9) VERLOREN (Band #10) BEGRABEN (Band #11) ?BERFAHREN (Band #12) GEFANGEN (Band #13) RUHEND (Band #14) GEMIEDEN (Band #15) VERMISST (Band #16) AUSERW?HLT (Band #17) EINE RILEY PAIGE KURZGESCHICHTE EINST GEL?ST MACKENZIE WHITE MYSTERY-SERIE BEVOR ER T?TET (Band #1) BEVOR ER SIEHT (Band #2) BEVOR ER BEGEHRT (Band #3) BEVOR ER NIMMT (Band #4) BEVOR ER BRAUCHT (Band #5) EHE ER F?HLT (Band #6) EHE ER S?NDIGT (Band #7) BEVOR ER JAGT (Band #8) VORHER PL?NDERT ER (Band #9) VORHER SEHNT ER SICH (Band #10) VORHER VERF?LLT ER (Band #11) VORHER NEIDET ER (Band #12) VORHER STELLT ER IHNEN NACH (Band #13) VORHER SCHADET ER (Band #14) AVERY BLACK MYSTERY-SERIE DAS MOTIV (Band #1) LAUF (Band #2) VERBORGEN (Band #3) GR?NDE DER ANGST (Band #4) RETTE MICH (Band #5) ANGST (Band #6) KERI LOCKE MYSTERY-SERIE EINE SPUR VON TOD (Band #1) EINE SPUR VON MORD (Band #2) EINE SPUR VON SCHW?CHE (Band #3) EINE SPUR VON VERBRECHEN (Band #4) EINE SPUR VON HOFFNUNG (Band #5) KAPITEL EINS Zoe lie? ihren Blick ?ber die vertraute, abgenutzte Lehne des Sessels schweifen. Das Leder war durch die Griffe und Spuren vieler H?nde und Finger in verschiedene Richtungen eingerissen, eine Tatsache, die ihren Verstand dazu brachte, sich zu ?berschlagen, Berechnungen anzustellen und Muster zu verfolgen. Ihre besondere F?higkeit, die Kraft, in allen Dingen um sie herum Zahlen zu sehen, war so oft eher hinderlich als hilfreich gewesen. Wenn sie nun aber auf das Leder schaute, dann gelang es ihr, nur noch einen Sessel zu sehen – und keine mathematische Gleichung mehr. Sie sah weg, immer noch konzentriert auf den Moment und die Frage, die ihr gerade gestellt wurde. „Ich freue mich auf heute Abend“, sagte sie und l?chelte ihre Therapeutin, Dr. Lauren Monk, an. Die Frau hatte seit Kurzem eine neue Frisur. Sie trug nun einen Pony ?ber ihren dunklen Augen und es stand ihr gut. Sie sah f?nf Jahre j?nger aus. „Erz?hlen Sie mir von Ihren Pl?nen“, sagte Dr. Monk. Ihr Kopf lag schr?g auf einer ihrer H?nde und sie studierte Zoe genau. Zoe war es nat?rlich aufgefallen, dass ihr Notizbuch die ganze Sitzung ?ber geschlossen geblieben war und der Stift lose in ihrer Hand baumelte. „Ich mache etwas, was ich noch nie zuvor gemacht habe“, sagte Zoe und sp?rte, wie die Aufregung ihre Wangen leicht rot f?rbte. „Ich habe ein Doppeldate. John und ich treffen uns mit Shelley und ihrem Mann.“ „Haben Sie das Gef?hl, dass Sie mit dieser Situation zurechtkommen k?nnen?“ „Ja.“ Zoe nickte, weil sie wusste, dass es die Wahrheit war. Das lag nicht nur an Dr. Monks Hilfe, sondern auch daran, dass sie mittlerweile Vertrauen zu John gefasst hatte, nachdem sie monatelang mit ihm ausgegangen war. Shelley, ihre Partnerin bei der Arbeit, hatte ebenfalls immer wieder bewiesen, dass sie Zoe unterst?tzen konnte, wann immer sie es brauchte. „Die ?bungen, die Sie mir gegeben haben, haben geholfen, die Zahlen zu verdr?ngen. Ich glaube nicht, dass sie mich wieder ?berw?ltigen werden. Diesmal nicht.“ Dr. Monks Lippen zogen sich kurz nach oben w?hrend Zoe sprach, als h?tte sie etwas geh?rt, das sie sehr gl?cklich machte. Einen halben Zentimeter ?ber der rechten Seite ihrer Oberlippe hatte sie einen Sch?nheitsfleck, der sich ebenfalls nach oben bewegte. Mit einem Satz legte sie ihr Notizbuch auf dem Tisch ab und den Stift ordentlich darauf. „Zoe, ich werde jetzt etwas sagen und ich bitte Sie, es nicht falsch zu verstehen“, sagte sie. Ihr Gesicht sah fr?hlich aus und sie gab sich alle M?he, sich nicht allzu sehr anmerken zu lassen, wie sehr sie sich freute. „Ich denke, es ist an der Zeit, dass wir uns nicht mehr sehen.“ Zoe hob eine Augenbraue. „Meinen Sie, dass ich mir einen anderen Therapeuten suchen sollte?“ Dr. Monk lachte. „Nein, Zoe. Ich sagte doch, dass Sie es nicht falsch verstehen sollen. Ich denke nicht, dass Sie ?berhaupt noch zu einem Therapeuten gehen sollten.“ „Sind wir … fertig?“ Dr. Monk nickte best?tigend. „Sie brauchen mich nicht mehr.“ Zoe lie? ihre Augen durch den Raum wandern, den Dr. Monk f?r ihre Therapiesitzungen benutzte: die in schwarzem Holz gerahmten Zertifikate an der Wand, die B?cherregale voller Psychologieb?cher, die Topfpflanze in der Ecke. Ein pl?tzlicher Anflug von Nostalgie ?berkam sie, etwas, das sie als FBI-Agentin nicht oft versp?rte – sie war normalerweise nie lange genug an einem Ort, um sich an ihn zu gew?hnen, sondern immer nur so lange, bis der Fall abgeschlossen war. Es war das Gef?hl, zum letzten Mal einen Ort zu verlassen. „Was, wenn ich wieder anfange, die Kontrolle zu verlieren?“ Dr. Monk beugte sich vor und legte ihre Hand auf die von Zoe, die auf der Sessellehne ruhte. „Wenn Sie mich jemals wieder brauchen sollten, m?ssen Sie mich nur anrufen und einen Termin mit mir vereinbaren. Sie werden immer auf meiner Patientenliste stehen. Aber dies hier ist unsere letzte regul?re Sitzung.“ Zoe nickte und versuchte, sich an den Gedanken zu gew?hnen. Sie hatte die Therapie abgeschlossen. Brauchte sie nicht mehr. In den letzten Monaten hatte sie viel Zeit hier in diesem Sessel verbracht und viel Arbeit in den Versuch gesteckt, sich zu ?ndern. Zu h?ren, dass sie es letztendlich geschafft hatte, war wirklich nur eine Best?tigung dessen, was sie innerlich bereits wusste. Sie wusste, dass sie die schlimmsten Teile ihres Verstandes bezwungen, sie gez?hmt und trainiert hatte. Als kleinen Selbsttest lie? sie ihre Augen erneut durch den Raum wandern. Wenn sie es wollte, konnte sie immer noch die Zahlen sehen. Sie erkannte sofort, dass in den Regalen ein Buch fehlte – vielleicht hatte Dr. Monk es zum Lesen herausgenommen oder jemandem mitgegeben. Sie wusste, dass die B?cherregale zwei Meter hoch waren und dass Dr. Monk wahrscheinlich auf etwas hinaufklettern musste, um die B?nde ganz oben zu erreichen. Aber als sie noch einmal hinsah und sich diesmal darauf konzentrierte, ruhig zu bleiben, sah sie einfach nur ein B?cherregal, das mit B?chern gef?llt war. Wie jeder andere auch. Sie sp?rte, wie sich ihre Lippen ohne ihre Erlaubnis nach oben verzogen. Es war ein echtes, nat?rliches L?cheln, etwas, das sie nur selten ?berkam. Sie f?hlte sich st?rker als je zuvor. Besser als je zuvor. Bereit f?r alles, was auf sie zukommen konnte. „Danke, Dr. Monk“, sagte sie, stand auf und streckte ihrer Therapeutin die Hand entgegen. Dr. Monk sch?ttelte ihre Hand, dr?ckte sie f?r einen kurzen Moment etwas fester und l?chelte dabei sichtlich ger?hrt, bevor sie Zoe schlie?lich zur T?r begleitete. „Bitte verstehen Sie das nicht falsch“, sagte Zoe scherzhaft, als sie sich auf der Schwelle umdrehte. „Aber ich hoffe, dass ich Sie jetzt f?r eine ganze Weile nicht sehen wiedersehen werde.“ Dr. Monk antwortete mit einem strahlenden L?cheln. „Geht mir genauso“, sagte sie und schloss die T?r schmunzelnd. Zoe dr?ckte ihre Schultern durch. Pers?nliche Erfolge mussten gefeiert werden. Da passte es doch nur zu gut, dass sie etwas Besonderes vorhatte. *** Eine weitere T?r ?ffnete sich nach Zoes Klopfen, einige Stunden sp?ter und in einem anderen Stadtteil. Trotz Dr. Monks unterst?tzender Worte war sie jetzt hibbelig und nerv?s, ihre H?nde schienen nicht mehr stillhalten zu k?nnen. Sie hielt den Tr?ger ihrer Tasche zwischen den Fingern und verdrehte den d?nnen Riemen erst in die eine, dann in die andere Richtung. Dr. Francesca Applewhites schlanke Figur war in einen bequemen Morgenmantel geh?llt und ihr von grauen Str?hnen durchzogenes, dunkles Haar wippte in einem ordentlichen Bob auf und ab, als sie Zoe von Kopf bis Fu? betrachtete. „Zoe“, sagte sie und versuchte offensichtlich, ihre Worte sorgf?ltig auszuw?hlen. „Mit dir habe ich nicht gerechnet. Du siehst reizend aus. Aber, ?hm … was ist mit deinen Augen passiert?“ Zoe brach beinahe zusammen, ihr Blick auf den Boden gerichtet. Sie wusste, dass sie versagt hatte. „Ich brauche deine Hilfe“, sagte sie kl?glich. Dr. Applewhite ging auf sie zu und ber?hrte sie am Ellbogen. „In Ordnung, meine Liebe. Komm rein, komm rein.“ Zoe folgte ihrer geliebten Mentorin in ihr gem?tliches Zuhause. Der Flur war ges?umt von gerahmten Errungenschaften: Sowohl Dr. Applewhite als auch ihr Mann hatten einiges erreicht und obwohl sie nie Kinder gehabt hatten, zeugten die Zertifikate und Auszeichnungen von akademischen Karrieren und einem Leben im Dienste der Forschung. „Ich hab das noch nie gemacht“, klagte Zoe und verabscheute den hohen und niedergeschlagenen Klang ihrer Stimme. „Ich dachte, es w?re ein Kinderspiel. Ich hab mir YouTube-Tutorials angesehen, um zu sehen, wie es geht, aber …“ Dr. Applewhite hielt inne, drehte sich um, legte eine Hand zwischen Zoes Schulterbl?tter und f?hrt sie weiter durch ihre Wohnung. „Mach dir keine Sorgen. Wir kriegen dich schon wieder hin. Das geht ganz leicht. Heute ist ein gro?er Abend, nicht wahr?“ „Date-Abend“, sagte Zoe und f?hlte sich  schon jetzt – angesichts der Aussicht, Hilfe von der einen Person zu bekommen, die immer f?r sie da war, wenn Zoe sie brauchte – deutlich besser. Aber das war vielleicht nicht ganz fair. Im Vergleich zu Dr. Applewhite kannte sie Shelley zwar erst seit relativ kurzer Zeit, aber auch sie hatte Zoe noch nie im Stich gelassen. Selbst dann, wenn Zoe wegen vermeintlicher Kr?nkungen w?tend auf sie gewesen war, hatte sie sp?ter immer wieder festgestellt, dass Shelley die richtige Entscheidung getroffen hatte. Vor einigen Monaten, als sie gemeinsam daran gearbeitet hatten, einen Serienm?rder zur Strecke zu bringen, der es auf Menschen mit Holocaust-Gedenkt?towierungen abgesehen hatte, hatte Shelley Zoe gro?es Vertrauen entgegengebracht, als sie sich darauf einlie?, weiter mit voller Konzentration nach dem M?rder zu fahnden, obwohl sie bereits einen anderen Verd?chtigen in Haft hatten. Diese Entscheidung hatte sich als richtig herausgestellt und sie arbeiteten jetzt besser denn je in zusammen. Sie kooperierten bei der L?sung ihrer F?lle instinktiv und vertrauten einander auch ohne Worte. Als Zoe dar?ber nachdachte, wurde ihr klar, dass auch John sie eigentlich noch nie im Stich gelassen hatte. Bei Verabredungen war immer auf ihn Verlass; er war oft als Erster am Treffpunkt und musste auf Zoe warten. Zudem reagierte er nie frustriert oder w?tend, wenn Zoe eine Verabredung absagen musste, weil sie an einem Fall in einem anderen Teil des Landes arbeitete. Selbst dann nicht, wenn die Absage kurzfristig kam. Irgendwie, schrittweise und ohne es zu merken, hatte Zoe es geschafft, sich mit der Art von Menschen zu umgeben, auf die sie sich verlassen konnte. „Okay, setz dich mal auf den Rand der Badewanne“, sagte Dr. Applewhite, f?hrte Zoe in ein wei?es, mit Marmor verkleidetes Badezimmer und eilte zu einem Schrank hin?ber. Er war voll von verschiedenen Make-up- und Hautpflegeprodukten. Sie zog eine Flasche hervor und gelsch?ttete etwas vom Inhalt auf ein Wattepad. Es war eine schnelle und ge?bte Bewegung. „Was machst du da?“, fragte Zoe und betrachtete alarmiert die Flasche. Was gerade um sie herum geschah, ging ?ber ihr normales Verst?ndnis hinaus. Sie war nie die Art von Frau gewesen, die versuchte, h?bsch auszusehen. Aus Bequemlichkeit lie? sie ihr braunes Haar kurz schneiden, denn ihr ganzes Leben drehte sich um den Job. Es musste praktisch sein. Bequeme, schlichte Kleidung, in der man sich leicht bewegen konnte, flache Schuhe zum Rennen. Ein sauberes Gesicht, denn sie musste immer einsatzf?hig sein – und falls es regnete, konnte einem die Wimperntusche in die Augen laufen, wenn man einem Verd?chtigen auf den Fersen war. Alles, was mit Make-up zu tun hatte, war ihr fremd, zumindest wenn man von ein paar Experimenten in der Uni absah, die nie gut gelaufen waren. „Leg den Kopf zur?ck und mach die Augen zu“, sagte Dr. Applewhite. Ohne nachzudenken, tat Zoe wie ihr gehei?en. Dr. Applewhite war ganze vier Zentimeter kleiner als sie und musste sich nicht weit nach unten beugen, jetzt, wo Zoe auf dem Badewannenrand sa?. „Ich mache diese Panda-Augen, die du dir selbst gemalt hast, wieder weg und fange von vorn an. Lass mich raten – du hast sie nicht gleichm??ig hinbekommen, also hast du immer mehr aufgelegt, um das wieder auszugleichen?“ Zoe nickte, dann erstarrte sie, als sie die Feuchtigkeit des nassen Wattepads auf ihrem geschlossenen Augenlid sp?rte. „Ich habe Eyeliner dabei“, sagte sie. „Es tut mir leid, dass ich einfach so vorbeigekommen bin. Ich wusste nicht, wen ich sonst um Hilfe bitten sollte.“ „Mach dir dar?ber keine Gedanken“, sagte Dr. Applewhite, ihre Stimme war etwas distanziert, weil sie sich konzentrierte. „Ich bin immer f?r dich da, Zoe. Das wei?t du. Jetzt gib mir den Eyeliner.“ Zoe fummelte in ihrer Tasche herum, um ihn f?r sie herauszuholen, dann schloss sie wieder gehorsam die Augen. Dr. Applewhites sichere und ruhige Hand strich erneut ?ber ihre beiden Augenlider. Mit leichtem Druck zeichnete sie ge?bt eine Linie – erst auf das eine und dann auf das andere. „So“, sagte Dr. Applewhite und klang dabei ziemlich zufrieden mit sich selbst. „Schau’s dir mal an.“ Zoe ?ffnete die Augen und musste im hellen Licht des Badezimmers blinzeln, weil sich ihre Augen erst an die Helligkeit gew?hnen mussten. Sie stand auf, ging zum Badezimmerspiegel und schnappte nach Luft. Dr. Applewhite hatte mit der schwarzen Farbe elegante, d?nne Linien gezogen, die den Bogen ihres Augenlids entlangliefen und dann an den R?ndern ein wenig nach oben gezogen worden waren. Der Lidstrich betonte die Dunkelheit ihrer braunen Augen und setzte sie in Kontrast zu den helleren Farbflecken ihrer Iris. So hatte sich Zoe noch nie zuvor gesehen. Sie sah exotisch aus. Weiblich. „Zufrieden?“, fragte Dr. Applewhite. „Ich kann es auch noch ver?ndern, wenn du willst.“ Zoe nickte und biss sich auf die Lippe. „Sehr zufrieden“, sagte sie. „Heute Abend muss wirklich etwas Besonderes sein“, sagte Dr. Applewhite und setzte sich auf den geschlossenen Deckel der Toilette. Zoe setzte sich wieder auf den Badewannenrand und hockte dort wie ein Teenager. „Ich gehe auf ein Doppeldate mit John, Shelley und ihrem Mann“, erkl?rte sie. „Daf?r wollte ich mir M?he geben, gut auszusehen.“ „Du siehst wundersch?n aus“, sagte Dr. Applewhite und deutete auf das dunkelrote Kleid, das Zoe ausgesucht hatte. „So etwas habe ich dich noch nie tragen sehen.“ Zoe schaute an sich herab. Zuerst hatte sie sich in dem Kleid unwohl gef?hlt. Es war tief ausgeschnitten und zeigte ihr Dekollet?. Au?erdem lag es eng an ihren H?ften und hatte einen Schlitz im Stoff, der bis zu ihrem Unterschenkel verlief. In den Schuhen hatte sie sich noch unwohler gef?hlt, obwohl der Absatz kaum mehr als einen Zentimeter hoch war. Das war alles neu f?r sie. „Ich wollte ihm zeigen, dass ich auch …“, sie suchte nach einem passenden Wort, „… weiblich sein kann.“ Dr. Applewhite beugte sich vor und nahm Zoes Hand in ihre. „Das wei? er bereits. John ist schon so lange mit dir zusammen. Du musst dich nicht f?r ihn ?ndern.“ „Ich wei?.“ Zoe z?gerte und versuchte, das Gef?hl zu beschreiben. „Es ist eher so, dass … ich es will.“ Dr. Applewhite l?chelte, ein breites und ehrliches L?cheln, das in ihren Augen zu beginnen schien und erst danach ihren Mund erreichte. „Es wird ernst mit ihm.“ Es war keine Frage, aber Zoe f?hlte sich trotzdem gezwungen, sie zu beantworten. „Vielleicht. Heute Abend …“ Zoe holte tief Luft. Das war es, was sie wirklich nerv?s machte, was sie dazu getrieben hatte, sich mehr M?he mit ihrem Aussehen zu geben. „Heute Abend m?chte ich mit ihm reden. Ernsthaft reden. ?ber unsere Zukunft und dar?ber, wohin sich die Beziehung entwickelt.“ Die Augen von Dr. Applewhite, um die deutliche Lachfalten zu erkennen waren, gl?nzten vor Feuchtigkeit. In letzter Zeit schien das einigen Personen in ihrer Gegenwart zu passieren. Zoe fragte sich, ob die Grippesaison dieses Jahr fr?her begonnen hatte. „Und was f?r eine Reaktion erhoffst du dir?“ Zoe blickte auf ihre abgekauten Fingern?gel herab. Sie hatte morgens versucht, etwas Nagellack aufzutragen, aber das hatte nicht gut funktioniert. Letztlich hatte sie alles wieder weggeschrubbt und sich entschlossen, sich auf ihr Gesicht zu konzentrieren. „Ich wei? es nicht“, gab sie zu. „Es l?uft gut zwischen uns, aber fr?her oder sp?ter muss es entweder weitergehen oder aufh?ren. Ich habe …“ Dr. Applewhite ergriff das Wort und vervollst?ndigte den Satz f?r sie. „Angst?“ Zoe neigte den Kopf. „Ein bisschen.“ „Und was ist mit den Zahlen?“, fragte Dr. Applewhite und traf direkt den Kern der Sache, so, wie sie es immer tat. „Wei? er es schon?“ „Nein“, seufzte Zoe. Die Zahl der Menschen, die von ihrem Geheimnis wussten, ihrer F?higkeit, ?berall Zahlen zu sehen, konnte sie an einer Hand abz?hlen. Shelley, Dr. Monk, Dr. Applewhite und ihr Hausarzt. Diejenigen, die es wissen mussten und diejenigen, die es selbst herausgefunden hatten. „Glaubst du, du kannst es ihm sagen?“, fragte Dr. Applewhite sanft. Zoe drehte ihre H?nde und betrachtete die Linien auf ihren Handfl?chen. Einige Leute, so wusste sie, glaubten, dass man dort in den Linien und Winkeln das Schicksal ablesen k?nne. Es war die Art von Denken, der sie vielleicht verfallen w?re, wenn sie denn nunr irgendetwas daran glauben k?nnte. „Vielleicht“, sagte sie und zeichnete die Linie nach, von der man dachte, sie h?tte etwas mit Liebe zu tun. „Das h?ngt von heute Abend ab.“ Dr. Applewhite stand abrupt auf und begann, aufzur?umen. Sie besch?ftigte sich mit dem Badezimmerschrank, um ihr Gesicht vor Zoe zu verbergen. „Ich hoffe, es geht gut“, sagte sie, ihre Stimme klang seltsam nerv?s. „Das hoffe ich wirklich.“ „Danke“, sagte Zoe. „Ich meine, f?r alles.“ Zu ihrer ?berraschung drehte sich Dr. Applewhite rasch um und zog sie in eine Umarmung. Sie umklammerte Zoe leicht und dr?ckte ihre Schultern. Als sie Zoe loslie?, wischte sich Dr. Applewhite ?ber die Augen und stie? Zoe mit einem sanften Schubser in Richtung T?r. „Ich wei? nicht, warum du deine Zeit bei einer alten Frau wie mir vergeudest“, sagte sie. „Du hast eine wichtige Verabredung, zu der du gehen musst. Jetzt geh schon. Geh und am?siere dich.“ Innerlich fragte sich Zoe, ob es wohl doch noch Spa? machen w?rde. Es hing viel vom Ergebnis ihres Gespr?chs mit John ab und es war auch eine Chance, einen besseren Eindruck auf Shelleys Mann zu machen, als bei ihrem letzten Treffen. Als sie auf die Stra?e trat und auf ihr Auto zusteuerte, sp?rte Zoe, wie der Druck auf ihren Schultern lastete. Dazu kam noch ihre Nervosit?t. Sie dachte fast, sie k?nnte direkt nach Hause fahren. Aber als sie auf dem Fahrersitz sa?, entspannte sie ihre Schultern noch einmal und sah nach vorne. Sie wollte es unbedingt schaffen, selbst wenn es sie umbringen w?rde. Es war einfach zu wichtig, um jetzt einen R?ckzieher zu machen. KAPITEL ZWEI Lorna hielt ihre Hand ?ber ihre Augen, um einen Schatten zu erzeugen, damit sie die sp?te Augustsonne nicht zu sehr blendete, und betrachtete die Aussicht vom Bergr?cken. Am Horizont erhoben sich Windturbinen, in ihrer wei?en Farbe schienen sie ?ber den gr?nen Feldern, Str?uchern, versunkenen T?lern und Gew?ssern zu schweben. Bald w?rde das ganze Gr?n anfangen, orange oder braun zu werden, aber im Augenblick war es immer noch frisch und voller Leben. Eine Palette von Gr?n-, Blau- und Wei?-T?nen. Perfekt f?r eine Tageswanderung. Lorna drehte sich um und blickte zur?ck auf den Weg, den sie hierher genommen hatte, und auf die Geb?ude der Stadt hinter ihr. Sie war noch nahe genug, um einige von ihnen erkennen zu k?nnen: eine Kirche, ein Gemeindezentrum, die Bibliothek neben einem offenen Landstreifen, der Teil eines der Parks war. Es war ihr Zuhause. Sie hatte ihr ganzes Leben lang in dieser kleinen Stadt in Nebraska gelebt. Aufgrund der vielen Wanderwege in der Umgebung – und weil es hier alle Annehmlichkeiten gab, die man sich w?nschen konnte – hatte sie nie daran gedacht, woanders hinzuziehen. Sie richtete ihre Augen wieder auf den vor ihr liegenden Pfad und begann, weiterzulaufen. In ihrem Kopf plante sie ihre Route f?r den Rest des Tages: diesen Bergr?cken wieder hinunter und ?ber den n?chsten hinweg, vorbei am Fu? der ersten Turbine – der komischerweise immer gr??er war, als sie erwartete – und weiter. Sie plante, an einer ihrer Lieblingsstellen Rast zu machen: einem See, der, wenn man die Augen ein wenig zusammenkniff, fast wie ein Herz geformt war. Dort w?rde sie sich eine Weile ausruhen, dann wieder zur?ck in Richtung Stadt und zu ihrem Auto abbiegen und schlie?lich rechtzeitig zum Abendessen wieder auf dem Heimweg sein. Sie fragte sich, ob sie auf der Fahrt nach Hause beim Supermarkt anhalten und sich ein Fertiggericht besorgen sollte, um nicht kochen zu m?ssen. Das war eine gute Idee. Eine Belohnung f?r die M?hen des Tages. Beschwingten Schrittes ging sie ihren geliebten Wanderweg entlang und trat damit in die unsichtbaren Fu?stapfen so vieler anderer – darunter auch sie selbst, denn sie war schon hunderte Male hier gewesen –,  die vor ihr hier entlang gegangen waren und ihr den Weg wiesen. Sie hatte das Gl?ck, in der N?he einiger Wanderwege zu leben, die ihr viel Sch?nheit und Abwechslung boten. Sie musste daf?r nicht in die Walachei hinausfahren, wie es Menschen machen mussten, die anderswo lebten. Ihr sicheres Zuhause war nie weit entfernt. Lorna atmete tief die frische Luft ein, als sie einen weiteren Bergr?cken erklommen hatte. Sie dr?ckte ihre Schultern durch und nahm die Hitze der Sonne darauf wahr. Unter ihrer Baseballkappe, die ihrem Kopf und ihrem Gesicht Schatten spendete, konnte sie diese Hitze allerdings genie?en. Denn sie sp?rte eine leichte Brise, angenehm k?hl auf ihren nackten Armen, die sie vor Beginn ihrer Wanderung gut mit Sonnencreme eingecremt hatte. Es war ein fast perfekter Tag. Vor ihrem geistigen Auge skizzierte sie den Ausblick, ein auf allen Seiten vertrauter Anblick, den sie mittlerweile aus der Erinnerung zeichnen konnte. Sie sah nach unten und stolperte beinahe, fing sich aber gerade noch rechtzeitig. Sie w?re beinahe gegen einen anderen Wanderer gerempelt, der auf dem steinigen Weg direkt unterhalb des Bergr?ckens sa?. Der Mann verarztete gerade seinen Kn?chel und hielt dabei einen abgenutzten Wanderschuh in der Hand. „Oh!“, rief sie und fand wieder Halt auf ihren F??en. „Oh Gott, ich habe Sie gar nicht gesehen. Entschuldigen Sie bitte, ich w?re fast ?ber Sie gefallen!“ Er lachte kurz und neigte den Kopf nach hinten, um sie unter dem Schirm seiner eigenen M?tze besser sehen zu k?nnen. „Oh, nein, tut mir leid – das ist meine Schuld. Ich h?tte mich nicht in den toten Winkel setzen d?rfen.“ „Alles in Ordnung bei Ihnen?“, fragte Lorna. Jetzt, wo er den Kopf zur?ckgelegt hatte, konnte sie sehen, dass er ziemlich attraktiv war. Sein Look war klassisch – er hatte eine ausgepr?gte Nase, definierte Wangenknochen und einen m?nnlichen Kiefer. Auch er war jung, wahrscheinlich Anfang drei?ig. Ihr Herz flatterte ein wenig in ihrer Brust. Fast ganz unbewusst richtete sie sich gerade auf, dr?ckte ihre Brust raus  und w?nschte sich innerlich, sie h?tte sich st?rker geschminkt. „Oh, ja“, sagte er und machte eine beschwichtigende Handbewegung, als er wieder auf seinen Kn?chel hinunterblickte. „Wirklich dumm. Nur eine kleine Verstauchung, glaube ich.“ „Was ist denn passiert?“, fragte Lorna. Sie hatte mit den H?nden die Tr?gers ihres Rucksacks festgehalten, lie? sie nun aber los, woraufhin ihre H?nde seitlich an ihrem K?rper herunterfielen. Er zeigte auf einen Stein, nicht weit vom Gipfel des Bergr?ckens entfernt. „Ich bin auf dem Weg nach unten umgeknickt, als ich an dem Stein da h?ngengeblieben bin. Ich habe mehr auf die Aussicht geachtet, als auf den Weg. Ein Anf?ngerfehler, richtig?“ Lorna l?chelte. „Stimmt. Man sollte immer stehen bleiben, wenn man die Aussicht genie?en will und wieder auf den Boden schauen, wenn man weitergeht.“ „Ich wei?, ich wei?“, sagte er und zuckte hilflos die Achseln. „Daraus lerne ich dann wohl, dass ich vorsichtig sein muss, wenn ich neue Wanderrouten ausprobiere.“ „Soll ich jemanden anrufen?“, fragte Lorna. Ihre H?nde gingen zu ihrer Tasche, wo sie f?r den Notfall ihr Handy verstaut hatte. „Oder Ihnen erstmal hoch helfen?“ „Ich komme schon klar“, sagte er, griff nach seinem Wanderschuh und zog ihn wieder an. „Ich muss einfach wieder aufs Pferd steigen. Es wird bestimmt besser, sobald ich weiterlaufe.“ „Sind Sie sicher?“, sagte Lorna z?gerlich und betrachtete ihn besorgt. Ihre Freunde sagten, sie neige dazu, sich wie eine Glucke zu verhalten. Sie konnte nicht anders. Wenn sie jemanden in Not sah und nicht helfen konnte, f?hlte sie sich schrecklich. „Ja, definitiv“, sagte er und band sich die Schn?rsenkel zu. „Ganz ehrlich. Ich komme mir so bl?d vor. Ist wohl mein Pech, dass mich ausgerechnet eine so h?bsche Frau in dieser peinlichen Situation erwischt.“ Lorna Wangen wurden ein wenig rot, als sie das h?rte. Er hatte sie h?bsch genannt, aber er hatte es so ganz nebenbei erw?hnt, als ob nichts dabei w?re. Und er schaute sie nicht einmal an, w?hrend er, aus eigener Kraft und mit einiger M?he, wieder aufrichtete. Als w?re das einfach eine Tatsache, die keiner weiteren Diskussion oder eines Blickwechsels bedurfte, da sie f?r jeden offensichtlich war. Sie ging ein St?ck zur?ck, um ihm Platz zu machen, hielt ihm ganz unbewusst eine Hand hin, falls er sich abst?tzen wollte. Als er stand, h?pfte und bewegte er sich ein wenig und belastete den Kn?chel ganz vorsichtig, bevor er sein Gewicht wieder gleichm??ig auf beide F??e verteilte. Trotz der Schmerzen sah seine K?rperhaltung entspannt aus. „Sind Sie sicher, dass alles in Ordnung ist?“, fragte Lorna. Sie sah ihn skeptisch an und rechnete fast damit, dass er gleich stolpern und wieder zu Boden fallen w?rde. Er versuchte erneute, den Fu? zu belasten und verlagerte sein Gewicht immer weiter auf ihn, bis es gr??tenteils darauf lag. „Scheint so“, sagte er und grinste sie an. „Aber ich werde kein Risiko eingehen. Ich geh einfach zur?ck zu meinem Auto und mache mich auf den Weg nach Hause.“ „Lass mich dich begleiten“, bot Lorna sofort an, weil es einerseits nett war und weil sie andererseits insgeheim noch etwas mehr Zeit mit diesem h?bschen Fremden verbringen wollte. Wenn er aus der Gegend war, dann konnten sie vielleicht am Ende Nummern austauschen und ?berlegen, vielleicht eines Tages mal gemeinsam wandern zu gehen. „Ich will Ihnen keine Umst?nde machen“, sagte er ebenso schnell. „Ich bin sicher, dass Sie eigene Pl?ne hatten, die ich damit kaputt machen w?rde. Sie sind doch gerade erst losgegangen, oder nicht?“ F?r einen Moment stockte ihr der Atem. „Woher wussten Sie das?“ Er deutete auf den Weg, von dem sie gekommen war. „Sie sind aus der Richtung des Parkplatzes am Anfang des Weges gekommen. Genau wie ich.“ Sie nickte und lachte innerlich dar?ber, dass sie so paranoid war. „Ach ja“, sagte sie. „Aber das macht mir nichts aus. Ich w?rde Sie ungern hier allein zur?ckzulassen. Wenn ich Sie dann auf dem R?ckweg wieder treffe, weil Sie es allein nicht zur?ckgeschafft haben, h?tte ich ein ziemlich schlechtes Gewissen.“ Seine vollen, geschwungenen Lippen, die einen beinahe zum K?ssen einluden, verzogen sich zu einem L?cheln. „Na gut“, sagte er. „Ich will ja nicht daf?r verantwortlich sein, dass Sie sich schlecht f?hlen. Gehen wir.“ Sie kehrten zusammen um, zur?ck in Richtung des Parkplatzes. ?ber ihnen huschte eine einzelne wei?e Wolke ?ber den blauen Himmel, von der sanften Brise angeschoben. „Es ist ein sch?ner Tag zum Wandern“, sagte Lorna. „Auf jeden Fall“, lachte er. „Deshalb bin ich ja auch hier rausgekommen, solange es noch so sch?n ist. Es ist ja nicht immer so sch?n, wenn man mal frei hat.“ „Komisch eigentlich“, sagte Lorna. Sie ging neben dem Weg, damit er auf m?glichst ebener Fl?che laufen konnte. „Ich h?tte gedacht, dass heute viele Leute unterwegs sein w?rden. Aber es ist nicht viel los.“ „Die meisten Leute sind wohl zu Hause“, sagte er und zeigte auf die Stadt in der Ferne. Man konnt erkennen, dass von einigen der n?heren Grundst?cke aus d?nne, schwarze Rauchschwaden zum Himmel stiegen. „Die sind flei?ig am Grillen.“ Lorna nickte und hielt sich die Hand ?ber die Augen, um besser zur Stadt hin?berschauen zu k?nnen. „Stimmt wohl“, sagte sie. „Darauf bin ich gar nicht gekommen.“ Den Grund daf?r f?gte sie nicht hinzu: dass sie nat?rlich alleinstehend war und nicht viele Familienmitglieder hatte, mit denen sie Zeit verbringen konnte. Wandern war ihr Ding: Ruhe, Einsamkeit, Zeit zum Nachdenken. Aber dieses Hobby mit jemand anderem zu teilen, erwies sich doch als gar nicht so schlecht. „Ich pers?nlich w?re lieber jeden Tag Wandern“, sagte er. Sie blieb kurz ein paar Schritte hinter ihm zur?ck und er l?chelte sie mit einem Augenzwinkern an. „Ich habe keine Freundin, die zu Hause auf mich warten w?rde, also verbringe ich so viel Zeit wie m?glich an der frischen Luft. Ich wohne ein paar St?dte weiter. Deshalb bin ich normalerweise nicht hier in der Gegend.“ „Ach ja?“, fragte Lorna, ihr Verstand ratterte. Er war ledig, ortsans?ssig und zweifellos attraktiv. Das kam ihr gerade recht. Sie fragte sich nur, wie sie das ansprechen sollte. Vielleicht sollte darauf warten, dass er es zuerst ansprach. Oder sie konnte beil?ufig erw?hnen, dass sie ihm gern die Wanderwege zeigen w?rde, wenn er es noch einmal versuchen wollte. „Hey, vielleicht k?nnten Sie mir hier ja mal die Gegend zeigen“, sagte er und lie? ihr Herz h?her schlagen. „W?re das in Ordnung? Also, wenn mein Kn?chel wieder fit ist.“ „Na klar“, sagte sie. Sie traute sich nicht, ihn anzusehen, damit er nicht sah, dass sie rot im Gesicht geworden war. „Das mache ich gerne.“ „Ich freue mich, dass wir uns heute getroffen haben, Lorna“, sagte er – und dem stimmte sie aus ganzem Herzen zu. Und dann stolperte sie fast, als ihr auffiel, dass er sie mit Namen angesprochen hatte. Wann hatte sie ihm ihren Namen gesagt? Sie wollte gerade den Mund aufmachen, um zu fragen, ob sie sich schon einmal irgendwo getroffen hatten. Denn woher h?tte er sonst wissen k?nnen, wer sie war? Aber in genau diesem Moment traf sie etwas Hartes auf den Hinterkopf, an einer empfindlichen Stelle. der schmerzhafte Einschlag versetzte ihr Gehirn in ihrem Sch?del in Vibration. Lorna ?ffnete die Augen und stellte fest, dass sie auf dem Boden lag. Dabei hatte sie doch nur kurz geblinzelt. Ein stechender Schmerz pochte in ihrem Kopf. Und als sie angeschlagen nach oben griff, um zu ertasten, ob sie blutete, sah sie ihn. Er stand nun ?ber ihr – und von dem angeschlagenen Kn?chel war keine Spur mehr. Er stand aufrecht und wirkte sehr gro?, seine K?rperhaltung strahlte St?rke und Unnachgiebigkeit aus. In seiner linken Hand hielt er einen lederner Schlagstock und sie begriff, dass die Schmerzen an ihrem Kopf daher gekommen sein mussten. „Wa…?“, versuchte sie zu fragen. Trotz der Schmerzen war sie schl?frig, alles f?hlte sich dumpf an. „Nicht bewegen“, befahl er ihr. Seine Tonfall war jetzt schroff, wie ein St?ck Schiefer. Es war nicht so, als ob sie ihm gehorchen wollte, aber sie konnte auch nicht wirklich etwas tun. Lorna gab es auf, in ihrem Haar nach der Quelle ihres Schmerzes zu tasten und versuchte stattdessen, sich umzudrehen. Ein m?hsamer Prozess, der sie nach Luft schnappen lie?. Sie hielt inne, w?hrend ihr Kopf weiter brummte. Er kam hinter einigen niedrigen Str?ucher hervor und war wieder in ihrem Blickfeld. Jetzt hielt er allerdings etwas anderes in der Hand. Es war l?nglich und schimmerte silbern in der Sonne. Lorna versuchte gegen die ?belkeit anzuk?mpfen, die sie ?berkam, als sie sich umgedreht hatte und erkannt hatte, was es sein musste: eine Art Schwert, mit einer leichten Kr?mmung zum Ende der Klinge hin. „Ich habe gesagt“, knurrte er, kam n?her, stellte sich erneut ?ber sie und warf dabei einen Schatten auf sie, „dass du dich nicht bewegen sollst.“ Lorna sah auf. Hinter seinem Kopf konnte sie die Sonne sehen, die sein Gesicht in einen schwarzen Schatten tauchte. Er hob die Machete ?ber seinen Kopf und bewegte seine F??e ein wenig hin und her, als ob er auf der Suche nach der richtigen Haltung war. Lorna streckte eine geballte Faust aus und versuchte, wegzukriechen, sich zu bewegen, irgendetwas zu tun, was ihr die Flucht erm?glichen w?rde. Die Machete kam mit einem Zischen auf sie zu und Lorna schloss die Augen, um sie nicht kommen sehen zu m?ssen. KAPITEL DREI Es ist alles gut, versuchte Zoe sich selbst zu erinnern, w?hrend sie zwischen Shelleys und Johns lachenden Gesichtern hin und her schaute und sich – im Versuch, sie nachzuahmen – ebenfalls ein L?cheln aufs Gesicht zwang. Ihr gegen?ber gl?ttete Harry, Shelleys Ehemann, seine Krawatte und freute sich dar?ber, einen guten Witz gemacht zu haben. Es war eine Geste, die so sehr der von John ?hnelte, dass Zoe beinahe zweimal hinsehen musste. Warum mussten Krawatten ?berhaupt st?ndig glattgestrichen werden? „Dieses Date war eine gro?artige Idee, Shelley“, sagte John, nahm sein Glas Wein und prostete ihr zu, bevor er einen Schluck trank. Er hatte sich erneut f?r ein blaues gestreiftes Hemd zum Abendessen entschieden. Zoe war aufgefallen, dass er davon eine ganze Menge zu besitzen schien. „Das war es wirklich“, stimmte Harry zu. „Es ist sch?n, deine Kollegin ein bisschen besser kennenzulernen.“ Er l?chelte Zoe sanft zu, als wolle er sie wissen lassen, dass alles vergeben sei. Dadurch – und durch seine unordentlichen, braunen Haare, die immer ein wenig wild wirkten, machte er einen sehr freundlichen Eindruck. Zoe wurde ein wenig rot im Gesicht, erwiderte sein L?cheln aber. Bei ihrem letzten Abendessen mit Harry und Shelley, als die beiden Zoe zu sich nach Hause eingeladen hatten, war sie panisch aus dem Haus gest?rmt. Denn sie hatte das Gef?hl gehabt, unter der Last von Shelleys perfektem Leben zu ersticken. Aber das war noch davor gewesen. Bevor Dr. Monk ihr geholfen hatte, bevor sie die Kontrolle ?ber die Zahlen erlangt hatte, die bis dahin jeden einzelnen Moment ihres Lebens gepr?gt hatten. Bevor sie sich jemals hatte vorstellen k?nnen, mit drei anderen Menschen in einem gut gef?llten Restaurant zu sitzen, in dem die Gespr?che einander ?berkreuzten und ?berlappten, und sie in der Lage sein musste, mit all dem Schritt zu halten. „Ihre Hauptgerichte“, k?ndigte der Kellner an, als er mit vier Tellern, die er auf seinem Arm und auf seiner Hand balancierte, hinter Zoe erschien. Es gab ein allgemeines Gemurmel der freudigen Zustimmung am Tisch, alle nahmen ihre H?nde und Ellbogen zur Seite und machten ihm Platz. Zoe blickte auf ihren Teller hinunter, als er vor ihr platziert wurde, und ihre Augen huschten zu dem Salat an der Seite. Sie z?hlte f?nf Bl?tter Eisbergsalat, drei Bl?tter R?mersalat, zwei Kirschtomaten, ein Viertel einer in Scheiben geschnittenen Paprika – Sie schloss kurz die Augen und fand gedanklich zu ihrer einsamen Insel, auf der nichts weiter zu h?ren war, als das sanfte Pl?tschern der Wellen. Unter dem Tisch nahm John ihre Hand und dr?ckte sie. Sie ?ffnete ihre Augen, um ihn anzul?cheln und atmete wieder normal. Es war ihr gelungen, die Zahlen wieder in den Hintergrund zu r?cken, dorthin, wo sie hingeh?rten. John kannte ihr Geheimnis nicht einmal – und doch schien er immer instinktiv zu wissen, wann sie seine Unterst?tzung brauchte. „Sieht k?stlich aus“, sagte Zoe, nachdem sie einen Blick auf die Teller der anderen geworfen hatte. Sie vernahm zustimmende Ger?usch, gefolgt von Geklapper, als sie alle zu ihrem Besteck griffen und zu essen begannen. F?r Zoe war es einerseits ein Segen, dass das Essen nun da war, aber andererseits auch nicht. Es bot eine Ausrede, nicht st?ndig Gespr?che f?hren zu m?ssen, aber das Schweigen am Tisch empfand sie andererseits auch als unangenehm. Ehrlich gesagt f?hlte Zoe sich am wohlsten, wenn um sie herum vollkommene Stille herrschte. Aber in dieser Art von Stille sp?rte sie die sozialen Erwartungen der anderen, den Druck, die Stille mit etwas zu f?llen. Sie blickte nerv?s auf, traf Johns Blick und er grinste sie mit seiner Gabel im Mund an. Sie griff nach ihrem Glas Wein, trank einen Schluck sagte sich selbst beruhigend, dass alles so war, wie es sein sollte. Der Hauptgang verstrich reibungslos – mit ein paar Gespr?chsfetzen hier und da, die scheinbar reibungslos wieder hinter den allgemeinen Genuss des Essens zur?ckfielen. Zoe blieb wachsam, sie schaute sich in regelm??igen Abst?nden am Tisch um, auf der Suche nach Anzeichen daf?r, wie sie sich verhalten sollte. Dass half ihr, sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren und verdr?ngte die Zahlen aus ihrer Wahrnehmung. Sie war tats?chlich anwesend und Teil der Gemeinschaft, anstatt wie fr?her nur vom Rand aus zuzusehen und sich ?berw?ltigt zu f?hlen. „Also, John, du bist doch Anwalt, oder?“, fragte Harry und schaufelte sich seinen letzten Bissen Fisch in den Mund. John nickte und schluckte hastig sein Essen herunter, bevor er sprach. „Ich bin im Immobilienrecht t?tig. Immobilienerbschaft, Immobiliengesch?fte, Konflikte um Grundst?cksgrenzen – solche Dinge.“ „Dann hast du ja sicher viel zu tun“, kommentierte Harry. Zoe hatte diese Art von Smalltalk nie verstanden, und tat es auch jetzt nicht. Warum fragte Harry nicht, was er wirklich wissen wollte? Stattdessen mussten sie alle ihre wirkliche Botschaft in h?fliche, vage Fragen verpacken, im Versuch, nach einer Antwort zu fischen. Zoe war froh, dass sie zumindest mit John und Shelley so gut klarkam, dass die beiden sowas von ihr nicht erwarteten. „Ja, es h?lt mich auf Trab“, antwortete John und deutete ein L?cheln auf seinen Lippen an. Er legte kurz die Gabel ab, um mit einer Hand durch sein kurz geschnittenes braunes Haar zu fahren, eine seiner Angewohnheiten. Zoe sah, wie sich die Muskeln in seiner Schulter und in seinem Arm unter seinem Hemd anspannten und ermahnte sich, sich zu konzentrieren. „Ich habe gerade einen sehr interessanten Fall abgeschlossen. Zwei Br?der, die sich um den Nachlass ihres verstorbenen Vaters gestritten haben. Die beiden h?tten sich wegen ein paar Metern mehr oder weniger fast gegenseitig gekreuzigt. Sie konnten den Wunsch ihres Vaters einfach nicht akzeptieren.“ Shelley sch?ttelte klagend den Kopf. „Ich verstehe nicht, wie Menschen so herzlos sein k?nnen“, sagte sie. „Die Familie sollte doch ?ber allem stehen. Sich so zu zerstreiten, ist doch nicht okay.“ „Familie ist nicht jedem so wichtig“, sagte Zoe leise. „Manche Menschen pfeifen auf ihre Blutsverwandtschaft.“ Shelley warf ihr einen erschrockenen und entschuldigenden Blick zu. Offenbar hatte sie in f?r einen Moment Zoes problematische Beziehung zu ihrer eigenen Mutter – oder das Fehlen einer Beziehung zu ihr – vergessen. „Das stimmt“, sagte sie. „Klar. Es f?llt mir einfach nur schwer, mir vorzustellen, mich so gegen meine eigene Familie zu stellen.“ „Das liegt daran, dass du so ein gro?es Herz hast“, sagte Harry und dr?ckte die Hand seiner Frau, die auf dem Tisch lag. Sie sahen sich einen Moment lang liebevoll an und Zoes eigene Augen wanderte zu John, der sie z?rtlich ansah. „Wollen wir noch was zum Nachtisch bestellen?“, fragte John und legte Messer und Gabel ordentlich auf dem leeren Teller vor ihm ab. Harry und Shelley tauschten einen vielsagenden Blick aus, bevor sie gleichzeitig nickten. „Wieso nicht?“, sagte Harry. „Ich versuche mal, den Kellner zu holen, damit wir nochmal eine Karte bekommen.“ „Sehr gut“, antwortete Shelley und legte ihre Serviette neben ihrem Teller auf den Tisch. „In der Zwischenzeit gehen Zoe und ich mal aufs Klo.“ Zoe blinzelte. „Ich muss aber gar nicht“, sagte sie verwirrt. Shelley sah sie frech an, beugte sich leicht zu ihr hinunter und murmelte Zoe ins Ohr: „Du musst auch nicht m?ssen. Aber ich muss. Und du kommst mit.“ „Warum?“, fragte Zoe und blinzelte wieder. „Damit ich Gesellschaft habe“, sagte Shelley. Dann, mit einer ungeduldigen Geste und einem kleinen Anflug von Frustration: „Um ?ber unsere M?nner zu tratschen, wo sie uns nicht h?ren k?nnen. Komm schon.“ Zoe war sich immer noch nicht ganz sicher, ob sie den Grund verstand, aber sie stand trotzdem auf und folgte ihrer Partnerin z?gerlich. Nicht, weil sie ihr nicht folgen wollte – sie vertraute Shelley genug, um zu tun, was sie wollte –, sondern weil sie vergessen hatte, dass sie Abs?tze trug – und das fremde Gef?hl an ihren F??en brachte sie nach dem Aufstehen f?r einen Moment aus dem Gleichgewicht. Shelley lief derweil selbstbewusst in ihren St?ckelschuhen voran, ihre kurvigen H?ften schwangen grazi?s von einer Seite zur anderen. „Gehen Frauen deshalb immer gemeinsam auf die Toilette?“, fragte Zoe, als sie die T?r aufstie? und drinnen ein paar andere Frauen vorfand, die sich die H?nde wuschen und sich in den Spiegeln ?ber den Waschbecken begutachteten. „Ja“, sagte Shelley lachend. „Und um sich gegenseitig beizustehen und Gesellschaft zu leisten. Weil es sch?n ist. Und weil M?nner in Rudeln jagen, also warum sollten wir das nicht auch tun?“ Damit hatte Shelley nicht ganz unrecht, das musste Zoe zugeben. Sie verkniff sich ein L?cheln, w?hrend sie sich gegen den unbesetzten, hochgeklappten Wickeltisch lehnte – das war der Platz, an dem sie in dem kleinen Raum am wenigsten im Weg stand. Sie erhaschte ihr eigenes Spiegelbild in einem Ganzk?rperspiegel neben der T?r und erkannte sich f?r einen Moment selbst nicht. Dr. Applewhite hatte ihre Augen betont, und ihre Figur – die sie oft als jungenhaft empfand, ohne besonders viel H?fte oder nennenswertes Dekolt?e – erschien durch den Schnitt des Kleides deutlich kurviger. Sogar ihr kurzer Haarschnitt wirkte heute Abend irgendwie weicher und weiblicher. Abgerundet von den Ohrringen mit roten Steinen, die sie trug und die sich schwer und ungewohnt anf?hlten. Eine nach der anderen machten die Frauen sich h?bsch und gingen dann wieder zur?ck ins Restaurant; und als Shelley aus ihrer Kabine kam, waren die beiden schlie?lich allein. Beim H?ndewaschen sah Shelley Zoe auf eine Art und Weise an, die ihr signalisierten, dass sie n?her kommen sollte, damit Shelley das Gespr?ch beginnen konnte, auf das sie offensichtlich aus war. „Du machst das wirklich gut“, sagte sie und drehte den Wasserhahn ab. „Tue ich das?“ Shelley schaute seitlich zu ihr, w?hrend sie ihre H?nde mit Papiert?chern trocknete. „Das wei?t du doch. Aber ich musste es trotzdem ansprechen. Ich bin stolz auf dich. Als wir uns kennengelernt haben, h?tte ich nie gedacht, dass du zu so etwas in der Lage w?rst.“ Zoe musste sich innerlich erneut eingestehen, dass Shelley recht hatte. „Ich h?tte nie gedacht, dass ich es wollen, geschweige denn k?nnen w?rde.“ „Dann bin ich ja froh, dass wir dich davon ?berzeugen konnten“, sagte Shelley, ging von den Papiert?chern weg und stellte sich vor sie. „Du siehst wundersch?n aus, Zoe. Dieser neue Look gef?llt mir richtig gut.“ Zoe l?chelte und sp?rte eine ungewohnte R?te auf ihren Wangen. „Es hat mich eine ganze Menge ?bung gekostet“, sagte sie. Sie war noch nicht ganz so weit, zugeben zu k?nnen, dass sie auch Hilfe ben?tigt hatte. Sie sah sich Shelley an: sie war immer perfekt geschminkt und elegant – und auch heute war da keine Ausnahme. Ihr blondes Haar war etwas eleganter als sonst zusammengebunden, mit kompliziert aussehenden Windungen und Wicklungen und der hellrosane Lidschatten auf ihren Augenlidern passte gut zu dem Stoff ihres schlichten, aber figurbetonten Kleides. Sie sah aus, nun ja, wie sie immer aussah: f?r den Anlass perfekt gekleidet. „Die ?bung hat sich gelohnt“, sagte Shelley und griff nach ihrer Handtasche, die sie zuvor neben dem Waschbecken abgelegt hatte. Zoe sp?rte, dass sie den richtigen Moment verpasste hatte, um das Kompliment zur?ckzugeben und geriet deshalb beinahe in Panik, beschloss dann aber, es trotzdem zu sagen. „Du siehst auch sehr sch?n aus.“ Shelley belohnte sie mit einem strahlenden L?cheln und betrachtete sich selbst im Spiegel, bevor sie sich wieder Zoe zuwandte. „Ich halte mich ganz gut f?r eine Mutter, was?“ Zoe wollte ihr gerade sagen, dass das noch untertrieben war – und hoffte dann, ?ber John sprechen zu k?nnen und Shelley zu sagen, dass sie nach dem Essen noch l?nger bleiben wollte, um allein mit ihm zu reden –, aber fast zeitgleich damit war ein kurzes Klingeln im Raum zu h?ren, das sie unterbrach. Zoe und Shelley tauschten einen Blick aus. Das Ger?usch war aus ihrer beider Handtaschen gekommen – Zoe hatte sich eine Tasche von Dr. Applewhite geliehen, die zu ihrem Kleid passte. Es waren ihre Handys, die klingelten. Es gab nur zwei m?gliche Erkl?rungen daf?r, dass sie beide zur gleichen Zeit eine Nachricht erhalten hatte. Die erste war, dass es eine Art staatlicher oder landesweiter Notfall war und sie vom Pr?sidenten benachrichtigt wurden. Die zweite war, dass sie zu einem Fall hinzugezogen werden sollten. Zoe betete innerlich kurz daf?r, dass es sich um einen Notfall handelte, der ihr Essen nicht unterbrechen w?rde. Aber nat?rlich glaubte sie gar nicht an Gott – und jeder Gott, der von einem Ungl?ubigen angebetet wurde, w?rde dieses Gebet wohl kaum erh?ren. Sie fischten ihre Telefone aus ihren Taschen und lasen beide die gleiche Nachricht: Rufen Sie so schnell wie m?glich SAIC Maitland f?r eine Lagebesprechung zur?ck. Shelley seufzte. „Dieser Abend war wohl etwas zu perfekt, um wahr zu sein.“ Zoe biss sich auf die Lippe und dachte an John, der da drau?en auf sie wartete. Und sie fragte sich, wie viele Tage es wohl diesmal dauern w?rde, bis sie ihn wiedersehen w?rde. KAPITEL VIER Zoe z?gerte vor dem gro?en, quadratischen Betonklotz, dem  J. Edgar-Hoover-Building, f?r einen Moment. Andere fanden es h?sslich, sahen in ihm ein St?ck Architektur, das mehr an das Russland des Kalten Krieges erinnerte, denn an amerikanische ‚Greatness‘, also Gr??e. Zoe hingegen sch?tzte seine geraden Linien und dass es innen und au?en sehr ?hnlich aussah – trotzdem w?nschte sie sich in diesem Moment auch, nicht hier sein zu m?ssen. „Das wird ein Spa?“, murmelte Shelley und zog ihre d?nne Jacke etwas enger ?ber ihr Kleid. Zoe, die nicht einmal eine Jacke mitgenommen hatte, war geneigt, dem zuzustimmen. Sie h?tte jetzt gerade ihr Gespr?ch mit John haben sollen, ?ber die Zukunft ihrer Beziehung. Und vielleicht h?tten sie dann Entscheidungen getroffen, die sie noch sehr lange Zeit gl?cklich gemacht h?tten. Stattdessen waren sie und Shelley kurz davor, in Abendgarderobe und Make-up durch ein ganzes Geb?ude voller Kollegen zu gehen, was Zoes Vorstellung der H?lle schon recht nah kam. Sie waren gerade erst durch die T?ren hereingekommen und warteten noch auf den Aufzug, als bereits die erste Bemerkung gemacht wurde. Johnson, ein Agent, der ein echter Klugschei?er war, stolzierte den Korridor hinunter auf sie zu. „Haben ihr ein hei?es Date, Ladies?“, fragte er und deutete mit einer Pistolengeste auf sie. „Sch?n zu sehen, dass ihr zwei endlich euren Trieben nachgebt.“ Shelley rollte mit den Augen. „Ich bin gl?cklich verheiratet, Johnson. Mit einem Mann.“ „Oh“, sagte Johnson und tat so, als w?re er geschockt. „So eine Homophobie h?tte ich vom besten Frauenduo des FBI ja nicht erwartet.“ „Ich bin nicht homophob, ich bin nur …“ Shelley seufzte und schloss f?r einen Moment die Augen, bevor sie in einem ruhigeren Ton weitersprach. „Ich bin nicht lesbisch. Und Johnson? Tu mir einen Gefallen und leck mich.“ Zoe l?chelte nur halb. Es war zwar nicht lustig, von ihren Kollegen verarscht zu werden, vor allem, da sie die H?lfte der Anspielungen und Untert?ne nicht verstand, aber es war irgendwie lustig zu sehen, wie Shelley auch mal durch etwas aus der Fassung gebracht wurde. Und obwohl Zoe nat?rlich nicht wollte, dass Shelley sich schlecht f?hlte, war es eine nette Erinnerung daran, dass sie beide menschlich waren. Zurufe und Kommentare ?ber alles an ihnen, von ihren Schuhen bis hin zu ihren Haaren, zogen sie auf dem ganzen Weg wie ein Kondensstreifen hinter einem Paar D?senjets hinter sich her, bis sie es endlich zur T?r von SAIC Maitlands B?ro geschafft hatten. Shelley nahm sich einen Moment Zeit, um sich gerade hinzustellen und eine lose Haarstr?hne von ihrer Schulter zu streichen. Dann klopfte sie an. „Herein.“ Die dr?hnende Stimme des Mannes trug ebenso sehr zu seiner einsch?chternden Pr?senz bei wie seine Gr??e. Leo Maitland war mit seinen eins neunzig nicht einfach nur gro?, sondern er war auch breit und hatte einen Bizeps von achtunddrei?ig Zentimeter Umfang, nicht gerade typisch f?r sein Alter. Seine aufrechte, milit?rische Haltung war immer noch vorhanden, obwohl er nicht mehr beim Milit?r war. Das ergraute Haar an seinen Schl?fen war der einzige Hinweis darauf, dass er Mitte vierzig war. „Sir“, sagten Zoe und Shelley fast einstimmig. Er war derjenige, der sie hierher gerufen hatte. Sie wussten, dass es nicht n?tig war, das Gespr?ch mit unn?tigem Smalltalk zu beginnen. Der Special Agent, der die Zweigstelle des FBIs in Washington, D.C. leitete, war ein vielbesch?ftigter Mann, seine Zeit war kostbar. SAIC Maitland ?berflog noch f?r einen Moment einige Papiere und runzelte konzentriert die Stirn, bevor er sie mit Schwung unterschrieb und beiseitelegte. „Agents Prime und Rose“, sagte er und kramte in einer ?bervollen Ablage auf seinem Schreibtisch herum, um eine Akte herauszuholen. „Ich glaube, dass Ihnen dieser Fall gefallen wird.“ Zoe runzelte die Stirn. Ein sch?ner Mordfall? Das schien unwahrscheinlich, es sei denn, der M?rder erstickte seine Opfer in Zuckerwatte und f?r die L?sung des Falls waren ausgiebige Geschmacksproben n?tig. „Sir?“, fragte sie zweifelnd. „Das war sarkastisch gemeint, Agent Prime“, sagte er ohne zu l?cheln. Er hielt die Akte mit ausgestrecktem Arm von sich weg. „Nimmt mir das einer von Ihnen jetzt ab, oder sind Sie beide gel?hmt?“ Shelley sprang nach vorn und nahm ihm die Akte aus der Hand. „Entschuldigung, Sir.“ „Zu dem Fall. Sie fliegen in vier Stunden“, sagte er und fuhr fort, als w?re das eine eher nebens?chliche Information gewesen. „Ihre Tickets sind in der Akte. Schneller konnten wir Sie nicht nach Nebraska bringen.“ Das Wort traf Zoe wie ein Blitz. Nebraska. Ihr Geburtsstaat. Nicht, dass das etwas zu sagen hatte – Nebraska war gro?. Es war nicht besonders wahrscheinlich, dass sie in der N?he ihres Geburtsortes sein w?rden. „Innerhalb der letzten zwei Tage wurden zwei Frauen enthauptet aufgefunden. Klingt, als w?rde es sich um einen Serienmord handeln, deshalb brauchen wir Sie so schnell wie m?glich vor Ort. Entschuldigen Sie den Nachtflug, aber Sie werden am fr?hen Morgen in der Ortschaft ankommen und k?nnen dann sofort nach Ihrer Ankunft mit der ?rtlichen Polizei in Kontakt treten“, fuhr Maitland fort. „Wir haben zwei verschiedene Tatorte in zwei verschiedenen St?dten, also ist es m?glich, dass der T?ter auf Reisen ist. Sie m?ssen ihn so schnell wie m?glich aufhalten. Denn wir wollen nat?rlich vermeiden, dass er den Staat verl?sst und verschwindet.“ Shelley bl?tterte in der Akte und einige der Fotos darin lie?en sie zusammenzucken. Zoe schaute ihr ?ber die Schulter und konnte eine ganze Menge Blut sehen, bevor Shelley umbl?tterte. „Wir werden unser Bestes versuchen, Sir“, sagte Shelley mit leicht abwesender Stimme, sie konzentrierte sich bereits auf die Akte. „Versuchen Sie es nicht nur“, sagte Maitland d?ster. „Die Presse wird der Sache viel Aufmerksamkeit widmen. L?sen Sie den Fall. Bevor die ganze Sache zu einem Zirkus wird und ich unserem Chef erkl?ren muss, warum wir eine schwindelerregende Anzahl von Leichen vor den Kameras der Welt haben.“ *** Zoe versuchte, ihr Handy zwischen ihrem Kopf und ihrer Schulter einzuklemmen, sodass sie beim Telefonieren ihre Klamotten zusammenlegen konnte. „Es tut mir wirklich leid“, sagte sie. „Es sieht so aus, als ob wir mindestens ein paar Tage unterwegs sind.“ „Ich wusste schon bei unserem ersten Date, worauf ich mich einlasse“, sagte Johns Stimme aus dem H?rer. Er klang entspannt und am?siert. „Es ist in Ordnung. Rette du die Welt. Ich bin hier, wenn du zur?ckkommst.“ Zoe kaute abwesend auf ihrer Lippe herum, legte ihre letzten Sachen zusammen und ging schnell ins Badezimmer, um ihre Kulturtasche zu holen. Wegen der Fliesen im Bad klang ihre Stimme nun hallend. „Ich hasse es, dass ich unsere Dates immer wieder abbrechen muss“, sagte sie. „Heute Abend hat Spa? gemacht.“ „Das hat es“, sagte John, dann f?gte er mit noch etwas sanfterer Stimme hinzu: „Ich hatte mich darauf gefreut, dich nach Hause zu fahren. Dieses Kleid, was du anhattest – das hat mir sehr gefallen.“ Zoe warf einen Blick auf den roten Stoff, der jetzt auf ihrem Bett lag, und ein kleiner Schauer ?berkam sie, als sie seine Worte h?rte. Sie warf die Kosmetikartikel in ihren Koffer – und alles, was sonst noch fehlte, hinterher. „Vielleicht ziehe ich es nochmal f?r dich an, wenn ich wieder da bin.“ Schuhe – sie ?ffnete die T?r ihres Schranks und holte ein Paar Ersatzschuhe heraus, nur f?r den Fall, dass die Schuhe, die sie gerade trug, zu unbequem wurden. „Das w?re toll.“ Johns Tonfall ?nderte sich erneut, diesmal wurde er ernster. „Eigentlich f?nde ich es sch?n, wenn wir mal reden k?nnten, wenn du wieder zu Hause bist.“ Zoe z?gerte. Reden. Was bedeutete das? Redeten sie nicht jetzt gerade? War sie jetzt in der Situation, die sie nur aus Filmen kannte – das gef?rchtete Gespr?ch – der Moment der Trennung? Nein, sicher war sie nur paranoid. John war ein erwachsener Mann. Er scheute sich nicht, seine Gef?hle anzusprechen und er schien bisher nicht unzufrieden gewesen zu sein. Nat?rlich hatte er sich nicht gerade dar?ber gefreut, dass sie wieder irgendwo hin musste, jetzt, da die beiden sich immer n?her kamen. „Okay“, zwang Zoe sich zu sagen. Sie wollte nicht, dass sich das Schweigen noch l?nger hinzog. „Klar. Das sollten wir.“ „Dann ruf mich an, wenn du zur?ck bist“, sagte John. Er machte auch eine Pause. „Zoe?“ „Ja?“ Er machte erneut eine Pause, so w?rde er seine Worte sehr genau abw?gen. „Ich w?nsche dir einen guten Flug.“ Zoe starrte auf das Handy in ihrer Hand, das Display war nun dunkel, das Gespr?ch beendet. F?r einen kurzen Moment dachte sie, es war absurd, dass er es f?r n?tig hielt, sie dazu aufzufordern, ihn nach ihrer R?ckkehr anzurufen. Warum h?tte sie das denn nicht tun sollen? Warum h?tte sie sich absichtlich in so eine schreckliche Situation bringen sollen? Dann ermahnte sie sich gedanklich selbst: Sie hatte doch gar keine Ahnung, wor?ber er mit ihr reden wollte. Nur, weil sie dank ihrer F?higkeiten und ihrer Art f?r alle anderen anders und seltsam erschien und sie bereits mit Ablehnung rechnete, hie? das nicht, dass er ihr auch eine Abfuhr erteilen w?rde. Sie dachte an Dr. Monk und an das, was sie sagen w?rde – wahrscheinlich etwas dazu, dass man die Gedanken anderer Menschen nicht lesen konnte – und versuchte, ihren Kopf frei zu bekommen. Ein klimperndes Ger?usch erregte ihre Aufmerksamkeit, als sie einen W?schesack f?r schmutzige Kleidung herausholte, den sie in den Koffer packen wollte. Zoes H?nde wanderten zu ihren Ohren und ihr wurde klar, dass sie in all der Eile und Verwirrung der Vorbereitung vergessen hatte, ihre Ohrringe abzunehmen. Langsam ging sie zum Badezimmerspiegel. Es war das erste Mal seit dem Verlassen des B?ros von SAIC Maitland, dass sie f?r einen kurzen Moment innehielt. Der Eyeliner auf ihren Augen war eine Erinnerung daran, wie die Nacht h?tte verlaufen sollen. Mit Bedauern griff Zoe nach ihrer Gesichtsreinigung und einem Waschlappen. Die Nacht war vorbei, und es hatte keinen Sinn, zu versuchen, sich an einem ?berbleibsel davon festzuklammern, das sp?testens im Flugzeug ihr Gesicht verschmieren w?rde. *** Zoe rieb sich die Augen und g?hnte. Es begann allm?hlich die D?mmerung. Nicht, dass sie das sehen konnte, denn sie hatten die Blende am Fenster heruntergezogen und die Welt jenseits des Flugzeugs der Fantasie ?berlassen, um in der Dunkelheit noch ein paar Stunden Schlaf zu bekommen. Sie hatte sich reisetauglich anziehen, ihren Koffer packen, den Katzenfutter-Spender auff?llen und einige Termine umzuorganisieren m?ssen. Vier Stunden hatten gerade noch gereicht, dann auch noch Shelley am Hauptquartier abzuholen und rechtzeitig zum Flughafen zu kommen. Im Flugzeug hatten sie sich darauf geeinigt, dass sie sich etwas ausruhen m?ssten, damit sie bei der Landung auch noch klar denken konnten. „Okay“, sagte sie. „Also, nachdem wir gelandet sind holen wir einen bereits bezahlten Mietwagen ab?“ „Ja“, best?tigte Shelley und bl?tterte in den Unterlagen, die ihnen zur Verf?gung gestellt worden waren. „Das Pr?sidium hat tats?chlich f?r eine ‚Priority-Abholung‘ bezahlt, sodass es nicht lange dauern sollte, bis wir uns auf den Weg machen k?nnen.“ „Und wohin dann?“ „Hier steht Broken Ridge“, sagte Shelley und ging bereits zur n?chsten Seite ?ber. Zoes Herz klopfte in ihrer Brust. „Broken Ridge?“, antwortete sie und hoffte wider Erwarten, etwas Falsches geh?rt zu haben. „Ja, das ist etwa eine Stunde Fahrt vom Flughafen entfernt“, sagte Shelley und warf einen schnellen Blick auf die Karte. „Warum?“, sagte sie. Zoe schluckte. „Nur so“, sagte sie. Das war nicht ganz die Wahrheit. Die Wahrheit war etwas, das sie nicht zugeben wollte – und zwar, dass die Stadt Broken Ridge in der N?he des Ortes lag, in dem Zoe aufgewachsen war. So nah, dass sie den Ort kannte und bildlich vor Augen hatte. Sie wusste, dass es nicht weit davon entfernt einen Windenergiepark gab, der in Zoes Kindheit gebaut worden war. Gedanken und Erinnerungen an Broken Ridge f?hrten unweigerlich zu Gedanken und Erinnerungen an ihre Heimat. Nicht, dass der Ort, an dem sie aufgewachsen war, es jemals verdient hatte, Heimat genannt zu werden. Teufelskind, konnte sie ihre Mutter f?rmlich sagen h?ren, genauso klar und deutlich wie damals, als sie acht Jahre alt gewesen war und neben ihrem Bett kauernd die H?nde zu einem vorget?uschten Gebet falten musste. Zoe atmete tief durch und z?hlte dabei die Sekunden. Drei Sekunden einatmen, vier Sekunden ausatmen. Einen Moment lang hatte sie fast das Gef?hl, die W?rme einer tropischen Sonne auf ihrem Gesicht zu sp?ren, als sie ihre Augen schloss und sowohl die einengende Umgebung des Flugzeugs als auch die Erinnerungen, die sie bedr?ckten, ausblendete. Sie ?ffnete die Augen, wieder konzentriert und ruhig. „Was wissen wir ?ber die Opfer?“, fragte sie. „Hier“, sagte Shelley und reichte ihr ein einzelnes Blatt Papier. Sie behielt ein weiteres f?r sich und begann, laut vorzulesen. „Das erste Opfer wurde anhand des Ausweises, das es in seiner Tasche trug, als Michelle Young identifiziert. Es konnten anhand des Gesichtes identifizieren werden, da der Kopf fehlte.“ Zoe fluchte leise. „Und sie haben ihn immer noch nicht?“ Shelley sch?ttelte den Kopf. „Aber es gibt ein relativ aktuelles Foto. Hier.“ Sie hielt ein Bild einer l?chelnden Blondine hoch, die direkt in die Kamera blickte. Jemand hatte einen Arm um ihre Schultern gelegt, wobei der Besitzer des Arms ausgeschnitten worden war. „Sieht aus, als w?re der Kopf mit etwas Scharfem abgetrennt worden, m?glicherweise mit einer Art Schwert. Die erste Untersuchung der Schnittstellen l?sst auf eine lange Klinge schlie?en, m?glicherweise eine Machete. Sie war Anfang drei?ig, eins vierundsiebzig, zweiundsiebzig Kilo. Keine T?towierungen. Hat als Kassiererin in einer Bank gearbeitet. Sie war diejenige, die aus dem Nachbarort kam – Easternville.“ Zoe folgte ihrem Zeichen, als Shelley nach oben sah, fertig mit den Details ihres Berichts. „Ich habe Lorna Troye“, las sie vor. „Ihr Kopf hat auch gefehlt. Zweiunddrei?ig Jahre alt, eins siebzig, achtundf?nfzig Kilo. Offenbar war sie freiberufliche Illustratorin. Hier ist ein Foto.“ Die beiden betrachteten das Bild von Lorna, das von der Profilseite ihrer eigenen Website stammte. Sie l?chelte freundlich in die Kamera, obwohl sie darauf eine seri?se und professionelle Pose eingenommen hatte. In ihrer Hand hielt sie einen Bleistift. Darunter lag ein Skizzenblock – ganz so, als ob sie jederzeit bereit w?re, mit der Arbeit zu beginnen. Zoe und Shelley schwiegen sich einen Moment lang an, w?hrend sie sich die Bilder der beiden toten Frauen ansahen. Die eine war blond gewesen, die andere br?nett – genau wie Shelley und Zoe selbst. Zoe war sogar ungef?hr im gleichen Alter, Shelley ein paar Jahre j?nger. Das Schicksal liegt in Gottes Hand, hie? es. Es h?tte auch sie treffen k?nnen. Aber da Zoe mit dem Glauben an das, was ihre Mutter ihr gesagt hatte – n?mlich dass Zoe das Blut des Teufels in den Adern trug, weil sie ?berall Zahlen sehen konnte – auch den Glauben an Gott aufgegeben hatte, wurde sie daraus nicht schlau. „Wir landen bald“, sagte Shelley und unterdr?ckte ein G?hnen. „Wir sollten uns bereit machen.“ Bereit machen, dachte Zoe. Und wie genau sollte man sich darauf vorbereiten an genau dem einen Ort zu landen, vor dem man sein ganzes Leben lang weggerannt war? Sie schnallte sich an, wohl wissend, dass sie keine andere Wahl hatte. KAPITEL F?NF Die fr?he Morgensonne warf alles in ein schimmerndes Licht, als Zoe Shelley z?gernd ?ber den Parkplatz folgte. Es beschlich sie das unangenehme Gef?hl, sich an einem Ort zu befinden, der ihr zwar irgendwie bekannt vorkam, an den sie sich aber nicht gut genug erinnern konnte, um sich hier sicher zu f?hlen. Und dann schwirrte da auch noch ein anderer Gedanke in ihrem Hinterkopf herum – und zwar die Bef?rchtung, dass sie hier, in unmittelbarer N?he ihres Heimatortes, jederzeit jemanden treffen konnte, den sie kannte. Auf dem Parkplatz standen jede Menge Beh?rdenfahrzeuge – der Van des Gerichtsmediziners, Streifenwagen der ?rtlichen Polizei und die Autos vieler anderer Offiziellen, die sich ein solches Gro?ereignis sicher nicht entgehen lassen wollten. Was hier vor sich ging, war f?r die Menschen hier keineswegs allt?glich. Und genau deshalb waren sie nun auf die Unterst?tzung des FBIs angewiesen. „Sheriff Hawthorne?“, rief Shelley. Sie sch?tzte dabei mit der einen Hand ihre Augen vor der Sonne und winkte mit der anderen einem braun-beige gekleideten Mann hinter einem polizeilichen Absperrband zu. Er winkte zur?ck und machte sich in ihre Richtung auf. Das wei?e Haar des etwa eins achtzig gro?en Mannes leuchtete im Glanz der Sonne – fast so, als schwebte ein Heiligenschein ?ber seinem Kopf. „Sie m?ssen die M?dels vom FBI sein“, sagte er mit Blick auf ihre Windjacken und schwarzen Anz?ge mit FBI-Aufdruck. „Die Leiche ist schon weg. Mussten wir gestern Abend wegbringen, wegen des Wetters. Aber den Tatort k?nnt ihr euch ansehen, da ist noch alles so, wie wir es vorgefunden haben.“ „Ich bin Agent Shelley Rose“, sagte Shelley und zeigte ihm, ganz nach Vorschrift, kurz ihre Dienstmarke. „Dann f?hren Sie uns doch bitte dorthin.” „Agent Zoe Prime“, f?gte Zoe hinzu und ahmte Shelleys Bewegungen nach, bevor sie sich drehte, um den beiden zu folgen. Diesen Sheriff hatte sie immerhin noch nie zuvor getroffen. Hoffentlich ein gutes Omen. Das gr?ne Gras zu beiden Seiten des Wanderwegs glitzerte hell im Morgenlicht, frisch und mit einem Hauch von Morgentau bedeckt. Als w?rden sie durch eine Postkarte spazieren, dachte Zoe, als sie dem ausgetretenen Weg folgten. Er wurde offensichtlich viel benutzt. Zoes Aufmerksamkeit fiel auf das Gras, von dem der Weg umgeben war – an welchen Stellen es d?nner wurde und wie der breite Eingang zum Parkplatz immer schmaler wurde, bis er schlie?lich gerade f?r eine Person reichte, ganz gleich einem Fluss, der vom Meer wegf?hrt. „Sie wurde gestern Abend gefunden, richtig?“, fragte Shelley, nur, um sich noch einmal zu vergewissern. „Am sp?ten Nachmittag“, best?tigte der Sheriff. „Ein Wanderer hat uns alarmiert, der noch die letzten Z?ge des sch?nen Wetters genie?en wollte. Er wollte zu einem der h?heren H?gel, um von dort den Sonnenuntergang ?ber der Stadt zu genie?en. Leider ist er nicht weit gekommen, sondern schon recht bald auf Miss Troyes Leiche gesto?en. Sie lag einfach auf dem Wanderweg – wie Sie gleich sehen werden.“ Seine unheilverk?ndenden Worte standen in starkem Kontrast zu der malerischen Umgebung, in der sie sich befanden. Zoe sah sich auf dem Weg zum Tatort genau um. Nicht weit vor ihnen gingen drei M?nner – sie trugen die gleiche beige-braune Uniform wie auch der Sheriff – ein St?ck des Pfads auf und ab; h?chstwahrscheinlich bewachten sie den Tatort. Aber um sie herum, links und rechts abseits des Wanderweges, gab es nicht viel Bemerkenswertes zu sehen – abgesehen von der sie umgebenden H?gellandschaft mit seinen B?schen, Str?uchern und einigen in der Ferne emporragenden wei?en Windr?dern. Sie z?hlte auf die Schnelle zweiundvierzig, aber es war nat?rlich nicht auszuschlie?en, dass da noch mehr waren, die man von hier, vom grellen Sonnenlicht geblendet, nicht erkennen konnte. Ihr fiel besonders auf, wie offen und ungesch?tzt dieser Ort war. Es gab hier keine Berge oder W?lder, in denen man sich verstecken, in denen man Schutz suchen konnte. Es war weit und breit nur die H?gellandschaft zu sehen, mit einigen vereinzelten B?schen hie und da. Nicht gerade der Ort, den sie sich aussuchen w?rde, wenn sie am helllichten Tage einen Mord begehen wollte. „Ein k?hner Mord“, sagte sie, damit Shelley ihren Gedanken folgen konnte. „Hier gibt es keinerlei Deckung.“ Shelley nickte und setzte sich etwas vom Sheriff ab, um mit Zoe zu sprechen. „Das Opfer mag allein gewesen sein, aber vollkommen isoliert war es nicht. Vom Parkplatz aus h?tte man etwas sehen k?nnen. Wahrscheinlich nicht alle Details, aber genug, um zu wissen, dass hier etwas nicht stimmt.“ „Und h?tte das Opfer geschrien, dann w?re es wahrscheinlich geh?rt worden“, f?gte Zoe hinzu und warf nochmal einen Blick zur?ck Richtung Parkplatz, um einen Eindruck von der Entfernung zu bekommen, jetzt, wo sie sich in der N?he des Tatorts befanden. „Und wenn es dem Opfer gelungen w?re, aufzustehen, dann h?tte es wom?glich entkommen k?nnen. Oder es h?tte zumindest die Aufmerksamkeit anderer erregen k?nnen. Der M?rder ist hier ein gro?es Risiko eingegangen.“ Sie waren nun bei den anderen Polizisten angekommen, die eine Art Halbkreis um ein Areal hinter sich gebildet hatten und es tunlichst vermieden, dort hinzusehen. Aus der N?he konnte Zoe nun auch erkennen, warum die Polizisten sich alle M?he gaben, nicht in Richtung des Tatorts zu schauen: Der Boden hinter ihnen war blutgetr?nkt. Er hatte das Blut des Opfers f?rmlich aufgesaugt und dadurch einen roten Farbton angenommen, auf den Grashalmen waren noch dazu deutlich einzelne Blutspritzer zu erkennen. An einem weiteren, mit Absperrband abgetrennten Bereich ging Zoe in die Hocke, um den Tatort aus der N?he zu betrachten und die Details genauer unter die Lupe zu nehmen. In aller Ruhe, als ?ffnete sie behutsam eine innerliche Schleuse, erlaubte sie es den Zahlen, allm?hlich wieder in den Vordergrund ihrer Wahrnehmung zu dr?ngen. Das Opfer, Lorna Troye, hatte hier schier unfassbare Mengen an Blut verloren. ?berall waren Blutspritzer zu sehen, der kreidehaltige Boden hatte sich geradezu vollgesogen. Einen so gro?en Blutverlust h?tte das Opfer unter keinen Umst?nden ?berleben k?nnen, auch dann nicht, wenn ihm nicht der Kopf abgetrennt worden w?re. Das Blut sammelte sich an einem zentralen Punkt, direkt neben dem Wanderweg, aber auch abseits des ausgetretenen Weges und auf den glatten Kieselsteinen des Weges selbst waren Blutspritzer zu finden. Das deutete darauf hin, dass der T?ter wiederholt und mit gro?er Kraft auf das Opfer eingehackt hatte, wodurch die Blutstropfen beide Seiten des Weges erreichten – und sicher auch die Schuhe, die Hose und vielleicht sogar die Vorderseite eines Hemdes oder T-Shirts des T?ters bedeckten. Zoe umrundete den Tatort langsam, blieb dabei aber au?erhalb der Absperrung, um auf keinen Fall Beweismittel zu vernichten. Der ausgetretene Pfad war flach und hart, es zeichneten sich keine Fu?spuren darauf ab und es waren keine Kampfspuren zu finden. Ein Gro?teil des Blutes hatte sich in einer rauen Kerbe angesammelt, die von der Mordwaffe in dem weichen Untergrund hinterlassen worden war, als diese nach der Enthauptung in den Boden eingeschlagen hatte. Es muss ein harter Einschlag gewesen sein. War das ein Indiz f?r die k?rperliche ?berlegenheit und physische Kraft des T?ters? M?glicherweise. Aber vielleicht waren zum Abtrennen des Kopfes auch einfach mehrere Hiebe n?tig gewesen. Im Bericht des Gerichtsmediziners zum vorherigen Opfer war von Anzeichen f?r Hackbewegungen die Rede gewesen – so als h?tte der T?ter mehrfach mit dem Schwert auf sein Opfer einschlagen m?ssen, bis er sein Ziel endlich erreicht hatte. Zoe untersuchte den Tatort noch etwas genauer, indem sie sich nach vorne beugte und mit ihren H?nden – nat?rlich in Handschuhen – hie und da vorsichtig ein paar Grashalme zur Seite schob. Da – eine zweite Kerbe, nah bei der ersten, um f?nfzehn Grad gedreht und etwa f?nf Zentimeter weniger tief. Er hatte auf ihren Nacken eingehackt, bis er ihn schlie?lich vollst?ndig durchtrennt hatte. Vielleicht war der T?ter also doch nicht au?ergew?hnlich stark, auch wenn zum Durchtrennen von Knochen und Muskelstr?ngen sicher eine gewisse Kraft in den Armen vonn?ten ist. „Viel haben sie nicht“, murmelte Shelley, als sie wieder zu ihrer Kollegin am Absperrband stie?. „Hast du irgendetwas entdeckt?“ Zoe richtete sich wieder auf, zum Leidwesen ihrer Oberschenkel, die mit Schmerzen in den Muskeln gegen die abrupte Bewegung protestierten. Die Zahlen waren ihr heute keine Hilfe, daf?r gab es einfach nicht ausreichend Beweisst?cke. Anhand der Druckstellen im Gras konnte sie die K?rpergr??e des Opfers sch?tzen, aber was n?tzte das schon? Sie lag ja schlie?lich schon in der Leichenhalle. „Nicht viel. Keine eindeutigen Hinweise auf die Gr??e, das Gewicht oder die K?rperkraft des T?ters, wobei wir wohl davon ausgehen k?nnen, dass wir keinen Schw?chling suchen. H?chstwahrscheinlich ist nur ein Mann physisch in der Lage, einen Kopf abzutrennen. Aber ich kann seine k?rperlichen Eigenschaften nicht genauer sch?tzen, weil er sie gek?pft hat, als sie schon am Boden lag.“ „Sie haben die Gegend gestern Abend systematisch abgesucht, dabei aber nichts Nennenswertes gefunden“, sagte Shelley, als sie mit zusammengekniffenen Augen zum restlichen Windpark hin?bersah, der sich nun vor ihnen erstreckte. „Was h?ltst du von der Wahl des Tatorts? Ein zu willk?rlicher Ort, um hier darauf zu warten, dass jemand vorbeil?uft, oder?“ „Und viel zu ungesch?tzt“, stimmte Zoe zu. „Das passt nicht ins Schema eines Gelegenheitsverbrechers. Hier ist etwas anderes vorgefallen.“ Shelley biss sich auf die Unterlippe und schaute sich um. Die kurzen Haare an ihrer Schl?fe richteten sich im Wind auf. „Warum wartet man nicht an einem schlechter einsehbaren Ort auf sein Opfer, oder geht weiter in den Park hinein?“, sagte sie. Es klang eher so, als w?rde sie laut denken – und nicht wie eine Frage. „Warum ausgerechnet hier, so nah am Parkplatz? Es muss einen Grund daf?r geben, dass er dieses Risiko eingegangen ist.“ Zoe warf einen weiteren Blick auf die Blutspuren am Boden. „Der K?rper war so ausgerichtet“, sagte sie und zeigte dabei in eine Richtung. F??e in Richtung restlicher Park, Kopf in Richtung Parkplatz. „Ein ?berraschungsangriff eines versteckten T?ters erfolgt normalerweise von hinten, wodurch das Opfer nach vorne f?llt.“ „Mit anderen Worten: Sie war auf dem Weg zur?ck zum Parkplatz, als sie attackiert wurde.“ „Vielleicht wollte sie gehen. Er musste hier zuschlagen, bevor es zu sp?t war.“ Zoe starrte in Richtung einiger B?sche ganz in der N?he. Auf ihren Bl?ttern waren rote Flecken zu erkennen, die ein wenig wie ?u?erst makabre Beeren aussahen. „Vielleicht hat sie ihn ja gesehen und ist dann weggelaufen. Aber ich kann keine Anzeichen daf?r erkennen – keine aufgew?hlte Erde. Man kann erkennen, dass sie an der Seite des Weges entlanggelaufen ist, nicht auf der st?rker verh?rteten Mitte. Es h?tte also Spuren hinterlassen m?ssen, wenn sie gerannt w?re.“ Shelley schloss die Augen, als w?rde sie sich die Szene bildlich vorstellen. „Lorna war also auf dem R?ckweg, in Richtung Parkplatz. Er erkennt, dass ihm nicht mehr viel Zeit bleibt, bis sie wieder in Sicherheit ist und er keine Gelegenheit zum Angriff mehr hat. Er muss es also jetzt tun. Vielleicht versteckt er sich irgendwo an der Seite, vielleicht da dr?ben im Geb?sch.“ Zoe sch?ttelte den Kopf, nachdem sie die Gr??e der B?sche abgesch?tzt hatte. Sie waren nicht gro? genug, um sich darin zu verstecken. „Glaube ich nicht“, sagte sie, aber es gab einen einfachen Weg, das zu ?berpr?fen. „Herr Kollege?“ Einer der jungen M?nner, die den Tatort abschirmten, sah sich zu ihr um. „Ja, Ma’am?“ „Tun Sie uns doch einen Gefallen. Gehen Sie doch bitte mal dort r?ber und versuchen Sie, sich so gut wie m?glich im Geb?sch zu verstecken. Knien oder legen Sie sich hin, damit man Sie m?glichst nicht mehr sehen kann.“ Der Mann blinzelte kurz und sah zu seinem Chef, der seine Zustimmung signalisierte. Er tat wie ihm gehei?en und versuchte, sich zu verstecken. Obwohl er Kleidung in nat?rlichen Farbt?nen trug, war er im saftigen Gr?n des Gestr?pps deutlich zu erkennen. Die Str?ucher waren nicht besonders hoch gewachsen – und dank der gro?en L?cken zwischen den einzelnen ?sten versperrten sie die Sicht nicht besonders gut. Shelley ging um die Absperrung herum zur anderen Seite des Weges und sah von dort wieder in seine Richtung. „Ich kann ihn auch von hier noch sehen“, best?tigte sie. „Mach dich etwas kleiner“, rief Zoe ihr zu. „Du bist zweieinhalb Zentimeter zu gro?.“ Shelley ging f?r einen kurzen Moment in die Knie, wodurch sie sich mindestens f?nf Zentimeter kleiner machte. „Macht keinen Unterschied“, sagte sie. „Ich kann sowohl seine F??e als auch seine Schultern sehen.“ „Ich danke Ihnen. Sie k?nnen wieder rauskommen“, sagte Zoe, sehr zur Erleichterung des Mannes, der sofort damit begann, sich den Dreck von der Kleidung zu klopfen. „Also ist er gelaufen“, sagte Shelley und kam wieder zu Zoe zur?ck. „Sie ist nicht weggelaufen, also hat sie ihn wahrscheinlich gesehen und nicht f?r gef?hrlich gehalten.“ „Dann kann er keine Machete getragen haben“, merkte Zoe an. „Zumindest nicht offen.“ „Und wenn er die Opfer kannte?“, fragte Shelley, den Blick auf die nicht weit entfernte Stadt gerichtet. „Die Orte sind nicht weit voneinander entfernt. Man k?nnte beispielsweise problemlos in dem einen Ort wohnen und in dem anderen arbeiten. Es ist also durchaus plausibel, dass der T?ter zu beiden Opfern eine pers?nliche Verbindung hatte.“ „Die meisten Morde, bei denen eine pers?nlichen Verbindung zwischen T?ter und Opfer besteht, sind emotional aufgeladene Affekthandlungen“, sagte Zoe und bezog sich dabei auf die Daten aus verschiedenen Fachb?chern zu diesem Thema. Diese Informationen hatte sie zwar verinnerlicht, aber es gab da etwas, das ihr auch die besten Lehrb?cher nicht verst?ndlich machen konnten: die sogenannte ‚Atmosph?re‘, die an einem Tatort herrschte. Aber bei diesem Fall wurde ihr allm?hlich klar, was damit gemeint sein musste. Einen Mord wie diesen musste man im Voraus planen und es war zu erkennen, dass der T?ter nur genauso oft zugeschlagen hatte, wie es zum Abtrennen des Kopfes n?tig gewesen war – er war also nicht in Rage geraten, sondern hatte den Mord in aller Ruhe begangen. „Hier wurde emotionslos und berechnend gehandelt.“ „Es k?nnte trotzdem eine pers?nliche Verbindung geben. Vielleicht hat ihn ja jemand langsam, aber sicher in den Wahnsinn getrieben. Vielleicht haben wir es mit einem Psychopathen zu tun.“ Das Wort ‚Psychopath‘ lie? Zoe immer noch innerlich zusammenzucken. Zu oft war es ihr selbst an den Kopf geworfen worden. Von ihrer eigenen Mutter, von Klassenkameraden, von all denen, die dachten, sie w?rde in bestimmten sozialen Situationen nicht angemessen, nicht sensibel genug reagieren. Ihr war schon immer klar gewesen, dass sie anders war, als die meisten ihrer Mitmenschen. Aber es hatte sehr lange gedauert, bis sie verstanden hatte, dass sie deswegen noch lange kein schlechter Mensch war. „Es gibt zwei M?glichkeiten“, fasste sie zusammen und unterdr?ckte dabei ihre eigene emotionale Reaktion. „Entweder ist er zun?chst ganz unschuldig an ihr vorbeigelaufen, nur um sich dann umzudrehen und sie mit einer vorher versteckten Klinge anzugreifen – oder er hat zun?chst ihr Vertrauen gewonnen. Entweder, weil sie sich bereits vorher kannten, oder irgendwie anders.“ „Dann m?ssen wir erstmal herausfinden, ob Lorna Troye und Michelle Young irgendwelche gemeinsamen Bekannten hatten“, sagte Shelley. Trotz ihrer dunklen Augenringe, die sie dem anstrengenden Nachtflug zu verdanken hatte, wirkte sie jetzt aufmerksam und voll konzentriert. Fast schon gespannt darauf, was sich aus dieser neuen Spur ergeben w?rde. „Und, hast du Lust, dir mit mir die Leiche anzusehen?“ Zoe setzte ihr zuliebe ein gezwungenes L?cheln auf. „Ich dachte schon, du fragst mich nie.“ KAPITEL SECHS Das Labor des Gerichtsmediziners glich dem eines jeden anderen Gerichtsmediziners einer amerikanischen Kleinstadt, fand Zoe. Ein ungem?tlicher Raum mit Metallb?nken f?r die Leichen – nur zwei davon, denn normalerweise war hier nicht viel los. An einer Wand reihten sich neun vollkommen unschuldig aussehende Schubladengriffe hintereinander auf – und was sich dahinter verbarg, w?rden die meisten Menschen wohl als uns?gliches Gr?uel beschreiben. Zoe und Shelley hingegen machten diese Dinge schon lange nichts mehr aus, f?r sie war es ein Tag wie jeder andere. „Das hier ist sie.“ Der Gerichtsmediziner, ein dicker Mann, dessen Gesicht dank seiner Brille dem einer Eule glich, zog mit einer ?bertrieben anmutenden, ruckartigen Bewegung eine der Schubladen heraus. F?r einen kurzen Moment bef?rchtete Zoe, sie m?sse gleich eine herunterpurzelnde Leiche mit den Armen auffangen, aber zum Gl?ck schaukelte der K?rper der Frau auf der Leichenmulde nur leicht hin und her. Die Leiche wurde von einem wei?en Laken abgedeckt – und an der Stelle, an der normalerweise der Kopf gewesen w?re, sackte das Laken einfach in sich zusammen. Zoe zog das Laken zur?ck, wohlwissend, dass Shelley inzwischen wahrscheinlich etwas ?bel war. Es war ein grauenhafter Anblick. Auf dem nackten Frauenk?rper zeichneten sich keinerlei Kampfspuren ab, wenn man davon absah, dass ihr Hals nun einem unsauber abgehackten Baumstumpf aus Fleisch und Blut glich. Unter dem rohen, r?tlichen Fleisch waren die sauber, aber in mehreren, unterschiedlichen Einschnittwinkeln durchtrennten Knochen der Wirbels?ule zu erkennen. Die verschiedenen Einschnittwinkel deuteten auf mehrere Schnitte hin. „Was h?ltst du davon?“, fragte Shelley mit leiser Stimme, die von dem Respekt vor der Toten zeugte, obwohl diese sie auch dann nicht h?tten h?ren k?nnen, wenn sie noch am Leben gewesen w?re – schlie?lich hatte sie keine Ohren mehr. „Mehrere Einschl?ge auf den Hals“, sagte der Gerichtsmediziner in trockenem Tonfall, schob dabei mit einem seiner dicken Finger seine Brille die Nase hoch und zeichnete mit der anderen Hand Schnittbewegungen in die Luft. „Wahrscheinlich eine leichte Klinge. Ich kann es nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, aber ich w?rde auf eine Machete tippen. Davon w?rde man zumindest normalerweise ausgehen.“ „Normalerweise?“, fragte Zoe. Der Gerichtsmediziner zuckte peinlich ber?hrt mit den Schultern. „Na ja, ich habe so etwas zwar selbst noch nie gesehen“, sagte er. „Aber ich kenne die Statistiken. Eine Machete ist wahrscheinlicher als etwa ein Samuraischwert. Wobei das wohl die zweitwahrscheinlichste Variante ist. Es gibt Leute, die solche Schwerter aus Japan mitbringen oder im Internet bestellen.“ Zoe widerstand dem Drang, ihn darauf hinzuweisen, dass solche Schwerter eigentlich Katanas genannt wurden, und konzentrierte sich stattdessen auf die Leiche. Sie z?hlte die am Hals der Leiche sichtbaren Einschnittwinkel. Zwei mehr als am Tatort zu sehen gewesen waren, aber die ersten zwei waren so flach, dass die Tatwaffe dabei vermutlich nicht in den Boden eingeschlagen war. „Haben Sie eine Vorstellung davon, wie viel Kraft bei den vier Schl?gen aufgewendet wurde?“ „Auf jeden Fall nicht genug Kraft, um den Kopf mit einem Schlag abzutrennen“, sagte der Gerichtsmediziner. „Sie k?nnen die gegenl?ufigen Fl?chen hier und hier sehen: Jeder Einschlag erfolgte in einem leicht abweichenden Winkel, deshalb sieht man hier diese rauen Kanten und Unebenheiten … vier Einschl?ge, ja, genau wie sie gesagt haben.“ „W?rden Sie den T?ter als nicht besonders stark einsch?tzen?“, fragte Shelley, als sie sich endlich ein wenig von dem scheu?lichen Anblick erholt hatte. Der Gerichtsmediziner zuckte mit den Schultern. „L?sst sich ohne Zeitmaschine schwer sagen. Ich kann nur die Einschlagskraft beurteilen. Aber ob das jetzt eine ?ltere Frau war, die unter Adrenalin stand und all ihre Kraft mobilisierte, oder ob hier Arnold Schwarzenegger am Werk war, der einfach einen schlechten Tag hatte? Keine Ahnung.“ „K?nnen Sie nicht einmal sagen, ob wir nach einem Mann oder nach einer Frau suchen?“ „Nein, das kann ich auch nicht besser beurteilen als Sie“, erwiderte der Gerichtsmediziner. „Mit Blick auf Motiv, Gelegenheit und so weiter sind Ihre Kollegen vermutlich eher im Stande, diese Frage zu beantworten.“ Das war zwar keine besonders hilfreiche Antwort, aber sie war immerhin ehrlich. „Ich glaube wir haben genug gesehen“, sagte Zoe und machte einen Schritt zur?ck, damit der Mann genug Platz hatte, um den Leichenschrank wieder zu schlie?en. „Danke Ihnen“, sagte Shelley zu dem Mann und folgte dann Zoe, die sich schon auf dem Weg in Richtung Ausgang befand. Drau?en war die Sonne inzwischen vollst?ndig aufgegangen und das Sonnenlicht war so grell, dass Zoe sofort ihre Sonnenbrille aus ihrer Tasche kramte. Zudem war die Hitze geradezu erdr?ckend. Zoe verweilte f?r einen kurzen Moment im Schatten des Leichenschauhauses und blickte mit zusammengekniffenen Augen in Richtung ihres Autos, um genau zu berechnen, wie hei? es darin jetzt wohl sein mochte. Keine sch?ne Vorstellung. „Wo fahren wir als N?chstes hin?“, fragte Shelley. „Zu Lorna Troyes Familie“, erwiderte Zoe. „Vielleicht haben die ja eine Spur f?r uns. Vielleicht etwas, das sie mit Michelle Young in Verbindung bringt.“ „Laut Akte hat sie nicht mehr viele Angeh?rige“, sagte Shelley. Sie konnte sich offenbar daran erinnern. Sie musste diesen Teil der Akte schon gelesen haben. Zoe hatte sofort ein schlechtes Gewissen, dass sie selbst das noch nicht getan hatte. „Die Eltern starben vor etwa zehn Jahren bei einem Autounfall. Sie hat nur noch eine Schwester.“ Zoe nickte. „Okay.“ Sie dachte einen Moment lang nach. Beide blieben auf der Stelle stehen; Shelley freute sich entweder genauso wenig auf die Hitze im Auto wie Zoe, oder sie versuchte einfach, Zoe etwas Raum zum Nachdenken zu geben. „Wir wissen noch nicht wirklich, wonach wir eigentlich suchen.“ „Es k?nnte ein Mann oder eine Frau sein, stark oder auch nicht, und wir kennen keinerlei K?rpermerkmale“, seufzte Shelley. „Hoffentlich finden wir bald einen Zeugen. Hast du eine Idee, wo wir mit dem T?terprofil ansetzen sollten?“ Zoe sch?ttelte leicht den Kopf. „Das k?nnte man so oder so sehen. Die Vehemenz des ?bergriffs l?sst auf einen m?nnlichen T?ter schlie?en. Wie wir wissen entscheiden sich Frauen meist f?r weniger physische Methoden. Andererseits ist deutlich zu erkennen, dass Lorna Troye sich nicht unwohl f?hlte, als sie angegriffen wurde. M?glicherweise hat sie dem T?ter oder der T?terin sogar vertraut und sich in deren N?he sicher gef?hlt. Das k?nnte man als Hinweis auf eine weibliche Angreiferin werten.“ „Was ich an der ganzen Sache am auff?lligsten finde, ist die Tatsache, dass die Tat im Freien – und nicht gerade gut versteckt – stattgefunden hat.“ „Das zeugt von gro?em Selbstbewusstsein“, sagte Zoe. „Oder von Wahnsinn. Auf jeden Fall von der ?berzeugung, nicht erwischt zu werden. Vielleicht sind die Schl?ge nicht mit voller Kraft erfolgt, weil der T?ter oder die T?terin nicht in Eile war. Als h?tte er oder sie sich unantastbar gef?hlt. Als w?re die Welt f?r den Moment des Angriffs stehengeblieben.“ „Mhm“, murmelte Shelley zustimmend und lehnte sich dabei an die k?hle Steinwand des Geb?udes. „Irgendwie m?ssen wir das noch genauer eingrenzen. Uns ein besseres Bild davon machen, was hier tats?chlich vorgefallen ist.“ „Dann wollen wir mal hoffen, dass Lorna Troyes Schwester uns dabei helfen kann“, sagte Zoe und machte widerwillig einen Schritt in die glei?ende Hitze und in Richtung ihres Autos. *** Lorna Troyes Schwester lebte in einer kleinen Wohnung nahe am Stadtzentrum, direkt ?ber einem Eisenwarenladen. Der Eingang der Wohnung, der einen sch?nen Blick auf einen Hammerst?nder bot, f?hrte sie kurioserweise erst in einen blassgelben Flur und dann in ein Wohnzimmer, das in verschiedenen Schattierungen von Pink und fast ausschlie?lich in Samt gehalten war. „Und ich kann Ihnen ganz sicher nichts bringen?“, fragte Daphne Troye, Lornas ?ltere Schwester, mindestens zum sechsten Mal. „Ganz bestimmt nicht, Miss Troye, vielen Dank“, versicherte Shelley ihr mit einem L?cheln. „Oh, es muss Mrs. Troye hei?en“, erwiderte Daphne ebenfalls l?chelnd und deutete auf ein dumpf gl?nzendes Armband an ihrem Handgelenk. „Meine Frau hat meinen Namen angenommen, als wir geheiratet haben.“ „Mrs. Troye“, korrigierte sich Shelley. „Das ist sicher eine schwierige Zeit f?r Sie. Wir wollten Sie nur kurz nach ein paar Dingen fragen, die uns vielleicht dabei helfen k?nnten, den M?rder Ihrer Schwester zu finden.“ Das ohnehin gezwungen wirkende L?cheln auf Daphnes Lippen verschwand nun vollends. „Ja”, sagte sie und lehnte sich in ihrem Samt-Sessel zur?ck. Scheinbar hatte sie nun akzeptiert, dass sie ihren G?sten nichts anbieten konnte. „Nat?rlich. Bitte, fragen Sie ruhig.“ „Was k?nnen Sie uns ?ber gestern sagen?“, fragte Shelley. „Hatten Sie Kontakt zu Lorna?“ „Ein bisschen.“ Ihre Augen wanderten kurz zu einem verschlossenen Zimmer am anderen Ende des Flurs, den man durch die offene T?r des Wohnzimmers ?berblicken konnte, bevor sie wieder zu Shelley sah. „Lorna und Rhona – meine Frau – verstehen sich nicht gut. In letzter Zeit haben wir nicht oft miteinander gesprochen. Zumindest nicht pers?nlich. Aber ich habe ihr morgens manchmal eine SMS geschickt.“ „Wussten Sie, dass Lorna vorhatte, wandern zu gehen?“ „Ja.“ Daphne griff nach ihrer eigenen Tasse, goss sich eine milchige Fl?ssigkeit ein, die so stark verd?nnt war, dass es sowohl Tee als auch Kaffee h?tte sein k?nnen, und nahm einen winzigen Schluck. „Das hatte sie mir erz?hlt. Sie wollte eigentlich mit einer Freundin gehen, aber die hat in letzter Sekunde abgesagt.“ „Wissen Sie, wie diese Freundin hei?t?“, fragte Zoe und schlug ihr Notizbuch auf. „?hm“, Daphne hielt kurz inne. Sie kniff sich in den Nasenr?cken und schloss die Augen, w?hrend sie nachdachte. „Lassen Sie mich kurz … Cora! Sie hei?t Cora.“ „Nachname?“ Daphne sch?ttelte den Kopf. „Den wei? ich leider nicht.“ „Das macht nichts“, sagte Shelley. „Cora ist kein besonders h?ufiger Name. Wir werden schon rausfinden, wer das ist.“ „Wenn ich darf, w?rde ich Ihnen gern ein Foto zeigen“, sagte Zoe. Sie sah, wie Daphne die Augen aufriss und zu zittern begann und f?gte sofort hinzu: „Nicht vom Tatort. Keine Sorge. Es ist das Foto einer Frau. Wir w?rden gerne wissen, ob Sie diese Frau kennen – und insbesondere, ob Sie Lorna jemals mit ihr zusammen gesehen haben.“ Sie nahm das gedruckte Foto von Michelle Young aus ihrem Notizbuch und legte es vor Daphne auf den Tisch, damit sie es gut sehen konnte. „Ich … ich glaube nicht“, sagte Daphne nach einer ganzen Weile und schaute dann wieder zu Zoe auf. „Wer ist das denn?“ „Sie hei?t Michelle Young“, sagte Zoe. „Kommt Ihnen der Name bekannt vor?“ Daphne sch?ttelte den Kopf. „Halten Sie diese Frau f?r … die T?terin?“ Ihre Stimme klang zugleich ?ngstlich als auch hoffnungsvoll. Zu wissen, wer die Tat begangen hatte, w?re sicher eine Erleichterung f?r Daphne gewesen, keine Frage. Der erste Schritt zu einer Art Verst?ndnis davon, warum man ihr die Schwester genommen hatte. Es tat Zoe leid, dass sie ihr dieses Gef?hl nicht geben konnte. „Nein, Mrs. Troye“, sagte Zoe und nahm das Foto wieder an sich. „Wir glauben, dass es sich bei dieser Frau um ein weiteres Opfer desselben T?ters handelt.“ Daphne stockte f?r einen Moment der Atem, als h?tte sie einen Schlag in die Magengrube hinnehmen m?ssen. „Lorna war nicht die einzige?“ „Das k?nnen wir noch nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen“, sagte Shelley mit beruhigender Stimme – eine automatisierte Reaktion, die sie schon in ihrer Ausbildung verinnerlicht hatte. Nie etwas mit absoluter Sicherheit sagen, bevor der Fall nicht gel?st war. „Aber es gibt gewisse Gemeinsamkeiten zwischen den F?llen. Wir ermitteln in diese Richtung.“ Daphne schluckte schwer und senkte den Blick auf die Tasse, die vor ihr stand. Sie sagte jetzt kein Wort mehr. Es schien ihr sichtlich schwer zu fallen, diese neue Information zu verarbeiten. Zoe tauschte kurze Blicke mit Shelley aus. Sie beschlich das Gef?hl, dass sie die Befragung hier am besten beenden sollte – und als Shelley ihr zunickte, wusste sie, dass sie die Situation richtig eingesch?tzt hatte. „Vielen Dank, Mrs. Troye“, sagte sie. „Wir lassen Sie nun besser in Ruhe. Sie k?nnen uns jederzeit anrufen, wenn Ihnen noch etwas einfallen sollte.“ Die Frau vor ihnen zeigte kaum eine merkliche Reaktion, abgesehen von einem angedeuteten Nicken und einer fast nicht zu erkennenden Auf- und Ab-Bewegung der Schultern. Shelley und Zoe standen z?gerlich auf, sie beide wollten Daphne so nicht allein lassen – aber sie wussten ja, dass sie nicht auf sich allein gestellt war. Ihre Frau war vermutlich in dem Zimmer am anderen Ende des Flurs, hinter der verschlossenen T?r, um sie bei der Befragung ungest?rt zu lassen. Die beiden Frauen w?rden diese schwere Zeit gemeinsam ?berstehen. Allerdings w?rde ihnen das leichter fallen, das war zumindest Zoes Erfahrung, wenn sie mehr dar?ber w?ssten, wer ihnen Lorna genommen hatte – und wenn diese Person ihre gerechte Strafe erhielt. „Wir fahren besser zur lokalen Polizeiwache und richten dort eine Ermittlungszentrale ein“ sagte Zoe und hielt kurz inne, bevor sie in den Leihwagen stieg. „Je fr?her wir eine Spur finden, desto besser. Am besten fangen wir bei der Freundin an, Cora.“ „Vielleicht haben wir ja Gl?ck“, sagte Shelley mit schwarzem Humor. „Vielleicht war die es ja.“ Aber als sie sich hinters Lenkrad setzte, dachte Zoe f?r sich, dass das leider ganz und gar nicht wahrscheinlich war. KAPITEL SIEBEN „Also dann“, sagte Zoe, als sie sich vor den Tisch setzte, den sie gerade durch zwei zusammengeschobene Schreibtische gebildet hatten. „Was haben wir bisher?“ Shelley warf einen Blick auf die auf beiden Seiten des Tisches ausgebreiteten Akten. Auf der einen Seite waren die zu Michelle Young, auf der anderen die zu Lorna Troye. „Zwei junge Frauen, etwa gleichen Alters. Beide am helllichten Tag ermordet, was auf ein gewisses Selbstbewusstsein des M?rders schlie?en l?sst. Beide Morde geschahen in der gleichen Region, wenn auch in unterschiedlichen St?dten, innerhalb eines Bundesstaates. Die eine Frau blond, die andere br?nett. Beide zum Tatzeitpunkt allein unterwegs. In beiden F?llen keine Zeugen.“ „Und die Tatwaffe scheint in beiden F?llen die gleiche gewesen zu sein“, f?gte Zoe hinzu. „Eine Machete, mit der die Opfer enthauptet wurden. Wo sich die K?pfe befinden, ist bisher unklar.“ Unterschiede und Gemeinsamkeiten. Zu Beginn der Ermittlungen in einem Fall mit mehrfachen Morden musste man danach Ausschau halten. Was hatten die Opfer gemein, das sie aus Sicht des T?ters herausstechen lie? und deshalb zu potentiellen Zielen machte? Und inwiefern unterschieden sie sich voneinander? Das ?hnliche Alter und das gute Aussehen der beiden Frauen waren ein erster Anhaltspunkt. Gelegenheit mag eine Rolle gespielt haben, oder auch nicht, wie sie bereits diskutiert hatten. Aber was waren die Unterschiede zwischen den beiden Opfern? „Die Distanz zwischen den beiden Orten k?nnte relevant sein. Mit dem Auto braucht man vierzig Minuten.“ „K?nnte sein, dass er aus der Gegend kommt“, merkte Shelley an. „Oder vielleicht ist er auf Reisen?“ Zoe neigte ihren Kopf. „Laut Statistik schlagen die meisten Mehrfachm?rder innerhalb eines bestimmten Radius um ihr Zuhause herum zu. Nicht so nah, dass sie sich nicht mehr sicher f?hlen w?rden. Weit genug weg, um keine unn?tige Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, aber nah genug, um sich innerhalb des Gebietes leicht von A nach B bewegen zu k?nnen. Ein Zwei-Stunden-Radius um beide St?dte herum erscheint mir realistisch.“ Shelley warf einen Blick auf eine Landkarte. „Dann sind immer noch zu viele Ortschaften in dem Gebiet“, sagte sie. „Das m?ssen wir noch weiter eingrenzen.“ Was blieb ihnen sonst noch? „Lorna h?tte nicht allein sein sollen, als sie ermordet wurde“, dachte Zoe laut nach. „Das hei?t, wenn unser T?ter auf sie gewartet hat, dann wusste er entweder, dass ihre Freundin abgesagt hatte, oder er wartete nicht auf jemand Bestimmten und wusste nicht genau, wer sein Opfer werden w?rde.“ Shelley kaute auf einem ihrer Fingern?gel und zupfte dabei mit den Z?hnen an der Haut herum. „Die Freundin, die abgesagt hat“, sagte sie. „Die sollten wir doch ausfindig machen k?nnen. Haben wir Lornas Handy?“ „Noch nicht“, sagte Zoe, nachdem sie eine Beweismittelliste ?berflogen hatte, die der Sheriff ihnen gegeben hatte. „Sieht so aus, als w?re da jemand dran. Das Handy war passwortgesch?tzt. Deshalb m?ssen wir wohl auf eine richterliche Anordnung warten, die den Hersteller dazu zwingt, uns Zugang zu gew?hren.“ „Dann m?ssen wir es mit Social-Media-Konten probieren“, sagte Shelley entschlossen und nahm sogleich ihr eigenes Handy zur Hand, um darauf herumzutippen. „Ich wei? nicht, ob wir ihre Benutzernamen schon haben“, sagte Zoe und bl?tterte dabei in dem Bericht zu Lornas pers?nlichen Gegenst?nden herum. „Die brauchen wir nicht“, sagte Shelley mit einem L?cheln. Sie zeigte ihr den Bildschirm ihres Handys. Darauf war eindeutig ein Bild von Lorna zu sehen, auf einer Facebook-Seite. „Es gibt nicht viele Lorna Troyes hier in der Gegend.“ Zoe rutschte etwas n?her heran und lehnte sich ?ber den Tisch, um besser sehen zu k?nnen „Ist da in irgendwelchen Posts von einer Cora die Rede?“ Shelley scrollte ein wenig herunter. „Ja, guck, hier: Vor ein paar Wochen hat sie sich und Cora bei einem Restaurantbesuch getaggt. Cora Day.“ „Gute Arbeit“, nickte Zoe. „Aber sie hat nicht zuf?llig auch Michelle Young auf ihrer Freundesliste?“ Shelley runzelte die Stirn, drehte das Handy wieder zu sich und scrollte weiter nach unten, um Lornas Freundesliste durchzusehen. „Nein, sieht nicht so aus.“ „Vielleicht sollten wir ?berpr?fen, ob sie irgendwelche anderen gemeinsamen Freunde oder Interessen haben“, schlug Zoe vor. „Ich schaue mir Michelles Profil an und du machst bei Lorna weiter. Wir k?nnen uns die Freunde gegenseitig vorlesen, dann sehen wir, ob da irgendwelche gemeinsamen dabei sind.“ Shelley tat wie ihr gehei?en und begann, die Namen auf Lornas Freundesliste einem nach dem anderen vorzulesen. Zoe, die Michelles Profil aufgrund des dazugeh?rigen Fotos zum Gl?ck ohne Probleme finden konnte, ging dabei Michelles Freundesliste durch. Keine der Namen stimmten ?berein. Shelley seufzte. „Die Spur f?hrt also ins Leere.“ „Abwarten“, mahnte Zoe. „Wir reden hier immer noch ?ber eine relativ kleine Gegend – und man f?gt ja nicht jeden, den man trifft, automatisch zu seiner Freundesliste hinzu. Wir sollten ihre Posts und Check-Ins miteinander vergleichen. Man kann sich ja heutzutage online sozusagen ‚einchecken‘, damit andere sehen k?nnen, wo man gerade ist. Vielleicht hielten die beiden sich ja regelm??ig am selben Ort auf.” Shelley stimmte zu. „Am besten machen wir eine Liste“, sagte sie. „Alle Posts der letzten paar Monate. K?nnen wir dann hinterher vergleichen.“ Zoe begann damit, sich Michelles Feed genauer anzusehen. Eine m?hselige Arbeit. Michelle schien die Angewohnheit zu haben, jeden einzelnen ihrer Gedanken auf ihrer Facebook-Seite zu posten, meist mit so wenig Kontext, dass wahrscheinlich nur die Person, an die sich der Post richtete, diesen richtig verstehen konnte. Unter den einzelnen Posts fanden sich oft zahlreiche Kommentare, die nach Updates oder weiteren Details fragten, auf die Michelle aber nie antwortete. Aber Moment mal! War das nicht …? „Cora Day?“, fragte Zoe in den Raum. „So hie? sie doch, oder?“ „Ja, genau“, sagte Shelley und blickte zu Zoe auf. „Hast du was gefunden?“ „Das hier“, sagte Zoe und zeigte es ihr. „Sieht so aus, als h?tten sie sich doch gekannt.“ Auf dem Bildschirm war ein Foto zu sehen, das Michelle mit einigen anderen Frauen zeigte. Ganz am linken Rand, mit einem L?cheln auf den Lippen, stand eine Frau, die als Cora Day getaggt worden war. „Das ist sie“, best?tigte Shelley. „Wo wurde das Foto aufgenommen?“ Zoe schaute sich den Post noch einmal genauer an. „In einem Nachtclub ganz in der N?he. Ich schaue mal weiter. Vielleicht finde ich noch mehr.“ Sie fand tats?chlich noch mehr – und das lie? auch nicht lange auf sich warten. Nur ein paar Posts weiter unten fand sich ein Kommentar von Cora – der erste, den sie gefunden hatte, aber chronologisch gesehen der neueste. Was auch immer zwischen den beiden vorgefallen war, freundschaftlich war es nicht. „H?r dir das mal an“, sagte Zoe und las einen der Kommentare laut vor. „Du bist so durchschaubar, du Bitch! H?r auf damit, Sachen ?ber mich zu posten. Wenn du mir was zu sagen hast, dann sag es mir ins Gesicht!“ „Wie bitte?“ Shelley schnappte nach Luft. „Das ist ein Kommentar von Cora Day auf Michelle Youngs Facebook-Seite“, sagte Zoe triumphierend. „Bis zu diesem Zeitpunkt schienen sie miteinander befreundet gewesen zu sein. Michelle antwortet mit einer Beleidigung, auf die Cora dann nicht weiter reagiert. Da haben sie sich dann wahrscheinlich gegenseitig geblockt.“ „Und wie lange ist das her?“, fragte Shelley nachdenklich. Zoe sah sich das Datum des Posts an. „Etwas ?ber einen Monat.“ „Also, fassen wir zusammen“, sagte Shelley, die dabei zu l?cheln begann. „Cora Day zerstreitet sich mit Michelle Young, die dann etwa einen Monat sp?ter tot ist. Dann sagt Cora eine Verabredung mit Lorna Troye ab, die deshalb allein wandern geht und dabei auf die gleiche Art und Weise stirbt, wie zuvor Michelle.“ „Und laut Gerichtsmediziner ist es durchaus m?glich, dass die Morde von einer Frau begangen wurden, insbesondere, wenn man einen m?glichen Adrenalinschub in Betracht zieht, der einer T?terin wom?glich mehr Kraft gegeben h?tte, als man es von einer Frau normalerweise erwartet.“ „Au?erdem hatte der M?rder oder die M?rderin kein Problem damit, die beiden Frauen am helllichten Tage direkt anzusprechen, obwohl sie beide allein unterwegs waren. Er oder sie machte sich keine Sorgen dar?ber, dass die Frauen m?glicherweise weglaufen k?nnten, was darauf schlie?en l?sst, dass sie den T?ter oder die T?terin bereits kannten.“ „Sieht ganz so aus, als h?tten wir eine Verd?chtige“, sagte Zoe und war nun genauso aufgeregt wie Shelley. Und warum auch nicht? Diese Spur k?nnte der Schl?ssel zur L?sung des ganzen Falles sein. „Ich werde den Sheriff nach Cora Days aktueller Adresse fragen“, sagte Shelley und sprang sogleich von ihrem Stuhl auf. Der neu gewonnene Enthusiasmus war ihr sichtlich anzumerken. KAPITEL ACHT Zoe sa? auf dem Fahrersitz ihres Leihwagens und warf einen Blick auf das Geb?ude, vor dem sie geparkt hatten. Sie schaute in Richtung des zweiten Stocks des Wohnhauses, denn das war Cora Days Meldeadresse. Keine schlechte Gegend, in der sie wohnte. Ihr Wohnhaus schien fr?her ein Einfamilienhaus gewesen zu sein, das nun in drei voneinander abgetrennte Wohnungen geteilt worden war. „So weit, so … langweilig“, sagte Zoe und schaute dabei die Stra?e auf und ab. Hie und da waren gut gepflegte Rasenfl?chen zu sehen, auf dem B?rgersteig wuchsen B?ume an den daf?r vorgesehenen Stellen und das Grundst?ck auf der anderen Stra?enseite wurde von einem makellosen wei?en Zaun eingegrenzt. Aber Morde geschehen eben nicht nur in schlechten Gegenden, in denen viele arme Menschen leben. Morde konnten ?berall und zu jeder Zeit geschehen – wenn sie in ihrer Zeit beim FBI irgendetwas gelernt hatte, dann wohl genau das. „Gut m?glich, dass der Schein tr?gt“, sagte Shelley und best?tigte damit Zoes Gedankengang, als die beiden Agentinnen aus dem Auto ausstiegen. „Womit m?ssen wir hier rechnen?“ Zoe zuckte mit den Schultern, ging zu Shelley auf den B?rgersteig und kn?pfte ihr Jackett zu. „Am besten rechnen wir mit gar nichts. Wenn Cora eine psychotische M?rderin ist, dann l?sst sich nicht vorhersagen, wie sie auf uns reagieren wird. Vielleicht l?uft sie weg. Oder sie l?gt uns an. Vielleicht bedroht sie uns sogar. Und dann w?re da auch noch die M?glichkeit, dass sie in aller Ruhe die Morde gesteht und wir noch vor dem Abendessen wieder auf dem Heimweg sind.“ „Das h?rt sich nach Wunschdenken an“, sagte Shelley mit einem schiefen Grinsen. „Kann schon sein“, sagte Zoe, seufzte und machte den ersten Schritt in Richtung des Wohnhauses. Das war immer noch ein unangenehmes Gef?hl, der Moment, kurz bevor man zum ersten Mal mit einer unter Verdacht stehenden Person sprach. Die Anspannung, die Hoffnung, dass man sich auf der richtigen Spur befand und kurz davor stand, den Fall zu l?sen, oftmals verbunden mit dem Schock, der damit einherging, sich vorzustellen, dass eine ansonsten so normal wirkende Person tats?chlich ein kaltbl?tiger M?rder sein konnte. Und ganz besonders die Angst, die man bei jedem Fall versp?rte: dadurch ausgel?st, dass man nun wom?glich mit einer gewaltbereiten, kriminellen Person in Kontakt treten w?rde, einer Person, die einen im schlimmsten Fall sogar ohne zu z?gern erschie?en oder anderweitig angreifen konnte. Zoe hatte zudem bemerkt, dass diese Angst immer gr??er geworden war, je n?her sie John und Shelley stand und je st?rker die Zahlen in ihrem Kopf in den Hintergrund r?ckten. Êîíåö îçíàêîìèòåëüíîãî ôðàãìåíòà. Òåêñò ïðåäîñòàâëåí ÎÎÎ «ËèòÐåñ». Ïðî÷èòàéòå ýòó êíèãó öåëèêîì, êóïèâ ïîëíóþ ëåãàëüíóþ âåðñèþ (https://www.litres.ru/pages/biblio_book/?art=63590651&lfrom=688855901) íà ËèòÐåñ. Áåçîïàñíî îïëàòèòü êíèãó ìîæíî áàíêîâñêîé êàðòîé Visa, MasterCard, Maestro, ñî ñ÷åòà ìîáèëüíîãî òåëåôîíà, ñ ïëàòåæíîãî òåðìèíàëà, â ñàëîíå ÌÒÑ èëè Ñâÿçíîé, ÷åðåç PayPal, WebMoney, ßíäåêñ.Äåíüãè, QIWI Êîøåëåê, áîíóñíûìè êàðòàìè èëè äðóãèì óäîáíûì Âàì ñïîñîáîì.
Íàø ëèòåðàòóðíûé æóðíàë Ëó÷øåå ìåñòî äëÿ ðàçìåùåíèÿ ñâîèõ ïðîèçâåäåíèé ìîëîäûìè àâòîðàìè, ïîýòàìè; äëÿ ðåàëèçàöèè ñâîèõ òâîð÷åñêèõ èäåé è äëÿ òîãî, ÷òîáû âàøè ïðîèçâåäåíèÿ ñòàëè ïîïóëÿðíûìè è ÷èòàåìûìè. Åñëè âû, íåèçâåñòíûé ñîâðåìåííûé ïîýò èëè çàèíòåðåñîâàííûé ÷èòàòåëü - Âàñ æä¸ò íàø ëèòåðàòóðíûé æóðíàë.