×òî æå åñòü ó ìåíÿ? Äûðû â äðàíûõ êàðìàíàõ, Òðè ìîðùèíû íà ëáó, Äà èñò¸ðòûé ïÿòàê... Íî íå æàëêî íè äíÿ- Ìíå ñóäüáîþ ïðèäàííûõ, Õîòü ïîðîé ÿ æèâó Ïîïîäàÿ â ïðîñàê. Âñ¸ ÷òî åñòü ó ìåíÿ: Ñîâåñòü, ÷åñòü è óìåíüå. ß îòäàì íå ñêóïÿñü- Ïðîñòî òàê çà ïóñòÿê. Çà ïîñòåëü ó îãíÿ, Äîáðîòó áåç ñòåñíåíüÿ. È çà òî, ÷òî ïðîñòÿñü, Íå çàáûòü ìíå íè êàê... Âñ¸ ÷

Die Perfekte Nachbarin

Die Perfekte Nachbarin Blake Pierce Ein spannender Psychothriller mit Jessie Hunt #9 „Ein Meisterwerk der Thriller und Mystery-Romane. Blake Pierce hat hervorragende Arbeit geleistet, indem er Charaktere entwickelt hat, die so gut beschrieben sind, dass wir uns in ihren K?pfen f?hlen, ihren ?ngsten folgen und ihren Erfolg herbeiw?nschen. Dieses Buch garantiert Ihnen aufgrund der vielen Wendungen Spannung bis zur letzten Seite." . –B?cher und Filmkritiken, Roberto Mattos (Verschwunden) . DIE PERFEKTE NACHBARIN ist Buch Nr. 9 in einer neuen Psychothriller-Reihe des Bestsellerautors Blake Pierce, die mit Die Perfekte Frau beginnt, einem Bestseller mit fast 500 F?nf-Sterne-Rezensionen (und kostenlosem Download). . In einer exklusiven und wohlhabenden Wohngegend in Manhattan Beach zieht eine neue Nachbarin in eine Villa ein. Bald darauf wird sie tot aufgefunden. Der Fall f?hrt Jessie in eine weitere wohlhabende K?stenstadt, die schlechte Erinnerungen an ihre Ehe hervorruft und sie zwingt, sich ihren eigenen D?monen zu stellen, w?hrend sie versucht, die L?gen dieser scheinbar perfekten Stadt aufzudecken… H?ngt der Mord mit einer exklusiven Elitepartei zusammen?. Oder kommt ein noch ruchloseres Motiv in Frage?. Erschwerend kommt hinzu, dass Jessies Ehemann aus dem Gef?ngnis entlassen wurde – und erneut eine potenzielle Bedrohung f?r sie darstellt… DIE PERFEKTE NACHBARIN ist ein mitrei?ender Psychothriller mit unvergesslichen Charakteren und dramtischer Spannung. Es ist Buch Nr. 9 in einer fesselnden neuen Reihe, die Ihnen schlaflose N?chte bescheren wird.. Blake Pierce DIE PERFEKTE NACHBARIN die perfekte nachbarin (ein spannender psychothriller mit jessie hunt – band neun) b l a k e   p i e r c e Blake Pierce Blake Pierce ist der USA Today Bestseller-Autor der RILEY PAGE Mystery-Serie, die sechzehn B?cher (und es werden noch mehr) umfasst. Blake Pierce ist auch der Autor der Mystery-Serie MACKENZIE WHITE, die dreizehn B?cher umfasst (Tendenz steigend); der Mystery-Serie AVERY BLACK, die sechs B?cher umfasst; der Mystery-Serie KERI LOCKE, die f?nf B?cher umfasst; der Mystery-Serie DAS MAKING OF RILEY PAIGE, die f?nf B?cher umfasst (Tendenz steigend); der Mystery-Serie KATE WISE, die sechs B?cher umfasst (Tendenz steigend); der psychologischen Krimireihe CHLOE FINE, die f?nf B?cher umfasst (Tendenz steigend); der psychologischen Krimireihe JESSIE HUNT, die f?nf B?cher umfasst (Tendenz steigend); der psychologischen Krimireihe AU PAIR, die zwei B?cher umfasst (Tendenz steigend); der Krimireihe ZOE PRIME, die zwei B?cher umfasst (Tendenz steigend); der neuen Krimireihe ADELE SHARP; sowie der neuen und heimeligen Mystery-Serie EUROPEAN VOYAGE. Als begeisterter Leser und lebenslanger Fan der Mystery- und Thriller-Genres liebt es Blake, von Ihnen zu h?ren. Besuchen Sie www.blakepierceauthor.com (http://www.blakepierceauthor.com/), um mehr zu erfahren und in Kontakt zu bleiben. Copyright © 2020 by Blake Pierce. Alle Rechte vorbehalten. Vorbehaltlich der Bestimmungen des U.S. Copyright Act von 1976 darf kein Teil dieser Publikation ohne vorherige Genehmigung des Autors in irgendeiner Form oder mit irgendwelchen Mitteln reproduziert, verteilt oder ?bertragen oder in einer Datenbank oder einem Abfragesystem gespeichert werden. Dieses eBook ist nur f?r Ihren pers?nlichen Gebrauch lizenziert. Dieses eBook darf nicht weiterverkauft oder an andere Personen weitergegeben werden. Wenn Sie dieses Buch mit einer anderen Person teilen m?chten, kaufen Sie bitte f?r jeden Empf?nger ein zus?tzliches Exemplar. Wenn Sie dieses Buch lesen und Sie es nicht gekauft haben, oder es nicht nur f?r Ihren Gebrauch gekauft wurde, dann senden Sie es bitte zur?ck und kaufen Sie Ihre eigene Kopie. Vielen Dank, dass Sie die harte Arbeit dieses Autors respektieren. Dies ist eine erfundene Geschichte. Namen, Charaktere, Unternehmen, Organisationen, Orte, Ereignisse und Vorf?lle sind entweder das Ergebnis der Phantasie des Autors oder werden fiktiv verwendet. Jede ?hnlichkeit mit tats?chlichen Personen, ob lebendig oder tot, ist v?llig zuf?llig. Jacket image Copyright GeorgeMayer, verwendet unter der Lizenz von Shutterstock.com. B?CHER VON BLAKE PIERCE ADELE SHARP MYSTERY-SERIE NICHTS ALS STERBEN (Band #1) NICHTS ALS RENNEN (Band #2) NICHTS ALS VERSTECKEN (Band #3) DAS AU-PAIR SO GUT WIE VOR?BER (Band #1) SO GUT WIE VERLOREN (Band #2) SO GUT WIE TOT (Band #3) ZOE PRIME KRIMIREIHE GESICHT DES TODES (Band #1) GESICHT DES MORDES (Band #2) GESICHT DER ANGST (Band #3) GESICHT DES WAHNSINNS (Band #4) JESSIE HUNT PSYCHOTHRILLER-SERIE DIE PERFEKTE FRAU (Band #1) DER PERFEKTE BLOCK (Band #2) DAS PERFEKTE HAUS (Band #3) DAS PERFEKTE L?CHELN (Band #4) DIE PERFEKTE L?GE (Band #5) DER PERFEKTE LOOK (Band #6) DIE PERFEKTE AFF?RE (Band #7) DAS PERFEKTE ALIBI (Band #8) DIE PERFEKTE NACHBARIN (Band #9) CHLOE FINE PSYCHOTHRILLER-SERIE NEBENAN (Band #1) DIE L?GE EINES NACHBARN (Band #2) SACKGASSE (Band #3) STUMMER NACHBAR (Band #4) HEIMKEHR (Band #5) GET?NTE FENSTER (Band #6) KATE WISE MYSTERY-SERIE WENN SIE W?SSTE (Band #1) WENN SIE S?HE (Band #2) WENN SIE RENNEN W?RDE (Band #3) WENN SIE SICH VERSTECKEN W?RDE (Band #4) WENN SIE FLIEHEN W?RDE (Band #5) WENN SIE F?RCHTETE (Band #6) WENN SIE H?RTE (Band #7) DAS MAKING OF RILEY PAIGE MYSTERY-SERIE BEOBACHTET (Band #1) WARTET (Band #2) LOCKT (Band #3) NIMMT (Band #4) LAUERT (Band #5) T?TET (Band #6) RILEY PAIGE MYSTERY-SERIE VERSCHWUNDEN (Band #1) GEFESSELT (Band #2) ERSEHNT (Band #3) GEK?DERT (Band #4) GEJAGT (Band #5) VERZEHRT (Band #6) VERLASSEN (Band #7) ERKALTET (Band #8) VERFOLGT (Band #9) VERLOREN (Band #10) BEGRABEN (Band #11) ?BERFAHREN (Band #12) GEFANGEN (Band #13) RUHEND (Band #14) GEMIEDEN (Band #15) VERMISST (Band #16) AUSERW?HLT (Band #17) EINE RILEY PAIGE KURZGESCHICHTE EINST GEL?ST MACKENZIE WHITE MYSTERY-SERIE BEVOR ER T?TET (Band #1) BEVOR ER SIEHT (Band #2) BEVOR ER BEGEHRT (Band #3) BEVOR ER NIMMT (Band #4) BEVOR ER BRAUCHT (Band #5) EHE ER F?HLT (Band #6) EHE ER S?NDIGT (Band #7) BEVOR ER JAGT (Band #8) VORHER PL?NDERT ER (Band #9) VORHER SEHNT ER SICH (Band #10) VORHER VERF?LLT ER (Band #11) VORHER NEIDET ER (Band #12) VORHER STELLT ER IHNEN NACH (Band #13) VORHER SCHADET ER (Band #14) AVERY BLACK MYSTERY-SERIE DAS MOTIV (Band #1) LAUF (Band #2) VERBORGEN (Band #3) GR?NDE DER ANGST (Band #4) RETTE MICH (Band #5) ANGST (Band #6) KERI LOCKE MYSTERY-SERIE EINE SPUR VON TOD (Band #1) EINE SPUR VON MORD (Band #2) EINE SPUR VON SCHW?CHE (Band #3) EINE SPUR VON VERBRECHEN (Band #4) EINE SPUR VON HOFFNUNG (Band #5) KAPITEL EINS Sie wollte nicht neugierig sein. Das zumindest redete Priscilla Barton sich ein, als sie den Manhattan Beach Strip entlang ging, mit einer Flasche Sauvignon Blanc in der Hand. Genau genommen wollte Prissy – so wollte sie von allen genannt werden – ihre neuen Nachbarn willkommen hei?en. Sie und ihr Mann Garth waren vergangene Woche in ihrem Anwesen in Palm Springs gewesen, und so war ihr wohl entgangen, dass jemand Neues eingezogen war. Manchmal konnte Prissy eine schemenhafte Figur sehen, die sich hinter den stets geschlossenen Vorh?ngen des Herrenhauses nebenan bewegte. Nie jedoch sah sie jemanden hineingehen oder herauskommen. Heutzutage war es jedoch schwer, diesbez?glich auf dem Laufenden zu bleiben. Da so viele ihrer Nachbarn in diesem wohlhabenden Teil der Stadt nahe des Strands fast den ganzen Sommer ?ber auf Reisen waren, wusste man nie, wer gerade im Urlaub war, geschweige denn, wer sein Haus Freunden ?berlassen oder vermietet hatte. Prissy wusste, dass das Haus nebenan einem Hollywood-Agenten und seiner Frau geh?rte. Diese f?hrte eine Art Wohlt?tigkeitsorganisation f?r minderbemittelte Jugendliche. Allerdings waren die beiden nicht besonders freundlich und immer viele Monate am St?ck unterwegs. Tats?chlich hatte sie von einer anderen Nachbarin erfahren, dass sie bis August weg sein w?rden. Da sie sie seit Wochen nicht gesehen hatte, musste es sich bei der Person hinter den Vorh?ngen um einen Mieter handeln. Als sich Prissy der Eingangst?r n?herte, sp?rte sie ein aufgeregtes Kribbeln. Was, wenn der Agent sein Haus an einen Klienten vermietet hatte, m?glicherweise sogar einen Promi? Das war nicht unwahrscheinlich. Viele Ber?hmtheiten lebten hier oder machten hier Urlaub. Man konnte sie auf den ersten Blick identifizieren, denn sie trugen Baseball-Kappen, Sonnenbrillen und sch?bige Klamotten. Das war sozusagen ihre Uniform. Au?erdem sahen sie nie auf. Wenn Prissy jemandem begegnete, der zun?chst wie ein Penner wirkte, sein Gesicht verbarg und keinen Blickkontakt aufnahm, dann konnte es sehr gut sein, dass es sich um einen Promi handelte. Gut, sie hatte ihre Lektion lernen m?ssen, denn manchmal war es wirklich ein Penner gewesen. Also war sie mittlerweile etwas vorsichtiger als fr?her, wenn es darum ging sie anzusprechen. Prissy war durchaus an Geld gew?hnt. Seit neun Jahren war sie mit Garth Barton verheiratet, einem ?u?erst erfolgreichen Manager bei Sharp Kimsey, einem international t?tigen Gas- und ?lkonzern. Bis vergangenes Jahr hatten sie im geschichtstr?chtigen Hancock Park Viertel gelebt, nicht weit von den imposanten Wolkenkratzern im Zentrum von Los Angeles. Aber Prissy, die mittellos in Catahoula, Louisiana aufgewachsen war, hatte die dr?ckende Hitze in der Innenstadt von Los Angeles zu schaffen gemacht. Also hatte sie verlangt, in die N?he des Meeres zu ziehen, wo es in der Regel f?nf bis zehn Grad k?hler war. Am Meer zu leben bedeutete jedoch nicht, von den Einheimischen akzeptiert zu werden. Prissy musste noch in deren Mitte aufgenommen werden. Sie redete sich gern ein, dass es sich hier um einen etwas spr?den, eigenbr?tlerischen Menschenschlag handelte, der Fremden gegen?ber feindlich gesinnt war. Und zum Teil stimmte das auch. Aber wenn sie ehrlich war, wusste sie, dass ihre Gier danach, die soziale Leiter zu erklimmen, mehr damit zu tun hatte. Jener Charakterzug, den sie gerne zu verbergen versuchte, der aber immer in den ung?nstigsten Momenten zum Vorschein kam. Dagegen konnte sie einfach nichts tun. Dieser aggressive Teil ihrer Pers?nlichkeit hatte ihr geholfen, sich aus den S?mpfen Louisianas an die Louisiana State University zu k?mpfen, wo sie den weltgewandten Jungen aus New Orleans kennengelernt hatte, der sich zum Herrscher der Welt hatte aufschwingen wollen. Nach ihrem Abschluss und der Hochzeit hatte Garth die Position bei Sharp Kimsey ergattert, und sie hatten sich in Metairie niedergelassen, nicht weit von dem Unternehmenssitz in New Orleans. Nach zwei Jahren wurden sie nach Houston versetzt, nach vier weiteren nach L.A. Mittlerweile waren sie seit drei Jahren hier, und Prissy war v?llig hin und weg. Sie liebte den Glamour der Stadt. Sie liebte die unverfrorene Taktlosigkeit. Sie liebte die zu d?nnen Frauen, die ihre zu kleinen H?ndchen in zu kleinen Handtaschen herumtrugen. Sie wollte ein Teil von all dem sein, auch wenn ihre diesbez?glichen Bem?hungen sie etwas verzweifelt wirken lie?en. Darum stand sie gerade vor der Eingangst?r ihrer Nachbarn, mit einer Flasche Wein in der Hand und einem falschen Grinsen im Gesicht – weil sie ein Teil dieser Welt sein wollte. Sie blickte zur?ck zum Strip, einem breiten Betonweg f?r Fu?g?nger, den man oft in den Vororten von Manhattan Beach und Hermosa Beach vorfand. An diesem sp?ten Nachmittag war ?berraschend wenig los, was den Vorteil hatte, dass niemand ihre Neugier kommentieren w?rde. Prissy be?ugte sich ein letztes Mal in dem dicken, schimmernden Glas der Eingangst?r. Und sie befand sich f?r gut. Mit 31 hatte sie immer noch den straffen K?rper, den sie brauchte, damit Garth sich nicht nach einer anderen umsah. Die unz?hligen Stunden mit Yoga, Pilates und im Strand Boot-Camp hatten sich ausgezahlt und sie an den richtigen Stellen schlank und straff gehalten. Ihr blond gef?rbtes Haar fiel ihr offen auf die Schultern und obwohl es fr?her Abend war, nutzte sie die warmen Temperaturen als Ausrede daf?r, einen Sport-BH samt Yogahose zu tragen. Sie war sich sicher, dass sie einen guten Eindruck machen w?rde, unabh?ngig davon, ob der neue Nachbar ein Promi war oder nicht. Prissy l?utete, h?rte jedoch nichts. Die T?rklingel war wohl kaputt. Sie klopfte an und wartete. Keine Antwort. Sie versuchte es erneut, aber es kam immer noch nichts. Sie wollte fast schon wieder gehen und ?berlegte gerade, ob sie den Wein auf der Fu?matte lassen sollte. Allerdings hatte sie kein K?rtchen dabei und sie w?rde das Zeug nicht einfach dalassen, ohne dem Beschenkten mitzuteilen, wer ihn begl?ckt hatte. Sie versuchte es ein letztes Mal. Wenn dann immer noch keiner aufmachte, w?rde sie ein andermal wiederkommen. Mit der weichen Seite ihrer Faust schlug sie kr?ftig gegen die T?r. Zu ihrer ?berraschung ?ffnete sich diese ein St?ckchen. „Hallo?“, rief sie laut, aber zaghaft. Keine Antwort. Erstaunt dar?ber, dass jemand ein mehrere Millionen Dollar teures Haus unverschlossen lie?, schob sie die T?r ein wenig weiter auf. „Hi, hier ist Ihre Nachbarin!“, rief sie und lugte in den Flur, auf der Suche nach einem Stift und Papier, um die Bewohner wissen zu lassen, dass sie die edle Spenderin des Weins war. Die Flasche einfach drinnen stehen zu lassen, ohne Angaben, von wem sie war, w?rde den Sinn des Ganzen v?llig zunichte machen. Da sie nichts fand, schloss sie die T?r hinter sich und betrat das Haus. „Ist da jemand? Keine Sorge, ich bin nicht hier, um Sie auszurauben. Ich habe einen Willkommensgru?, den ich einfach mal in die K?che stellen werde.“ Sie ging durch die weitl?ufige Eingangshalle in die Richtung, von der sie vermutete, dass sie zur K?che f?hrte. Dabei war sie leicht nerv?s. Schlie?lich hielt sie sich hier unerlaubt auf. Wenn jemand zu Hause war und nur deshalb nicht reagiert hatte, weil er duschte oder Ohrst?psel trug, dann w?re es nur recht und billig, wenn er ungehalten auf einen Eindringling reagierte, der durchs Haus schlich. Allerdings genoss sie den Nervenkitzel auch ein wenig. Auf dem Weg in die K?che begegnete sie keiner Menschenseele. Alle Lichter im Haus waren aus, woraufhin sie vermutete, dass der Besitzer nicht da war und einfach vergessen hatte, die T?r abzuschlie?en, geschweige denn richtig zuzumachen. Sie stellte den Wein auf die K?cheninsel, fand einen Stift und schrieb ein paar kurze S?tze auf ein Post-it, das sie auf die Flasche klebte. Ein wenig entt?uscht ging sie wieder durch die Eingangshalle zur?ck, wurde aber pl?tzlich von ihrer Neugier gepackt. Als sie am gro?en Wohnzimmer vorbeiging, trat sie einfach ein und begutachtete den beeindruckenden Raum, der aussah, als w?re er direkt aus Cape Cod hierher transportiert worden. Gerade ?berlegte sie, mit ihrem Handy ein paar Fotos zu machen, um ein paar Einrichtungsideen zu sammeln, da h?rte sie ein Rascheln, das aus einer Ecke des Zimmers zu kommen schien. Sie wandte den Kopf und sah, dass sich die Quelle des Ger?uschs hinter einer gro?en Pflanze befand. Einen Augenblick lang dachte Prissy, dass sie ein Haustier erschreckt hatte, das sich aus Angst vor ihr verbarg. Aber pl?tzlich und unvermittelt schoss ein Mann hinter der Zimmerpflanze hervor und rannte auf sie zu. Auf seinem Gesicht lag ein finsterer Ausdruck der Entschlossenheit. Prissy wurde von blankem Entsetzen gepackt. Sie wollte schreien, aber ihre Kehle war wie ausged?rrt. Der Mann st?rmte direkt auf sie zu. Endlich erwachte sie aus ihrem Schock, als sie seinen schweren und raschen Atem h?rte. Sie rannte den langen Flur entlang in Richtung der Eingangst?r. Aber in Flip-Flops war das nicht besonders einfach, und nach nur ein paar Schritten verlor sie das Gleichgewicht und st?rzte zu Boden. Sie raffte sich wieder auf, jetzt nur noch mit einem Flip-Flop. Das Ger?usch der sich n?hernden Schritte hinter ihr erf?llte ihren ganzen K?rper mit Adrenalin. Gerade streckte sie die Hand nach dem T?rknauf aus, da sp?rte sie einen harten Schlag, prallte gegen die T?r und dann erneut zu Boden, panisch nach Atem ringend. Bevor sie allerdings wieder aufstehen konnte, sp?rte sie, wie etwas ihren Hals umschloss. Sie versuchte, ihre Finger darunter zu stecken, aber sie konnte den Griff nicht lockern und der Mann umfasste ihren Hals sogar noch fester und zerrte sie den Flur entlang, weg von der T?r. Sie fiel auf ihn, so dass beide zu Boden stolperten. Aber er lie? sie nicht los. Durch den Adrenalinrausch, den harten Schlag und nun auch den W?rgegriffs schrie Prissy innerlich wie am Spie?, auch wenn sie keinen Ton herausbrachte. Mit den Ellbogen versuchte sie ihren Angreifer in die Rippen zu sto?en, so dass er seinen Griff lockerte. Allerdings sp?rte sie, wie sie langsam das Bewusstsein verlor, und sie wusste, dass ihre St??e kaum eine Wirkung erzielten. So darf es nicht enden! Als ihr dieser Gedanke kam, sah sie bereits wei?e Punkte vor den Augen. Und das machte ihr solche Angst, dass sie sich in einem letzten, verzweifelten Versuch aufb?umte. Aber da war es schon viel zu sp?t. KAPITEL ZWEI Jessie Hunt stand vom K?chentisch auf und lie? sich die Schmerzen nicht anmerken. Sie sammelte alle Teller ein und ging hin?ber zum Sp?lbecken, um Wasser ?ber das Geschirr laufen zu lassen. Da sie mit Abstand die schlechteste K?chin von allen Anwesenden war, hatte sie sich davor dr?cken k?nnen, das Abendessen zuzubereiten. Das bedeutete allerdings, dass sie den Job der Sp?lerin hatte ?bernehmen m?ssen. Normalerweise war das ein fairer Deal. Aber da sie noch unter den Verletzungen litt, die sie sich k?rzlich zugezogen hatte, bereitete es ihr gro?e M?he, sich nach unten zu beugen. Das Geschirr in die Sp?lmaschine einzur?umen war h?ufig der Ausl?ser f?r stumme Tr?nen. Sie sp?rte immer noch den stechenden Schmerz am R?cken, wo ihre Haut vor drei Wochen verbrannt worden war. Aber sie schaffte es, es sich nicht anmerken zu lassen. Weder ihr Freund Ryan noch ihre Halbschwester Hannah schienen zu merken, dass sie immer noch gro?e Schmerzen erlitt. Die Verbrennungen hatte sie sich zugezogen, als sie eine Frau vor einem gest?rten Mann gerettet hatte, der diese entf?hrt und nach ein paar Tagen absichtlich freigelassen hatte, um dann in ihr Haus einzudringen und zu versuchen sie umzubringen. Jessie und der Frau war es nur knapp gelungen, aus dem brennenden Haus zu fliehen. Seitdem war Jessie vom LAPD beurlaubt worden. Man hatte sie zun?chst ins Krankenhaus verfrachtet und nun sa? sie in ihrer eigenen Wohnung fest. Sie wusste, dass sie nicht h?tte leiden m?ssen, da sie gen?gend Schmerzmittel hatte. Die ?rztin hatte ihr gesagt, sie solle die Dosierung w?hrend eines Monats beibehalten. Aber vor einer Woche hatte Jessie begonnen, das Mittel langsam abzusetzen, teilweise aus Angst vor einer Abh?ngigkeit. Allerdings gab es da einen weiteren Grund. Sie musste wachsam bleiben. An dem Tag, nachdem Jessie sich verbrannt hatte, w?hrend sie im Krankenhaus lag, war ihr Ex-Mann, Kyle Voss, aus dem Gef?ngnis entlassen worden. Dabei handelte es sich um den gleichen Ex-Mann, der wegen Mordes an seiner Geliebten in den Knast gewandert war, was er Jessie damals hatte anh?ngen wollen. Als sie dahintergekommen war, hatte er versucht sie umzubringen. Jedoch hatte der Staatsanwalt bez?glich Kyles Fall irgendwie herausger?ckt, dass man mit dem Beweismaterial unsachgem?? umgegangen war. Nat?rlich war Jessie klar, was es mit dem „irgendwie“ auf sich hatte. Kyle hatte sich mit einer Gef?ngnis-Gang angefreundet, die Teil des ber?hmt-ber?chtigten Monzon-Drogenkartells war. Als Folge davon hatten Kartellmitglieder die Familie des Staatsanwalts bedroht. Dessen war Jessie sich sicher. W?hrend Jessie sich also im Krankenhaus von ihren Verbrennungen erholte, entlie? ein Richter Kyle Voss wieder in die Gesellschaft. Dabei entschuldigte er sich sogar im Gerichtssaal bei ihm. Kyle war wie immer der Charmeur in Person. W?hrend einer Pressekonferenz gab er zu, dass er „weit davon entfernt war, unfehlbar zu sein“, und dass er ein neues Kapitel in seinem Leben aufschlagen wolle, indem er unter anderem eine Stiftung ins Leben rufen w?rde, die Organisationen f?r f?lschlicherweise verurteilte Insassen unterst?tzt. Was Kyle jedoch nicht zugab – und was Jessie wusste, jedoch nicht beweisen konnte – war, dass er, w?hrend er im Gef?ngnis gewesen war, einen Rachefeldzug gegen Jessie gestartet hatte, mit dem er ihr Leben und ihren Ruf zerst?ren wollte. Er hatte mit kleinen Dingen begonnen, indem etwa ein Kartellmitglied ihre Autoreifen aufgeschlitzt hatte. Dann hatte es sich dahingehend gesteigert, dass man antipsychotische Drogen versteckt und anonym das Jugendamt informiert hatte, mit der Behauptung, sie w?rde Hannah, f?r die sie das Sorgerecht hatte, Gewalt antun. Weiter ging es damit, dass man ihre Social-Media-Konten gehackt und in ihrem Namen rassistische und anti-semitische Kommentare gepostet hatte. Letzteres hatte, obwohl man dahintergekommen war, immer noch negative Auswirkungen auf Jessies berufliche Kontakte, au?erdem auf die ?ffentliche Wahrnehmung ihrer Person. Die Kr?nung bildete ein Blumenstrau?, der anonym in ihr Krankenzimmer gesendet worden war, und zwar mit der Notiz, dass der Absender sie bald sehen w?rde. Wenn man bedachte, dass Kyle bereits versucht hatte, sie umzubringen, und einem Informanten im Gef?ngnis gegen?ber erw?hnt hatte, dass er sie „wie ein Schwein abschlachten und in ihrem warmen Blut baden wolle“, kam es Jessie nur allzu angebracht vor, das Schmerzmittel zu reduzieren. Die k?rperlichen Beschwerden waren da nur ein geringer Preis daf?r, dass ihr Geist rege bleiben konnte. Es schadete auch nicht, dass ihr Freund, der k?rzlich bei ihr und Hannah eingezogen war, ein verdienter LAPD-Kriminalbeamter war, der aussah, als k?nnte er es locker mit einem Stier aufnehmen. Ryan Hernandez, der Top-Kriminalbeamte in der Spezialeinheit f?r Mord, war 1,90 Meter gro? und bestand aus 100 Kilogramm reiner Muskelmasse. Jessie hatte manchmal den Eindruck, sie sei mit ihrem eigenen Bodyguard zusammen. Momentan kam ihr das jedoch nicht so vor. „Hast du’s bequem?“, fragte sie, ging r?ber zur Couch und legte sich darauf, w?hrend seine nackten F??e auf der Lehne lagen. „Sehr“, erwiderte er, dann zog er sie auf: „Hast du das Geschirr auch ordentlich eingeseift?“ „Du wirst gleich merken, wie gut eingeseift es ist, wenn du deine Stinkef??e nicht sofort von meiner Armlehne nimmst.“ Ohne ein Wort zu sagen, nahm er sie runter, streckte ihr aber die Zunge heraus. Sie unterdr?ckte ein Grinsen. Zus?tzlich zu der Tatsache, diesen gestandenen Mann im Fresskoma bei sich zu haben, beruhigte es sie au?erdem, dass ihre Wohnung praktisch ein Tresorraum war. Sie hatte sie absichtlich so konstruieren lassen, als ihr leiblicher Vater, ein Serienkiller namens Xander Thurman, sie verfolgt hatte. Er war der Meinung gewesen, dass sie sich dem Familienunternehmen anschlie?en m?sse oder andernfalls zu dessen Opfer werden w?rde. Also hatte sie sich eine Wohnung zugelegt, die von pensionierten Cops bewacht wurde, ?ber einen Parkplatz verf?gte, der rund um die Uhr ?berwacht wurde, und in der jeder Flur und jeder umliegende Platz ?ber Kameras verf?gte. Aber das war noch nicht alles. Sie war eine von wenigen Bewohnern – alle mit profilierten Jobs – die auf der geheimen 13. Etage lebten, die den meisten anderen Leuten im Haus unbekannt war. Man konnte sie nur ?ber eine Treppe vom 12. oder 14. Stock aus erreichen, die hinter Flurschr?nken verborgen war. Zus?tzlich hatte Jessie f?r die Wohnung ihr eigenes, ausgekl?geltes Sicherheitssystem installieren lassen, inklusive diverser Schl?sser und Alarme. Der einzige Vorteil aus ihrer Ehe mit einem zwar mords?chtigen, jedoch auch extrem wohlhabenden und erfolgreichen Finanzberater hatte darin bestanden, dass sie nach ihrer Scheidung selbst wohlhabend geworden war. Trotz all dieser Vorkehrungen wusste sie, dass Kyle, ein Soziopath, der sie ein Jahrzehnt lang hinters Licht gef?hrt hatte, gerissen und skrupellos war. Er war beinahe mit Mord davongekommen. Er hatte sich einer langen Gef?ngnisstrafe entziehen k?nnen. Sie wusste, dass er durchaus in der Lage war, ihre sicherheitstechnischen Vorrichtungen zu umgehen. „Lust auf Dessert?“, fragte Hannah sie vom Esstisch aus und brachte Jessie damit wieder in die Gegenwart, als sie die restlichen Teller absp?lte. „Ich habe Birnent?rtchen gemacht.“ Jessie war schon voll, wollte die zerbrechliche, positive Stimmung des Abends jedoch nicht zunichtemachen. „Ich platze gleich, aber ein kleines St?ck probiere ich gern“, erwiderte sie, was ihr ein zufriedenes L?cheln ihrer Halbschwester einbrachte. Jedes L?cheln, das sie heutzutage ergattern konnte, war etwas Positives. Auch wenn, oberfl?chlich betrachtet, alles, was in der Wohnung vor sich ging, angenehm zu sein schien, so brodelte es darunter doch gewaltig. Ryan hatte Hannah zun?chst um Erlaubnis gefragt, bevor er das Thema Zusammenziehen angesprochen hatte. Auch wenn das sehr r?cksichtsvoll von ihm gewesen war, so sp?rte Jessie dennoch, dass Hannah nur aus H?flichkeit Ja gesagt hatte, nicht aber, weil sie sich dar?ber freute. Es war offensichtlich, dass Hannah sie gl?cklich sehen wollte. Aber es war auch klar, dass sie sich die Wohnung nicht unbedingt mit einem verliebten Paar teilen wollte; und schon gar nicht, wenn beide f?r die Polizei arbeiteten. Gerade, als Jessie dar?ber nachdachte, kam Hannah r?ber, nahm die T?rtchen aus dem Ofen und warf das kleinste – das au?erdem ein wenig verkohlt war – auf die feuchte K?chentheke neben Jessie. „Lass es dir schmecken“, nuschelte sie. „Danke“, erwiderte Jessie, die sich lieber darauf konzentrierte, dass man ihr einen Nachtisch angeboten hatte, anstatt auf die Art und Weise, wie ihr dieser serviert worden war. Manchmal zeigte sich Hannahs Ablehnung durch ihr passiv-aggressives Teenager-Verhalten, oder, wie in diesem Fall, in Form von verkohlten Birnent?rtchen. Manchmal zeigte sie sich durch missmutiges Schweigen. Nicht st?ndig, aber es trat dennoch so oft zutage, dass man es nicht leugnen konnte. In ihren gr?nen Augen lag dann eine gewisse Hitzigkeit, sie lie? die Schultern h?ngen und ihre sandfarbenen Haare waren dann zu einem strengen, schn?den Pferdeschwanz zusammengebunden. F?r Jessie und Ryan waren die Umst?nde auch nicht gerade rosig. Denn keiner von beiden traute sich, ihre Verliebtheit voll auszuleben; nicht mit einer 17-J?hrigen, die in dem Zimmer gegen?ber vom Wohnzimmer schlief. Sie lebten seit etwas weniger als einem Monat so zusammen, aber bereits jetzt war klar, dass sie sich bald ?ber ihre k?nftige Wohnsituation w?rden unterhalten m?ssen. „Bei all den Sicherheitsvorkehrungen, die du hier hast, sollten wir die Schlafzimmer vielleicht schalldicht machen“, war das Einzige, was Ryan in dieser Sache von sich gegeben hatte. Und dann war da noch das andere, das wie ein Damoklesschwert ?ber allem hing. War Hannah Dorsey stabil? Jessie hatte vor nicht allzu langer Zeit das Sorgerecht f?r ihre Halbschwester, von deren Existenz sie bislang gar nichts gewusst hatte, erhalten. Sie hatte erst von ihr erfahren, nachdem ihr gemeinsamer Vater – der Serienkiller – Hannahs Adoptiveltern ermordet hatte. Dann hatte ein weiterer Killer namens Bolton Crutchfield ihre Pflegeeltern abgestochen, Hannah entf?hrt und versucht, sie zu seinem Ebenbild zu formen. Das war eine Menge Trauma f?r einen Menschen, noch dazu f?r jemanden, der gerade erst in seinem vorletzten Jahr an der High-School war. „Bitte sei vorsichtig mit dem Messer“, sagte sie, als Hannah damit unbedacht die restlichen T?rtchen vom Backpapier auf dem Blech kratzte. „Danke, Mom“, brummte Hannah leise und fuhr fort, das Messer wie eine Scheuerb?rste zu verwenden. Jessie seufzte, antwortete aber nicht. Der Anblick ihrer Halbschwester mit einem langen S?belmesser in der Hand war etwas verst?rend. Trotz ihrer Bem?hungen, eine sichere Umgebung zu schaffen, machte sie sich Sorgen, dass in dem M?dchen vielleicht doch eine gewisse Mordlust steckte. Hatte sie diese eventuell entwickelt, nachdem sie am eigenen Leib erfahren hatte, welche Macht sie denjenigen, die sich von ihr mitrei?en lie?en, erm?glichte? Gab es da vielleicht einen Keim der Mordlust, der ihr vom Vater mitgegeben worden war? Und wenn ja, besa? Jessie diesen auch? Das war eine Frage, ?ber die sie monatelang gebr?tet hatte. Sie hatte sie auch gegen?ber ihrer Therapeutin, Dr. Janice Lemmon, angesprochen, die auch Hannah betreute. Sogar ihren Mentor, den ber?hmten Profiler Garland Moses, hatte sie gebeten, diesbez?glich nachzuforschen. Aber keiner hatte ihr eindeutige Antworten zu Hannahs Naturell geben k?nnen, genauso wenig, wie sie etwas Eindeutiges ?ber ihren eigenen Charakter sagen konnte. Die meiste Zeit ?ber schien Hannah sich wie ein normaler Teenager zu verhalten, mit all den Launen und hormonellen Schwankungen. Aber angesichts des Traumas, das sie in den vergangenen Monaten erlitten hatte, war sogar dieses „Normal“ Anlass dazu, misstrauisch zu werden. Jessie sch?ttelte den Kopf und versuchte, diese Gedanken abzusch?tteln. Momentan lief alles halbwegs gut. Ihre Schwester hatte Nachtisch gemacht, auch wenn sie das verbrannte St?ck bekommen hatte. Alle waren nett zueinander. Jessie sollte n?chste Woche an ihren Schreibtisch zur?ckkehren und in der Woche darauf hoffentlich wieder voll als Profiler arbeiten. Alles schien vielversprechend. Ja, es war frustrierend, Ryan jeden Morgen das Haus verlassen zu sehen, wie er ins Hauptquartier des LAPD fuhr, wo sie beide arbeiteten. Aber bald w?rde sie auch wieder dort sein. Dann w?rde sie in die Welt zur?ckkehren, die sie liebte, wo sie Killer ?berf?hren konnte, indem sie in deren Gedankenwelt eintauchte. F?r den Bruchteil einer Sekunde machte ihr die Tatsache zu schaffen, dass sie diese Welt „liebte“. Aber sie schob ihre leichte Besorgnis dar?ber rasch beiseite, zusammen mit einem Bissen von Hannahs exzellentem Birnent?rtchen. Trotz des verkohlten Bodens schmeckte es k?stlich. W?hrend sich alle an ihrem Nachtisch labten, klingelte Ryans Handy. Sogar bevor er aufs Display schaute, war klar, worum es sich handelte. Um diese Zeit war es mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Fall. „Hallo?“, sagte Ryan, als er ranging. Beinahe eine Minute lang h?rte er schweigend zu. Jessie konnte kaum die Stimme am anderen Ende der Leitung heraush?ren. Aber angesichts deren kratzender, ruhiger Art wusste sie sofort, wer es war. „Garland?“, fragte sie, als Ryan aufgelegt hatte. „Ja“, erwiderte er nickend, w?hrend er aufstand und seine Sachen zusammensuchte.. „Er k?mmert sich um einen Fall in Manhattan Beach und denkt, dass er perfekt f?r meine Sondereinheit der Mordkommission w?re. Er bittet um meine Hilfe.“ „Manhattan Beach?“, fragte Jessie. „Das ist doch gar nicht mehr unser Revier, oder?“ „Offenbar ist der Ehemann des Opfers ein gro?es Tier in irgendeinem ?l-Konzern. Er hat von Garland geh?rt und nach ihm gefragt. Scheinbar ist er ein Riesen-Arschloch, also ist die ?rtliche Polizei ganz froh, dass sie diesmal nach dem LAPD nur die zweite Geige spielen muss.“ „Klingt nach einem aufregenden Fall“, sagte Jessie. „Das ist das Seltsame“, sagte Ryan, allerdings nicht zu ihr, sondern zu Hannah, w?hrend er sich seine Sportjacke ?berwarf und seinen Pistolengurt umband. „Die meisten Leute w?rden so etwas ironisch meinen. Aber bei deiner Schwester ist das ernst gemeint. Sie ist neidisch, dass sie nicht mit darf. Ist wie eine Krankheit.“ Er hatte Recht, in mehr als nur einer Hinsicht. KAPITEL DREI Garland Moses hatte ein schlechtes Gewissen. Er fuhr sehr schnell, um so rasch wie m?glich am Tatort zu sein. Als er entlang des Manhattan Beach Boulevards nach Westen fuhr, in Richtung des Ozeans, erreichte er gerade rechtzeitig die Kuppe eines H?gels, um sehen zu k?nnen, wie die letzten Sonnenstrahlen der untergehenden Sonne den kleinen Strandort und den Pazifik in ein rosa-orangefarbenes Licht tauchten. Dieser Anblick l?ste den angespannten Knoten in seiner Brust. Die meisten Leute kannten ihn als den hartgesottenen Profiler mit langj?hriger Erfahrung, der selten Gef?hle zeigte, schon gar nicht so etwas wie Ehrfurcht. Aber wie er da so allein in seinem Auto sa?, erlaubte er es sich, den Anblick der schemenhaften Surfer, die sich vor der purpurnen Sonne abzeichneten, mit ein paar Segelbooten im Hintergrund, in sich aufzusaugen. Doch w?hrend er sich an diesem Postkartenmotiv erfreute, schlich sich langsam das schlechte Gewissen ein, das ihn schalt und ihm sagte, er sei nicht wegen der sch?nen Aussicht hier. Er machte hier seinen Job. Als er jedoch das letzte St?ck der Sackgasse entlangfuhr, die an einem Pier endete, blickte er neidisch auf die Menschen, die in ihrer sommerlichen, legeren Kleidung umher spazierten. Auch wenn es beinahe 20 Uhr war, trug er immer noch seine inoffizielle Arbeitskleidung – ein abgenutztes, graues Sakko und ein schlichtes, grauwei?es Hemd. Normalerweise geh?rte dazu auch ein Pullunder, aber an einem so hei?en Tag wie diesem war das selbst f?r ihn zu viel. Allerdings trug er wie immer seine dunkelblaue Hose, deren Farbe langsam verblich, und seine sch?bigen, abgewetzten Halbschuhe. Sein ganzes Outfit war eine Art Kost?m, dazu gedacht, dass Verd?chtige und Zeugen ihre ?bliche Scheu oder Vorsicht verga?en und dem ?ltlichen, scheinbar leicht verwirrten Herrn offenherziger antworteten, wenn er ihnen pers?nliche Fragen stellte. Er bog rechts auf den Ocean Drive, nur einen Block vom Strand entfernt. Eigentlich war es mehr ein G?sschen als eine Stra?e, und er musste vorsichtig an nachl?ssig geparkten Autos vorbei man?vrieren, um zu der Adresse zu gelangen, die man ihm gegeben hatte. Als er sie erreichte, parkte er im eingeschr?nkten Halteverbot, legte sein LAPD-Schild auf das Armaturenbrett und stieg aus. Sofort umh?llte ihn die k?hle Luft, gew?rzt mit dem salzigen Geschmack des Ozeans, was eine willkommene Abwechslung zu den D?nsten der Innenstadt war, die eher eine Mischung aus Abgasen und Asphalt waren. Er ging schnellen Schrittes voran, bis er den Weg erreichte, den die Leute hier den Strip nannten. Einen halben Block weiter n?rdlich sah er das polizeiliche Absperrband und zahlreiche Beamte, die den Fu?g?ngern den Zugang verwehrten. W?hrend er in deren Richtung weiterging, dr?ngte seine Sp?rnase die Bewunderung f?r die malerische Szenerie langsam in den Hintergrund. Zwar nahm er weiterhin die Volleyballer wahr, die nach Feierabend auf dem Sand spielten, und auch die M?tter, die, ihre Kinderw?gen vor sich herschiebend, an ihm vorbei joggten. Aber er betrachtete auch die H?user in der N?he des Tatorts sehr genau. Alle hatten sie Eingangst?ren, die nur wenige Meter von den Spazierg?ngern entfernt waren. Nur ganz wenige verf?gten ?ber einen Vorgarten, und so gut wie keine hatten Z?une. In dieser Gegend war es scheinbar wichtiger, ungehindert zum Strand zu gelangen, anstatt in ausgekl?gelte Sicherheitsma?nahmen zu investieren. In dieser Umgebung f?hlte er sich ein wenig fremd. Auch wenn er im Zentrum von Los Angeles lebte, so musste er gestehen, dass er selten zum Strand fuhr, sondern seine Zeit meistens in der N?he der Innenstadt verbrachte, nicht weit von seiner Arbeit. In jenem Teil der Stadt hatten alle Wohnungseigent?mer oder Mieter gewisse Sicherheitsvorkehrungen getroffen – seien es ein Zaun, Gitterst?be am Fenster, ein Alarmsystem oder alles zusammen. Seine gute Freundin und Kollegin Jessie Hunt verf?gte ?ber alle diese Dinge, au?erdem ?ber Kameras, Wachm?nner, eine ?berwachte Parkgarage und mehr Schl?sser als Lichtschalter. Daf?r hatte sie allerdings auch gute Gr?nde. Dieses Laissez-faire-Verhalten des Strandorts war etwas v?llig Ungew?hnliches f?r ihn. Damit musste er allerdings zurechtkommen. Man hatte ihm keine Wahl gelassen. In der Regel suchte sich Garland Moses seine F?lle aus. Schlie?lich war er jahrzehntelang ein brillanter FBI-Profiler und Experte f?r Verhaltensforschung gewesen. In jungen Jahren bereits verwitwet und kinderlos, hatte er sich voll und ganz seiner Arbeit gewidmet. Als er schlie?lich nach S?dkalifornien gezogen war, um sich zur Ruhe zu setzen, hatte er sich ?berreden lassen, als Berater f?r das LAPD zu arbeiten. Allerdings nur unter der Bedingung, dass er sich seine F?lle aussuchen konnte. Allerdings nicht diesen hier. Der Captain der Central Station, Roy Decker, hatte ihn angefleht, eine Ausnahme zu machen. Der Ehemann des Opfers, ein wohlhabender Manager bei einem ?l- und Gaskonzern namens Garth Barton, hatte der Polizei in den letzten drei Jahren ?ber 400 000 Dollar zukommen lassen. Das Paar lebte zwar mittlerweile in Manhattan Beach, das seine eigene Polizeistation hatte, aber Barton arbeitete im Stadtzentrum, und so war ihm der Ruf des legend?ren Profilers Garland Moses wohlbekannt. „Barton besteht darauf, dass du an dem Fall beteiligt bist“, hatte Decker ihm am Telefon gesagt. „Er hat angedeutet, dass er seine Zahlungen einstellt, falls du nicht annimmst. Ich bitte dich um diesen einen Gefallen, Garland.“ Da es sich um den ersten Gefallen handelte, um den der Captain ihn je gebeten hatte, war er geneigt zuzustimmen. Sobald er Ja gesagt hatte, redete Decker so schnell, dass Garland vermutete, er habe Angst, dass er es sich anders ?berlegen w?rde. „Ich verspreche dir, dass sich das MBPD deinen Vorgaben und denen deines Teams f?gen wird“, hatte der Captain ihm versichert. „Um ehrlich zu sein, scheinen sie ganz froh dar?ber zu sein. Offenbar hat Barton den Ruf, ein ziemliches Arschloch zu sein, und so sind sie mehr als bereit dazu, seinen Fall an jemand anderen weiterzuleiten. Besonders jetzt, da er emotional v?llig ?berdreht zu sein scheint.“ Als sich Garland dem abgeriegelten Bereich auf dem Strip n?herte, blendete er die politischen Aspekte aus und konzentrierte sich wieder auf das stattgefundene Verbrechen. Er wusste nur wenig. Nur, dass Priscilla Barton tot im Nachbarhaus gefunden worden war, und dass man dahinter Fremdeinwirkung vermutete. Er erreichte den Tatort und sah sich um, ob Ryan Hernandez, der Kriminalbeamte der Sondereinheit der Mordkommission, um dessen Mithilfe er in diesem Fall gebeten hatte, bereits da war. Da er ihn nirgendwo sah, ging er auf den n?chsten MBPD Beamten zu und nannte ihm sein Anliegen. „Garland Moses, LAPD, forensischer Profiling-Berater. Wer hat hier das Sagen?“ Der Beamte, auf dessen Namensschild Timms stand und der aussah, als sei er keinen Tag ?lter als 22, schluckte hart. „Sergeant Breem hat das Kommando inne, bis der Detective eintrifft“, erwiderte er mit vor Nervosit?t bebender Stimme. „Er ist gerade drinnen.“ „Darf ich zu ihm gehen?“, fragte Garland. „Ja, Sir. Er ist im Foyer. Dort befindet sich die Leiche.“ „Danke“, erwiderte Garland. Er machte sich in die Richtung auf, dann blieb er stehen und drehte sich um. „Kannten Sie die Bartons, Officer Timms?“ „Nicht wirklich“, antwortete Timms. „Ich hatte nie pers?nlich mit ihnen zu tun, kannte aber deren Ruf.“ „Wie das?“ „Mr. Barton hat sich bei uns oft wegen der Nachbarn beschwert, L?rmbel?stigung und solches Zeug.“ „Und Mrs. Barton?“, bohrte Garland weiter und machte sich wie wild Notizen auf seinem winzigen Schreibblock. „Ich will nicht schlecht ?ber die Tote sprechen“, sagte Timms z?gerlich. „Sie reden nicht schlecht ?ber sie. Sie teilen mir einfach Informationen mit. Und mit deren Hilfe werden wir den M?rder fassen.“ Timms nickte und schien ?berzeugt. „Okay“, sagte er, und seine Stimme wurde zu einem Fl?stern. „Man erz?hlt sich, dass sie gerne Promis nachstellte; harmlos, aber etwas nervig. Manchmal haben sich ber?hmte Leute, die hier leben, beschwert, dass sie ihnen folgen w?rde, sogar versucht haben soll, sich bei ihnen einzuschleimen, mit ihnen einen zu trinken. Allerdings nichts Schlimmes. Sie ist also nicht in irgendwelche H?user eingebrochen und hat im Bett auf den Besitzer gewartet.“ „K?nnen wir da sicher sein?“ fragte Garland misstrauisch. „Das hier ist nicht ihr Haus, richtig?“ Timms Gesicht f?rbte sich rot. „So hatte ich das noch gar nicht gesehen“, sagte er und war sichtlich besch?mt. „Was meinen Sie mit ‚so‘?“, fragte ihn jemand von hinten. Garland drehte sich um und sah Detective Ryan Hernandez, der ihn breit angrinste. „Vergessen Sie’s“, sagte er. „Wie geht es Ihnen, Detective?“ „Wenn man bedenkt, dass man mich aus meinem gem?tlichen Zuhause und der Gesellschaft meiner Lieben entrissen hat, dann relativ gut. Und Ihnen?“ „Mir gef?llt es, mal in einer anderen Gegend zu sein“, gestand Garland. „Eigentlich will ich gar nicht nach drinnen gehen.“ „Und doch …“, hob Ryan widerstrebend an. „… m?ssen wir“, beendete Garland den Satz und bedeutete ihm mit der Hand, dass er vorgehen solle. Als Hernandez vor ihm durch die Eingangst?r ging, bewunderte Garland seinen j?ngeren Kollegen. Selbst er hatte mit Anfang 30 nicht so selbstsicher gewirkt wie Ryan Hernandez. Gut, er hatte auch nicht so gut ausgesehen wie Hernandez. Er hatte Jessie ab und zu damit aufgezogen, dass sie – mit ihren amazonengleichen Modelma?en, ihren gr?nen Augen, ihren braunen, gewellten Haaren und ihrem wohlproportionierten Gesicht – und ihr Lebensgef?hrte – mit seinem schwarzen Haar, seinen braunen Augen und wohldefinierten Brustmuskeln – davon ausgehen k?nnten, dass ihre k?nftigen Kinder ihren rechtm??igen Platz auf dem Olymp einnehmen w?rden. Fast immer war sie dabei rot geworden. Bei Ryan wollte er das lieber nicht wagen. Sie betraten das Haus, in dem Sergeant Breem, ein schlanker, sonnengebr?unter Typ in seinen Vierzigern, von dem Garland vermutete, dass er ein Surfer war, mit zwei uniformierten Beamten und der Spurensicherung auf ihn wartete. Ein Gerichtsmediziner machte Fotos von der Leiche. Vom Ehemann war nirgends eine Spur zu sehen. Garland sah sich im Foyer um und machte sich, w?hrend er alles in sich aufnahm, Notizen auf seinem Block. Erst als er sich ein genaues Bild von dem Raum gemacht hatte, sah er auf das Opfer hinunter. Priscilla lag auf dem R?cken und hatte etwas, das wie ein Strumpf aussah, um ihren Hals gewickelt. In ihren weit aufgerissenen Augen waren ganz offenbar die Blutgef??e geplatzt, was mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Erw?rgen hindeutete. Sie trug einen roten Sport-BH, Yogahosen und einen Flip-Flop. Der andere lag einsam weiter hinten im Flur. Die Leichenstarre war noch nicht eingetreten, noch war sie nicht aufgequollen, und ihre Haut hatte sich nur leicht verf?rbt. All das lie? darauf schlie?en, dass ihr Tod erst k?rzlich eingetreten war, wahrscheinlich erst vor wenigen Stunden. „Sergeant Breem“, sagte Hernandez und streckte diesem zur Begr??ung die Hand aus. „Ich bin Detective Ryan Hernandez vom LAPD. Das hier ist unser Profiler, Garland Moses. Vielen Dank, dass wir mit Ihnen an dem Fall arbeiten d?rfen.“ „Wollen Sie mich verarschen?“, sagte Breem leicht belustigt. „Wir sind froh, dass wir uns hier etwas zur?cklehnen d?rfen. Ich will nicht unh?flich sein, aber Barton ist kein angenehmer Typ. Seit er und seine bessere H?lfte hierhergezogen sind, hat er uns das Leben schwer gemacht. Wir unterst?tzen Sie in jeglicher Hinsicht, aber wenn es darum geht, mit dem Typen zu reden, ziehen wir uns diskret zur?ck.“ „Wo ist Mr. Barton?“, fragte Hernandez. „In seinem Haus, direkt nebenan. Wenn Sie genau hinh?ren, werden Sie wahrscheinlich mitbekommen, wie er gerade meinen Mitarbeiter anbr?llt.“ „Dann warten wir noch ein wenig, bis wir mit ihm plaudern“, erwiderte Hernandez und wandte sich dem Gerichtsmediziner zu, einem jungenhaften Typen namens Pugh. „Was wissen Sie bereits?“ „Die K?rpertemperatur zeigt an, dass sie vor weniger als drei Stunden gestorben ist. Ligaturspuren und subkonjunktivale Blutungen deuten stark auf eine Strangulation hin. Es gibt einige Bluterg?sse an den Armen und auf der Brust, die auf eine m?gliche Auseinandersetzung vor dem Tod hindeuten. Bisher gibt es keine Anzeichen f?r einen sexuellen ?bergriff.“ „Sonst noch was?“, fragte Hernandez. Sergeant Breem ?bernahm. „In der K?che haben wir eine Weinflasche mit einem Zettel gefunden. Sieht aus wie ein Begr??ungsgeschenk von ihr. Die Notiz l?sst darauf schlie?en, dass das Opfer dachte, sie habe einen neuen Nachbarn. Aber das Paar, dem das Haus geh?rt, ist nicht ausgezogen. Sie sind im Urlaub und vermieten es auch an niemanden.“ „Wie eigenartig“, sagte Hernandez. Breem nickte zustimmend. „Wir denken, dass jemand vielleicht gerade dabei war, das Haus auszurauben, als sie reinkam. Oder jemand hat sie beobachtet, wie sie reingegangen ist, und ist ihr gefolgt.“ Hernandez sah hin?ber zu Garland, der sich zu dieser Vermutung jedoch nicht ?u?erte. Stattdessen beugte er sich hinunter zur Leiche und betrachtete den Strumpf, der immer noch lose um Bartons Hals gewickelt war. Das war ein seltsames Mordger?t. Garland hatte schon viele Strangulierungen gesehen, viele davon waren mit Dr?hten, Verl?ngerungskabeln oder sogar den blo?en H?nden ver?bt worden. Aber er konnte sich nicht erinnern, dass jemand mal mit einem Strumpf zu Tode gew?rgt worden war. Er sieht teuer aus. Er sah auf und wollte fragen, ob jemand die Marke kannte. Als er aber merkte, dass ausschlie?lich M?nner im Foyer standen, machte er sich innerlich eine Notiz, dass er das sp?ter selbst recherchieren w?rde. „Kann den jemand bitte eint?ten?“, fragte er. Ein Tatorttechniker trat zu ihm, um genau das zu tun, nahm den Strumpf mit einer Zange auf und warf ihn in einen Beweisbeutel. „Vermutlich werden wir davon keine Fingerabdr?cke nehmen k?nnen“, murmelte Breem. „Die sind hier ?berall weggewischt worden. An vielen Stellen im Haus gibt es ?berhaupt keine, noch nicht einmal von den Hausbesitzern. Wer auch immer das getan hat, hat sehr penibel darauf geachtet alles abzuwischen. Vermutlich hat er die ganze Zeit ?ber Handschuhe getragen.“ „K?nnen wir vielleicht Haut- oder Haarfasern von dem Strumpf kriegen?“, fragte Garland den Techniker. „Vermutlich. Allerdings sehe ich auch Materialspuren darauf, die darauf schlie?en lassen, dass der Angreifer Handschuhe getragen haben k?nnte. Wir geben Ihnen Bescheid.“ Garland lie? Hernandez und das MBPD sich auf die Details des Tatorts konzentrieren, w?hrend er durchs Haus stromerte und versuchte, ein Gef?hl daf?r zu bekommen, was hier passiert sein k?nnte. Nirgendwo gab es ein Zeichen f?r eine Auseinandersetzung, was ihn vermuten lie?, dass Breems Theorie – dass man ihr entweder gefolgt war oder dass sie jemanden ?berrascht hatte – durchaus berechtigt war. Er wusste, dass sie es zumindest bis in die K?che geschafft hatte, bevor es passiert war. Aber wo im Haus sie sich sonst noch aufgehalten hatte, blieb ein R?tsel. „Garland!“, h?rte er Hernandez rufen. Er ging zur?ck ins Foyer, wo ihn alle erwartungsvoll anstarrten. „Ja?“ „Garth Barton will mit Ihnen reden“, sagte Hernandez. „Er besteht darauf und steht kurz vor einem Wutanfall.“ „Dann mal los“, seufzte Garland. „Ich will den VIP nicht warten lassen. Wo war er eigentlich, als das hier passiert ist?“ „Er behauptete, dass er auf dem Weg nach Hause war und dabei die ganze Zeit ?ber ein Telefon-Meeting hatte“, sagte Breem zu ihm. „Er sagt, dass er t?glich 70 bis 80 Minuten pendelt. Wir lassen das gerade ?berpr?fen. Aber wenn er die Wahrheit sagt, dann hat er f?r den Zeitraum des Todes ein Alibi.“ „Das w?re schade, wenn das stimmt“, murmelte Garland leise. „Warum?“, fragte Breem. „Weil wir, wenn es nicht der Ehemann war, einen wirklich schwierigen Fall vor uns haben: stark frequentierte Gegend, kaum Sicherheitsvorkehrungen und wenige Sachbeweise.“ Dann f?gte er mit einem zynischen Unterton, den er sich nicht verkneifen konnte, hinzu: „Ich beneide die Leute nicht, die diesen Fall hier l?sen m?ssen.“ KAPITEL VIER Kyle Voss wachte am n?chsten Morgen auf und sprang beh?nde aus dem Bett. Sofort lie? er sich zu Boden fallen und machte 100 Liegest?tzen. Dann plankte er drei Minuten lang, gefolgt von 50 Liegest?tzspr?ngen. F?nfzehn Minuten nach dem Aufstehen war er v?llig verschwitzt, aber gl?cklich. Er ging ins Bad und zog sich aus. Im Spiegel bewunderte er seinen K?rper. Zwei Jahre im Gef?ngnis hatten zwar seine berufliche Karriere zum Stillstand gebracht, aber f?r seinen K?rper waren sie ein Geschenk gewesen. Er war h?rter und fitter als er es seit seiner Zeit als Footballspieler in der High-School je gewesen war. Mit seinen knapp 1,90 Metern und soliden 98 Kilogramm war er der Meinung, dass man ihn durchaus f?r einen Spieler der National Football League halten k?nnte. Seine blonden Haare waren immer noch raspelkurz, eine Erinnerung an seinen Igelhaarschnitt vom Gef?ngnis. Seine blauen Augen waren klar. Er stieg unter die Dusche, die er eiskalt aufgedreht hatte. Sorgsam wusch er jeden Zentimeter seiner Haut, darauf achtend, sich nicht zu beeilen und nicht zu zittern. Als er fertig war, trocknete er sich ab und zog seinen Lieblingsanzug an. Heute war ein wichtiger Tag, und er wollte gut aussehen. Seit er aus dem Gef?ngnis entlassen worden war, hatte er sich bedeckt gehalten und die Grundlage f?r seine bevorstehenden Pl?ne gelegt, ohne allzu viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Aber all das w?rde sich heute ?ndern. Heute w?rde er sich neu erfinden – und das vor den Augen der ?ffentlichkeit. Das war ein bedeutender Schritt in seinem gesamten Plan, und alles musste reibungslos laufen. In seinem Magen sp?rte er ein leichtes Ziehen, und kurz darauf wurde ihm klar, dass das wohl die Nervosit?t sein musste. Sein Tag war streng getaktet. Obwohl der Richter sein Verfahren eingestellt hatte, musste sich Kyle dennoch zweimal die Woche mit einem Bew?hrungshelfer treffen. Das machte ihm nichts aus. Bei diesen Treffen zu brillieren w?rde sich hundertfach bezahlt machen, wenn man irgendwann seinen Charakter anzweifeln w?rde. Nach diesem Termin hatte er ein Meeting mit seiner k?rzlich ins Leben gerufenen Stiftung WCP. Diese verteilte Gelder an Wohlt?tigkeitsorganisationen, die H?ftlingen rechtlichen Beistand erm?glichten, wenn sie gegen falsche Anschuldigungen vorgehen wollten. Mit WCP konnte Kyle au?erdem seine Buchhaltung etwas frisieren, was ihm schlie?lich dabei helfen w?rde, ein paar Freunden, die er hinter Gittern kennengelernt hatte, unter die Arme zu greifen. Danach hatte er ein Interview mit einem lokalen Nachrichtensender, um ?ber die Stiftung zu sprechen. Er hatte sich mit einer Medienexpertin getroffen, die ihm beigebracht hatte, wie er das Gespr?ch ausschlie?lich auf die Stiftung lenken konnte, ohne sich in unangenehme Fragen ?ber die Gr?nde seiner Verurteilung verwickeln zu lassen – dieser ganze Kram mit Jessie. Das Interview war seine erste Testfahrt in diesen schwieriges Gew?ssern. Anschlie?end w?rde er sich einem ganz anderen Thema widmen m?ssen. Er hatte einen Termin bei einer Verm?gensverwaltung mit Sitz in Ranch Cucamonga, nicht weit von seinem Reihenhaus in Claremont entfernt. Er war in den kleinen College-Ort, etwa 50 Kilometer vom Zentrum von Los Angeles entfernt, gezogen, damit ihm niemand vorwerfen konnte, dass er sich seiner Ex-Frau unerlaubt n?herte. Und wenn das Bewerbungsgespr?ch gut verlaufen sollte (seine Freunde in Monterrey hatten ihm versichert, dass es das w?rde), dann h?tte er einen Legitimationsnachweis, der f?r das, was er f?r die n?chsten Wochen und Monate geplant hatte, unabdingbar war. Er brauchte die Glaubhaftigkeit und das Ansehen, das eine Position in einer hoch angesehenen Firma mit sich brachte. Au?erdem brauchte er, auch wenn er es nicht gerne zugab, das Geld. Vor dieser ganzen Sache mit dem Mord hatte er einen sch?nen Batzen Geld verdient. Aber die Scheidung von Jessie und seine Anw?lte hatten ein tiefes Loch in seine Konten gerissen. Zwar hatte er noch Zugang zu Finanzmitteln, die er w?hrend seiner Ehe geschickt verborgen gehalten hatte. Aber diese reichten nicht aus, um seine Stiftung am Laufen zu halten, seinen gew?nschten Lebensstil zu finanzieren und die v?llige Zerst?rung der Welt seiner Ex-Frau in die Tat umzusetzen. Er brauchte daf?r schlicht und ergreifend mehr Geld. Gerade wollte er sein Fr?hst?ck beenden, da klingelte es an der T?r. Auf seinem Handy lie? er sich das Bild der Sicherheitskamera anzeigen und sah, dass es sich um seinen Bew?hrungshelfer handelte, was ihn nicht allzu sehr ?berraschte. Man hatte ihn vorgewarnt, dass solche unangek?ndigten Besuche nicht ungew?hnlich waren, und dass er sich daf?r wappnen musste. „Hi, Mr. Salazar“, sagte er, als er die T?r ?ffnete. „Ich dachte, wir treffen uns um neun in Ihrem B?ro. Sie konnten es nicht erwarten, hm?“ „Sie sind sich hoffentlich bewusst, dass unangek?ndigte Besuche gestattet sind, Mr. Voss?“, fragte Salazar kurz angebunden. „Nat?rlich“, erwiderte Kyle, als habe er ihn erwartet. „Ich dachte mir schon, dass Sie, nachdem ich so oft bei Ihnen war, endlich auch mal hier vorbeischauen. Ich bin gerade fertig mit dem Fr?hst?ck. Kann ich Ihnen was anbieten? Kaffee? Mein R?hrei mit K?se ist der Hit.“ „Nein danke. Das hier wird nicht lange dauern. Ich wollte nur mal sehen, was Sie f?r diese Woche geplant haben, um sicherzugehen, dass Sie sich an die Vorgaben des Gerichts halten.“ „Na klar doch“, entgegnete Kyle munter, drehte sich um und ging zur?ck ins Haus. „Mein Terminkalender ist in der K?che.“ Salazar folgte ihm bed?chtig. Kyle tat weiterhin so, als seien sie alte Freunde, die sich nach langer Zeit wiedersahen, schenkte ihm eine Tasse Kaffee ein und stellte sie vor ihn auf den Tisch. Salazar nahm einen Schluck, trotz seiner vorherigen Ablehnung. Kyle erl?uterte ihm seinen Terminkalender, ?ber den er nur wenige Augenblicke zuvor nachgedacht hatte, nat?rlich ohne ein paar gewisse Details. Innerhalb weniger Minuten konnte er sehen, dass Salazar zufriedengestellt war. Allerdings machte er weiter und schwadronierte ?ber jeden Termin, den er diese Woche hatte. Sein Ziel war es, so entgegenkommend wie m?glich zu wirken, so dass Salazar ihn nicht mehr so bald wieder zu Hause besuchen w?rde. Es funktionierte. Weniger als zehn Minuten sp?ter machte sich der Bew?hrungshelfer wieder auf den Weg, mit einem To-Go-Becher Kaffee und einem Plastikbeh?lter mit K?se-R?hrei in H?nden, zu dem er dann doch nicht hatte Nein sagen k?nnen. „Wir sehen uns am Freitag“, erinnerte er Kyle. „Punkt neun in meinem B?ro.“ „Ich freu mich drauf.“ F?nf Minuten sp?ter verlie? auch er das Haus. Er stieg sein Auto und winkte den FBI-Agenten, die an der gegen?berliegenden Stra?enseite im Wagen sa?en, zu. Dort sa?, seit er eingezogen war, ununterbrochen jemand vom FBI. Innerlich ging er nochmal seinen Terminkalender durch. Er wusste, dass er zwischen all den Meetings und Interviews kaum Zeit haben w?rde, die bildhafte und physische Zerst?rung von Jessie Hunt zu organisieren. Aber er war sich sicher, dass er es hinkriegen w?rde. Schlie?lich hatte er bereits hinter Gittern die Strippen gezogen, um ihre Karriere beinahe den Bach runtergehen zu lassen. Dank der ?berragenden Hilfe des Monzon-Drogenkartells in Monterrey hatte er bereits alle m?glichen Schandtaten f?r Jessie umsetzen lassen. Es hatte klein begonnen, indem die Kartell-Soldaten ihre Autoreifen aufgeschlitzt hatten. Dann war es damit weitergegangen, dass sie Drogen versteckt und anonym beim Sozialamt angerufen hatten, mit Andeutungen dazu, dass sie ihre Schwester misshandeln w?rde. Das Beste war gewesen, sich in ihre Social Media-Konten zu hacken und rassistische Parolen zu posten. Das hatte immer noch erhebliche Nachwehen, so dass seine Ex-Frau f?r viele in LA zur Persona non grata geworden war, auch wenn man sie genau genommen entlastet hatte. Das Kartell sorgte daf?r, dass es vor der Polizeistation, in der sie arbeitete, nach wie vor Proteste gab. Bald sollte ihr Auto mit Graffiti beschmiert werden. Und dann w?rden die richtig guten Sachen losgehen. Zuerst war da die Ausl?schung derjenigen, die ihr am n?chsten standen. Und dann, wenn sie emotional am verletzlichsten war, w?rde er sie holen kommen und das tun, wovon er seit Jahren getr?umt hatte. Zun?chst hatte er vorgehabt, sie aufzuschlitzen und zuzusehen, wie sich ihr Gesicht vor Entsetzen zu einer Fratze verzerrte, w?hrend er ihr die Organe herausschnitt und sie vor ihren Augen verbrannte. Aber mittlerweile war ihm etwas viel Schrecklicheres in den Sinn gekommen. Er w?rde es dieser Schlampe heimzahlen, dass es sich gewaschen hatte. KAPITEL F?NF Jessie kaute nerv?s an ihrem Muffin herum. W?hrend sie im Nickel Diner in der South Main Street auf Garland Moses wartete, hatte sie das seltsame Gef?hl, dass sie jemand hinterging. Normalerweise arbeiteten sie und Ryan zusammen. Aber Ryan hatte letzte Nacht mit Garland in einem Fall in Manhattan Beach ermittelt. War ihre Zusammenarbeit in irgendeiner Weise ein pers?nlicher Angriff? Oder dieses gemeinsame Fr?hst?ck? Sie wusste, dass es im Grunde genommen ein l?cherlicher Gedanke war. Dennoch lie? das Gef?hl nicht nach. Garland kam schlie?lich um 8.30 Uhr herein geschlurft, eine geschlagene halbe Stunde sp?ter als vereinbart. Seine wei?en Haare sahen noch wilder und unordentlicher aus als sonst. Seine Brille schien ihm jeden Moment von der Nasenspitze rutschen zu wollen. Er sah noch nicht einmal auf, als er sich seinen Weg zu dem Tisch bahnte, den er, wie Jessie wusste, bevorzugte. Sie nahm mit der Kellnerin Blickkontakt auf und bedeutete ihr, Garland einen Kaffee zu bringen, da er ziemlich fertig aussah. Wenn sie so lange aufgeblieben w?re, w?re auch sie m?de, und sie war 30, keine 71. „Lange Nacht?“, fragte sie, als er sich setzte. Er l?chelte reum?tig. „Ich bin zu sp?t ins Bett gegangen“, gestand er. „Bestimmt kann Ihnen das Ihr Freund best?tigen. Ich k?nnte jetzt wirklich einen Kaff…“ Er hielt inne, als eine Tasse vor ihn gestellt und aufgef?llt wurde. „Sie haben meine Gedanken gelesen“, sagte er zur Kellnerin, die auf Jessie deutete. „Nein, sie hat es.“ „Das nenne ich mal Profiling“, sagte er und nahm vorsichtig einen Schluck. „Das ist kein Profiling, Garland. Zu wissen, dass Sie einen Kaffee m?chten, wenn Sie hier reinkommen, ist, als w?sste man, dass die Sonne im Osten aufgeht.“ „Trotzdem vielen Dank“, erwiderte er. „Wie ist es letzte Nacht gelaufen?“, fragte sie. „Hat Ihnen Hernandez nichts erz?hlt?“ „Er ist gegangen, als ich gerade aufstehen wollte. Hat mich nicht wecken wollen. Sagt mir immer, ich solle mich ausruhen und so.“ „Vielleicht sollten Sie auf ihn h?ren“, bemerkte Garland f?rsorglich. „Schlie?lich m?ssen Sie mit mehrfachen Verbrennungen, einem Sch?del-Hirn-Trauma und einem angeknacksten Ego zurechtkommen.“ „Versuchen Sie etwa witzig zu sein, Garland?“, fragte sie. „Wenn ja, dann sollten Sie lieber bei Ihrem eigentlichen Job bleiben, den Sie nun offenbar auch nachts ausf?hren m?ssen.“ „Versuchen Sie nicht, das Thema zu wechseln“, konterte Garland. „Ich wei?, dass Sie eher zur Arbeit zur?ckkehren wollen, als es die ?rzte raten, und das sollten Sie nicht tun. Warten Sie, bis Ihr K?rper soweit ist.“ „Woher wollen Sie wissen, dass ich fr?her zur?ckkehren will?“, fragte sie herausfordernd. „Ganz einfach“, erwiderte er mit einem verschmitzten L?cheln. „Jedes Mal, wenn Sie sich drehen oder nach vorne beugen, zucken Sie unfreiwillig zusammen, was mich darauf schlie?en l?sst, dass Sie die Dosis Ihrer Schmerzmittel gesenkt haben. Au?erdem lehnen Sie sich nach vorne wie ein Schulm?dchen, das sich davor f?rchtet, von der Nonne einen Klaps auf die Hand zu bekommen, wenn es an seinem Tisch l?mmelt.“ „Was hat das denn damit zu tun?“ „Sie haben Angst, dass Ihr R?cken die Lehne des Stuhls ber?hrt, denn er ist noch immer empfindlich. Also sitzen Sie so steif da wie die folgsamste Klostersch?lerin, die mir je untergekommen ist.“ Sie sch?ttelte den Kopf, sowohl aus Ver?rgerung als auch vor Bewunderung. „Schon mal nachgedacht, Profiler zu werden?“ „Mit Schmeicheleien werden Sie weit kommen“, sagte er und nahm einen weiteren Schluck Kaffee. „Aber ich meine es ernst. Sie sollten sich schonen. Au?erdem, wenn Sie sich etwas aus der ?ffentlichkeit raus halten, dann geraten diese rassistischen Posts bald in Vergessenheit.“ „Die Posts, die ich nicht geschrieben habe?“, erinnerte Jessie ihn. „Darum geht es mittlerweile gar nicht mehr“, erwiderte er resigniert. „Egal, wie viele Beweise Sie erbringen, dass man Ihre Konten gehackt hat, manche Leute werden Sie immer noch f?r eine schreckliche Person halten wollen.“ „Sie finden also, ich sollte mich bedeckt halten, bis die Leute vergessen, dass sie der Meinung sind, ich sei ein Rassist?“, fragte Jessie misstrauisch. Garland seufzte, wollte den K?der aber nicht schlucken. „Vielleicht sollten Sie tun, was Ihre Freundin Kat tut“, schlug er vor. Jessies Freundin, die Privatdetektivin Katherine „Kat“ Gentry, lie? gerade eine komplette neurologische Untersuchung an der Mayo Klinik in Phoenix ?ber sich ergehen. Sie war w?hrend der Rettung der entf?hrten Frau aus dem brennenden Haus dabei gewesen. Kat und Jessie hatten beide Gehirnersch?tterungen erlitten, als eine Bombe am Tatort explodiert war. F?r Kat, die als Army Ranger in Afghanistan gedient hatte und stolz darauf war, ihre Narben, sowohl die ?u?eren als auch die inneren, zu ignorieren, war dies mindestens ihre sechste Untersuchung. Sie hatte schlie?lich eingewilligt, sich durchchecken zu lassen, als die Kopfschmerzen und das Klingeln in den Ohren nach zwei Wochen immer noch nicht abgeklungen waren. Sie w?rde noch f?nf Tage in Arizona sein, bevor sie an diesem Wochenende zur?ckkehrte. „Kat ist eine Milit?rveteranin, die sich mit PTBS, IED-Verletzungen und m?glicherweise CTE herumschl?gt“, sagte Jessie zu ihm. „Ich bin blo? eine Frau mit ein paar Verbrennungen.“ Garland setzte ein g?tiges L?cheln auf. „Das war eine ziemliche Buchstabensuppe, Jessie. Und auch wenn es stimmt, dass Ihre Freundin mit sehr ernsten Problemen zu k?mpfen hat, das tun Sie auch. Sie hatten bereits mehrere Gehirnersch?tterungen. Und Sie haben mehr Narben, sowohl physische als auch emotionale, als die meisten Soldaten. Wie viele von ihnen wurden von ihrem leiblichen Vater gefoltert, nachdem sie mit eigenen Augen erlebt haben, wie er ihre Mutter ermordet hat?“ „Wahrscheinlich einige“, erwiderte Jessie patzig. „Und wie viele von ihnen mussten es mit demselben Vater in einem Kampf auf Leben und Tod aufnehmen? Und sp?ter seinen Proteg? – ebenfalls ein Serienkiller – t?ten? Und sich mit ihrem soziopathischen M?rder von einem Ex-Mann anlegen? Und …“ „Ich hab’s kapiert, Garland“, unterbrach Jessie ihn. Eine Weile sa? er schweigend da. „Ich will einfach nur sagen, dass Sie auf sich achtgeben m?ssen. Wenn schon nicht zu Ihrem eigenen Wohl, dann zumindest f?r Ihre j?ngere Schwester und den schneidigen Detective, den Sie lieben. Diesen Beziehungen wird es nicht guttun, wenn Sie sich selbst nicht schonen. Geben Sie auf sich acht, und dann k?nnen Sie auch auf sie achtgeben.“ Sie nickte und biss ein St?ckchen von dem Muffin ab, der sie aber nicht mehr sonderlich interessierte. „Mir ist aufgefallen, dass auch Sie das Thema gewechselt haben“, bemerkte sie. „Was?“ „Der Fall? Haben Sie ihn gel?st?“ „Kann jeden Moment soweit sein“, erwiderte er trocken. „Wollen Sie mir ?berhaupt irgendwas von diesem Fall erz?hlen?“, fragte sie leicht entnervt. „Tote Frau im Haus der Nachbarn gefunden“, erwiderte er gelassen. „Wir k?nnen den Ehemann ausschlie?en, was mich sehr entt?uscht, denn er ist ein wirklich unangenehmer Zeitgenosse. Gerne h?tte ich ihm das angeh?ngt. Aber zumindest bedeutet das, dass ich mich nicht mehr mit ihm abgeben muss. Er ist so charmant wie ein Krebsgeschw?r.“ „Was noch?“, fragte sie. Er sah sie mit einem seltsamen Ausdruck an, als ob er sie etwas fragen wollte, aber nicht so recht wusste, wie er es zur Sprache bringen sollte. „W?rden Sie sich als modebewussten Menschen bezeichnen?“, fragte er schlie?lich. Damit h?tte Jessie nun wirklich nicht gerechnet. „Ich wei? mich zu kleiden“, erwiderte sie. „Aber habe ich ein Abo der Vogue? Nein. Warum?“ Er wollte weitersprechen, hielt dann aber inne und nahm stattdessen einen weiteren Schluck von seinem Kaffee. „Das war’s?“, wollte sie wissen. „Wollen Sie das nicht n?her erkl?ren?“ „Lieber nicht“, erwiderte er. „Ich habe schon zu viel gesagt. Wenn ich noch mehr rausr?cke, w?re das nur wie der erste Chips aus der T?te, und Sie wollen nur noch mehr. Sie sollen sich erholen, und ich will das nicht sabotieren. Wenn Sie wirklich mehr Einzelheiten wissen wollen, hauen Sie Hernandez an.“ „Oh Mann“, erwiderte Jessie. „Das war der einzige Grund, warum ich Sie um ein Treffen gebeten hatte.“ „Und ich dachte, sie genie?en meine Gesellschaft. Ich bin tief getroffen.“ Er klang beleidigt, aber sie sah, wie sich seine Mundwinkel langsam zu einem L?cheln hoben. „Sie sind ein sehr unangenehmer Mann“, sagte sie. „Das wissen Sie doch, oder?“ Er nahm erneut einen Schluck und erlaubte sich diesmal ein richtiges L?cheln. „M?chten Sie auch ?ber etwas mit mir sprechen, das nichts mit dem Fall zu tun hat?“, fragte er. „Ich habe das Gef?hl, Sie halten etwas zur?ck.“ „Was soll ich zur?ckhalten?“, erwiderte sie, etwas gereizter als beabsichtigt. „Wir haben schon l?nger nicht mehr ?ber Hannah gesprochen. Wie geht es ihr?“ Jessie atmete schwer aus. „Manchmal zuckers??. Manchmal launisch. Manchmal urkomisch. Manchmal zickig. Manchmal still. Einfach der ganz normale Albtraum.“ „Aber keine Morde, oder?“, fragte Garland. „Was?“ „Die Halbschwester, von der Sie bef?rchten, sie k?nnte eine angehende, soziopathische Serienm?rderin in der Ausbildung sein – sie hat noch niemanden ermordet?“ „Nicht, dass ich w?sste“, antwortete Jessie. „Dann ist launisch im Vergleich dazu gar nicht so ?bel“, bemerkte er. Sie zuckte zustimmend die Achseln. „Nicht, wenn Sie es so ausdr?cken.“ „Dann k?nnen Sie wohl von Gl?ck reden“, sagte er sanft. „In Anbetracht des Lebens, das Sie f?hren, k?nnte es viel schlimmer sein.“ Jessie konnte das nicht abstreiten. Sie war gerade dabei, ihn nach seiner Meinung bez?glich einer anderen Angelegenheit zu fragen, als ihr Telefon klingelte. Sie sah nach unten auf ihr Handy. Es war ihr guter Freund, der FBI-Agent Jack Dolan, dessen Leute ihren Ex-Mann Kyle beobachteten. „Da muss ich rangehen“, sagte sie. „Das ist okay“, erwiderte Garland und legte einen 5-Dollar-Schein auf den Tisch. „Ich sollte jetzt sowieso ins B?ro. Ihr Freund vermisst mich wahrscheinlich.“ „Soll ich Sie mitnehmen?“ „N?. Sie haben Ihren Anruf. Au?erdem wissen Sie doch, dass ich gerne zu Fu? gehe.“ „Okay“, sagte sie, als sie ans Telefon ging. „Hi, Dolan.“ „Hey, Jessie“, raunte Garland mit leiser Stimme, als er aufstand. „Warte eine Sekunde, Dolan“, sagte sie ins Telefon, dann sah sie zu dem kauzigen Kerl vor ihr auf. „Ja, Garland?“ „Denken Sie daran, Sie allein haben die Kontrolle ?ber Ihr Leben. Nicht Decker, nicht Hannah, nicht Hernandez und vor allem kein Serienkiller. Manchmal ist es schwer, das zu erkennen. Aber Sie haben immer eine Wahl.“ „Danke, Konfuzius“, sagte sie und zwinkerte ihm zu. „Wir reden sp?ter, okay. Ich muss jetzt telefonieren. Es geht um Kyle.“ Garland l?chelte, verbeugte sich leicht und verlie? das Lokal. Sein st?rrisches wei?es Haar verlor sich in der Ferne zwischen den eilig vorbeiziehenden Menschen, und er mischte sich gem?chlich unter sie. „Ich bin wieder dran“, sagte Jessie. „Was gibt’s, Jack?“ „Nichts Gutes – es geht um deinen Ex-Mann.“ KAPITEL SECHS „Warte mal eine Minute“, sagte Jessie und ihr Herz machte einen kurzen Aussetzer. „Ich muss irgendwohin gehen, wo ich ungest?rt reden kann.“ Jessie bereute es beinahe zu warten. Die drei Minuten, in denen sie bezahlte, das Diner verlie? und ins Auto stieg, kamen ihr wie eine halbe Ewigkeit vor. Dolan, ein abgebr?hter Zyniker, dessen Laune selbst sein morgendliches Surfen kaum heben konnte, neigte nicht zu ?bertreibungen. Wenn er sagte, dass eine Situation nicht gut war, war sie in der Regel ?u?erst schlecht. Sie hatte das Gef?hl, dass ihr gleich ihr viertel Muffin, den sie gegessen hatte, hochkommen w?rde. „Leg los“, sagte sie barsch, als sie den Anruf wieder entgegennahm. „Die kurze Version ist: Wir haben nichts.“ „Es sind jetzt mehr als drei Wochen vergangen“, entgegnete sie. „Willst du damit sagen, dass er sich diese ganze Zeit ?ber lammfromm verhalten hat?“ „Ja“, erwiderte Dolan, „was nat?rlich misstrauisch macht. Er hat noch nicht mal ein Stoppschild ?berfahren. Ihm ist selbstverst?ndlich klar, dass wir ihn beobachten. Er winkt unseren Agenten immer zu, wenn er an ihnen vorbeif?hrt.“ „Haben sie nicht versucht, sich bedeckt zu halten?“ „Das haben sie anfangs. Aber, wie du wei?t, ist er ziemlich schlau. Schon in der ersten Woche hat er unseren Van gesehen, also machte es keinen Sinn mehr, ihn weiter einzusetzen. Seitdem verwenden wir normale PKWs. Um ehrlich zu sein, meine Vorgesetzten wollen da nicht mehr lange mitspielen. Bald werden sie verlangen, dass wir das Ganze auf einen Agenten reduzieren. Es w?rde mich nicht wundern, wenn sie die komplette ?berwachung am Ende der Woche einstellen, wenn bis dahin nichts geschieht. Dann wird ein Monat vergangen sein, in dem nichts vorgefallen ist.“ „Aber das ist genau das, worauf er wartet“, beharrte Jessie. „Er harrt so lange aus, bis ihr eure Jungs abzieht, und dann l?sst er was Gro?es vom Ruder.“ Jessie sp?rte wieder die ihr wohlbekannte Beklemmung, als sie daran dachte, wie geschickt ihr Ex-Mann darin war, ein gef?lliges ?u?eres zu demonstrieren, das seine dahinter liegende b?se Fratze verbarg. „Du wei?t, dass mir das bewusst ist“, erwiderte Dolan, sichtlich frustriert. „Aber denen da oben ist es relativ egal. Sie wollen Tatsachen sehen. Und wir k?nnen ihnen keine bieten. Du musst das Ganze aus ihrer Perspektive betrachten.“ „Was soll das hei?en?“, wollte Jessie wissen. „Denk dran, dass dein Ex-Mann genau genommen wegen Amtsvergehens eines Vollzugsbeamten freigelassen worden ist. Sie wollen sich nicht vorwerfen lassen, dass sie einen Mann schikanieren, der bereits vom System falsch behandelt worden ist. Das ist eine politische Frage. Die Tatsache, dass er ein M?rder ist, geht dabei v?llig unter. Wir m?ssen also behutsam vorgehen. Wir sind kurz davor, dass uns unser Bem?hen, ihm einen Gesetzesversto? nachzuweisen, negative Medienberichte beschert. Heute ist eventuell der Tag, an dem die entscheidende Wende in dieser Sache eintritt.“ „Warum?“, fragte Jessie, allerdings hatte sie schon eine Ahnung. Kyle w?rde vor die ?ffentlichkeit treten. „Weil er heute Vormittag ein Interview mit einem Nachrichtensender hat“, antwortete Dolan und best?tigte damit ihr Gef?hl. „Dabei soll es zwar um seine Stiftung gehen, allerdings w?rde es mich nicht wundern, wenn er auch seine momentane Situation zur Sprache bringt. Und mein Vorgesetzter macht sich Sorgen, dass er die ?berwachung erw?hnen k?nnte.“ Jessie merkte, dass sie schwitzte, allerdings wusste sie nicht, ob das an Dolans Worten lag oder an der stetig zunehmenden Hitze. Sie lie? den Motor an und drehte die Klimaanlage voll auf. „Was ist mit dem Verdacht, dass er sich mit dem Monzon-Kartell eingelassen hat?“, fragte sie. „Haben sie keine Angst, dass sie, wenn sie seine ?berwachung einstellen, nicht mitkriegen, wenn er sie kontaktiert?“ „Wir haben andere Mittel und Wege, ihn zu beschatten. Wir haben eine richterliche Verf?gung erhalten, sein Auto mit einem Peilsender auszustatten, in seinem Haus Wanzen und Kameras zu installieren und sogar seine Anrufe aufzuzeichnen. Aber angesichts der Tatsache, dass ein Richter einem Staatsanwalt gerade einen R?ffel erteilt hat, weil er …“ „Ein Staatsanwalt, der garantiert vom Kartell bedroht wurde“, unterbracht sie ihn. „Was wir allerdings nicht beweisen k?nnen“, entgegnete Dolan. „Meine Vorgesetzten bef?rchten, dass der Richter, der die ?berwachungsma?nahmen genehmigt hat, wenig geneigt sein wird, diese ausweiten zu lassen, falls sein Ruf auf dem Spiel steht. Wir befinden uns in einer prek?ren Lage.“ Jessie sch?ttelte den Kopf, auch wenn Dolan das nicht sehen konnte. Es war weniger als ein Monat vergangen, und schon manipulierte Kyle das System zu seinen Gunsten. Ihr stellten sich die Haare im Nacken auf, als sie daran dachte, was er alles in einem weiteren Monat in Freiheit anstellen k?nnte. „Das ist genau das, was er wollte, wei?t du“, bemerkte Jessie. „Er wei?, dass ihr ihn verfolgt, hat deswegen aber noch nicht aufgemuckt. Er l?sst es ?ber euren K?pfen schweben, und wird die Sache platzen lassen, wenn es f?r ihn am g?nstigsten ist. Solange es f?r seine Zwecke dienlich ist, macht er einen auf Unschuldslamm. Er will sich nicht bei der Presse beschweren, wenn ihr Jungs auch ohne das einen R?ckzieher macht. Diesen Freifahrtschein hebt er sich f?r sp?ter auf. Das ist alles Teil seines Plans.“ Sie konnte h?ren, wie Dolan schwer ausatmete. „Mich musst du nicht ?berzeugen, Jessie“, versicherte er ihr. „Ich bin auf deiner Seite. Allerdings frage ich mich gerade, ob wir unsere Jungs nicht jetzt abziehen sollten, bevor er irgendwelche Klagen erhebt. Dann k?nnen wir ohne weiteres belegen, dass wir ihm nicht folgen und ihn nicht schikanieren. Ich kann eine Pressemitteilung verfassen, dass unsere Agenten nur ab und an nach ihm sehen. Wenn er dann wegen uns rumjammert, schadet das seiner Glaubw?rdigkeit. Er ist nicht der Einzige, der dieses Spiel spielen kann.“ „Nein, aber er ist besser darin als alle, denen ich je begegnet bin. Untersch?tze ihn nicht.“ „Werd? ich nicht“, versprach Dolan. „Wir wissen, dass Kyle aus dem Gef?ngnis raus ist, weil er das Kartell davon ?berzeugt hat, dass sich eine Investition in ihn lohnt. Wir wissen auch, dass sie ihm sogar dabei geholfen haben, f?r ihn dein Leben zu zerst?ren. Irgendwann wird er f?r sie liefern m?ssen. Bald wird was mit diesem Typen geschehen, das ihn in die Knie zwingen wird.“ „Ja, und er wird hoffentlich in die Knie gehen, bevor ich es tun muss.“ * Jessie merkte, dass Ryan kein Salz in die Wunde streuen wollte. „Wie geht’s euch denn so?“ fragte er sie und Hannah, w?hrend er den Brokkoli f?rs Abendessen wusch und dabei tunlichst vermied, den Fall zu erw?hnen. Hannah bereitete eine Marinade f?r das Lamm vor, w?hrend Jessie nach der Bratpfanne suchte. Es war klar, dass er hoffte, sie nicht eifers?chtig dar?ber zu machen, dass er drau?en Morde untersuchte, w?hrend sie in der Wohnung festsa?, indem er nichts ?ber seinen Tag erz?hlte. Sie hielt es f?r eine nette Geste, allerdings w?rde er bald erfahren, dass sie zwecklos war. „Nur noch zwei Wochen Schule“, erwiderte Hannah fr?hlich. „Dann haben wir Sommerferien. Das ist bei mir los.“ „Super“, entgegnete Ryan. „Denk dran, dass du w?hrend des Sommers Nachhilfe hast“, erinnerte Jessie sie und ?rgerte sich dar?ber, wie mamsellhaft sie klang. „Ich wei?“, sagte Hannah daraufhin in einem sarkastischen Ton. „Aber das ist f?r ‚normale Kinder‘, und nicht in dieser Therapie-Einrichtung von Schule f?r Jugendliche mit ‚emotional aufw?hlenden und psychologisch herausfordernden Erfahrungen‘. Au?erdem f?ngt das erst in einem Monat an. Bitte mach doch meinem ohnehin zarten Gem?t nicht noch mehr zu schaffen.“ „Sorry“, sagte Jessie. „Und dein Tag?“, fragte Ryan Jessie und wechselte damit rasch das Thema. „H?tte besser sein k?nnen“, gestand sie. „Dolan hat mir gesagt, dass sie Kyle nichts anh?ngen k?nnen. Seit er drau?en ist, war er so sittsam wie ein Chorknabe. Sie ?berlegen, die ?berwachung abzuziehen.“ „Bl?d.“ „Das ist es“, sagte sie. „Beinahe so bl?d wie die Tatsache, dass mein Vertrauter und beruflicher Mentor mir nichts erz?hlt hat, als ich ihn nach den Einzelheiten des Falls, an dem er arbeitet, gefragt habe. Er hatte Angst, ich w?rde an Ort und Stelle anfangen zu geifern.“ „Oh nein.“ „Oh nein was?“, fragte sie. „Oh nein, Garland hat mich vorgewarnt, dass du mich wegen Infos anhauen w?rdest, weil er dir nicht viel sagen wollte.“ „Ah ja?“, machte sie. „Hat er dir gesagt, wie du diesbez?glich mit mir umgehen sollst?“ „Er sagte mir, ich solle stark bleiben und unter deinem zerm?rbenden Verh?r nicht zusammenbrechen.“ Jessie l?chelte „Was glaubst du, wie wirst du dich machen?“ „Ich bin mir sicher, dass ich standhaft bleiben werde“, erwiderte er und ging in Richtung des Schlafzimmers. „Aber erstmal werde ich duschen.“ „Du wei?t, dass du mich nur eine gewisse Zeit lang hinhalten kannst“, rief sie, als er im Zimmer verschwand ohne zu antworten. Jessie starrte die T?r an und fragte sich, ob sie diese allein durch ihren Blick zu Asche verbrennen k?nnte. „?hem“, machte Hannah z?gerlich. „Ich will dich nicht noch mehr reizen, wo du schon so sauer bist, aber das Lamm, das ich braten wollte, riecht komisch. Wir sollten es wegschmei?en, was allerdings bedeutet, dass wir nichts f?rs Abendessen haben.“ Jessie sp?rte, wie sie unweigerlich die Schultern h?ngen lie?. Dieser Tag w?rde so schlecht enden wie er begonnen hatte. „Ich k?mmere mich drum“, sagte sie schlie?lich. „Sag mir bitte nicht, dass du selbst was kochen willst!“, rief Hannah ernsthaft besorgt. „Dir ist hoffentlich bewusst, dass ich jahrelang fast jeden Abend was Essbares zustande gebracht habe, bevor du hier eingezogen bist. Hab etwas mehr Vertrauen.“ „Fast jeden Abend?“, wiederholte Hannah. „An manchen Abenden hatte ich nicht so viel Hunger“, verteidigte Jessie sich. „Alles klar“, erwiderte Hannah, wenig ?berzeugt. „Du willst eine Pizza bestellen, nicht wahr?“ Jessie sp?rte bei diesen Worten das schlechte Gewissen in sich aufsteigen. „Ja. Ich werde eine Pizza bestellen.“ KAPITEL SIEBEN Als Garland die Kuppe des H?gels erreichte, war die Sonne bereits untergegangen. Er fuhr die ihm nun bekannte Strecke hinunter nach Manhattan Beach und konnte dabei immer noch den Ozean sehen, wo sich die Wellen vor dem Strand brachen. Allerdings war es kein so majest?tischer Anblick mehr wie vergangene Nacht, als die Sonne gerade den Horizont erreicht hatte. Er redete sich ein, dass das unerheblich war, dass er wegen den Ermittlungen zum zweiten Mal in Folge hierher gekommen war, nicht wegen der Aussicht. Aber das ?berzeugte selbst ihn nicht hundertprozentig. Ja, der Tatort hatte es ihm angetan. Au?erdem liebte er es, an der windigen Strandpromenade entlang zu spazieren, mit ihren zahlreichen Restaurants mit Tischen und St?hlen im Freien und den Vinotheken, in denen man Wein verk?stigen konnte. Er fand einen Parkplatz an der Hauptstra?e und stieg aus, dann ging er durch die Highland Avenue zum Polizeirevier. Unterwegs atmete er den Duft von etwas ein, das er f?r Spare Ribs hielt, und das von einem Restaurant an der Ecke zu kommen schien. Er ging an einem Zeitungskiosk vorbei, an dem es Magazine aus Neuseeland und Indien gab, und er musste sich sehr zusammenrei?en, um nicht stehenzubleiben und sie zu durchbl?ttern. Er erreichte bald das Revier und nannte dem Beamten am Empfang seinen Namen. Officer Timms von der gestrigen Nacht kam heraus und gab ihm den Schl?ssel f?r das Haus von Charles und Gail Bloom, in dem Priscilla gestorben war. „Ich kann mitkommen, wenn Sie m?chten“, bot ihm der junge Beamte an. „Ich habe Nachtschicht, und bislang ist es sehr ruhig.“ „Danke“, erwiderte Garland. „Aber manchmal gehe ich ganz gerne alleine durch den Tatort, ohne Ablenkungen. Das hilft mir bisweilen dabei, Dinge zu entdecken, die mir vorher verborgen geblieben sind. Aber ich werde den Schl?ssel in ein paar Stunden zur?ckbringen.“ Nachdem er das Polizeirevier verlassen hatte, stromerte Garland gem?chlich den steilen Gehweg zum Strip hinauf. Um diese Zeit – es war beinahe 21 Uhr – war es relativ ruhig. Es gab ein paar Jogger, und einige Leute gingen mit ihren Hunden ein letztes Mal an diesem Abend Gassi. Tats?chlich musste er einmal sogar dem Urinstrahl eines besonders nachl?ssigen Vierbeiners ausweichen. Er schlenderte das letzte St?ck zum Haus der Blooms und genoss die Ger?uschkulisse aus Wellen und sich gegenseitig anschreienden M?wen. Er wusste, dass sein Gehirn, sobald er das Haus betrat, wie wild rattern w?rde, und all die kleinen Freuden, die er momentan so gierig aufsaugte, sofort in den Hintergrund geraten w?rden. Er wollte das Unvermeidliche einfach nur noch ein wenig hinausz?gern. Als er das Haus erreichte, duckte er sich unter dem Absperrband hindurch und achtete darauf, im Schatten zu bleiben, damit ihn der k?rzlich zum Witwer gewordene Garth Barton nicht sehen konnte, sollte er zuf?llig aus dem Fenster schauen. Nur, weil man ihn als Verd?chtigen hatte ausschlie?en k?nnen, hie? das nicht, dass er kein Arschloch war. Garland ?berlie? es gerne der ?rtlichen Polizei, sich mit ihm herumzuschlagen. Er schloss die Eingangst?r auf und betrat das Haus. Drinnen war es ganz dunkel, dennoch konnte er die Kreide-Umrisse sehen, die markierten, wo Priscilla Bartons Leiche gefunden worden war. W?hrend er die Stelle betrachtete, erinnerte er sich daran, was Detective Hernandez ihm ?ber das Gespr?ch erz?hlt hatte, das er tags?ber mit den Hausbesitzern gef?hrt hatte. Es erstaunte ihn, dass die Tatsache, dass eine Frau in ihrem Foyer get?tet worden war, f?r sie noch lange kein Grund zu sein schien, ihren Urlaub abzubrechen. Leider befand er sich nun, da er das Paar und den Ehemann als Tatverd?chtige ausschlie?en konnte, in einer Sackgasse. Darum war er hier: um eine neue Perspektive zu gewinnen. Rasch ging er durch den ersten Stock, dann hinauf in den Zweiten, was der Grund war, warum er ?berhaupt hierher gekommen war. Den ganzen Tag ?ber war ihm etwas komisch vorgekommen, aber es war ihm erst auf dem Weg nach Hause bewusst geworden. Als ihm klar geworden war, um was es sich handelte, war er schon fast daheim gewesen. Anstatt weiterzufahren, hatte er den Wagen in Richtung S?den gewendet und war zur?ck zum Anwesen der Blooms gefahren. Unterwegs hatte er das MBPD angerufen, um ihnen zu sagen, dass er noch einmal den Tatort untersuchen wollte, und man hatte ihn informiert, dass er sich im Revier den Schl?ssel w?rde abholen k?nnen. Oben auf der Treppe machte er seine kleine Taschenlampe an und ging durch den Flur zum Hauptschlafzimmer. Einen Augenblick lang betrachtete er den gro?en Raum mit dem Himmelbett, dann ging er hin?ber zu dem, was er f?r Gail Blooms Kommode hielt. Auch wenn er sich ein wenig wie ein Perversling vorkam, streifte er seine Handschuhe ?ber und zog die oberste Schublade auf, in der er ihre Unterw?sche vermutete. Manchmal musste man in seinem Beruf zu ungew?hnlichen Mitteln greifen. Mit der Taschenlampe leuchtete er in die Schublade, als er mit spitzen Fingern durch die Spitzenunterw?sche der Hausherrin w?hlte. Nachdem er alles gr?ndlich durchsucht hatte, holte er sein Handy hervor, um noch einmal die Mordwaffe, die man bei Priscilla Barton angewandt hatte, zu betrachten – den Strumpf. Die Marke namens „Only the Best“, wie er nach einer Online-Recherche herausgefunden hatte, war sehr teuer. Aber in Gail Blooms Schublade hatte er weder ein Paar Str?mpfe dieser Marke gefunden noch sonst irgendwelche Strumpfhosen. Auch keinen einzelnen Strumpf, weder in der Schublade noch auf der Kommode. Er kniete sich auf den Boden, um nachzusehen, ob er vielleicht unter die Kommode gerutscht war, fand jedoch nichts. Er holte seinen Notizblock heraus und brachte seine Erkenntnisse rasch zu Papier – dass Bloom diese Str?mpfe nicht besa?. Das war eine seltsame und m?glicherweise sehr hilfreiche Information. Wenn der Strumpf nicht ihr geh?rte, dann hatte ihn sich der M?rder nicht einfach zuf?llig beim Vorbeirennen geschnappt und behelfsm??ig als Waffe verwendet. Er oder sie musste ihn mit sich gef?hrt haben. Aber warum? Wer rennt denn mit einem einzelnen, teuren Frauenstrumpf herum? Seine ?berlegungen wurden durch das Knarzen der Holzdielen hinter ihm unterbrochen. Er schob seinen Notizblock wieder in seine Jackentasche und stand langsam auf, obwohl seine Gedanken wie wild rasten. Er h?rte ged?mpftes, schweres Atmen, mehrere Meter von ihm entfernt, und konnte die K?rperw?rme von jemandem sp?ren, der nun ebenfalls im Zimmer stand. Er hielt die kleine Taschenlampe fest umschlossen und war sich bewusst, dass sie das einzige war, das er als Waffe w?rde verwenden k?nnen. Er versuchte, sich an sein FBI-Training in jungen Jahren zu erinnern, aber das war nun schon 40 Jahre her. Seine letzte k?rperliche Auseinandersetzung hatte darin bestanden, dass ihn ein Skateboarder im vergangenen Jahr versehentlich umgesto?en hatte, als er auf dem B?rgersteig an ihm vorbeigerast war. Schlie?lich ?berlie? Garland dem Adrenalin und seinen Instinkten die Kontrolle. Aber er w?rde nicht tatenlos auf den Angriff warten. Also drehte er sich so schnell es ihm seine alten Knochen erlaubten herum und leuchtete mit seiner Taschenlampe in die Richtung, aus der das schwere Atmen kam. Sofort konnte er seinen Angreifer sehen, der schwarze Kleidung und eine schwarze Skimaske trug. In den H?nden hielt er einen Lederg?rtel. Auch wenn man sein Gesicht nicht sehen konnte, lie? sein K?rper auf einen Mann schlie?en. Garland machte einen Schritt auf den Mann zu, der mit den H?nden seine Augen vor dem Licht abschirmte, und sprang nach vorne. Sie prallten gegeneinander, aber das deutlich gr??ere Gewicht des anderen Mannes sorgte daf?r, dass Garland wieder r?ckw?rts gegen die Kommode fiel. Seine Brille flog davon. Er war mit dem R?cken gegen die Kante der h?lzernen Kommode gesto?en und ?chzte vor Schmerz. Er versuchte, diesen zu ignorieren und sich auf den Typen zu konzentrieren, der auf ihn zueilte. Als dieser sich auf ihn st?rzen wollte, hob Garland seine Taschenlampe und schlug zu, genau links unterhalb seines Brustkorbs. Der Mann sog scharf die Luft ein und fiel vorn?ber, so dass Garland ihn zu Boden schubsen konnte. Er trat um den Mann herum und rannte in Richtung der Schlafzimmert?r. Selbst dieses kurze St?ck war ohne seine Brille ziemlich verschwommen. Etwa drei Schritte vom Flur entfernt sp?rte er, wie eine Hand seinen rechten Kn?chel umfasste und daran zog, sodass er das Gleichgewicht verlor und zu Boden st?rzte. Dabei h?rte er ein Knacken und sp?rte einen bei?enden Schmerz in seiner rechten H?fte. Unvermittelt schrie er auf. Garland versuchte, das h?llische Brennen in seiner H?fte zu ignorieren. Er wollte sich umdrehen, um nicht in solch einer wehrlosen Position zu sein, aber sein K?rper gehorchte ihm nicht. Also tat er das einzige, das ihm stattdessen einfiel. Er versuchte, aus dem Zimmer zu robben. Von dem unertr?glichen Schmerz tr?nten ihm die Augen, aber er schob sich dennoch vorw?rts. Dann sp?rte er das Gewicht des anderen Mannes auf seiner K?rpermitte. Der k?rperliche Schmerz war fast unertr?glich, und Wellen der Pein strahlten von seiner H?fte durch seinen gesamten K?rper. Das war aber nichts im Vergleich zu der Todesangst, die ihn erfasste. Auf ihm lag ein Mann mit einem G?rtel, und er hatte keine M?glichkeit sich zu befreien. Kurzzeitig wurde ihm bewusst, dass er nun das gleiche Entsetzen durchlebte wie so viele der Opfer, die er untersucht hatte. Dann beschloss er, dass er ihr Schicksal nicht teilen w?rde, und h?rte auf sich zu wehren. Stattdessen dr?ckte er seine Stirn gegen den Teppich und legte seine geballten F?uste unter seinen Hals, um ihn vor dem, was kommen w?rde, zu sch?tzen. Einen Augenblick sp?ter wurde der G?rtel ?ber seinen Kopf gestreift, und der Mann versuchte, ihn zwischen Garlands Stirn und dem Teppich hindurch bis zu seinem Hals zu ziehen. Durch dieses Zerren wurden Hautfetzen von seiner Stirn gerissen. Garland ignorierte das, ?ffnete seine F?uste und umklammerte den G?rtel, so dass seine H?nde zwischen dem G?rtel und seinem Hals lagen. Den Mann auf ihm schien das nicht zu interessieren. Er zog so fest zu, dass Garlands eigene Fingerkn?chel in seinen Adamsapfel dr?ckten, so dass er nach Luft schnappte. Der Geruch seiner Latexhandschuhe stieg ihm in die Nase. Er schluckte schwer und versuchte, den G?rtel wegzudr?cken, w?hrend er panisch dar?ber nachdachte, was er tun k?nnte. Verzweifelt sah er sich um. Alles war undeutlich und verschwommen. Da musste es doch etwas geben, das er erreichen, oder ein Man?ver, das er ausprobieren k?nnte. Es musste doch einen Weg geben, seinen Angreifer auszutricksen. 45 Jahre, in denen er Killer ?berf?hrt hatte, konnten doch nicht auf diese Weise enden. Aber da gab es nichts – nichts zu umfassen, und keine M?glichkeit zu schreien. Er sa? fest. Er w?rde auf diesem Teppich in diesem Haus sterben, nur wenige Meter von Leuten entfernt, die darauf warteten, dass ihre Hunde ihr Gesch?ft verrichteten, damit sie wieder nach Hause gehen konnten. Es gab f?r ihn keinen Ausweg. Aber als sein Atem schwerf?llig und seine Gedanken unzusammenh?ngend wurden, wurde ihm klar, dass das nicht ganz stimmte. Er w?rde das hier zwar wahrscheinlich nicht ?berleben, aber zumindest w?rde er einen Hinweis darauf hinterlassen k?nnen, wer es getan hatte. Detective Hernandez w?rde seinen Tod mit Sicherheit untersuchen. Und wenn dem so w?re, w?rde er sich mit Jessie Hunt beratschlagen. Wenn Garland einen Anhaltspunkt w?rde hinterlassen k?nnen, wer das hier getan hatte, dann w?rde Jessie ihn finden k?nnen. Wenn jemand dazu in der Lage war, dann sie. Also beschloss er, das einzige zu tun, das ihm einfiel. Er dr?ckte seinen K?rper so fest er konnte nach unten in den Teppich, so weit weg wie m?glich von dem Mann ?ber ihm. Dann, als er sp?rte, dass der Mann am festesten zog, h?rte er auf sich zu wehren, so dass er mit einem Ruck nach oben gerissen wurde, wobei er seinen Kopf heftig nach hinten schnellen lie?. Er hatte gehofft, dass er das Gesicht des Mannes treffen und eine Beule hinterlassen w?rde. Stattdessen sp?rte er, wie die R?ckseite seines Sch?dels gegen etwas Hartes, aber weniger Hervorstehendes knallte. Er h?rte ein Knacken. Der Mann jaulte auf und lockerte seinen Griff etwas. Garland vermutete, dass es sein Schl?sselbein war. F?r den Bruchteil einer Sekunde war er versucht sich freizuwinden, aber er wusste, dass das nichts bringen w?rde. Der andere Mann war immer noch im Vorteil. Stattdessen nutzte er den kurzen Moment, um nochmal schwer zu schlucken und seinen Kopf erneut nach hinten zu werfen. Das Aufschreien des Mannes bedeutete ihm, dass er das Ziel erneut getroffen hatte. Aber das schien den Mann nur noch mehr anzuspornen. Garland sp?rte, wie sich der G?rtel noch fester um ihn schlang, und er konnte seine F?uste nicht mehr darum schlie?en. An seinem Handr?cken f?hlte er das Pumpen des Blutes in seiner Halsschlagader. Ein weiteres gewaltsames Ziehen zerquetschte seine Luftr?hre, und er h?rte sich selbst leise r?cheln. Pl?tzlich lie?en die Schmerzen in seiner H?fte, seinem R?cken, seinen H?nden und seiner Kehle nach. Er fragte sich, woran das liegen k?nnte. Und dann hatte er seinen letzten, koh?renten Gedanken: Er verlor das Bewusstsein, und sein Lebensende nahte. KAPITEL ACHT Jessie setzte sich kerzengerade im Bett auf. Ryans klingelndes Handy hatte sie aus dem erholsamsten Schlaf, den sie seit Wochen gehabt hatte, gerissen. Sofort erkannte sie den Klingelton. Es war Captain Decker. Sie schaute auf die Uhr auf ihrem Nachttisch. Es war 2:46 Uhr morgens. Wenn der Captain ihres Polizeireviers um diese Uhrzeit anrief, dann musste es sich um etwas Ernstes handeln. „Hallo“, nuschelte Ryan schlie?lich, nachdem er mehrere Sekunden lang an seinem Handy herumgefummelt hatte. Jessie konnte Deckers Stimme h?ren, aber er redete leiser als sonst und sie verstand nicht, was er sagte. Allerdings merkte sie, dass sich Ryan unvermittelt versteifte. „Okay“, sagte er leise, machte das Licht an und setzte sich im Bett auf. Decker redete noch eine halbe Minute weiter und Ryan h?rte zu, ohne ihn zu unterbrechen. „Werde ich“, sagte er schlie?lich und legte auf. „Was ist los?“, fragte Jessie. Ryan stand vom Bett auf, wandte das Gesicht von ihr ab und zog seine Hose an. „Es gab erneut einen Mord in Manhattan Beach“, erwiderte er leise, „im gleichen Haus wie der vorherige Mord, um genau zu sein. Decker will, dass ich sofort hinfahre.“ Etwas an seiner Stimme irritierte sie, allerdings war sie sich nicht sicher, was genau. Er schien sich sehr zusammenzurei?en. „Was ist los, Ryan?“, fragte sie. „Du verh?ltst dich komisch.“ Er drehte sich zu ihr um und sie hatte den Eindruck, seine Augen w?ren feucht. Es schien, als wolle er ihr etwas sagen, aber dann ver?nderte sich sein Gesichtsausdruck und sie wusste, dass er es sich anders ?berlegt hatte. „Ich bin wohl einfach nur durch den Wind. Hab nicht damit gerechnet, mitten in der Nacht durch so eine Nachricht geweckt zu werden. So hatte ich mir das nicht vorgestellt.“ Sie hatte immer noch den Eindruck, dass er etwas vor ihr verbarg, wollte aber nicht nachbohren. „Kann ich etwas f?r dich tun?“ „Danke, nein. Du solltest versuchen wieder zu schlafen. Das Beste, was du jetzt tun kannst, ist, auf dich selbst zu achten.“ „Okay“, erwiderte sie, dann fragte sie: „Triffst du dich dort mit Garland?“ Ryan nahm einen gro?en Schluck aus dem Wasserglas, bevor er ihr antwortete. „Er ist bereits dort“, sagte er und stand auf. „Ziemlich beeindruckend f?r einen alten Mann“, bemerkte sie und konnte ihre Verwunderung kaum verbergen. „Dieser Typ steckt voller ?berraschungen.“ „Er ist schon eine Nummer“, erwiderte Ryan, beugte sich nach unten und k?sste sie auf die Stirn. „Versuch, wieder einzuschlafen. Morgen Fr?h melde ich mich bei dir.“ „Ich liebe dich“, sagte Jessie und legte sich wieder hin. „Ich liebe dich auch“, erwiderte er leise, dann machte er die Nachttischlampe aus und verlie? das Zimmer. Trotz Ryans mahnender Worte konnte Jessie nicht wieder einschlafen. W?hrend der n?chsten 20 Minuten drehte sie sich hin und her, fand aber keine angenehme Schlafposition. Die ganze Zeit ?ber musste sie an Ryans Verhalten denken, als er mit Decker telefoniert hatte. W?hrend er Deckers Ausf?hrungen zugeh?rt hatte, hatte Ryan einen Gesichtsausdruck gehabt, den sie noch nie bei ihm gesehen hatte. Das waren nicht nur Schock oder Traurigkeit gewesen, sondern eine Kombination aus beidem, die bedeutsamer und tiefgehender zu sein schien. Und dann fiel es ihr ein. Einen Augenblick lang, bevor er sich wieder hatte zusammenrei?en k?nnen, hatte er v?llig am Boden zerst?rt ausgesehen. Sie setzte sich auf. Es war unm?glich, jetzt wieder einzuschlafen. Sie ging ins Bad und bespritzte sich das Gesicht mit Wasser. Sie betrachtete sich im Spiegel und war erfreut, dass ihre Augen zur Abwechslung mal nicht vor Ersch?pfung rot umrandet waren. Gut, das w?rde sich rasch ?ndern, wenn sie auf ihren restlichen Schlaf verzichten w?rde, wie es nun den Anschein hatte. Sie ging zur?ck zum Bett und setzte sich darauf. Dann dachte sie wieder an Ryans Gesichtsausdruck, als Decker begonnen hatte, mit ihm zu reden. Was auch immer der Captain gesagt hatte, etwas stimmte ganz und gar nicht. Sie griff nach ihrem Handy und wollte Garland anrufen, ?berlegte es sich aber anders. Ryan hatte gesagt, dass er bereits am Tatort war. Das bedeutete, dass er besch?ftigt sein w?rde und nicht auf ihre Fragen w?rde reagieren k?nnen. Stattdessen rief sie den diensthabenden Beamten in der Central Station an und lie? sich die Adresse in Manhattan Beach geben. Ohne sich selbst einzugestehen, was sie da eigentlich tat, zog sie sich an. F?nf Minuten sp?ter war sie fertig. Sie hinterlie? eine Notiz f?r Hannah, die sie unter deren Zimmert?r hindurch schob. Dann verlie? sie die Wohnung und reaktivierte auf dem Weg zu ihrem Auto wieder alle Alarmsysteme. Sie wusste, dass Ryan und Garland stinksauer sein w?rden, wenn sie am Tatort auftauchte. Aber das war ihr egal. Etwas stimmte nicht. Das sp?rte sie ganz deutlich. * Auch wenn sie sich einmal verfahren hatte, schaffte Jessie es innerhalb k?rzester Zeit zum Strand. W?hrend der Rush-Hour h?tte sie bestimmt ?ber eine Stunde gebraucht. Aber um 3:30 Uhr morgens dauerte es weniger als eine halbe Stunde, auch wenn sie eine Ausfahrt verpasst hatte. Die Stra?en waren fast leer. Als sie sich der K?ste n?herte, zog eine dicke Nebelwand auf, die jede Stra?enlaterne umh?llte und sie wie einen einsamen Leuchtturm aussehen lie?. Das verlieh dem fr?hen Morgen etwas Gespenstisches und Trostloses. Als sie ankam, parkte sie an der Manhattan Avenue, westlich vom Pier und etwa einen Block von der Adresse, zu der sie das Navi geleitet hatte, entfernt. Raschen Schrittes ging sie den Strip entlang. Auch wenn sie den Ozean um diese Uhrzeit nicht sehen konnte, so h?rte sie doch die Wellen, die sich am Strand brachen, und so wusste sie, dass er ganz nah war. Sie brauchte nicht lange zu suchen, um ihr Ziel zu finden. Einmal am Strip angelangt, konnte sie sehen, wie der Nachthimmel, trotz des Nebels, von mehreren Einsatzfahrzeugen erleuchtet wurde. Als sie sich dem Haus n?herte, z?hlte sie mindestens ein halbes Dutzend Polizeiautos, einen Krankenwagen und einen Leichenwagen. Das gesamte Gebiet um die Villa herum war abgeriegelt und mehrere Beamte hielten Wache, damit die Neugierigen nicht zu nahe an das Haus herankamen. Sie n?herte sich einem ?ngstlich dreinblickenden, jungen Beamten und hielt ihm ihre Marke hin, da sie vermutete, dass sie an ihm am einfachsten vorbeikommen w?rde. „Ich arbeite mit Detective Hernandez“, sagte sie unger?hrt. „K?nnen Sie mir sagen, wo er ist?“ „Er ist oben“, erwiderte der Beamte. Auch wenn sie ihn nicht kannte, hatte Jessie den Eindruck, dass er junge Mann ungew?hnlich ersch?ttert wirkte. Sie sah auf sein Namensschild. „Geht es Ihnen gut, Officer … Timms?“ „Ja, Ma’am“, versicherte er ihr und riss sich zusammen. „Es ist nur so – ich habe das Opfer gekannt. Ich mochte ihn. Und dann war ich derjenige, der ihn gefunden hat.“ „Das kann ich gut nachvollziehen“, sagte sie und klopfte ihm leicht auf die Schulter. „Es ist immer schwer, wenn man sich pers?nlich kannte.“ „Das stimmt, Ma’am“, erwiderte er und hob das Polizeiband, so dass sie darunter hindurch gehen konnte. „Wie haben Sie das Opfer so sp?t nachts gefunden?“ Sie merkte, dass die Frage etwas anschuldigend r?berkam, was sie allerdings nicht beabsichtigt hatte. „Er sollte den Schl?ssel nach ein paar Stunden zur?ckbringen. Als er nicht zur?ckkam, bin ich hingefahren, um nach ihm zu sehen, und …“ Er unterbrach sich, da ihn die Gef?hle ?bermannten. Jessie wollte fragen, warum jemand der Polizei so sp?t einen Schl?ssel zur?ckgeben wollte, aber sie sah, dass der junge Mann nicht weiterreden konnte, also belie? sie es dabei. „Danke f?r Ihre Hilfe, Officer“, sagte sie stattdessen. Da sie nicht wusste, was sie sonst noch sagen konnte, um ihn zu tr?sten, ging sie zum Haus. Sie zeigte dem Beamten, der die T?r bewachte, ebenfalls ihre Marke. Dieser trat zur Seite, um sie reinzulassen. Sie schaute auf den Boden des Foyers und sah die Kreide, die wohl zu dem ersten Opfer geh?rte. Dann blickte sie nach oben, wo sie mehrere Stimmen h?ren konnte. Eine davon klang wie Ryans. Sie ging in Richtung der Treppe, als ein weiterer Beamter, der an deren Fu?ende stand und aussah wie ein Sergeant, seine Hand hob. Im Gegensatz zu Officer Timms war er ?lter und sah kriegserfahrener aus. „Kann ich Ihnen helfen, Ma’am?“, fragte er h?flich, aber bestimmt. „Ich arbeite mit Detective Hernandez zusammen“, sagte sie und hielt ihre Marke zum dritten Mal hoch. „Ich werde ihn wissen lassen, dass Sie hier sind“, sagte der Sergeant, auf dessen Namensschild „Breem“ stand, trat aber nicht zur Seite. „Ich h?re seine Stimme“, sagte sie gereizter, als ihr lieb war. „Ich kann ihn selbst wissen lassen, dass ich da bin, wenn ich oben bin.“ „Es tut mir leid, Ma’am. Detective Hernandez hat sehr deutlich gemacht, dass niemand ohne seine ausdr?ckliche Erlaubnis nach oben gehen darf. Er will, dass in diesem Fall gr?ndlich und vorschriftsm??ig vorgegangen wird.“ „So ist er bei jedem Fall“, antwortete Jessie mit Nachdruck. „Was macht diesen Fall anders?“ Der Sergeant sah sie verbl?fft an. Er ?ffnete den Mund, um zu antworten, doch bevor er etwas sagen konnte, h?rte sie eine vertraute Stimme aus dem zweiten Stock rufen. „Jessie?“, fragte Ryan und sah vom Treppenabsatz herunter. „Was machst du denn hier?“ Sie sah zu ihm auf und konnte sofort erkennen, dass ihm etwas zu schaffen machte. Und zwar etwas, das nichts damit zu tun hatte, dass sie unangek?ndigt aufgetaucht war. Sie starrte ihn an und ein Gef?hl der Furcht begann, sich in ihr breitzumachen. Sie rannte die Treppe hinauf, bevor Sergeant Breem sie aufhalten konnte. Er begann ihr zu folgen, aber sie sah, wie Hernandez den Kopf sch?ttelte. „Es ist okay, Sergeant“, sagte er. „Was ist los, Ryan?“, fragte sie leise, als sie ihn oben erreichte. „Ich muss drau?en unter vier Augen mit dir reden“, fl?sterte er. „Nein. Was ist hier los? Wo ist Garland?“, fragte sie, ging an ihm vorbei und schaute ins Schlafzimmer. Sie blinzelte langsam und hoffte, dass das, was sie auf dem Schlafzimmerboden sah, eine Fata Morgana war. Aber als sie die Augen wieder ?ffnete, war er immer noch da. Zwischen dem Gerichtsmediziner und einem Tatort-Techniker lag Garland Moses auf dem Boden. Er war tot. KAPITEL NEUN Jessie sp?rte, wie ihre Brust sich zusammenzog, und sie konnte kaum atmen. Sie versuchte zu sprechen, aber alles, was sie zustande brachte, war ein leises R?cheln. Sie schluckte mehrmals, um ihren pl?tzlich trocken gewordenen Hals zu befeuchten. Dann streckte sie ihre Hand nach der Br?stung aus und sah Ryan mit zusammengekniffenen Augen an, als w?rde das vielleicht etwas ?ndern. „Es tut mir leid“, sagte er und streckte die Hand nach ihr aus. Sie sch?ttelte heftig den Kopf und er blieb stehen. „Was?“, fragte sie abwesend, obwohl sie ihn ganz genau geh?rt hatte. „Komm mit“, sagte er, ergriff ihren Arm und f?hrte sie zu einem Balkon am Ende des Flurs. Er drehte sich zu ihr und ?ffnete den Mund, aber es kamen keine Worte heraus. Er schloss ihn wieder und schien mit sich zu ringen, wie er am besten anfangen sollte. Dann versuchte er es nochmal. „Es sieht so aus, als sei er gestern Abend hierher zur?ckgekommen, um eine Spur zu verfolgen. Nach dem, was wir bisher herausgefunden haben, scheint er im Hauptschlafzimmer angegriffen worden zu sein. Es gab eindeutig einen Kampf. Er wurde ermordet, zu Tode erdrosselt.“ Jessie sp?rte, wie ihr Verstand au?er Kontrolle geriet und die Gedanken nur so hin und her stoben. Sie versuchte, ihn zu b?ndigen. Ein Teil ihres Gehirns stellte bereits Fragen zum Tathergang. Aber w?tend ?ber sich selbst brachte sie ihn zum Schweigen und dr?ckte ihre Augen fest zu, als k?nne sie ihre Gedanken damit irgendwie abstellen. Garland. Er war tot. Der legend?re Profiler, mit dem sie sich anfangs nicht getraut hatte, zu reden. Der Mann, der dann irgendwann ihr Mentor geworden war und sp?ter ein Vertrauter, dem sie ihre dunkelsten Geheimnisse anvertraut hatte. Nie wieder w?rde er sie aufziehen oder auf die Probe stellen oder sie unterst?tzen. Er war nicht mehr da. Jessie sp?rte, wie eine Welle der Trauer ?ber sie hinweg rollte, und sie h?rte die echten Wellen in der Ferne. Es war, als kannte der Ozean ihren Schmerz und versuchte, einen dazugeh?rigen Soundtrack zu kreieren. Sie beugte den Oberk?rper nach vorne und zwang sich, mehrmals tief einzuatmen, bevor sie wieder etwas sagen w?rde. Als sie den Eindruck hatte, dass sie ihren K?rper wieder einigerma?en unter Kontrolle hatte, richtete sie sich wieder auf. Ryan betrachtete sie mit einem besorgten Gesichtsausdruck. „Es geht mir gut“, sagte sie, zweifelte aber daran, dass das stimmte. „Bring mich auf den neuesten Stand.“ Ryan starrte sie an, als sei sie verr?ckt geworden. „Das kann ich nicht“, sagte er ungl?ubig. „Du bist momentan nicht in der Verfassung, ein Verbrechen zu analysieren.“ „Und du bist es?“, fragte sie und sp?rte, wie sich in ihrem Bauch Wut breitmachte, die ihm gegen?ber allerdings v?llig unangemessen war. „Du hast ihn auch gekannt.“ „Ja“, r?umte Ryan ein. „Ich kannte ihn und ich mochte ihn. Aber ich stand ihm bei weitem nicht so nahe wie du. Dennoch war es schrecklich f?r mich. Tats?chlich habe ich Trembley angerufen, damit er mir hilft, da es mir so zu schaffen machte.“ „Ist er nun da drinnen?“, fragte Jessie. Alan Trembley war der Junior Detective in der Sondereinheit der Mordkommission der Central Station. Trotz seiner jungen Jahre war er ein dynamisches und kompetentes Mitglied des Teams. „Ja, und er leistet hervorragende Arbeit. Ich werde ihn bitten zu ?bernehmen, damit ich dich nach Hause bringen kann.“ „Nein“, beharrte sie. „Ich will nicht, dass du etwas Wichtiges verpasst, weil du nicht da warst.“ „Jessie. Wir haben da drinnen alles unter Kontrolle. Wir nutzen bei dieser Untersuchung nicht das MBPD. Die Beamten dort bei Trembley sind aus unserem Revier. Der stellvertretende Gerichtsmediziner und die Tatort-Techniker geh?ren uns. Captain Decker bestand darauf, unsere eigenen Leute einzusetzen, und der Chief von Manhattan Beach hat keinerlei Widerspruch geleistet. Es werden gerade Fotos gemacht und Videos gedreht. Alles, was getan werden kann, wird getan. Lass mich dich nach Hause bringen. Ich werde veranlassen, dass jemand dein Auto zur?ckf?hrt. Glaub mir, du willst da nicht reingehen.“ Jessie blickte ?ber seine Schulter hinweg auf den Strand in der Ferne. Der Nebel begann sich langsam zu verziehen. Zwar konnte sie das Wasser immer noch nicht sehen, allerdings die schemenhaften Figuren einiger Leute, die dort entlang spazierten. Wer geht um diese Zeit am Strand spazieren? Sie sch?ttelte den Kopf, w?tend ?ber sich selbst. Das ist doch jetzt v?llig egal. Rei? dich zusammen! „Okay“, erwiderte sie schlie?lich. „Aber lass uns zuerst dorthin gehen.“ Ryan schaute in die Richtung, in die sie deutete, und nickte. „Warte nur einen Augenblick“, sagte er. „Ich will erst noch Trembley Bescheid sagen, was hier los ist.“ „Mach ruhig“, sagte sie geistesabwesend. „Wir sehen uns am Strand.“ Ryan f?hrte sie die Treppe hinunter, dann ging er wieder rauf. Jessie trat aus der Eingangst?r, fand ein paar Stufen, die vom Strip hinunter auf einen Fahrradweg f?hrten, und dahinter begann der Strand. Sie zog ihre Schuhe aus und hielt sie mit den Fingern an den Fersen fest. Dann ging sie in Richtung des Wassers. Obwohl es Fr?hsommer war, war der Sand um diese Zeit noch ganz k?hl. Er bewegte sich unter ihren F??en und bahnte sich seinen Weg zwischen ihre Zehen. Sie ging langsam, als versuchte sie das Gleichgewicht zu halten, und folgte dabei eher dem Ger?usch der Wellen als ihren Augen. Als sie n?her kam, sah sie eines dieser alten, blauen Rettungsschwimmer-H?uschen. Sie ging daran vorbei und merkte, dass der Sand nun h?rter und komprimierter war. Nach ein paar Schritten sp?rte sie die klamme Feuchtigkeit unter ihren F??en, wo die Str?mung soeben hin?bergeschwappt war. Jetzt konnte sie das Wasser sehen. Welle um Welle krachte ?bereinander und kreierte eine schaumige Gischt, die gierig leckend nach vorne str?mte und sich um ihre Zehen kr?uselte. Ein kurzes St?ck davor setzte sie sich hin und betrachtete die Wellen. Nach einer Weile – sie wusste nicht genau, wie viel Zeit vergangen war – kam Ryan und setzte sich neben sie. Keiner von ihnen sagte ein Wort. Sie streckte die Hand aus, und er ergriff sie. Sie lehnte sich seitlich an ihn und legte den Kopf auf seine Schulter. Sie dachte, dass die tosenden Wellen vielleicht ihr Weinen verschlucken w?rden. Aber sie war sich dessen nicht sicher, und es war ihr im Grunde genommen auch egal. * Er beobachtete das Geschehen, bis die Sonne aufging. Anfangs war es schwierig wegen des Nebels, und weil er mehrere Blocks entfernt war. Aber nachdem er im Wandschrank des Hauptschlafzimmers ein Fernglas gefunden hatte, war er auf die Dachterrasse geklettert und beobachtete nun das Geschehen sechs Blocks weiter unten am Strip, wo es passiert war. All das hatte ihn auf seltsame Weise erregt. Es hatte etwas Befriedigendes an sich zu wissen, dass er die Ursache dieser Symphonie an Sirenen w?hrend der vergangenen zwei N?chte war. Allerdings verstand er nicht ganz, warum. In der ersten Nacht hatte es noch einen Sinn ergeben. Aber die Reaktion der Polizei in der vergangenen Nacht schien sogar noch extremer gewesen zu sein als in der Nacht davor. Vielleicht entging ihm da etwas. Als schlie?lich die Sonne im Osten ?ber die H?gel stieg, zog er sich in das Haus zur?ck, dessen er sich momentan bem?chtigt hatte. Er wollte eigentlich schlafen, aber das war gar nicht so einfach bei all der Aufregung. Seine Gedanken kehrten zur?ck zu dem, was er getan hatte, was er genommen hatte. Er hatte nie vorgehabt, diese Frau zu t?ten. Schlie?lich hatte er sich im Haus der Blooms nur um seinen eigenen Kram hatte k?mmern wollen; in dem Haus, das sie im Sommer immer wochenlang leer stehen lie?en. Er hatte niemanden gest?rt. Aber dann war diese wichtigtuerische Frau von nebenan aufgetaucht, mit ihrem Plastikk?rper und ihrem noch k?nstlicheren L?cheln. Er hatte gedacht, dass sie nach einer Weile wieder gehen w?rde, aber dann war sie ins Haus eingedrungen und hatte das gleiche Verbrechen begangen wie er. Er hatte gehofft, dass sie einfach wieder verschwinden und ihn zu seinem Leben zur?ckkehren lassen w?rde. Aber nein, sie hatte ja neugierig werden und sich selbst eine F?hrung durchs Haus g?nnen m?ssen. Wenn sie sich das blo? verkniffen h?tte, dann w?re sie heute vielleicht noch am Leben. Aber sobald sie ihn gesehen hatte, hatte er keine Wahl gehabt. Wahrscheinlich h?tte sie ihn der Polizei beschrieben, und dann w?re er in einer wirklich brenzligen Lage gewesen. Also hatte er sie aufhalten, sie zum Schweigen bringen m?ssen. Er hatte es nicht zulassen d?rfen, dass sie ihm seinen Lebensstil wegnimmt, selbst wenn er diesen nur zeitweise hatte f?hren k?nnen. Also hatte er sie erw?rgt. Anfangs hatte er einen Adrenalinrausch gehabt, als er sie gegen die T?r gesto?en und ihr anschlie?end den Strumpf um den Hals gewickelt hatte. Als sie sich dann wirklich mit H?nden und F??en gewehrt hatte, waren ihm kurzzeitig Zweifel gekommen: Vielleicht sollte er sie einfach nur bewusstlos machen und dann irgendwohin, an einen anderen Ort, abhauen. Aber dann hatte sich wieder die alte Wut in ihm breitgemacht. Warum sollte er denn gehen, nur um es einer weiteren reichen Ziege recht zu machen? Das hatte er in seinem Leben oft genug getan. Und pl?tzlich hatte er ihren Hals noch fester zugedr?ckt und sich vorgestellt, dass sie eines dieser Models w?re, die getan hatten, was immer er verlangt hatte, die ihn aber jetzt keines Blickes mehr w?rdigten. Er hatte zugesehen, wie der Strumpf in ihr Fleisch eingedrungen war und ihr die Luftzufuhr abgeschnitten hatte, und er hatte eine beinahe orgasmische Erregung gesp?rt, als ihm klar geworden war, dass ihr Leben wortw?rtlich in seinen H?nden lag. Êîíåö îçíàêîìèòåëüíîãî ôðàãìåíòà. Òåêñò ïðåäîñòàâëåí ÎÎÎ «ËèòÐåñ». Ïðî÷èòàéòå ýòó êíèãó öåëèêîì, êóïèâ ïîëíóþ ëåãàëüíóþ âåðñèþ (https://www.litres.ru/pages/biblio_book/?art=63590631&lfrom=688855901) íà ËèòÐåñ. Áåçîïàñíî îïëàòèòü êíèãó ìîæíî áàíêîâñêîé êàðòîé Visa, MasterCard, Maestro, ñî ñ÷åòà ìîáèëüíîãî òåëåôîíà, ñ ïëàòåæíîãî òåðìèíàëà, â ñàëîíå ÌÒÑ èëè Ñâÿçíîé, ÷åðåç PayPal, WebMoney, ßíäåêñ.Äåíüãè, QIWI Êîøåëåê, áîíóñíûìè êàðòàìè èëè äðóãèì óäîáíûì Âàì ñïîñîáîì.
Íàø ëèòåðàòóðíûé æóðíàë Ëó÷øåå ìåñòî äëÿ ðàçìåùåíèÿ ñâîèõ ïðîèçâåäåíèé ìîëîäûìè àâòîðàìè, ïîýòàìè; äëÿ ðåàëèçàöèè ñâîèõ òâîð÷åñêèõ èäåé è äëÿ òîãî, ÷òîáû âàøè ïðîèçâåäåíèÿ ñòàëè ïîïóëÿðíûìè è ÷èòàåìûìè. Åñëè âû, íåèçâåñòíûé ñîâðåìåííûé ïîýò èëè çàèíòåðåñîâàííûé ÷èòàòåëü - Âàñ æä¸ò íàø ëèòåðàòóðíûé æóðíàë.