×òî æå åñòü ó ìåíÿ? Äûðû â äðàíûõ êàðìàíàõ, Òðè ìîðùèíû íà ëáó, Äà èñò¸ðòûé ïÿòàê... Íî íå æàëêî íè äíÿ- Ìíå ñóäüáîþ ïðèäàííûõ, Õîòü ïîðîé ÿ æèâó Ïîïîäàÿ â ïðîñàê. Âñ¸ ÷òî åñòü ó ìåíÿ: Ñîâåñòü, ÷åñòü è óìåíüå. ß îòäàì íå ñêóïÿñü- Ïðîñòî òàê çà ïóñòÿê. Çà ïîñòåëü ó îãíÿ, Äîáðîòó áåç ñòåñíåíüÿ. È çà òî, ÷òî ïðîñòÿñü, Íå çàáûòü ìíå íè êàê... Âñ¸ ÷

Nichts Als Rennen

Nichts Als Rennen Blake Pierce Ein Adele Sharp Mystery #2 „Wenn man glaubt, dass das Leben nicht besser werden kann, dann hat Blake Pierce ein weiteres Meisterwerk an Thriller und Mysterium geschaffen! Dieses Buch ist voller Wendungen und das Ende bringt eine ?berraschende Enth?llung. Ich empfehle dieses Buch jedem Leser, der sich an einem sehr gut geschriebenen Thriller erfreut, es sich anzuschaffen. ” –Autor und Filmkritiker, Roberto Mattos (Fast So Gut Wie Vor?ber) NICHTS ALS RENNEN ist Buch Nr. 2 in einer neuen FBI-Thriller-Serie von USA Today Bestsellerautor Blake Pierce, dessen Bestseller Nr. 1 Verschwunden (Buch Nr. 1) (ein kostenloser Download) ?ber 1.000 F?nf-Sterne-Kritiken erhalten hat. Ein Serienm?rder w?tet in der amerikanischen Expat-Gemeinde in Paris, seine Morde erinnern an Jack the Ripper. F?r FBI-Spezialagentin Adele Sharp ist es ein wahnsinniger Wettlauf gegen die Zeit, um in seinen Verstand einzudringen und das n?chste Opfer zu retten – bis sie ein Geheimnis aufdeckt, das dunkler ist, als man es sich vorstellen kann. Von der Ermordung ihrer eigenen Mutter verfolgt, st?rzt sich Adele in den Fall und taucht in die grausige Unterwelt einer Stadt ein, die sie einst ihr Zuhause nannte. Kann Adele den M?rder aufhalten, bevor es zu sp?t ist? Eine actiongeladene Mysterienreihe voller internationaler Intrigen und fesselnder Spannung. Mit NICHTS ALS RENNEN k?nnen Sie bis sp?t in die Nacht umbl?ttern. Buch #3 – NICHTS ALS VERSTECKEN – ist jetzt zur Vorbestellung erh?ltlich. Blake Pierce NICHTS ALS RENNEN N I C H T S A L S R E N N E N (Ein Adele Sharp Mystery – Buch 2) B L A K E    P I E R C E Blake Pierce Blake Pierce ist der USA Today Bestseller-Autor der RILEY PAGE Mystery-Serie, die sechzehn B?cher (und es werden noch mehr) umfasst. Blake Pierce ist auch der Autor der Mystery-Serie MACKENZIE WHITE, die dreizehn B?cher umfasst (Tendenz steigend); der Mystery-Serie AVERY BLACK, die sechs B?cher umfasst; der Mystery-Serie KERI LOCKE, die f?nf B?cher umfasst; der Mystery-Serie DAS MAKING OF RILEY PAIGE, die f?nf B?cher umfasst (Tendenz steigend); der Mystery-Serie KATE WISE, die sechs B?cher umfasst (Tendenz steigend); der psychologischen Krimireihe CHLOE FINE, die f?nf B?cher umfasst (Tendenz steigend); der psychologischen Krimireihe JESSE HUNT, die f?nf B?cher umfasst (Tendenz steigend); der psychologischen Krimireihe AU PAIR, die zwei B?cher umfasst (Tendenz steigend); der Krimireihe ZOE PRIME, die zwei B?cher umfasst (Tendenz steigend); und der neuen Krimireihe ADELE SHARP. Als begeisterter Leser und lebenslanger Fan der Mystery- und Thriller-Genres liebt es Blake, von Ihnen zu h?ren. Besuchen Sie www.blakepierceauthor.com (http://www.blakepierceauthor.com/), um mehr zu erfahren und in Kontakt zu bleiben. Urheberrecht © 2020 von Blake Pierce. Alle Rechte vorbehalten. Mit Ausnahme der Bestimmungen des U.S. Copyright Act von 1976 darf kein Teil dieser Publikation ohne vorherige Genehmigung des Autors in irgendeiner Form oder mit irgendwelchen Mitteln reproduziert, verteilt oder ?bertragen oder in einer Datenbank oder einem Retrievalsystem gespeichert werden. Dieses eBook ist nur f?r Ihren pers?nlichen Gebrauch lizenziert. Dieses eBook darf nicht weiterverkauft oder an andere Personen verschenkt werden. Wenn Sie dieses Buch an eine andere Person weitergeben m?chten, erwerben Sie bitte f?r jeden Empf?nger ein zus?tzliches Exemplar. Wenn Sie dieses Buch lesen und es nicht gekauft haben, oder wenn es nicht nur f?r Ihren Gebrauch gekauft wurde, dann geben Sie es bitte zur?ck und erwerben Sie Ihr eigenes Exemplar. Vielen Dank, dass Sie die harte Arbeit dieses Autors respektieren. Dies ist ein Werk der Belletristik. Namen, Charaktere, Unternehmen, Organisationen, Orte, Ereignisse und Begebenheiten sind entweder das Produkt der Phantasie des Autors oder werden fiktiv verwendet. Jede ?hnlichkeit mit tats?chlichen Personen, lebendig oder tot, ist v?llig zuf?llig. Jackenbild Copyright JakubD, verwendet unter Lizenz von Shutterstock.com. B?CHER VON BLAKE PIERCE ADELE SHARP MYSTERY-SERIE NICHTS ALS STERBEN (Buch #1) NICHTS ALS RENNEN (Buch #2) NICHTS ALS VERSTECKEN (Buch #3) DAS AU-PAIR SO GUT WIE VOR?BER (Band #1) SO GUT WIE VERLOREN (Band #2) SO GUT WIE TOT (Band #3) ZOE PRIME KRIMIREIHE GESICHT DES TODES (Band #1) GESICHT DES MORDES (Band #2) GESICHT DER ANGST (Band #3) JESSIE HUNT PSYCHOTHRILLER-SERIE DIE PERFEKTE FRAU (Band #1) DER PERFEKTE BLOCK (Band #2) DAS PERFEKTE HAUS (Band #3) DAS PERFEKTE L?CHELN (Band #4) DIE PERFEKTE L?GE (Band #5) DER PERFEKTE LOOK (Band #6) DIE PERFEKTE AFF?RE (Band #7) DAS PERFEKTE ALIBI (Band #8) CHLOE FINE PSYCHOTHRILLER-SERIE NEBENAN (Band #1) DIE L?GE EINES NACHBARN (Band #2) SACKGASSE (Band #3) STUMMER NACHBAR (Band #4) HEIMKEHR (Band #5) GET?NTE FENSTER (Band #6) KATE WISE MYSTERY-SERIE WENN SIE W?SSTE (Band #1) WENN SIE S?HE (Band #2) WENN SIE RENNEN W?RDE (Band #3) WENN SIE SICH VERSTECKEN W?RDE (Band #4) WENN SIE FLIEHEN W?RDE (Band #5) WENN SIE F?RCHTETE (Band #6) WENN SIE H?RTE (Band #7) DAS MAKING OF RILEY PAIGE MYSTERY-SERIE BEOBACHTET (Band #1) WARTET (Band #2) LOCKT (Band #3) NIMMT (Band #4) LAUERT (Band #5) T?TET (Band #6) RILEY PAIGE MYSTERY-SERIE VERSCHWUNDEN (Band #1) GEFESSELT (Band #2) ERSEHNT (Band #3) GEK?DERT (Band #4) GEJAGT (Band #5) VERZEHRT (Band #6) VERLASSEN (Band #7) ERKALTET (Band #8) VERFOLGT (Band #9) VERLOREN (Band #10) BEGRABEN (Band #11) ?BERFAHREN (Band #12) GEFANGEN (Band #13) RUHEND (Band #14) GEMIEDEN (Band #15) VERMISST (Band #16) AUSERW?HLT (Band #17) EINE RILEY PAIGE KURZGESCHICHTE EINST GEL?ST MACKENZIE WHITE MYSTERY-SERIE BEVOR ER T?TET (Band #1) BEVOR ER SIEHT (Band #2) BEVOR ER BEGEHRT (Band #3) BEVOR ER NIMMT (Band #4) BEVOR ER BRAUCHT (Band #5) EHE ER F?HLT (Band #6) EHE ER S?NDIGT (Band #7) BEVOR ER JAGT (Band #8) VORHER PL?NDERT ER (Band #9) VORHER SEHNT ER SICH (Band #10) VORHER VERF?LLT ER (Band #11) VORHER NEIDET ER (Band #12) VORHER STELLT ER IHNEN NACH (Band #13) VORHER SCHADET ER (Band #14) AVERY BLACK MYSTERY-SERIE DAS MOTIV (Band #1) LAUF (Band #2) VERBORGEN (Band #3) GR?NDE DER ANGST (Band #4) RETTE MICH (Band #5) ANGST (Band #6) KERI LOCKE MYSTERY-SERIE EINE SPUR VON TOD (Band #1) EINE SPUR VON MORD (Band #2) EINE SPUR VON SCHW?CHE (Band #3) EINE SPUR VON VERBRECHEN (Band #4) EINE SPUR VON HOFFNUNG (Band #5) KAPITEL EINS Unter dem Abendhimmel, auf dem sich noch die letzten Lichtstreifen der untergehenden Sonne abzeichneten, warf Adele einen Blick auf die zitternden H?nde ihres Partners Agent Masse. Seine Oberlippe war mit Schwei?perlen ?bers?t und sein Adamsapfel zuckte, w?hrend er auf den Lauf seiner Dienstwaffe starrte. Adeles neuer Partner bemerkte ihren Blick und l?chelte unsicher, gefolgt von einem kurzen Daumen nach oben. Diese Geste veranlasste Masse dazu, seine Waffe kurzzeitig mit einer Hand loszulassen, bevor er sie wieder fest in beide H?nde nahm. Adele widersetzte sich dem Drang ihm einen finsteren Blick zuzuwerfen. Ihre Augen verengten sich, glitten ?ber ihre eigene Dienstwaffe, mit der sie in Richtung des zweiten Stockwerks des Motels zielte. Zu ihrer Rechten bildete nur ein d?nnes, klappriges wei?es Gel?nder, das zudem noch halb verrostet war, eine prek?re Barriere zwischen dem Flur, in dem sie stand und dem darunter liegenden Innenhof. Die Verst?rkung lie? auf sich warten- ?ber Funk hatte sie mitbekommen, dass aufgrund eines bewaffneten ?berfalls an einer Tankstelle, die meisten Einheiten in der Gegend umgeleitet worden waren. Aber sie konnten nicht warten. Hernandez hatte sich in der Vergangenheit als unbest?ndig erwiesen. Im Moment hatte sie nur Masse und ihre eigene Vorahnung. Adele blickte ?ber das Gel?nder auf den rechteckigen Pool hinunter; das unnat?rlich blaue Wasser reflektierte das verbleibende Abendlicht in sanften Bewegungen auf der Oberfl?che. Ein Sprungbrett auf der gegen?berliegenden Seite befand sich direkt neben einer metallenen Einstiegsleiter. Der bei?ende, aufsteigende Chlorgeruch in der Luft vermischte sich mit dem Gestank der vorbeifahrenden Autos der benachbarten Stra?e. Durch die L?cken zwischen den beiden Geb?udebl?cken des Motels konnte man fl?chtige Blicke auf die parkenden Autos erhaschen. „Konzentration“, murmelte Adele leise. Sie stand mit dem R?cken gegen die Holzfassade des billigen Motels gepresst und f?hlte, wie der Staub ihren Nacken herunter rieselte, aber sie ignorierte es. Sie bahnte sich ihren Weg, weiter an der Wand entlang gleitend, in Richtung ihres Ziels. Eine Frau schaute auf der anderen Seite des Hofes aus einem Fenster und beobachtete wachsam die sich n?hernden der FBI-Agenten. Adele warf der Frau aus der Ferne einen Blick zu und sch?ttelte leicht den Kopf. Die Person duckte sich sofort und verschwand wieder hinter dem mit fettigen Fingerabdr?cken ?bers?ten Fester, aus dem Blickfeld der Agenten. Agent Masse folgte dicht hinter Adele, die ihre Aufmerksamkeit wieder auf Zimmer A7 richtete. Sie warf ihrem neuen Partner einen finsteren Blick zu. „Vorsicht“, murmelte sie im Fl?sterton. Masse hob bes?nftigend die Hand und l?ste seinen Griff wieder von seiner Dienstwaffe. Innerlich unterdr?ckte Adele ihre Frustration. So streits?chtig er auch war, eines konnte man ?ber John Renee sagen: Er verachtete Amateure. Jetzt, zur?ck in San Francisco, stellte Adele fest, dass sie den gro?en franz?sischen Agenten mit dem Narbengesicht vermisste. Rein professionell, nat?rlich. Aber nat?rlich. John war ein ausgezeichneter Sch?tze, zuverl?ssig, wenn er sich in Gefahr befand, und – was am wichtigsten war – er w?rde nicht immer wieder von hinten in sie hineinrennen, wenn sie sich direkt vor dem Motelzimmers eines M?rders befanden. „W?rden Sie bitte damit aufh?ren?“, fl?sterte sie schlie?lich nach dem dritten Knie das versehentlich in ihrem Oberschenkel gelandet war, w?hrend beide die Treppe hinaufschlichen. „Entschuldigung“, sagte Agent Masse, ein bisschen zu laut. Adele versteifte. Aus dem Inneren von A7 glaubte sie Schritte zu h?ren. Sie starrte auf die T?r, ihr Puls dr?hnte ihr in den Ohren. Dann verstummten die Ger?usche. Adele wartete und befeuchtete den Rand ihrer Lippen, ihre Ohren spitzten sich, ihre Augen waren auf den silbernen T?rgriff unter dem Kartenscanner gerichtet. Jason Hernandez wurde in zwei F?llen verd?chtigt, seine Opfer barbarisch ermordet zu haben. Adele hatte die Woche zuvor die toxikologischen Berichte durchgesehen. Jason hatte seine Opfer mit Methamphetamin vollgepumpt, bevor er sie im Wohnzimmer ihrer eigenen Wohnung zu Tode gepr?gelt hatte. Angeblich sagte sie zu sich selbst und Bilder schossen ihr durch den Kopf. Sie stellte sich karminrote Flecken auf einem kunstvoll gemusterten t?rkischen Teppich vor. Sie erinnerte sich an die entsetzten Gesichtsausdr?cke des Reinigungspersonals, das Jasons Tat gefunden hatte. Und nat?rlich waren die Verbrechen in den Hills geschehen. Ein reiches und ber?hmtes Paar wird ermordet? Keine Chance liebes Morddezernat, hallo, FBI. Adele nickte zur T?r und hob ihre Waffe. Ihr neuer Partner z?gerte. Sie versuchte nicht mit den Augen zu rollen, sondern sagte in einem energischen Fl?sterton: „Schl?sselkarte. Beeilung!” Agent Masse erstarrte wie ein Hirsch im Scheinwerferlicht. Der junge Agent starrte neben Adeles Gesicht in die Luft, bevor ihre Worte endlich bei ihm ankamen. Er bewegte sich nun zu schnell, als wolle er die verlorene Zeit aufholen, eilte an ihr vorbei und schlitterte dabei an dem verrosteten wei?en Gel?nder zum Pool hin, entlang. Seine Hand schnellte dann zu seiner rechten Tasche, wo er mit dem Verschlussknopf zu k?mpfen hatte. Adele starrte ihn ungl?ubig an. Masse err?tete und murmelte Sorry, w?hrend er immer noch an seinem Knopf herumfummelte. Er schien es nicht fertig zu bringen ihn zu ?ffnen. Mit einem Ruck steckte Masse seine Waffe in den Holster, griff mit beiden H?nden nach oben und kn?pfte die Tasche auf. Schlie?lich zog er, immer noch mit der Waffe im Holster, die Schl?sselkarte heraus, die ihm der Motelangestellte gegeben hatte. Mit noch zitternder Hand schob der junge Agent die Karte in die T?r. Ein kleines gr?nes Licht blinkte ?ber dem L-f?rmigen Griff auf. Masse trat zur?ck, sein junges Gesicht musterte Adele. Sie nickte in Richtung seiner H?fte. Wieder sah sie in ein leeres Gesicht. „Ihre Waffe“, sagte Adele, durch zusammengebissene Z?hne. Masses Augen weiteten sich, er zog schnell seine Waffe ein zweites Mal aus dem Holster und richtete sie auf die T?r. Die Fenster zu Zimmer A7 waren geschlossen und die Vorh?nge dunkelten das Zimmer vollst?ndig ab. „Er ist bewaffnet und gef?hrlich“, sagte Adele au?er Atem. Normalerweise schien der zweite Teil dieses Satzes ?berfl?ssig, aber bei Masse konnte sie sich nie sicher sein. „Wenn Sie eine Waffe sehen, geben Sie ihm nicht die Gelegenheit sie zu benutzen. Verstanden?” Agent Masse starrte sie an, zitterte, nickte aber. Adele schluckte und versuchte ihre eigenen Nerven zu beruhigen. Sie festigte ihren Griff und sp?rte die kalte, schwere Waffe in ihren H?nden liegen. Sie bem?hte sich, ihre eigene Aversion gegen?ber ihrer Schusswaffe nicht anmerken zu lassen. Der Umgang mit Waffen war immer der ungeliebteste Teil ihrer Arbeit gewesen. Masse nahm auf der gegen?berliegenden Seite der T?r Stellung. Mit einem eindringlichen Blick in ihre Richtung streckte er seine rechte Hand aus, mit der linken immer noch seine Waffe haltend, und dr?ckte den T?rgriff hinunter. Die T?r schlug auf. Ein wilder Schrei ert?nte von innen und jemand dr?ckte sich von der anderen Seite gegen das Holz und lie? Masse taumeln. Ihr Partner schoss einmal, zweimal – ohne zu zielen. Agent Masse stolperte durch den anhaltenden Schwung der T?r und fiel zu Boden. Die Kugeln trafen die Decke. Im Inneren des Motelzimmers war nun eine dunkle Gestalt zu erkennen, dessen Umrisse sich in Schatten auf dem Fu?boden spiegelten. Die Person hielt etwas Metallisches in ihren H?nden. Eine Waffe? Nein. Zu klein. Die Gestalt lief weder nach links noch nach rechts, sondern nahm stattdessen Anlauf, sprang mit einem Satz ?ber das Gel?nder und st?rzte sich in Richtung des darunter liegenden Pools. Adeles Fluchen ert?nte gemeinsam mit einem lauten Platschen! Adele positionierte ihre Waffe und machte drei schnelle, kontrollierte Schritte in Richtung des Gel?nders. Ihre Augen scannten den Pool, dann fasste sie die umliegende Hecke ins Auge. Sie richtete ihre Waffe auf die sich entfernende Gestalt unter ihr… …und erkannte ihn sofort mit seinem kahlrasierten Kopf und dem Tattoo zweier in sich verschlungener Schlangen, die hinter seinen Ohren begannen und sich bis zum Ende seines Halses erstreckten. Die Zungen der beiden Schlangen bildeten einen Knoten zwischen seinen Schulterbl?ttern. Jason Hernandez trug kein Hemd. Er hatte ein leichtes B?uchlein und seine ausgebeulte Hose klebte nun klatsch nass an seinen Beinen, was ihn aber nicht davon abhielt sich mit einem lauten St?hnen aus dem Wasser zu hieven, dann vom Rand zu robben und tropfnass und v?llig au?er Atem in Richtung Hecke zu humpeln. Am Ende stolperte er ?ber die knackenden ?ste, landete im Geb?sch, bevor er – auf Spanisch fluchtend – wieder auf die Beine kam und ?ber die Freifl?che der beiden Geb?udebl?cke des Motels zur belebten Stra?e eilte. Adeles hatte den Finger fest am Abzug, die Z?hne zusammengepresst. „Stopp!“, rief sie. Aber er hielt nicht an. Wieder entdeckte sie etwas Metallisches, das er in seiner rechten Hand hielt. Ein Messer? Ein guter Schuss. Sie hatte ihn im Visier. Aber nein, er war unbewaffnet. Die meisten M?rder brauchten allerdings auch keine Waffen, um gef?hrlich zu sein. Der mutma?liche M?rder, korrigierte sie sich erneut selbst. Adele senkte ihre Waffe und raste an ihrem Partner vorbei, der sich immer noch von dem Schmerz erholte, den die T?r in seinem Gesicht hinterlassen hatte. Aus seiner Nase str?mte Blut und er sah benommen aus, w?hrend er noch immer auf dem Boden sa? und sein Kinn massierte. Adele st?rmte an ihm vorbei und schrie: „Er haut ab!“ Sie rannte zum Ende des Ganges, ohne sich umzusehen. Sie konnte keine weiteren Schritte h?ren, die ihr folgten, was darauf hindeutete, dass ihr neuer Partner zumindest f?r eine Weile au?er Gefecht war. Adele dehnte nochmals ihren Kiefer, bevor sie die metallene Wendeltreppe erreichte und gleich drei Stufen auf einmal nahm, um so schnell wie m?glich unten anzukommen. Schusswaffen waren nicht ihre St?rke. Aber Kriminelle zu finden schon. Flink wie ein Wiesel t?nzelte sie spielendleicht die Treppe hinunter und sah zu, wie Jason auf die Stra?e rannte. Adele verlor ihn aus den Augen, als sie das Ende der Treppe erreicht hatte und sich ebenfalls in Richtung Stra?e bewegte. Aber nach ein paar Schritten z?gerte sie, hielt kurz inne und legte keuchend neben dem br?unlichen Gestr?pp, das den Pool s?umte, eine Pause ein. W?rde Jason wirklich ?ber die belebte Stra?e fliehen? Die Leute w?rden ihn erkennen. In diesem Teil der Stadt gab es viel Polizei und ebenso viele Kontrollen. Jason wusste das. Ihre Gedanken kehrten zu dem metallischen Gegenstand zur?ck, den sie in seiner Hand entdeckt hatte. Ein Messer? Nein. Eine Waffe? Zu klein. Ein Schl?ssel. Das musste es sein. Ihre Augen blickten kurz zur?ck in Richtung des Flurs vor den Zimmern des Motels. Die Schl?ssel zum Motel? Nein. Sie hatten eine Schl?sselkarte benutzt. Sie wandte sich von der Stra?e ab, ihre Augen erfassten die L?nge des zweiten Geb?udekomplexes des Motels, um den der Verd?chtige verschwunden war. W?rde er umkehren? Autoschl?ssel – etwas anderes kam doch nicht in Frage, oder? Jasons Truck stand auf dem Parkplatz des Motels; sie hatten ihn auf dem Weg hierher gesehen. Adele nickte sich selbst zu und dann, anstatt auf die Baul?cke zwischen den Geb?uden, die zur Stra?e f?hrte, zuzulaufen, drehte sie sich um und sprintete in die entgegengesetzte Richtung. Der Parkplatz des Motels befand sich hinter den Geb?uden, war mit einem gro?en Holzzaun gesichert und wurde an allen vier Ecken von neuen roten M?llcontainern mit schwarzen Deckeln begrenzt. Es war nur eine Vorahnung, aber manchmal war eine Ahnung alles, was ein Agent haben musste. Adele konnte Sirenen in der Ferne h?ren, aber sie waren immer noch schwach. Sie war auf sich allein gestellt. Sie blickte ?ber ihre Schulter zur?ck in Richtung Treppe und bemerkte, wie ihr Partner langsam nach unten kam und sich ihr mit einem noch benommenen Blick auf dem Gesicht, Kopf sch?ttelnd n?herte. Er taumelte ein wenig und das Blut str?mte immer noch aus seiner Nase. Adele seufzte verzweifelt, als sie in Richtung des Parkplatzes lief. Sie h?pfte ?ber eine weitere kleine Hecke, dankbar f?r all die Zeit, die sie morgens mit Joggen verbrachte. Sie passierte die Rezeption und kam dann an einem Maschendrahtzaun und einem roten M?llcontainer vorbei, der hinter den B?ros stand. Der Geruch von zwei Wochen altem M?ll wehte in der Luft und setzte sich in ihrer Kleidung fest. Sie ignorierte den Geruch und st?hnte, als ein hervorstehender Balken des Zauns ihren Anzug erwischte; ein leises Aufrei?en, ein kurzer stechender Schmerz. Aber sie riss sich zusammen und ignorierte das Loch in ihrem Outfit. Adele hockte sich zwischen den Maschendrahtzaun und den stinkenden M?llcontainer, bevor sie kurz aufstand und den gro?en schwarzen Lastwagen mit hervorstehenden Spiegeln anstarrte. Das Fahrzeug parkte auf halber Strecke zwischen ihr und zwei L?cken weiter hinter einem Minivan. Die Vordert?r des Trucks stand offen. Jason krabbelte bereits auf den Fahrersitz. Er warf einen Blick in ihre Richtung, fluchte dann lauthals, bevor er die Vordert?r zuschlug und seine Schl?ssel in die Z?ndung steckte. Sie h?rte ein dumpfes Rasseln und eine Reihe von Fl?chen auf Spanisch. Sie hob ihre Waffe und richtete sie auf das Fenster. „Bleiben Sie stehen oder ich schie?e!“, rief sie. Aber Hernandez ignorierte sie. Er fummelte weiter an den Schl?sseln herum. Endlich sprang der Motor an. Jason starrte sie aus dem Fenster mit panisch weit aufgerissen Augen an. Seine Schlangent?towierung am Hals pulsierte merklich und dicke Adern ragten aus seinen Schl?fen. Er murmelte etwas, das sie durch die geschlossene Scheibe nicht h?ren konnte und legte dann den Gang ein. Er trat das Gaspedal voll durch. Die Reifen quietschten und der Truck schoss nach vorn und kollidierte fast mit dem Geb?ude. Jason fluchte unh?rbar und legte den R?ckw?rtsgang ein, bevor er ?ber seine Schulter blickte. Im Gegensatz zum Motel war Jasons Truck in einwandfreiem Zustand. Die Fenster waren sauber und der Truck selbst hatte keinen einzigen Kratzer und keine einzige Delle. Einige der Augenzeugen, die gesehen hatten, wie Hernandez seinen angeblichen Opfern nach Hause folgte, hatten behauptet, alles habe begonnen, als Mr. Carter Jasons Truck beinahe hinten auffuhr. Adele hielt ihre Waffe am Abzug und stand fest mit abgespreizten Schultern und F??en am Boden. „Stopp, FBI!“, rief sie. „Agent Sharp!“, rief eine Stimme ?ber ihre Schulter. F?r den Bruchteil einer Sekunde zuckte sie zusammen und blickte zur?ck. Masse stolperte durch das Geb?ude, das Jason am n?chsten lag – offensichtlich war er au?enherum ?ber die Stra?e gekommen und war den l?ngeren Weg gegangen. Aber jetzt bedeutete das, dass er n?her am Truck war als sie. Masse entdeckte Jason; die Augen des jungen Agenten weiteten sich und er erhob seine Waffe. „Warten Sie!“, br?llte Adele. Aber Masse hatte bereits drei Kugeln abgefeuert. Zwei trafen die Motorhaube des Trucks, die dritte zerschlug beide Scheiben, wobei sie die eine durchl?cherte und die andere komplett zerbrach. Keine von ihnen traf Jason Hernandez. Aber durch das nun ?berall verstreute Fensterglas konnte Adele Jasons Gesichtsausdruck durch den leeren Fensterrahmen des Lastwagens genau erkennen. Er fummelte nicht mehr am Lenkrad oder an der Z?ndung herum. Er starrte durch das zerbrochene Glas, seine Augen weit aufgerissen und so blass, als h?tte er einen Geist gesehen. Er starrte auf die zerbrochenen Glasscherben und dann wanderten seine Augen ?ber die Motorhaube seines Wagens in Richtung der beiden Einschussl?cher in der Front seines geliebten Fahrzeugs. „Puta!“, schrie er. Hernandez krabbelte ?ber den Sitz und riss die Beifahrert?r auf, bevor er hinausstolperte. Er befand sich nun auf der zu Adele gegen?berliegenden Seite des Fahrzeugs, n?her an Masse. Adele versuchte Haltung zu bewahren, st?hnte aber vor Frustration; sie hatte den Augenkontakt verloren. Sie bewegte sich schnell, immer noch mit kontrollierten Bewegungen und versuchte, die beiden Gr??en im Blickfeld zu halten, w?hrend sie hastig ?ber den Parkplatz schritt. Jason ging auf Agent Masse zu und ignorierte die Waffe, die ihm ins Gesicht gehalten wurde und Adele, die sich ihm von hinten n?herte. Als sie sich neu positionierte, sah Adele fl?chtig seinen Gesichtsausdruck: Jasons Augen waren geweitet, die Blutgef??e in seinem Nacken und auf seiner Stirn waren kurz vorm Explodieren. „Kavron!“, schrie er und blickte von seinem zerst?rten Truck auf den FBI-Agenten, der auf ihn geschossen hatte. Die Waffe in Masses noch immer zitternden H?nden, schien ihm v?llig gleichg?ltig zu sein. Adeles Anweisung zu warten, schien bei Masse erst jetzt angekommen zu sein. Sein Zeigefinger war immer noch am Abzug, aber er schien eingefroren. Er wartete, z?gerte, lies seinen Blick zwischen Adele und der sich n?hernden Gestalt von Hernandez hin und her gleiten. Er z?gerte eine Sekunde zu lange. „Nein, nicht!“, rief Adele, aber zu sp?t. Jason st?rmte nach vorne, wich der Schusslinie von Masse aus und griff den jungen Agenten an der Taille, so dass beide hart auf den B?rgersteig aufschlugen. Adele eilte nach vorne, suchte nach der passenden Gelegenheit und hob ihre Waffe. Der kalte Beton des Parkplatzes und die Sicherheitsbarriere bildeten eine harte Oberfl?che, gegen die Jason Masses Schulterbl?tter einmal aufschlagen lie? und ein zweites Mal, als er versuchte, sich zu erheben. Doch Jason schlug zu und kratzte dem Agenten fast die Augen aus. „Runter von ihm!“, rief Adele. Dann schoss sie. Masse schrie erschrocken auf. Hernandez jedoch st?hnte vor Schmerz, taumelte wie ein Kreisel und ging neben dem Agenten, den er angegriffen hatte, zu Boden. „F?r’s erste war das nur der Arm“, schnappte Adele, die Waffe weiterhin auf Hernandez gerichtet. „K?mpf‘ weiter und der n?chste geht in deine Brust, verstanden?” Das Ger?usch des Fluchens und Weinens verklang aus Jasons Richtung, wo er hin- und herrollte, seine Z?hne blitzten, als sie vor Schmerz zusammenknirschten und er dr?ckte seinen Kopf gegen den rauen B?rgersteig. Rote Blutstr?me f?rbten seine Finger. Alle paar Augenblicke blickte er von seinem verletzten Arm weg, drehte sich zu seinem dampfenden Lastwagen um und sch?ttelte den Kopf erneut vor Angst. Adele seufzte und legte dann ihre Hand an ihr batteriebetriebenes Funkger?t. „Wir brauchen einen Krankenwagen“ sagte sie. Sie warf einen Blick auf ihren Partner, der immer noch wackelig auf den Beinen war und auf Hernandez, der sich vor Schmerzen immer noch am Boden wandt. Sie seufzte wieder. „Mach besser zwei daraus.“ Dann ging sie mit einem Augenrollen und Handschellen in der Hand auf Jason zu. KAPITEL ZWEI Adele atmete erleichtert aus, als sie endlich das Knarren der Scharniere ihrer Haust?r h?rte, die sich langsam hinter ihr schloss. Vier Stunden mit l?cherlichem Papierkram und Befragungen sp?ter war Adele froh, wieder zu Hause zu sein. Sie schaltete das Licht ein und blickte in den kleinen Raum, w?hrend sie ihre Schultern nach hinten kreisen lie?, um einem pl?tzlichen Schmerzimpuls entgegenzuwirken. Adele blickte ihre Taille hinunter und bemerkte zum ersten Mal einen roten Fleck auf ihrer wei?en Bluse unter ihrem Anzug. Sie runzelte die Stirn. Wieder zuckte sie zusammen, w?hrend sie ihre kleine Wohnung durchsuchte und schlie?lich vor ihrer K?chensp?le resignierend ihre Bluse vorsichtig unter ihrem G?rtel hervorzog. Ein neuer Ort. Der Mietvertrag war jeweils auf nur zwei Monate begrenzt. Es war zu teuer gewesen, in ihrer alten Wohnung zu bleiben. Nachdem Angus ausgezogen war, hatte Adele allein einfach nicht mehr genug verdient, um die Miete oberhalb des Durchschnitts aufzubringen, die Angus und seine Kodierfreunde problemlos bezahlen konnten. Nun, da sie nach Brisbane umgezogen war, stellte sie fest, dass ihr der Wechsel nichts ausmachte. Es war nicht laut – wof?r sie ihren Nachbarn wohl danken sollte – obwohl die Wohnung nicht viel mehr als eine K?che, einen Fernseher und ein Schlafzimmer mit eigenem Bad hatte. All das, sogar der Fernseher, roch ein wenig modrig. Es war ohnehin nicht so, dass sie viel Zeit zu Hause verbrachte. Adele zuckte erneut zusammen, als sie ihre Bluse aus dem G?rtel zog und den langen Kratzer auf ihrer Haut untersuchte. In der Erinnerung, wie es dazu gekommen war, verzog sie das Gesicht. Zweifellos hatte sie mit dem Maschendrahtzaun Bekanntschaft gemacht. „Verdammte Neulinge“, murmelte sie etwas angestrengt. Agent Masse war jung. Er hatte erst vor wenige Monaten seine Ausbildung beendet. Adele bezweifelte, dass sie bei ihrem ersten Einsatz viel besser gewesen war, aber dennoch… es war katastrophal gewesen. Sie vermisste John. Das letzte Mal, als sie sich getroffen hatten, war die Situation etwas unangenehm gewesen. Sie erinnerte sich an das n?chtliche Schwimmen in Roberts Privatpool. Die Art und Weise, wie John versucht hatte sie zu k?ssen und die Art und Weise, wie sie fast reflexartig zur?ckgesprungen war. Adele runzelte die Stirn bei diesen Gedanken und w?nschte sich sofort, sie k?nnte ihn zur?cknehmen. Stattdessen griff sie nach einem sauberen St?ck K?chenpapier von der Theke und begann, hei?es Wasser laufen zu lassen. Sie ?ffnete den Schrank ?ber dem K?hlschrank und schnappte sich eine Flasche Franzbranntwein. Sie tupfte sie gegen das Handtuch und dr?ckte das behelfsm??ige Desinfektionstuch an ihre Rippen, wobei sie erneut zusammenzuckte. Sie ging in Richtung des einzigen Stuhls in der K?che, w?hrend sie sich gegen den halbhohen Tisch lehnte und mit dem Gesicht zur Wand hin Platz nahm, wobei sie das stark riechende Papiertuch gegen ihren Kratzer tupfte. Endlich, als sie sich zur?cklehnte, stie? sie einen langen Atemzug aus. Geistesabwesend blickte sie ?ber ihre Schulter zur T?r. Zwei Riegel und ein Kettenschloss schm?ckten den Metallrahmen, ?berbleibsel von den Vormietern. Der Stuhl knarrte, als sie sich einen Ellbogen gegen den Tisch lehnte und auf die glatte Holztischplatte starrte. Sie bewegte sich wieder, allein schon wegen des Ger?uschs. Die Wohnung war so still. Als sie noch mit Angus zusammengelebt hatte, lief immer eine Fernsehsendung oder ein Podcast, der aus seinem Zimmer dr?hnte, w?hrend er an einem Projekt arbeitete. In den paar Wochen, die sie mit Robert in Frankreich verbracht hatte, befand sie sich oft im selben Zimmer wie ihr alter Mentor und genoss seine Gesellschaft am Kaminfeuer, w?hrend er ein Buch las oder durchs Radio Konzerte h?rte. Jetzt aber, in der kleinen, stickigen Wohnung in San Francisco… war es wieder so ruhig. Adele bewegte sich noch einmal und lauschte dem Knarren und Protesten des schlecht konstruierten Stuhls. Ein Satz aus ihrer Kindheit, einer der Lieblingss?tze ihres Vaters, kam ihr in den Sinn. "Einfache Dinge erhellen einfache Gem?ter." In einer Art Phantomprotest wackelte Adele an dem Stuhl, h?rte ein letztes Mal dem seltsam tr?stlichen Knarren des Holzes zu, bevor sie die Z?hne zusammenknirschte und das behelfsm??ige Desinfektionstuch immer noch gegen ihre Wunde dr?ckte. Dann stand sie wieder auf und stapfte den Flur hinunter. „Vermaledeiter Renee“, murmelte sie. Jason Hernandez h?tte nie abhauen k?nnen, wenn John da gewesen w?re. Sie vermisste Frankreich. Nach dem Interview mit Interpol hatte sie einige Zeit mit Robert verbracht. Eine sch?ne Zeit – auf ihre eigene Art erfrischend. Es hatte ihr Gelegenheit gegeben, nach dem M?rder ihrer Mutter zu suchen. Adele ?ffnete die Badezimmert?r am Ende des Flurs und betrachtete sich im Spiegel. Es war ein kleines, beengtes Badezimmer. Die Dusche reichte aus, da Adele seit fast sechs Jahren kein Bad genommen hatte. Duschen war viel effizienter. Der Sergeant – ihr Vater – hatte wahrscheinlich sein ganzes Leben lang kein einziges Mal gebadet. Sie seufzte erneut, als sie sich auszog, in die Dusche stieg und das hei?e Wasser aufdrehte, aber der Spr?hstrahl war immer noch nur lauwarm. Ein weiterer kleiner Makel der neuen Wohnung. Der Wasserdruck war auch nicht gro?artig, aber es musste reichen. Als Adele unter dem lauwarmen Nieselregen stand, schloss sie ihre Augen und lie? ihre Gedanken schweifen, vorbei an den Ereignissen des Tages, der letzten paar Monate in den USA. Worte tanzten ihr durch den Kopf. "Ehrlich gesagt, es ist komisch, dass du Paris verlassen hast, wei?t du das? Besonders wenn man bedenkt, wo du gearbeitet hast.” Sie seufzte, als das Wasser ihr Haar durchtr?nkte und begann, in langsamen, ungleichm??igen Str?men ?ber ihre Nase und Wangen zu tropfen, passend zu den unkoordinierten Strahlen aus dem Duschkopf. Dennoch hielt sie ihre Augen geschlossen und gr?belte immer noch ?ber diese Worte nach. Sie hallten in ihrem Kopf wider – manchmal sogar, wenn sie schlief. Das hatte der M?rder gesagt. Zur?ck in Frankreich. Ein Mann, der seine Opfer aufgeschlitzt hatte und zusah, wie sie hilflos und allein verbluteten. Sie und John hatten den Serienm?rder gefasst, aber nicht bevor er ihren Vater fast ermordet hatte. Er hatte auch Adele fast get?tet. Der Bastard hatte den M?rder ihrer Mutter angebetet. Ein weiterer M?rder – es gab so viele von ihnen. Adeles runzelte die Stirn unter dem Wasserstrom, als sie ihre H?nde zu F?usten ballte und ihre Kn?chel gegen den kalten, glatten wei?en Kunststoff h?mmerte, der vorgab, Porzellan zu sein. John hatte den Serienm?rder get?tet, bevor er Adele get?tet hatte, aber das hatte nur noch mehr offene Fragen zur?ckgelassen. Ein Teil von ihr w?nschte sich, er w?re am Leben geblieben. Warum war es komisch, dass sie Paris verlassen hatte? Dieser Satz verfolgte sie jetzt immer und immer wieder. Er ging ihr immer wieder durch den Kopf. Komisch, dass Sie Paris verlassen haben… vor allem, wenn man bedenkt, wo Sie gearbeitet haben… Fast so, als wollte er sie necken. Sie hatten ?ber den M?rder ihrer Mutter gesprochen. Paris. Sie war jetzt fast sicher. Der M?rder ihrer Mutter hatte in Paris gelebt. Vielleicht tat er das immer noch. Wie alt w?re er, f?nfzig? Adele sch?ttelte den Kopf und die Wassertropfen ihres nassen Haares, perlten von der Wand ab und verteilten sich dann auf dem glatten Boden. Sie knirschte mit den Z?hnen, als nur noch mehr lauwarmes Wasser in ungleichm??igen Sch?ben aus den D?sen drang. Frustriert drehte sie den Knopf ganz nach rechts, aber das Wasser wurde nicht warm. Adele blinzelte. Sie starrte ver?rgert auf den Duschknauf, dessen Pfeil eindeutig auf die hei?este Stufe der Dusche deutete. „Na gut, dann eben nicht“, murmelte sie. Sie griff nach dem Knauf und drehte ihn in die andere Richtung. Kleine Routinen verfestigten sich mit der Zeit. Das kalte Wasser begann ?ber ihren Kopf zu flie?en und bereitete ihr an den Armen eine G?nsehaut. Adeles Z?hne begannen innerhalb weniger Augenblicke zu klappern und der Schmerz in ihrer Taille verklang zu einem tauben Fr?steln, w?hrend das Wasser immer k?lter wurde. Trotzdem blieb sie in der Dusche. Der M?rder hatte sie verspottet. Als ob er etwas gewusst h?tte. Etwas, das ihr entgangen war. Etwas, das die Beh?rden ?bersehen hatten. Was war relevant an ihrem Arbeitsplatz? Dieser Teil beunruhigte sie am meisten. Es war fast so, als ob… Sie sch?ttelte wieder den Kopf und schob den Gedanken zur?ck. Aber… was, wenn es wahr w?re? Was w?re, wenn der M?rder ihrer Mutter irgendwie mit der DGSI verbunden w?re? Vielleicht nicht mit der Beh?rde selbst, sondern mit dem Geb?ude. Vielleicht gab es eine Gemeinsamkeit. Wie sonst w?rden seine Worten einen Sinn ergeben? Besonders wenn man bedenkt, wo Sie gearbeitet haben… Der Mann, den John erschossen hatte, hatte etwas ?ber den M?rder ihrer Mutter gewusst. Aber er hatte es mit ins Grab genommen. Und der Spade-Killer, der Mann, den er verehrt hatte, der Mann, der ihre Mutter get?tet hatte, war immer noch da drau?en. Das kalte Wasser sickerte weiter ihre Schultern hinunter und zwang sie dazu, gegen das Gef?hl des Erfrierens, kleine, schnelle Atemz?ge zu machen, sie weigerte sich aber immer noch, sich zu bewegen. N?chstes Mal w?rde sie dahinterkommen. Sie war gebeten worden, sich bei Bedarf einer Task Force bei Interpol anzuschlie?en. Aber Adele wollte unbedingt nach Europa zur?ckkehren. Sie mochte Kalifornien, und sie arbeitete gern mit dem FBI zusammen, insbesondere mit ihrem Freund Agent Grant als Vorgesetzten. Aber ihr Wunsch, den Mord an ihrer Mutter aufzukl?ren, erforderte ein gewisses Ma? an N?he. Als Adele schlie?lich einen Unterarm gegen die Glast?r dr?ckte und dabei keuchte, schaltete sie das Wasser ab. Gn?digerweise stoppte das eiskalte Wasser sofort. Sie stand f?r einen Moment zitternd an der ge?ffneten Glas- und Plastiktrennwand, w?hrend das Wasser leise abtropfte. Wer auch immer das Badezimmer entworfen hatte, hatte den Handtuchhalter auf der R?ckseite der T?r auf der gegen?berliegenden Seite des Raumes angebracht. Sie brauchte ein paar Schritte, um dorthin zu gelangen und obwohl sie einen Badvorleger auf dem Boden hatte, um Wasser aufzufangen, zog sie es vor, in der Dusche zu warten, um sich etwas abtropfen zu lassen, bevor sie hinausging. Und so wartete sie, nachdenkend und zitternd. Sie erinnerte sich an eine andere Situation, in der sie nass gewesen war und gezittert hatte… Sie err?tete. Sie dachte daran, als sie in Roberts Pool geschwommen war – John war f?r einen Abend zu ihr gekommen… Er war unertr?glich. Er war unh?flich, unausstehlich, nervig, unprofessionell. Aber auch gutaussehend, sagte ein kleiner Teil von ihr. Zuverl?ssig. Gef?hrlich. Sie sch?ttelte den Kopf und verlie? die Dusche, was dazu f?hrte, dass die Glas- und Metallt?r quietschte und gegen die gelbe Wand prallte; einige Farbsplitter fielen von der Decke. Adele seufzte und blickte nach oben. Unter der Beschichtung hatten sich bereits Schimmel gebildet. Der Vormieter hatte ihn ?bermalt, was nur dazu gef?hrt hatte, das Problem zu verschleiern. Vielleicht sollte sie John eine Nachricht schreiben. Nein, das w?re zu vertraut. Dann eine E-Mail? Zu unpers?nlich. Ein Anruf? Adele z?gerte einen Moment lang und griff nach ihrem Handtuch, zog es von der Halterung und trocknete sich die Haare ab. Ein Anruf w?re sch?n. Sie ber?hrte den Kratzer auf ihrer Taille und zuckte sofort wieder vor Schmerz zusammen. Einige Wunden heilten langsam. Aber manchmal war es am besten, eine Wunde erst ganz zu vermeiden. Vielleicht w?re es besser, John ?berhaupt nicht anzurufen. Sie war wahnsinnig ersch?pft, als sie durch die Wohnung zum Schlafzimmer ging. Ihre Augen begannen bereits zuzufallen. Drei ?berstunden, in denen Papierkram ausgef?llt und die Schie?erei gerechtfertigt werden musste, hatten ihren Tribut gefordert. Es war ein schrecklicher Gedanke, aber Adele begann, sich einen Fall in Europa zu w?nschen. Vielleicht etwas, bei dem niemand allzu sehr verletzt worden war. Nur etwas, um sie aus Kalifornien herauszuholen. Aus der kleinen, beengten Wohnung. Es war zu ruhig. Manche Menschen beruhigten die Ger?usche anderer Menschen, die sich bewegten und ihr Leben genossen. Das hinderte sie daran, sich einsam zu f?hlen. Adele seufzte wieder, als sie ihr Zimmer betrat und ihre Schlafsachen anzog. Sie verband ihren Kratzer erneut und versuchte, jeden weiteren Gedanken der Feindseligkeit gegen?ber ihrem neuen jungen Partner zu verdr?ngen. Sie schl?pfte ins Bett und lag dort einige Minuten lang wach. In der Vergangenheit hatten sie und Angus oft den Fernseher laufen lassen w?hrend sie einschlief. Manchmal las er ein Buch und las es Zeile f?r Zeile laut vor, damit auch sie es genie?en konnte. Ein anderes Mal kuschelten und unterhielten sie sich einfach ein paar Stunden lang, bevor sie in den Tiefschlaf glitt. Jetzt aber lag sie in ihrem Bett. Kein Fernseher. Keine B?cher. Nur Stille. KAPITEL DREI Melissa Robinson ging die Treppe zu ihrer Wohnung hinauf und summte leise vor sich hin. In der Ferne h?rte sie die Kirchenglocken aus der Stadt. Sie hielt inne und lauschte. Ihr L?cheln wurde breiter. Sie lebte nun seit sieben Jahren in Paris, doch die Ger?usche der Stadt bereiteten ihr auch nach dieser langen Zeit immer noch eine G?nsehaut. Schnell stieg sie den n?chsten Treppenabsatz hinauf. Es gab keine Fahrst?hle in diesem Haus. Die Geb?ude waren zu alt. Aber es ist Kultur, dachte sie bei sich. Sie l?chelte wieder und nahm eine Treppenstufe nach der anderen. Sie war nicht in Eile. Mit dem Neuank?mmling, den sie treffen wollte, hatte sie vierzehn Uhr vereinbart. Jetzt war es 13:58 Uhr. Melissa hielt oben auf dem Treppenabsatz inne und blickte aus dem gro?en Fenster in die dahinterliegende Stadt. Sie war zwar nicht in Paris aufgewachsen, aber der Ort war wundersch?n. Sie beobachtete die alten, vergilbten Gem?uer der Geb?ude, die ?lter waren als manche L?nder. Sie bemerkte die Muster der sich kreuzenden Stra?en das sich durch den gesamten Stadtkern zogen, in denen sich zahlreiche Wohnungen und Caf?s befanden. Mit einem weiteren zufriedenen Seufzer erreichte Melissa die T?r im dritten Stock, streckte h?flich die Hand aus und klopfte. Einige Augenblicke vergingen. Keine Antwort. Sie l?chelte, h?rte immer noch den Glocken zu und blickte dann wieder aus dem Fenster. Sie konnte gerade noch sehen, wie der niedrige Kirchturm von Sainte-Chapelle am Horizont verschwand. „Amanda“, rief sie mit ihrer angenehmen Stimme. Sie erinnerte sich an das erste Mal, als sie nach Paris gekommen war. Es war ihr alles ?berw?ltigend erschienen. Vor sieben Jahren, ein Expat aus Amerika, der sich in einem neuen Land, einer neuen Kultur niedergelassen hatte. Klopfen an T?ren war damals eine willkommene Ablenkung gewesen. Melissa wusste, dass viele ihrer Freunde aus der Expat-Gemeinschaft Schwierigkeiten hatten, sich an die Stadt zu gew?hnen. Auf den ersten Blick war sie nicht immer so freundlich, besonders nicht f?r Amerikaner oder f?r junge Erwachsene im College-Alter. Sie erinnerte sich an ihre Zeit auf einem amerikanischen Campus in den ersten zwei Jahren. Es war so, als ob jeder ihr Freund h?tte sein wollen. In Frankreich waren die Menschen etwas zur?ckhaltender. Das war nat?rlich auch der Grund, warum sie bei der Organisation der Gruppe half. Melissa l?chelte wieder und klopfte erneut an die T?r. „Amanda“, wiederholte sie. Auch hier kam keine Antwort. Sie z?gerte und blickte den Flur auf und ab. Sie griff in ihre Tasche und fischte ihr Telefon heraus. Smartphones waren gut und sch?n, aber Melissa bevorzugte traditionellere Kommunikationsmittel. Sie ?ffnete das alte Klapphandy und notierte die Uhrzeit auf dem Bildschirm. 14:02 Uhr. Sie bl?tterte durch die Textnachrichten und las Amandas letzten Nachricht nochmal. „Es w?re toll, wenn wir uns heute Nachmittag treffen. Sagen wir 14 Uhr? Ich freue mich die Gruppe kennenzulernen. Es war bisher schwer, Freunde in der Stadt zu finden.” Melissas L?cheln verblich ein wenig. Sie erinnerte sich an ein Treffen mit Amanda – eine zuf?llige Begegnung in einem Supermarkt. Sie hatten sich sofort verstanden. Die Glocken schienen nun in der Ferne zu verblassen. Aus einer Laune heraus streckte sie die Hand aus und tastete nach der T?rklinke. Sie versuchte sie herunterzudr?cken und stellte fest, dass es funktionierte. Ein Klicken und die T?r ?ffnete sich nur einen Spalt weit. Melissa erstarrte. Sie musste Amanda mitteilen, wie gef?hrlich es war die T?r in der Innenstadt unverschlossen zu lassen. Selbst in einer Stadt wie Paris ging Sicherheit vor. Melissa z?gerte einen Moment lang, gefangen in einer Gewissenskrise, aber dann endlich lie? sie die T?r mit einem sanften Stupsen ihres Zeigefingers ganz auffallen. „Hallo“, rief sie in die dunkle Wohnung hinein. Vielleicht war Amanda einkaufen. Vielleicht hatte sie den Termin vergessen. „Hallo, Amanda? Ich bin's, Melissa aus dem Forum…“ Keine Antwort. Melissa betrachtete sich selbst nicht als besonders neugierig. Aber wenn es um Amerikaner in Paris ging, hatte sie ein Gef?hl von Zusammengeh?rigkeit und Verbundenheit. Fast so, als w?ren sie Teil der Familie. Es f?hlte sich nicht so an, als w?rde sie sich unangemessen einmischen, sondern eher, als w?rde sie sich Sorgen um ihre kleine Schwester machen. Sie nickte sich selbst zu und rechtfertigte die Entscheidung in Gedanken, bevor sie die Wohnung einer Frau betrat, die sie nur einmal zuvor getroffen hatte. Die T?r knarrte erneut, als ihr Ellbogen gegen den Rahmen stie?, was dazu f?hrte, dass sie sich noch weiter ?ffnete. Sie z?gerte und glaubte, Stimmen aus dem Flur zu h?ren. Sie drehte den Kopf wieder zur T?r und blickte den Flur hinauf zum Rand der Treppe. Ein junges Paar ging am Gel?nder entlang, bemerkte sie, und anstatt zu nicken oder zu winken, setzten sie ihr fr?hliches Gespr?ch unbeirrt fort. Melissa seufzte, ging zur?ck in die Wohnung – und erstarrte dann. Der K?hlschrank war offen. Eine seltsamer Schein aus gelbem Licht erstreckte sich aus dem Fach ?ber den K?chenboden. Amanda war dort. Sie sa? auf dem Boden mit dem Gesicht zur gegen?berliegenden Wand gewandt. Ihr R?cken war halb gegen den Schrank gelehnt, ein Schulterblatt gegen das Holz gepresst, ihr linker Arm lag auf dem Boden. „Hast du etwas versch?ttet?“, fragte Melissa und ging noch weiter in den abgedunkelten Raum hinein. Eine Pf?tze aus Rotwein erstreckte sich auf dem Boden unter Amandas linkem Arm. Melissa ging noch ein paar Schritte weiter und drehte sich zu Amanda um, immer noch l?chelnd. Ihr L?cheln fror ein. Amandas tote Augen starrten sie an. An ihrem Hals klaffte ein breiter Schnitt, der sich von einem Ohr zum anderen erstreckte. Kaltes Blut tropfte auf die Vorderseite ihrer Bluse und lief auf den Boden, wo es sich auf dem Linoleum gesammelt hatte. Melissa schrie weder, noch bewegte sie sich. Sie keuchte nur, ihre Finger zitterten, w?hrend sie versuchte, ihren Inhalator herauszufischen. Sie stolperte auf die T?r zu, packte ihren Inhalator mit einer Hand und schnappte sich mit der anderen ihr Telefon. Nach ein paar Atemz?gen stie? sie ein gurgelndes St?hnen aus und mit zitternden Fingern auf den Tasten ihres Klapptelefons tippte sie 1-7 f?r die Polizei. Immer noch keuchend, mit dem R?cken gegen die Wand vor der offenen Wohnungst?r, schluckte sie und wartete darauf, dass jemand das Telefon abhob. Hinter sich glaubte sie leise das Ger?usch von Fl?ssigkeit zu h?ren, das auf den Boden tropfte. Erst dann schrie sie. KAPITEL VIER Adele schaute auf ihre Smart Watch und bl?tterte durch die verschiedenen Anzeigen, die ihren Puls, ihre Bewegungen, ihre Musik ?berwachten… Sie atmete durch ihre Nase ein. W?hrend sie das tat, stand sie in der T?r ihrer Wohnung. Die Uhr zeigte genau vier Uhr morgens. Genug Zeit, um vor der Arbeit einen zweist?ndigen Lauf zu absolvieren. Sie zog sich das Schwei?band ?ber den Kopf, das ihr Haar zur?ckhielt und blickte ?ber ihre Schulter zum Waschbecken. Sie hatte ihre Mickey-Mouse-Plastiksch?ssel auf der Metallfl?che zwischen Sp?le und Theke stehen lassen. Normalerweise r?umte Adele in dem Moment auf, in dem sie Unordnung machte. Aber heute, in der kleinen, ruhigen Wohnung… „Das kann warten“, sagte sie zu sich selbst. Was nat?rlich Teil des Problems war. Die letzte Nacht war von innerer Unruhe gepr?gt, sie hatte einfach nicht schlafen k?nnen. Adele stand in der T?r, als die Digitaluhr auf 4:01 Uhr umbl?tterte. Sie warf einen Blick zur?ck auf die Sp?le, murmelte dann etwas vor sich hin und ging widerwillig in die K?che, griff nach ihrer Plastiksch?ssel und drehte den Wasserhahn mit einem gereizten Schnippen ihres Handgelenks auf. Sie sp?lte die milchigen R?ckst?nde am Boden aus, stellte die Sch?ssel in das Gestell zum Trocknen und ging zur?ck zur T?r. Bevor sie jedoch die T?rklinke ber?hren konnte, erregte ein leises Summen ihre Aufmerksamkeit. Adeles Augen richteten sich auf den K?chentisch. Ihr Telefon vibrierte. Sie runzelte die Stirn. Die einzigen Menschen, die sie so fr?h anriefen, waren ihr Vater in Deutschland oder die Arbeit. Und sie hatte erst vor ein paar Tagen mit ihrem Vater gesprochen. Es war also wenig ?berraschend, als sie auf den leuchtend blaugr?nen Bildschirm hinunterblickte, auf dem ein einzelnes Wort in wei?en Buchstaben abgebildet war. B?ro. Sie entsperrte den Bildschirm und das Summen verstummte. Adele las eine einfache Zeile in schwarzen Buchstaben, die ?ber ihren Bildschirm blinkte. Dringend. Kommen Sie schnell. Adele zog ihr Schwei?band aus und eilte zur?ck in ihr Zimmer, um ihr Outfit in Arbeitskleidung zu wechseln. Das Joggen w?rde warten m?ssen. *** Vom Parkplatz aus, durch die Sicherheitskontrollen, machte Adele nur einmal eine Pause, um Doug, einem ihrer Freunde aus dem Sicherheitsteam, Kaffee zu bringen. Als sie den vierten Stock und das B?ro von Supervising Agent Grant erreichte, konnte sie bereits Stimmen durch die undurchsichtige Glast?r h?ren. Adele stie? leise dazu. Auf zwei gro?en, in die Wand eingelassenen TV-Monitoren waren Adele bekannte Gesichter zu sehen. Auf der linken Seite, ?ber Grants Schreibtisch, Executive Foucault, der Leiter des DGSI. Auf der rechten Seite, nahe eines blau get?nten Fensters mit Blick auf die Stadt, entdeckte Adele Mrs. Jayne, die Korrespondentin von Interpol, welche die Idee einer gemeinsamen Task Force unter der Leitung von Adele gehabt hatte. Agentin Lee Grant, die nach den beiden Gener?len im B?rgerkrieg benannt worden war, stand mit einem besorgten Gesichtsausdruck und den Fingerspitzen im Kinn versenkt, hinter einem metallenen Stehpult. Sie blickte zu Adele auf und winkte sie mit schnellen, zerstreuten Gesten herein. Das B?ro von Agent Grant war karg, mit einer Yogamatte in einer Ecke und einem Stapel von Trainings-DVDs, die unter einem blauen Plastikordner neben ihrem Schreibtisch versteckt waren. Agent Grant dirigierte zu einem der leeren St?hle vor ihrem Stehpult und wartete darauf, dass Adele sich setzte. Schlie?lich r?usperte sie sich, begr??te Adele mit einem Nicken und sagte: „Sie werden wieder in Frankreich gebraucht.” Adele schaute zwischen den Fernsehmonitoren hin und her. Die Blicke von Mrs. Jayne und Foucault waren ein wenig abwesend, jeder von ihnen blickte auf die verschiedenen Bildschirme, die vor ihnen standen, anstatt direkt in die Kameras zu blicken. Dennoch konnte Adele nicht umhin, Blickkontakt mit Mrs. Jayne und dem Leiter des DGSI zu suchen und zu versuchen, ihre Motive zu deuten. „Ist es schlimm?“, fragte Adele z?gernd. Mrs. Jayne r?usperte sich und sagte mit klarer Stimme: „Bisher nur zwei Opfer. Ich lasse Sie von Mr. Foucault ?ber die Einzelheiten informieren.“ Ms. Jayne war eine ?ltere Frau, mit hellen, intelligenten Augen hinter einer Hornbrille. Sie hatte silbernes Haar und war etwas schwerer als die meisten Au?endienstmitarbeiter. Sie sprach ohne Akzent, was darauf hindeutete, dass sie die englische Sprache zwar beherrschte, aber es trotzdem nicht ihre Muttersprache zu sein schien. Auf dem anderen Bildschirm verengten sich Exekutiv Foucaults dunkle Augen ?ber einer Falkennase; er sch?ttelte den Kopf und schien aus dem Bildschirm nach unten zu blicken – ein Rascheln einiger Papierb?ndel war zu h?ren. „Ja, ja“, sagte er in stark akzentuiertem Englisch. „Zwei Tote. Bis jetzt. Zwei Amerikaner“, f?gte er hinzu und blickte dabei auf die Leinwand. „Oder zumindest waren es einmal Amerikaner.” Adele runzelte die Stirn. „Wie meinen Sie das?” Foucaults Blick huschte in die einen und dann in die anderenRichtung ?ber den Bildschirm, wobei er sich nicht ganz in der Reihe der Anwesenden einreihte, sondern andeutete, dass er vielleicht zwischen den verschiedenen Bildschirmen seines eigenen Computers hin und her blickte. „Expats“, sagte er. „Amerikaner, die jetzt in Frankreich leben. Beide hatten Visa, beantragten aber die Staatsb?rgerschaft, oder zumindest eines der Opfer hatte sie. Das andere ist erst vor kurzem angekommen.” Adele nickte, um zu best?tigen, dass sie verstanden hatte. „Wozu brauchen Sie mich also?” Mrs. Jayne r?usperte sich. Ihre Stimme war klar, sogar durch das Knistern der Lautsprecher. „Wir brauchen jemanden, der sich mit der DGSI auskennt, dem aber Amerika vertraut die Morde ihrer eigenen Leute aufzukl?ren. Die Einzigartigkeit der Verbrechen k?nnte auch jemanden mit Ihrem Fachwissen gebrauchen.” Adele runzelte die Stirn. „Was ist daran besonders?“ Foucault antwortete: „Bislang zwei Tote. Kehle aufgeschlitzt, fast von Ohr zu Ohr.“ Er nahm einen grimmigen Unterton an und fuhr fort: „Ich werde die Akten mitschicken, sobald ich die Freigabe des Gerichtsmediziners habe. Beides junge Frauen, beide erst vor kurzem eingetroffen. Wir ermitteln nat?rlich und ich bin sicher, dass unsere Agenten einige gute Hinweise liefern werden, aber“, runzelte er erneut die Stirn und blickte auf seinen Computerbildschirm, „Mrs. Jayne scheint zu denken, dass es klug w?re, Sie fr?hzeitig einzubeziehen. Ich kann nicht sagen, dass ich voll und ganz zustimme, aber es ist nicht mein Fachgebiet.” Adele hob eine Hand, w?hrend er sprach, und wartete, bis er ausgesprochen hatte. Er bemerkte dies und forderte sie zum Sprechen auf, indem ihr knapp zunickte. „Wie viel Zeit liegt zwischen den Morden?“ fragte sie. Der Exekutive antwortete ohne zu z?gern. „Drei Tage. Der M?rder ist schnell. Es ist bemerkenswert, dass es am Tatort keine Beweise gibt.” Adele rutschte auf ihrem Sitz hin und her und stellte fest, dass dieser Stuhl nicht so viel L?rm machte wie der in ihrer K?che. „Wie meinen Sie das?” „Ich meine, es gibt keine physischen Beweise.” „Keine?” Foucaults Stirn zog tiefe Falten, seine buschigen Augenbrauen krampften sich zusammen. „?berhaupt keine. Keine Fingerabdr?cke, keine Spuren von Haaren oder Speichel. Keine sexuellen ?bergriffe, die wir finden konnten. Allein die Schnitte, so der erste Bericht des Gerichtsmediziners, waren seltsam. Wer immer das getan hat, schlitzte die H?lse mit Selbstbewusstsein auf, ohne zu zittern – er scheint ?bung zu haben.“ „Und was bedeutet das?“, fragte Adele. „Wenn ich darf“, sagte Agent Grant, die zum ersten Mal hinter ihrem Stehpult sprach, „Schnitte und Schnittwunden tragen eine Art Signatur. Ob der Angriff mit der linken Hand erfolgte, oder wie stark sie waren, oder wie gro?…“ Foucault nickte bei jedem Wort und r?usperte sich. „Ganz genau. Aber diese besonderen Angriffe wurden von jemandem ohne Signatur ausgef?hrt. Es gibt keine physischen Beweise. Keine Anzeichen f?r einen Kampf. Kein gewaltsames Eindringen. Nichts, was auf ein Verbrechen hindeutet, au?er nat?rlich zwei Leichen im Zentrum von Paris.” „Nun“, sagte Mrs. Jayne, als sie jetzt durch den Bildschirm schaute. Ihre Augen schienen sich f?r einen Moment neu ausgerichtet zu haben und fixierten sich nun fest auf Adele. „Sind Sie abreisebereit?” Adele schaute zu Agent Grant und hob die Augenbrauen. Grant z?gerte. „Sind Sie sicher, dass Sie nicht noch ein paar Wochen mit Agent Masse verbringen wollen?“, sagte sie, ihr Ton verriet keinerlei Emotionen. Adeles Gesichtsausdruck verbitterte. Grants Augen funkelten in einer Art morbidem Humor. „Das werte ich als ein Nein. Sie haben bereits die Freigabe f?r Ihre Reise und ich habe Masse neu zugeteilt. Sie d?rfen gehen.” Adele versuchte, den pl?tzlichen Gef?hlsschwall zu unterdr?cken – sie war schlie?lich professionell, aber als sie von ihrem Stuhl aufstand, konnte sie nicht anders, als sich bei dem Gedanken an eine R?ckkehr nach Frankreich zu freuen. „Gibt es noch etwas, das ich wissen sollte?“, fragte sie mit einem Blick auf Foucault. „Ich schicke Ihnen die Berichte“, sagte er mit einem Achselzucken. „Aber sie sind kurz. Wie ich Ihnen sagte, nicht viele Beweise. Es gibt eine Sache. Ein seltsames Detail, aber sicherlich wichtig…“ "Was?“ „Die Niere des ersten Opfers fehlte.” Eine seltsame Stille legte sich f?r einen Moment ?ber den Raum und die beiden knisternden Bildschirme und die beiden Agenten im B?ro in San Francisco warteten, alle mit einem Stirnrunzeln. „Ihre Niere?“, sagte Adele. „So ist es.“, sagte Foucault. „Nimmt der M?rder Troph?en mit?” Der Exekutive zuckte mit den Achseln, seine dicke Stirn verengte sich ?ber seiner scharfen Nase. „Nun, deshalb sind Sie doch hier, oder nicht? Sie liefern die Antworten. Es ist meine Aufgabe, die Fragen zu stellen. Wie ich h?re, hat Mrs. Jayne Ihr Ticket bereits gebucht. Erste Klasse. Ihr Flug geht in einer Stunde.” KAPITEL F?NF Adele runzelte die Stirn, als sie auf ihren Laptopbildschirm sah und lehnte sich auf dem ihr von Interpol gebuchten Sitzplatz in der ersten Klasse zur?ck. Das Flugzeug vibrierte, als es durch den dicht mit Wolken bedeckten Himmel flog. Adele hatte die Fensterabdeckung geschlossen, so dass die Helligkeit des Computerbildschirms den beengten Teil der Flugzeugkabine erhellte. Sie erwischte sich dabei, wie sie nerv?s am Gurt ihrer Laptoptasche herumspielte, die auf dem leeren Sitz neben ihr stand, w?hrend sie die Informationen auf dem Bildschirm erneut durchging. Wenn sie einmal eine Akte aufmerksam gelesen hatte, verga? sie selten die Details. Sie machte es sich gem?tlich, lehnte sich an die geschwungene wei?e Plastikwand und scannte weiterhin Absatz f?r Absatz und alle ihr zur Verf?gung gestellten Fotos. Es hatte zwei Tote gegeben – bis jetzt. In einem Abstand von drei Tagen. Das war schnell, selbst f?r einen Serienm?rder. Keine physischen Beweise jeglicher Art. Eine fehlende Niere beim ersten Opfer und ein ausstehender Bericht des Gerichtsmediziners f?r das zweite Opfer. W?rde ihr auch eine Niere fehlen? Es waren beides junge Frauen. Expats – Amerikaner, die jetzt in Frankreich lebten. Frauen, die erst k?rzlich nach Frankreich eingereist waren. Beide waren so schnell get?tet worden, dass sie nicht einmal reagiert hatten. Das war die einzige Erkl?rung daf?r, dass die Schnitte an den H?lsen der Opfer so sauber waren. Keine gezackten Schnitte, keine Anzeichen eines Kampfes. In einem Moment waren die jungen Frauen noch am Leben und in ihren eigenen Wohnungen gewesen, im n?chsten Moment waren sie wie von einem Geist ausgel?scht worden. Adele bezweifelte, dass die Frauen es ?berhaupt hatten kommen sehen. Es gab ohnehin noch nicht viele Hinweise – noch nicht. Sie hatte noch immer die Fensterblenden geschlossen und lauschte dem R?tteln der Motoren, die auf Hochtouren liefen. W?hrend sie wieder und wieder die Akten und bisherigen Hinweise durchging, wurden ihre Augen langsam klein. *** Sie hatte sich ins Wi-Fi des Charles-De-Gaulle-Flughafens einloggen k?nnen und sah entt?uscht aus, als sie die j?ngste Nachricht von Robert Henry, ihrem alten Mentor und Freund, las. Darin stand: Tut mir leid, Liebes, ich werde dich nicht abholen. Sie schicken einen anderen Agenten. Au?erdem hatte er eine Reihe von Emoticons und Smiley-Gesichtern beigef?gt. Sie ?berlegte kurz und fing dann an zu tippen: Kein Problem. Wir sehen uns dann im B?ro. Wen haben sie geschickt? Keine Antwort. Adele sch?ttelte den Kopf, als sie den Gang verlie? und das Hauptterminal betrat. Sie wurde mit dem Geruch von ?berteuertem Kaffee und vertrocknetem Geb?ck aus den Flughafenrestaurants begr??t. Sie schlenderten an einer Reihe von L?den vorbei; es war ein Kiosk und ein Buchladen. Adele steckte ihr Telefon wieder in die Tasche und ging schnell durch den Flughafen in Richtung Gep?ckausgabe. Beim letzten Mal hatten sie ihr John als Partner zugeteilt – wahrscheinlich w?rde das wieder so sein. Aber nach dem sie sich das letzte Mal gesehen hatten waren die Dinge unangenehm geworden. W?hrend sie und Robert sich alle paar Tage im Monat, seit sie in Frankreich gewesen war, gegenseitig eine Nachricht geschickt hatten, hatte John sich nicht ein einziges Mal gemeldet. Du aber auch nicht, erinnerte sie eine kleine Stimme in ihrem Kopf. Aber sie schob den Gedanken mit einem leichten Achselzucken beiseite. Sie erreichte die Gep?ckausgabe und sah zu, wie sich das Gep?ck ?ber das metallene Lamellenf?rderband im Kreis drehte; sie wartete geduldig, schaffte es aber trotzdem nicht ganz, die Vorfreude abzusch?tteln, die in ihrer Brust aufstieg. Endlich entdeckte sie ihre Tasche und wartete darauf, dass um das Gep?ck herum ein Platz frei wurde. Sie fand sich dabei wieder, wie sie sich die Haare hinter den Ohren b?rstete und ihr Outfit gl?ttete, w?hrend sie sich dem Zoll n?herte und darauf wartete, dass der Grenzbeamte ihren Pass und ihre Papiere mit besonderer Genauigkeit begutachtete. Rei? dich zusammen, dachte sie. Warum war sie pl?tzlich so besorgt um ihr Aussehen? John oder nicht, warum war das wichtig? Adele war gr??er als die meisten Frauen, aber auch nicht ?berm??ig – ihr langes, aschblondes Haar umrahmte Merkmale, die auf ihre franz?sisch-amerikanische Herkunft hindeuteten. Exotisch, sagten einige. Ein einzelnes Muttermal sa? nahe ihrer Oberlippe, was sie als Teenager extrem verunsichert hatte, aber jetzt bei Weitem keine Rolle mehr spielte. Adele dachte an die letzte Nacht, in der sie John gesehen hatte, als sie den Abend gemeinsam am privatem Pool auf Roberts Anwesen geschwommen waren. Die Art, wie John zu Beginn des Abends gewesen war, gefolgt davon, wie er sich gegen Ende des Abends verhalten hatte. Er hatte versucht, sie zu k?ssen, oder hatte sie die Geste falsch interpretiert? Wie dem auch sei, als sie ihm ausgewichen war, war er beleidigt gewesen und kurz danach gegangen. Trotz ihrer aufsteigenden Emotionen verwuschelte Adele ihre Haare und zerzauste absichtlich ihren Pony. Dann lie? sie ihren Kiefer knacken und rollte ihren Koffer durch den Zoll und hinaus in den Empfangsbereich des Flughafens. Ihre Augen scannten die Menge und suchten nach der gro?en, schlaksigen Gestalt ihres fr?heren franz?sischen Partners. Doch als ihr Blick ?ber die wartende Menge blickte, konnte sie John nirgendwo entdecken. Ihr L?cheln – bei dem sie nicht gemerkt hatte, dass es eines gewesen war – erstarrte, als sie auf eine Frau im Anzug aufmerksam wurde, die an der get?nten Scheibe stand, das auf die Stra?en au?erhalb des Flughafens gerichtet war. Ihr L?cheln verblasste v?llig, als sie die vollen Lippen der Frau und ihr zu einem Dutt zusammengebundenes silbernes Haar bemerkte. Die Frau ?hnelte einer nichtssagenden Hilfslehrerin oder vielleicht einer Nonne ohne Kittel. Keine einzige Haarstr?hne war fehl am Platz und selbst die F?ltchen am Augenrand schienen sich zu verst?rken, als ob sie versuchte, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Ein Agent, mit dem sie schon vorher gearbeitet hatte… Aber es war nicht John. Dieser spezielle Agent war Adeles Vorgesetzte gewesen, als sie noch f?r die DGSI gearbeitet hatte. Sie war degradiert worden, ein ungl?ckliches Szenario, dessen Verantwortlichkeit allein auf Adeles R?cken ausgetragen worden war. Jedes Qu?ntchen Verachtung und Ungeduld zeigte sich in jeder Falte und jedem Schimmer in Agent Sophie Paiges Augen, aber schlie?lich hob sie die Hand und machte eine schnelle zuckende Geste in Adeles Richtung. Kein Winken, sondern eher ein Befehl wie bei einem Herrchen, das seinen Hund ruft. Adele stand f?r einen Moment wie erstarrt und f?hlte, wie sich die Menschen an ihr vorbeidr?ngten, als sie sich bewegten, um wartende Familie oder Freunde zu begr??en. Die Stille wurde durch Lachen, das Ger?usch von sich umarmenden K?rpern, das leise Murmeln ersch?pfter Reisender, die sich vom Flughafen zur?ckzogen und vor Erleichterung auf wartende Taxis oder Autos am Bordstein zueilten durchbrochen. F?r einen Moment musste Adele dem Drang widerstehen, sich nach rechts umzudrehen und wieder ins Flugzeug zu steigen und Sophie Paige mit ihrem finsteren Blick am Fenster stehen zu lassen. Doch schlie?lich nahm sie den Rest ihres Mutes zusammen, b?rstete sich schnell mit verstohlenen Bewegungen die Haare zur?ck in Form und bewegte sich auf ihre fr?here Vorgesetzte und neue Partnerin zu. KAPITEL SECHS Im Stadtzentrum von Paris, in den nordwestlichen Vororten der Region Ile-de-France der Hauptstadt, sah Adele konsequent geradeaus, als das Auto in den vierten Stock des DGSI-Parkhauses fuhr. Sie hatten die ganze Fahrt ?ber schweigend verbracht; nun stieg Agent Paige aus dem Fahrzeug und rief ihr etwas ?ber die Schulter zu, um ihr mittzuteilen, dass sie sich mit Foucault treffen w?rden. Sie lie? Paige allein zur?ck und schl?ngelte sich durch die Sicherheitskontrolle zum B?ro ihres alten Mentors. Es war sch?n, Roberts B?ro zu betreten. Adele konnte sp?ren, wie ihre Schultern sich entspannten, als ob eine schwere Last von ihnen gefallen w?re, als sie mit einem leisen Klopfen an den Rahmen durch die T?r trat. Die Reise und der Verlauf des Tages waren anstrengend gewesen, aber ihre Laune hob sich, als sie sich in dem vertrauten Raum umsah. An den W?nden hingen noch immer die gleichen gerahmten Bilder alter Rennwagen und darunter Regale mit staubigen B?chern mit rissigen Ledereinb?nden. In dem Raum standen nun zwei Schreibtische. Der zweite Schreibtisch war am Fenster, dahinter stand ein aufrechter Lederdrehstuhl. Auf dem Schreibtisch war ein kleines, goldenes Namensschild mit der Aufschrift Adele Sharp angebracht. Als sie h?rte, wie sich ein Mann r?usperte, lenkte sie ihre Aufmerksamkeit auf den ersten Schreibtisch und der Person, die sich dahinter befand. Robert Henry war bereits aufgestanden. Er stand oft auf, wenn eine Frau den Raum betrat. Der kleine Mann stand mit geradem R?cken und einen langen, gewellten Schnurrbart, der perfekt in Form geschnitten und schwarz gef?rbt war. Er trug einen feinen, gutsitzenden Anzug, der, wie Adele vermutete, eine Ma?anfertigung war. Robert stammte aus wohlhabenden Verh?ltnissen; er brauchte den Job bei der DGSI nicht, aber er liebte seine Arbeit. Vielleicht war dies der Grund daf?r, dass er eine der besten Beurteilungen in der Abteilung hatte. Robert hatte einmal in Italien f?r ein halbprofessionelles Team Fu?ball gespielt, war aber nach Frankreich zur?ckgekehrt, als er von der franz?sischen Regierung angeworben wurde, lange bevor es die DGSI gegeben hatte. Der kleine Franzose scannte Adele einen Moment lang, aber seine Augen glitzerten und lie?en auf ein L?cheln, das sich hinter seinen Lippen verbarg, schlie?en. „Hallo“, sagte Adele, die einem eigenen L?cheln nicht widerstehen konnte. Robert Henry schmunzelte jetzt und entbl??te eine Reihe wei?er perlmuttartigen Z?hne in der zwei Z?hne fehlten. Adele hatte viele Geschichten dar?ber geh?rt, wie er die Z?hne verloren hatte, von denen jede weiter hergeholt war, als die andere. Sie hielten quer durch den Raum Blickkontakt und beobachteten einander einen Moment lang. Dann sagte Adele: „Du benutzt zu viele Emoticons.“ Etwas von ihrer schlechten Laune von vorher begann in ihr aufzusteigen und das L?cheln ihres alten Mentors und Freundes verblasste. Robert z?gerte. „Ich betrachte es als eine Art Kunst.” „Mhmm“, sagte Adele. „Warst du nicht derjenige, der mir sagte, das Aufkommen der Karikaturen sei der Tod der Kultur?” Robert zuckte kapitulierend mit den Schultern und antwortete: „Ein vornehmer Mann wei?, wann er zugeben muss, dass er Unrecht hat.” Adeles Grinsen wurde wieder gutm?tiger. Robert Henry war ihr viele Jahre lang wie ein Vater gewesen. Ihr eigener Vater war kein Fan von Zuneigung, aber Robert war der Typ, der sich sehr darum bem?hte, dass sich Adele willkommen f?hlte. Robert lebte allein in einem gro?en Herrenhaus und freute sich bei jeder Gelegenheit, G?ste zu empfangen. Adele w?rde f?r ihre Zeit in Frankreich wieder mit ihm in seinem Haus wohnen. „Es hat l?nger gedauert, als ich es erwartet hatte“, sagte Robert und blickte auf seine Uhr. Die silbern gl?nzende und teuer aussehende Armbanduhr sah aus wie etwas, das eher an das Handgelenk eines Bankers geh?rte. Robert richtete seine Manschettenkn?pfe und r?ckte die Uhr unter den Rand seines perfekt anliegenden ?rmels. Adele lehnte ihren Koffer gegen den T?rrahmen und stellte ihre Laptoptasche auf den Boden. „Wer auch immer meinen Flug gebucht hat, hat mir drei Stunden in London am Flughafen verschafft“, sagte sie. „Dann dauerte es einige Zeit, das Auto zu bekommen – wir mussten zur anderen Seite des Flughafens laufen. Ein Au?enstehender k?nnte meinen, dass sie es absichtlich getan hat, nur um mich zu frustrieren.” Robert runzelte die Stirn. „Sie? Wen hat Foucault dir als Partner zugeteilt?” Anstatt zu antworten, schritt Adele durch den Raum und streckte ihre H?nde aus und umarmte den kleineren Mann. Sie war nicht besonders gro?, aber Robert war immer noch drei Zentimeter kleiner. Sie umarmte ihren alten Mentor und f?hlte wie W?rme ihre Brust durchstr?mte. Er war jedoch kleiner, als sie ihn in Erinnerung hatte. Fast… gebrechlich. Obwohl Robert seine Haare und seinen Schnurrbart f?rbte, konnte Adele den Eindruck nicht absch?tteln, dass er ?lter wurde. Sie trennte sich von ihrem alten Freund und l?chelte wieder. „Wir werden von deinem B?ro aus arbeiten, wie ich h?rte“, sagte sie. Robert tatschelte ihr tr?stend die Schulter. „Ja, der hier ist f?r dich.“ Er nickte zum Schreibtisch mit ihrem Namensschild darauf. „Du hast ihn ans Fenster stellen lassen. Ich wei? das zu sch?tzen.” „Ich erinnere mich daran, wie dir die Aussicht beim letzten Mal, als du hier warst, gefallen hat“, sagte Robert mit einem Achselzucken. Er nahm seine Hand weg und ging zur?ck zu seinem eigenen Schreibtischstuhl. Er gab ein leises Seufzen von sich, als er sich in seinen Stuhl fallen lie?. „Alles gut bei dir?“, fragte Adele. Robert nickte und winkte mit einer abweisenden Geste weitere Fragen ab. „Ja, nat?rlich. Die alten Knochen sind nur nicht mehr so agil wie fr?her. Ich bef?rchte, ich werde dich im Einsatz drau?en nicht begleiten k?nnen.” Adele nickte verst?ndnisvoll mit dem Kopf. „Das hatte ich mir bereits gedacht. Wir brauchen sowieso auch jemanden, der die Dinge hinter den Kulissen im Auge beh?lt.” Robert l?chelte jetzt nicht mehr. Sein Blick schien pl?tzlich schwer zu sein. „Du bist doch nicht krank, oder?“, fragte Adele ohne Vorwarnung. Sie war sich nicht sicher, woher die Frage kam, aber sie ploppte heraus, bevor sie sie stoppen konnte. Robert l?chelte und sch?ttelte den Kopf. „Nein, nicht dass ich w?sste. Aber“, er tippte mit den Fingern gegen seinen Schreibtisch und blickte dann auf den Computerbildschirm ihm gegen?ber, „ich lerne besser mit diesem Ding umzugehen. E-Mails zu verschicken ist schwierig. Aber ich dachte mir, na ja, um besser mit dir kommunizieren zu k?nnen…“ Er wich zur?ck und warf ihr einen Blick zu. Adele war dankbar. Sie wusste, wie sehr Robert Technik verachtete. Trotz der vielen Emoticons, die er in seinen Nachrichten verwendete, war er hartn?ckig gewesen, was das Erlernen des Umgangs mit Computern betraf. Dennoch hatte sie von Interpol gefordert, Robert die Teilnahme an ihrem Team zu gestatten. Das war die Abmachung, die sie mit Mrs. Jayne getroffen hatte, als sie den Vertrag ausgehandelt hatte. Zu dieser Zeit hatte sie Ger?chte geh?rt, dass die DGSI versuchte, Robert aus seiner Position zu verdr?ngen – eine Zwangsversetzung in den Ruhestand. Sie sp?rte wie die Frustration in ihr aufstieg. Der Gedanke, dass jemand Roberts Job ?bernehmen w?rde, war skrupellos. Sie hatten mit seinen Bem?hungen zum Teil die Abteilung zur Aufkl?rung von Morden des DGSI aufgebaut. Er hatte sich bei anderen Agencies einen Namen gemacht, lange bevor die DGSI ?berhaupt gegr?ndet worden war, was viele neue Mitarbeiter angezogen hatte. Adele respektierte die meisten der Agenten, die f?r die franz?sischen Geheimdienste arbeiteten, aber es gab keinen, den sie mehr respektierte als Robert. Er war auf intuitive Weise klug, und er irrte sich selten. Beim letzten Fall in Paris hatte er darauf bestanden, dass der M?rder naturrotes Haar hatte und ihm war die Ernsthaftigkeit des Falles sehr bewusst gewesen. Sie war sich nicht sicher gewesen, aber am Ende hatte sich die Schlussfolgerung als richtig erwiesen. Dennoch erinnerte sie sich an ihre Interaktionen mit Executive Foucault. Das Stirnrunzeln in seinem Gesicht, als sie Robert um Hilfe bat. Die Agency versuchte, das Personal zur?ckzuschrauben. Aber jetzt, mit seiner Hilfe beim Interpol-Attach?, hatte sie Foucault die H?nde gebunden. „Ich brauche dich“, sagte sie ganz einfach. „Du bist der Beste in dem, was du tust. Robert sch?ttelte den Kopf und seufzte dabei. „Ich wei? nicht, ob das stimmt, meine Liebe“, sagte er und seine Stimme brach ganz pl?tzlich etwas. „Das tut es. Mach dir keine Sorgen wegen des Computers; Du wirst das schon hinbekommen. Da bin ich mir sicher. Wir brauchen jemanden auf den wir uns verlassen k?nnen, jemanden, der von hier aus die F?den zieht. Ich w?rde niemand anderen wollen.” Robert nickte erneut, sein Gesichtsausdruck war immer noch bedr?ckt. „Ich bin alt, Adele. Ich wei?, dass ich vielleicht nicht so aussehe.“ Er fuhr sich mit der Hand durch sein offensichtlich gef?rbtes Haar. „Aber diese Agency, geh?rt jetzt den j?ngeren Leuten.” Adeles Gesichtsausdruck verfinsterte sich. „Warum sagst du so etwas?” Robert winkte ab. „Es ist unwichtig. Ich bin dankbar. H?ttest du nicht auf meine Mitarbeit bestanden, w?re ich wahrscheinlich innerhalb einer Woche gefeuert worden.” Nun runzelte Adele mit einem finsteren Blick die Stirn. „Von wem hast du das geh?rt? Hat jemand gesagt, dass er dich loswerden wolle?” Robert sch?ttelte nur den Kopf. „Ich bin Ermittler. Ich bin nicht dazu bestimmt, hinter einem Schreibtisch festzusitzen. Manchmal wei? man es einfach.” „Du denkst zu viel nach. Du bist von unsch?tzbarem Wert – vertrau mir. Und au?erdem, wenn du gehst, dann gehe ich auch.” Robert l?chelte ?ber diesen Kommentar und verschr?nkte die Arme. „Schon gut. Computer sind nicht meine St?rke, aber ich werde mein Bestes versuchen. Du hast mir immer noch nicht gesagt, wen der Exekutive dir als Partner zugeteilt hat. John?“ Er hob seine Augenbrauen ganz leicht. Ein kleiner Schimmer eines L?chelns umspielte seine Lippenwinkel, aber Adele sch?ttelte den Kopf, um seinen Gesichtsausdruck zu beruhigen. „Agent Paige“, sagte sie mit der Schwere eines Richterhammers. Robert starrte sie an. Sie zuckte die Achseln. Er starrte weiter. „Ich habe nicht darum gebeten", sagte sie. „Sophie Paige?” Adele blickte zur?ck zur T?r, vergewisserte sich, dass die Luft auf dem Flur rein war und nickte dann. „Sieht so aus. Sie war ungef?hr genauso gl?cklich wie ich.” „Kennt Foucault eure Geschichte nicht?“, sagte Robert und erhob seine Stimme. „Es ist in Ordnung“, antwortete Adele mit leiser Stimme. „Ich wei? nicht, was der Exekutive tut oder wei?. Aber es ist, wie es ist.” „Und was ist mit John?“, fragte Robert fordernd. Adele winkte l?ssig ab, als w?re ihr der Gedanke nicht wirklich durch den Kopf gegangen. „Du meinst Agent Renee? Nun, ich glaube, er arbeitet an einem anderen Fall. Das hat Paige auch gesagt.” Roberts gezupfte Augenbrauen hingen tief ?ber seinen Augen wie dunkle Wolken, die einen Sturm ank?ndigten. „Paige“, sagte er mit einem St?hnen. „Jetzt wei? ich, warum Foucault mir nichts gesagt hat.” Adele z?gerte. Da war etwas in seinem Tonfall, das sie nicht ganz zuordnen konnte. „Wie meinst du das?” Robert runzelte jedoch immer noch die Stirn und Adele musste die Frage wiederholen. Endlich wurden seine Augen hellwach. „Oh, ich meine, nichts, oder-au?er, er wei?, was ich f?r dich empfinde. Und Paige ist seit dem Vorfall nicht gerade warmherzig dir gegen?ber gewesen.” Adele machte eine Pause und studierte ihren alten Mentor. Sie wusste, dass Robert sich auf ihre Seite schlagen w?rde. Aber da war noch etwas anderes an seinem Tonfall. Etwas hinter seinem Stirnrunzeln, das sie nicht ganz verstand. „Hast du seit meiner Abreise mit Paige gesprochen?“, fragte sie ihn vorsichtig. „Gesprochen? Nein.“ Er zog sich zur?ck, als wollte er noch mehr hinzuf?gen, aber dann schien er sich dagegen zu entscheiden und sch?ttelte kurz den Kopf, rastete die Finger zusammen und faltete die Daumen ?bereinander. „Nein, nichts dergleichen. Ich bin sicher, dass ihr beide professionell damit umgehen k?nnt, oder?” Adele zuckte die Achseln. „Ich kann es, wenn sie es kann.” „Magnifique“, sagte er. „Aber ich hoffe, du konntest auf dem Flug etwas schlafen. Foucault wollte dich sofort nach der Landung sprechen.” Adele nickte, die Lippen fest zusammengepresst. „Agent Paige ist bereits in seinem B?ro“, sagte sie. „Sollen wir sofort gehen?” Ihr alter Mentor nickte, als er vom Stuhl aufstand und sich mit steifen Bewegungen um die Kante seines Schreibtisches bewegte. „Lass deinen Koffer hier“, sagte er. „Ich werde jemanden schicken, der ihn zu mir nach Hause bringt. Komm jetzt.” Robert nahm sie am Arm, schlang ihre Hand durch die Ellbogenbeuge und begleitete sie zum Aufzug. Robert war altmodisch und es gab einige, die ihn f?r aufgeblasen hielten. Aber f?r Adele rief sein Verhalten nur eine liebevolle Belustigung hervor. Sie warteten auf das leise Summen des Aufzugs und betraten Kabine. F?r einen kurzen Moment schwebte Adeles Finger ?ber dem Knopf f?r den zweiten Stock – John's B?ro befand sich auf dieser Etage. War er da? Nein, jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt. Zwischen den Morden lagen nicht mehr drei Wochen wie beim letzten Mal. Drei Tage. Das war alles, was zwischen den Morden vergangen war. Alles war innerhalb k?rzester Zeit geschehen. Wenn der M?rder dieses Tempo beibehielt, konnte alles nur noch schlimmer werden. Adele dr?ckte den Knopf f?r das oberste Stockwerk und w?hrend Robert neben ihr immer noch ihren Ellbogen hielt, wartete sie, dass der Aufzug sie nach oben und in Richtung des B?ros der Exekutive bef?rderte. *** Paige sa? zur?ckgelehnt in ihrem B?rostuhl am Fenster. F?r sie war es ein vertrautes Gef?hl. Executive Foucault starrte auf seinen Computerbildschirm und nagte stirnrunzelnd an seiner Unterlippe herum, w?hrend er den Kopf sch?ttelte. Adele und Robert standen wartend im Raum und schauten dem Treiben zu. „Ist das alles?“ fragte Foucault und blickte nach oben. „Es gibt nichts Neues?“ Seine Augen richteten sich auf Agent Paige, deren eigener Blick Adele fokussierte, als ob sie den Zorn des Exekutives umlenkten wollte. Adele z?gerte. Sonnenlicht str?mte durch das offene Fenster des gro?en B?ros des Exekutives – die Luft wirbelte einen Hauch von Zigarettenrauch umher, aber der Geruch hing noch immer fest in den W?nden. „Ich bin gerade erst angekommen“, sagte Adele, z?gernd, unsicher, ob sie f?r etwas verantwortlich gemacht wurde. „Ich hatte vor, von Roberts B?ro aus zu arbeiten…“ Sie verlor sich im Blick auf Foucaults Gesicht und r?usperte sich dann. „Ehrlich gesagt, habe ich im Flugzeug geschlafen. Wir k?nnen heute Nachmittag beginnen. Ich w?rde gerne den Tatort des zweiten Opfers sehen.” Foucault nickte und winkte mit der Hand. „Ja“, sagte er, seine dicken Augenbrauen zogen sich ?ber seinen dunklen Augen zusammen. „Das w?re das Beste. Wir haben keine Zeit, l?nger zu warten, hm? Nein.“ Er nickte Paige zu. „Sie beide haben schon einmal zusammengearbeitet, richtig?” Paige sa? weiterhin schweigend am Fenster. Sie nickte einmal. Adele nickte ebenfalls. Nach einigen Momenten unangenehmen Schweigens griff Robert ein und r?usperte sich. „Er ist etwas merkw?rdig, dieser Fall.“, sagte er leise. Adele hielt ihre Augen auf Foucault gerichtet, nickte aber zustimmend. Robert seufzte und pl?tzlich war die ganze Aufmerksamkeit im Raum von Adele auf ihn verlagert. „Die Opfer m?ssen den M?rder gekannt haben“, sagte er. „Ein Freund? Vielleicht ein Familienmitglied?” Adele drehte ihren Kopf leicht zur Seite und kreiste ihn ein wenig, um den Nacken zu entspannen. „Vielleicht. Oder vielleicht hat sich der M?rder an sie herangeschlichen. Ein Vermieter? Mit einem Schl?ssel?” Robert z?gerte einen Moment lang und wieder herrschte Stille. Schlie?lich sagte er: „Was halten Sie von der fehlenden Niere?” „Sie haben die Akten gelesen?” „Der zweite Bericht ist noch nicht da.“ Robert hielt inne und zog fragend eine Augenbraue in Richtung Foucault hoch. Die Exekutive nickte. „Sie arbeiten daran, aber es wird noch etwas dauern. Der vollst?ndige Bericht sollte bald vorliegen.” Robert nickte und wandte sich diesmal an Foucault, der langsam durch den Raum ging, um durch das offene Fenster auf die Stra?e darunter zu blicken. Ein kleines, rosa gestrichenes Caf? befand sich auf der Stra?e gegen?ber dem DGSI. „Ich habe den ersten Bericht gelesen“, sagte er. „Nur die Niere fehlt. Warum ist das Ihrer Meinung nach so?” Paige und Foucault schwiegen beide. Doch Adele blickte durch den Raum zu ihrem Mentor und beobachtete, wie die Nachmittagssonne die Seite seines Gesichts beleuchtete und Schatten auf den Teppichboden warf. „Vielleicht sammelt er Troph?en.“, sagte sie. „Vielleicht“, sagte Robert. „Das w?rde Sinn ergeben.” „Was noch?” Robert zuckte mit den Schultern und sein Blick richtete sich auf Foucault hinter seinem Schreibtisch. Das Stirnrunzeln der Exekutive vertiefte sich. „Sie werden daf?r bezahlt, genau das herauszufinden“, sagte er. Seine Augen huschten zwischen den drei Agenten hindurch, er streckte die Hand aus und t?tschelte die Seite seines Computers. „Wir brauchen mehr Informationen und Sie haben nicht viel Zeit, uns diese zu beschaffen.” Adele bemerkte wie schnell das wir in seiner Sprache zu Ihnen wurden. Sie hielt inne und sagte dann leise: „Ich habe ?ber die Opfer nachgedacht. Beide sind Ausl?nderinnen, oder? Als ich noch ein Kind war, hatte ich zu einigen Mitglieder dieser Community Kontakt – nicht allzu viel, da meine Mutter hier aus der Gegend stammte, aber zu einigen amerikanischen Freunde in der Schule, deren Eltern wegen der Arbeit umzogen waren.“ Sie machte eine kurze Pause. „Sie sind eine kleine Gemeinschaft. Oft isoliert und unter sich, aufgrund der Kultur -und Sprachbarrieren. Vielleicht nutzt der M?rder das aus, um ihnen n?her zu kommen. Er nutzt ihre Einsamkeit oder den Druck aus, sich ihrem Gastland anzupassen.” Foucault nahm dies mit einem Nicken und Achselzucken zur Kenntnis. „?berpr?fen Sie alle M?glichkeiten“, sagte er. „Nur“, hielt er inne, „machen Sie nichts Pers?nliches daraus.“ Er wandte sich von Adele ab. „Agent Henry, Sie bleiben doch hier, nehme ich an?“ Foucaults Blick wanderte zu dem kleineren Mann. Robert rieb sich den Schnurrbart. „Ich werde den Au?eneinsatz den jungen Leuten ?berlassen, denke ich.” Foucault lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf Adele. „Zweiter Tatort?“, fragte er.    „Er wird derzeit noch untersucht.” „Ich w?re bereit sofort anzufangen, wenn sie nicht zu m?de ist“, sagte Paige und sprach zum ersten Mal, seit sie den Raum betreten hatten. Der Kommentar schien zun?chst nicht b?swillig, aber irgendetwas daran lie?  Adeles Nackenhaare aufstellen. Nun, da der Fokus wieder auf ihr lag, atmete Adele leise ein. Amerikaner in Frankreich, Expats – sie f?hlte eine tiefe Verbundenheit zu ihnen, eine Art famili?re Verantwortung. Adele wusste, wie es war, keine richtige Heimat zu haben und von Land zu Land zu ziehen, Wurzeln zu schlagen und sich wieder ein Leben aufbauen zu m?ssen. Aber im Fall der Mordopfer hatten sie diese Leben nur aufgebaut, um letztendlich in einer Blutlache auf dem Boden ihrer Wohnungen zu enden. Keine physischen Beweise. Keine Anzeichen f?r einen Kampf. Keine Anzeichen f?r einen Einbruch. Jetzt war nicht die Zeit zum Ausruhen. „Ich stehe zur Verf?gung, wenn Sie bereit sind“, sagte Adele und wandte sich bereits der T?r zu. KAPITEL SIEBEN Adele knirschte frustriert mit den Z?hnen und klopfte ungeduldig mit den Fingern gegen das Holz des T?rrahmens, der in die Wohnung f?hrte. Sie hatte in den letzten drei?ig Minuten zum zehnten Mal ungeduldig auf ihre Uhr geschaut und ihre Augenbrauen senkten sich noch weiter ?ber ihre Augen, wodurch sich ihr Gesicht verdunkelte. „Mein Gott“, murmelte Adele. Sie runzelte die Stirn, als sie die Stra?e auf und ab blickte und die vorbeifahrenden Fahrzeuge verfolgte. Sie versuchte immer wieder, Ordnungswidrigkeiten zu entdecken fand aber das einzige was sie sah, war der Leihwagen, den sie an der Parkuhr am Bordstein geparkt hatte. Es war sp?ter Nachmittag, die Sonne stand hoch am Himmel und tauchte nur wenig in den Horizont ein. Adele und Sophie hatten getrennte Fahrzeuge genommen, da Adele direkt vom Tatort zu Roberts Haus unterwegs sein w?rde. Sie lehnte sich an das Gel?nder, das die Betonstufen hinauff?hrte und wandte sich wieder der Wohnungst?r zu. Einen Moment lang ?berlegte sie, ob sie allein hineingehen sollte. Doch normalerweise schrieb das Protokoll vor, dass zwei Agenten gleichzeitig vor Ort sein mussten. Adele wollte nicht schon an ihrem ersten Arbeitstag in Frankreich f?r Aufregung sorgen. Doch Agent Paige machte es ihr schwer. Sie war bereits drei?ig Minuten zu sp?t. Adele knurrte leise. Sie hatte mit Robert vereinbart, ihr Gep?ck zu seinem Haus zu bringen, und war dann direkt zum Tatort gefahren. Die Fahrt hatte zwanzig Minuten gedauert. Paris war eine der wenigen St?dte, in denen es so gut wie keine Stoppschilder gab. Man munkelte, es m?sste irgendwo doch eines geben; wenn das der Fall war, hatte Agent Paige es gefunden und wusste nicht, wie es weitergehen sollte. Es konnte keinen anderen Grund daf?r geben, warum Adele seit einer halben Stunde auf Paige wartete. Sie blickte die Stra?e entlang, auf die L?cke zwischen den H?userblocks. Sie schluckte und starrte auf den kleinen Weg ?ber die Stra?e, in dessen Innerem sich ein Hauch von Gr?n verbarg. Etwas, das sie an Paris liebte, waren die kleinen Pfade und versteckten G?rten, die wie durch ein Labyrinth quer durch die alten Geb?ude erforscht werden konnten. Die Franzosen hatten ein besonderes Wort f?r diejenigen, die ziellos umhergingen und die Nebenstra?en und G?rten genossen: la fl?nerie. Adele konnte sich nicht daran erinnern, wann sie das letzte Mal entspannt genug gewesen war, um einfach umherzuschweifen. Und jetzt war sicher auch nicht der richtige Zeitpunkt daf?r. Mit einem letzten frustrierten Schnaufen drehte sich Adele zu den T?ren und ging in Richtung der Sprechanlage, bevor sie auf den unteren Knopf mit der Aufschrift "Vermieter" dr?ckte. Der Vermieter war angewiesen worden, sie hereinzulassen. Mit oder ohne Paige war Adele entschlossen, sich den Tatort des zweiten Opfers anzusehen. Doch bevor sie klingeln konnte, h?rte sie ein leises Reifenquietschen. Adele blickte ?ber die Schulter und entdeckte einen zweiten SUV mit schwarz get?nten Scheiben, der hinter ihrem Mietwagen parkte. Agent Paiges silbernes Haar erschien ?ber dem oberen Teil des T?rrahmens, als sie seelenruhig den Fahrersitz verlie?. Die ?ltere Agentin hielt auf dem Bordstein inne, schnippte dann mit den Fingern, als ob ihr etwas klar geworden w?re, drehte sich wieder zu ihrem Auto um, ?ffnete die T?r und begann, im Inneren herumzust?bern. Adele wartete; es dauerte fast eine Minute, bis Paige fand, wonach sie gesucht hatte. Dann kam sie im Schneckentempo auf die Wohnungstreppe zu. Sie nickte Adele ganz unbeirrt zu und ging an ihr vorbei. Adele unterdr?ckte ihr Temperament. Sie w?rde bei diesem Fall mit Paige arbeiten m?ssen und es w?rde ihr nichts bringen, wenn sie die Konfrontation suchte. Aber es schien fast so, als ob ihr zugeteilter Partner sie absichtlich auf dem falschen Fu? erwischt h?tte. „Ich dachte, wir h?tten vereinbart, direkt hierher zu kommen“, sagte Adele und versuchte, ihren Tonfall neutral zu halten. Paige sah Adele aus dem Augenwinkel an. Sie sagte: „Ja? Normalerweise habe ich es nicht so eilig, meine Zeit zu verschwenden. Die Leute von der Spurensicherung haben schon alles durchsucht. Ich bin nicht sicher, warum wir hier sind.” Adele drehte sich ganz um und blickte von den Wohnungst?ren und den Klingelkn?pfen weg und zu ihrer Partnerin hin. „Wir sind hier“, sagte sie Z?hne knirschend, „weil ich den Tatort selbst untersuchen m?chte. Ist das f?r Sie in Ordnung?” Paige s?uberte ihre Fingern?gel und schnippte alles, was sie fand, auf den B?rgersteig. „Sie werden bestimmt nichts Neues finden.” „Vielleicht nicht, aber man kann nie wissen.” Adele konnte Agent Paiges Parf?m riechen, aber es als Parf?m zu bezeichnen, w?re weit hergeholt gewesen. Ihre Partnerin roch nach Seife; nicht nach parf?mierter Seife, sondern eher nach einer schlichten Reinigungsseife, die in erster Linie auf Hygiene abzielte. Agent Paige trug weder Ohrringe noch Schmuck. Sie hatte ein starkes Profil mit einer r?mischen Nase und spitze Wangenknochen. Adele erinnerte sich an ihr erstes Jahr bei der DGSI, in dem sie in einer Arbeitsgruppe mit Agent Paige arbeitete – sie war damals von der ?lteren Frau eingesch?chtert gewesen und wenn sie ehrlich zu sich selbst war, konnte das wirbelnde, unwohle Gef?hl in ihrem Bauch nicht leugnen – es hatte sich nichts ge?ndert. Adele hatte Sophies Familie nie besucht, aber sie wusste aus Gespr?chen mit anderen Agenten, dass Paige f?nf eigene Kinder hatte, die alle adoptiert waren. Und doch hatte Adele nach ihrer Erfahrung noch nie erlebt, dass die Frau auch nur einen Tag auf der Arbeit gefehlt hatte. Als beim DGSI gewesen war, hatte es einige Nachforschungen erfordert, aber so wie es sich anh?rte, blieb Agent Paiges Mann zu Hause und k?mmerte sich um die Kinder, w?hrend seine Frau manchmal bis sp?t in die Nacht f?r die Regierung arbeitete. Paige erwiderte Adeles ver?rgerten Blick. Als Antwort darauf streckte Adele die Hand aus und bet?tigte energisch den Klingelknopf. Es dauerte einen Moment, dann summte die T?r. Sophie dr?ckte die Haust?r auf, ging schnell hinein und lie? sie hinter sich zuschlagen. Adele musste schnell reagieren, um ihren Fu? in die L?cke zu klemmen und sie aufzufangen, bevor sie ganz geschlossen war. Adele starrte frustriert auf den Hinterkopf der ?lteren Agentin. Wieder war kein einziges Haar fehl am Platz. Paiges Kleidung war ordentlich geb?gelt, ihre Anzugsjacke war anthrazitgrau und passte zu ihrer Hose. Adele hatte die Gesellschaft ihrer alten Vorgesetzten nie besonders genossen. Das letzte Mal, als sie mit der Frau interagiert hatte, hatte Paige bei einem fr?heren Fall in Frankreich f?r ?rger gesorgt. „Entschuldigen Sie“, sagte Adele und sprach dabei nur leise, „m?ssen wir reden?” Paige tat jedoch so, als h?tte sie es nicht geh?rt, und ging weiter in Richtung Treppe. Adele machte ein paar eilige Schritte, um die ?ltere Frau einzuholen. Sie streckte die Hand aus und legte sanft eine Hand auf den Unterarm der anderen Agentin. Als w?re sie verbr?ht worden, zuckte Paige zusammen und knurrte bei der Ber?hrung. „Fassen Sie mich nicht an!“, schnappte sie. Adeles starrte auf das Halfter der Frau unter ihrem ge?ffneten Blazer. Sie entfernte ihre Hand in einer beschwichtigenden Geste. „Entschuldigung.” „Was wollen Sie noch?“, sagte Paige mit finsterem Blick. „Wir machen es doch auf Ihre Art, oder? Wir sind hier und verschwenden unsere Zeit, statt mit Zeugen zu reden.” „Welche Zeugen?“, sagte Adele und hielt sich zur?ck. „Der Amerikaner. Derjenige, der die Leiche gefunden hat.” Adele sch?ttelte den Kopf. „Er hat das Opfer gefunden, aber er hat nichts gesehen.” Paige fuhr mit der Zunge ?ber ihre Lippen. Unsere Zeit w?re besser genutzt, wenn wir Zeugen befragten, als sich einen bereits leerger?umten Tatort anzusehen. Sie haben den Bericht gelesen, nicht wahr? Keine physischen Beweise. Hier gibt es nichts f?r uns.” Adele sch?ttelte w?tend den Kopf. Sie streckte die Hand aus, als wolle sie sich beruhigen und griff nach dem h?lzernen Gel?nder, das die Wohnungstreppe hinauff?hrte. Sie konnte das Klirren der Schl?ssel und das Ger?usch von Schritten h?ren, die sich n?herten, als der Vermieter durch den Flur ging. Sie blickte an ihrer Partnerin vorbei, und sah durch das Holzgel?nder, einen alten, kahlk?pfigen Mann mit einem kleinen B?uchlein und einem fleckigen Pullover, der sich auf sie zu bewegte. Adele senkte ihre Stimme und versuchte, ruhig zu bleiben, als sie sagte: „Sie k?nnen die Officer kontaktieren, die die Amerikanerin angerufen hat. Sie sind in Bereitschaft. Sagen Sie ihnen, sie sollen sie herbringen, wenn Sie wollen. Wir werden sie nachher befragen; jedenfalls besser auf dem Revier.” „Gut“, sagte Paige. „Vielleicht mache ich das.“ Sie griff nach ihrem Telefon und fummelte einen Moment daran herum. Adele wartete, w?hrend der Vermieter sich n?herte, in der Hoffnung, dass dies der vorl?ufig letzte hitzige Austausch zwischen den beiden war. Es w?re nicht gut, in der ?ffentlichkeit so unprofessionell auszusehen. Der Vermieter warf einen Blick zwischen den beiden Frauen hin und her, scheinbar hatte er von der Auseinandersetzung nichts mitbekommen. Er nahm ein albernes, ?liges L?cheln an und sagte: „Ich kann Ihnen das Zimmer zeigen.“ Er hielt einen Moment inne, sein L?cheln erstreckte sich immer noch ?ber sein gesamtes Gesicht. „Nur aus Neugierde…“, er machte eine Pause, als ob er eine einstudierte Anzahl von Sekunden warten w?rde. Dann sagte er: „Wann werde ich die Wohnung wieder vermieten k?nnen? Ich muss meine Rechnungen bezahlen…“ „Ich bin Agent Sharp“, unterbrach Adele. Sie studierte den Mann. „Das ist Agent Paige.“ Sie griff in ihre Tasche und zeigte ihre Dienstmarke sowie den Interpol-Ausweis, den Robert ihr gegeben hatte. Der Vermieter winkte ab, ohne einen Blick auf einen der beiden Ausweise zu werfen. Paige starrte immer noch auf ihr Telefon und ignorierte den Mann. „Ich kann es Ihnen zeigen“, wiederholte er. Adele zeigte mit einer Handgeste die Treppe hinauf und erlaubte dem Vermieter, die F?hrung zu ?bernehmen. Sie folgte ihm langsam, w?hrend er schwer atmend, eine Treppenstufe nach der anderen hinaufging. Als sie den Treppenabsatz im dritten Stock erreichten, steckte er die Schl?ssel in das Schloss und drehte ihn um. Adele untersuchte die Schl?ssel, dann sprach sie wieder mit dem Vermieter. „Sie haben die Wohnung vor ein paar Tagen nicht betreten, oder?” Der Vermieter musterte sie und sah sie nach einem Moment mit einem entsetzten Gesicht an. Sofort begann er wild den Kopf zu sch?tteln, wodurch seine Wangen wackelten. „Nein“, beteuerte er. „Ganz sicher nicht. Ich betrete niemals die Wohnungen. Die Schl?ssel sind nur f?r Notf?lle.” Adele hob ihre H?nde. „Hat jemand anders einen Ersatzschl?ssel?” Der Vermieter sch?ttelte wieder den Kopf. „Nur der Mieter. Und ich selbst. Und ich benutze sie nicht“, wiederholte er. Adele nickte, um zu zeigen, dass sie verstanden hatte und beobachtete, wie der Mann die Wohnungst?r aufschloss und beiseitetrat. Mit einer einfachen Handbewegung signalisierte er den beiden Agenten, dass sie eintreten konnten. Die Agenten duckten sich unter der Tatortabsperrung hindurch und gingen dann durch die T?r. Adele ging weiter und warf einen Blick auf den Fliesenboden. Das meiste Blut war bereits entfernt worden. Der Tatort war fotografiert worden und erste Ermittler der Spurensicherung waren gekommen, um alles zu katalogisieren. Adele sah sich in der K?che um; sie bemerkte einige Blutflecken am Schrank neben dem K?hlschrank sowie entlang des Fliesenbodens. Sie ging zu den Flecken hin?ber und warf einen Blick auf den K?hlschrank. Er war nun geschlossen. Abgesehen von der geschlossenen K?hlschrankt?r und dem fehlenden Fleck sah der Tatort genauso aus wie auf den Fotos. Die Leiche war l?ngst zum Gerichtsmediziner gebracht worden und der Abschlussbericht w?rde schon bald vorliegen. Sie gab es nur ungern zu, aber es gab nicht viel zu sehen. Keine physischen Beweise. So wie man es ihr gesagt hatte. Sie hatten bereits alle K?chenschr?nke, den K?hlschrank und die Leiche auf Fingerabdr?cke untersucht und trotzdem war nichts aufgetaucht. Nichts au?er den Fingerabdr?cken des Opfers. Das zweite Opfer war mit dem R?cken an die Schr?nke gelehnt und dem K?hlschrank zugewandt aufgefunden worden. Dies bedeutete, dass derjenige, der sie angegriffen hatte, es schnell getan hatte. Es hatte ein paar Blutspritzer gegeben, aber nicht viele. Es hatte keine Anzeichen von Abwehrverletzungen am K?rper gegeben. Keinen Kampf. „Glauben Sie, dass sie den M?rder kannte?“, fragte Adele leise. „Vielleicht. ”, antwortete Agent Paige. Adele trat vorsichtig ?ber die verblichene Blutlache. Sie ging zum K?hlschrank, griff mit dem Plastikbeutel, in die sie ihre Hand einh?llte, nach dem Griff und zog ihn auf. Es waren noch Lebensmittel im K?hlschrank. Alte Sandwiches lagen im Gem?sefach und neben einem Dutzend Eiern stand ein gro?er Krug mit Milch darin. Ansonsten war der K?hlschrank ziemlich leer. Adele betrachtete die Schr?nke, an denen man die Frau gelehnt gefunden hatte, die in einer Lache ihres eigenen Blutes auf dem Boden sa?. Sie untersuchte den Messerblock aus Holz neben der Sp?le. Alle Messer wurden auf Spuren von Blut untersucht und anschlie?end gereinigt worden. Der M?rder hatte seine Waffe mitgenommen. Sie wussten noch nicht einmal, womit er die Frau get?tet hatte. Adele griff nach oben und ?ffnete das Gefrierfach. Dort standen zwei Eisw?rfelbeh?lter, eine Packung Eiscreme und einige Tiefk?hlpizzen. Der Eiskrembeh?lter war mit geschmolzenem, dann wieder gefrorenem Eis bedeckt. Adele spitzte die Lippen; es war ein pers?nliches Ding, aber sie hasste es, wenn die Leute leere Eispackungen wieder in den Gefrierschrank legten. Sie warf einen Blick auf den Eisbeh?lter und dann huschten ihre Augen zu den gefrorenen Pizzen. Blumenkohl/Karfiol. Sie r?mpfte die Nase, f?hlte aber einen pl?tzlichen Rausch der Verlegenheit, als sie das Essen studierte. Was hatte sie sich davon versprochen? Sie lie? die T?r des Gefrierschranks wieder zufallen und drehte sich um, um den Raum weiter zu inspizieren. Es gab in der Tat keine physischen Beweise. Sie betrachtete das Waschbecken und bemerkte, dass der Wasserhahn leise tropfte. Sie ging hin?ber und drehte einen der Griffe. Das Tropfen ging weiter. Ein Tropfen nach dem anderen. Die Tropfen schlugen gegen das Metallbecken. „Ist die Zeugin auf dem Weg“, sagte Adele, als sie zu Paige hin?berblickte. Die ?ltere Frau beobachtete immer noch die Skyline durch das Fenster. Sie st?hnte. „Ja, ist sie.“ Adele r?usperte sich. „Wie hie? sie noch einmal?” „Melissa Robinson. Ebenfalls Amerikanerin – sie hat die Leiche gefunden.” Adele presste die Lippen aufeinander. „Wie sollten wir Ihrer Meinung nach die Befragung angehen?” Agent Paige zuckte erneut die Achseln. „Sie sind die Interpol-Agentin. Ich bin nur hier, um Ihren Anweisungen zu folgen. Machen Sie, was Sie wollen.” Adele z?gerte und betrachtete den Tatort. Sie nickte einmal, dann sagte sie, im diplomatischsten Ton, den sie ?ber die Lippen bekommen konnte: „Ich glaube, wir m?ssen uns unterhalten.” Paige blickte schlie?lich vom Fenster weg und hob eine ihrer grauen Augenbrauen. Adele n?herte sich vorsichtig und stellte sich vor die ?ltere Frau, obwohl ein Teil von ihr sich in der Ecke des Raumes verstecken wollte. Der Duft von Seife war noch st?rker als zuvor, als sie dem Blick ihrer Partnerin begegnete. „Das hier muss nicht schwierig werden, aber ich habe das Gef?hl, dass Sie sich nicht so sehr anstrengen, wie Sie k?nnten.” Paige verzog f?r einen Moment keine Miene. Schlie?lich zuckte sie die Achseln und sagte: „Ich bin nicht f?r Ihre Gef?hle verantwortlich. Vielleicht sollten Sie sie besser kontrollieren.” Adele starrte die ?ltere Frau an. „Ich glaube nicht, dass dies hilfreich ist.” „Die Anzahl der Dinge, die Sie nicht glauben k?nnen, geht mich nichts an“, sagte Paige k?hl. Sie hatte die Haltung eines Menschen, der sich an der Frustration eines anderen labt. Adeles aufsteigende Wut schien Paiges Freude nur noch zu steigern. „Ich wusste nicht, dass Sie es waren“, platzte Adele schlie?lich heraus. Agent Paige erstarrte. Adele blickte zur?ck zur T?r und war froh, den leeren Rahmen zu sehen, was darauf hindeutete, dass der Vermieter weiter unten im Flur stand. Trotzdem senkte sie ihre Stimme und sagte: „Ich wusste es nicht. Ich sah nur, dass jemand eines der Buchhaltungsdokumente aus der Asservatenkammer entfernt hatte. Ich dachte, es sei ein Schreibfehler. Als ich es Foucault meldete, hatte ich keine Ahnung…“ „Stopp“, schnauzte Paige sie an. Der stille, fragende, selbstgef?llige Ausdruck war nun verblasst, wie Eis, das ?ber einem Teich schmilzt und die kochende Wut darunter zum Vorschein brachte. „Ich meine es ernst“, sagte Adele, „wenn ich gewusst h?tte…“ „Sie haben getan, was Sie getan haben.“ Paige war zornig. Ihre H?nde zitterten an den Seiten gegen ihren grauen Anzug. „Sie haben daf?r gesorgt, dass ich degradiert wurde. Ich habe Gl?ck, dass ich meinen Job noch habe. Matthew wurde verhaftet. Sie verh?rten ihn fast eine Woche lang!” Adele zuckte zusammen. „Es tut mir leid. Alles, was ich sah, waren fehlende Beweise. Ich wusste nicht…“ „Schei? drauf, was Sie nicht wissen oder wussten“, br?llte Agent Paige. Sie presste ihren Finger an Adeles Brust und bohrte ihn in die j?ngere Frau. „Sie h?tten zu mir kommen sollen. Ich war Ihre Vorgesetzte! Sie haben mich hintergangen, wie eine kleine Ratte.” Adele trat zur?ck, griff nach oben, rieb sich an ihrer Brust und fragte sich, ob sie am n?chsten Morgen einen Bluterguss haben w?rde. Sie sch?ttelte den Kopf und sagte: „Sie haben Beweise verschwinden lassen, um Ihren Freund zu sch?tzen. Ich wusste nicht, was passiert war. Ich wusste nicht einmal, dass Sie mit einem Verd?chtigen zusammen waren.“ „Er war kein Verd?chtiger, als wir uns kennenlernten“, wetterte Paige, zog dann aber den K?rzeren und knurrte dann nur noch. „Es geht Sie verdammt noch mal nichts an, mit wem ich ausgehe, verstanden? Und sie haben ihn freigesprochen. Er hat es nicht getan.” Adele nickte und versuchte mit ihrer K?rperhaltung nicht bedrohlich zu wirken. „Gut. Ich bin froh. Das wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Ich wusste nur, dass jemand Beweise verschwinden lassen hatte. H?tte ich gewusst, dass Sie es waren, h?tte ich mit Ihnen geredet. Das h?tte ich auf jeden Fall getan. Aber Sie haben es mir nicht gesagt. Ich sah nur, dass etwas fehlte…“ Sophie schnaubte und winkte Adele mit der Hand. „Es muss nicht immer alles f?r die kleine Adele herhalten“, schnappte Paige. „Nicht alles dreht sich um Sie.” Adele knirschte mit den Z?hnen und sie wollte weiter protestieren, aber die Worte wollten nicht herauskommen. Die Situation hatte sich zum Negativen entwickelt. Agent Paige hatte Gl?ck gehabt, dass sie ihren Job behalten konnte. Ihre Beziehung zu Matthew, einem Buchhalter bei der DGSI, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht ?ffentlich bekannt gewesen. Adele hatte nicht gewusst, dass ihre Vorgesetzte sich mit einem Verd?chtigen traf, der im Zusammenhang mit dem Tod einer Prostituierten stand. Letztendlich wurde Matthew freigesprochen. Aber Paige hatte Adele beschuldigt, die fehlenden Beweise gemeldet zu haben. Es hatte sich herausgestellt, dass Paige versuchte, ihren Freund zu decken; am Ende war jedoch ans Licht gekommen, dass Matthew mit der Prostituierten geschlafen hatte. Adele vermutete, dass Paige dies nicht gewusst hatte, als sie Quittungen und Dokumente versteckt hatte, die auf eine Beteiligung von Matthew hindeuteten. Adele hatte jedoch gesehen, dass die Beweise fehlten und hatte die verschwundenen Akten sofort gemeldet. Danach war gegen Sophie Paige und auch gegen Matthew ermittelt worden. Ihr Freund war von der Mordanklage freigesprochen worden, aber aus der DGSI entlassen worden. Paige w?re gefeuert worden, aber Foucault – aus irgendeinem Grund, den Adele nicht verstand – hatte sich f?r sie eingesetzt und sie am Leben erhalten und sie dabei degradiert. „Ich mag Sie nicht“, sagte Paige einfach ohne weiterhin zu versuchen ihre Gef?hle zu verschleiern. Ihr Gesichtsausdruck wurde wieder finster. „Ich werde Sie niemals m?gen. Ich habe nicht um diesen Auftrag gebeten. Ich muss ihn ertragen. Genau wie Sie. Wie w?re es nun, wenn Sie aufh?ren w?rden, meine Zeit zu verschwenden, indem Sie mich zu Tatorten schleifen, die bereits untersucht worden sind? Haben Sie etwas Neues gefunden?“, fragte sie fordernd. Adele z?gerte und warf einen Blick zur?ck in die K?che; sie wollte nicht zugeben, dass sie es nicht getan hatte. Stattdessen sagte sie: „Wann kommt die Zeugin?” „Sie sind unertr?glich“, blaffte Sophie. Sie drehte sich zum Fenster zur?ck und starrte hinaus in die Stadt. Adele, deren H?nde vor Wut zitterten, ging zur T?r und in den Flur und wartete lieber drau?en auf die Ankunft der Zeugin, als noch einen Moment mit Agent Paige zu verbringen. KAPITEL ACHT Adele erwachte durch das Schulterklopfen eines Officers aus ihrem Tagtraum. Sie drehte sich vom Fenster im Flur der Wohnung des Opfers weg und nach ihm um. „Entschuldigen Sie“, sagte der Officer leise. Adele hob eine Augenbraue, um zu zeigen, dass sie geh?rt hatte. Der Officer r?usperte sich und gl?ttete seinen Schnurrbart. „Die Zeugin weigert sich, die Wohnung zu betreten. Sie sagt, sie w?rde lieber auf dem B?rgersteig reden. Ist das in Ordnung?” Adele blickte den Mann an, dann in Richtung der offenen Wohnungst?r. F?r einen kurzen Moment musste sie der Versuchung widerstehen, Agent Paige zur?ckzulassen und allein mit Ms. Robinson zu sprechen. Doch schlie?lich seufzte und nickte sie. Sie zeigte auf die offene T?r. „W?rde es Ihnen etwas ausmachen, das auch meiner Partnerin zu sagen?” Der Polizeibeamte nickte einmal, ging dann um das Gel?nder herum und auf die T?r zu. Er winkte h?flich dorthin, wo der Vermieter mit dem Schl?ssel in der Hand immer noch am Ende des Flurs wartete. Was Adele betraf, konnte er den ganzen Tag warten. Er w?rde die Wohnung in n?chster Zeit nicht vermieten. Zumindest noch nicht. Sie ging wieder die Treppe hinunter, nahm zwei Stufen auf einmal und hoffte, ein paar Augenblicke zu haben, um mit der Zeugin zu sprechen, ohne dass Agent Paiges Anwesenheit ihre Gedanken tr?bte. Sie erreichte das Erdgeschoss, ?ffnete die T?r zum Wohnhaus und bemerkte ein drittes Auto, diesmal ein Polizeifahrzeug, das am Bordstein wartete. Adele warf einen Blick auf die Vorderseite des Fahrzeugs, wo eine zweite Beamtin an der Motorhaube lehnte. Sie hatte eine Zigarette in der Hand und sah aus, als wolle sie sie gerade anz?nden, aber als sie Adele sah, steckte sie ihr Feuerzeug schnell wieder in die Tasche und schnippte die Zigarette in Richtung des Gitters unter dem Vorderrad des Autos. Die Beamtin wandte sich ebenso schnell von der Motorhaube ab und nickte in Richtung des R?cksitzes des Fahrzeugs. „Sie weigert sich, auszusteigen“, sagte der Officer. „Ich kann sie zwingen, wenn Sie m?chten…“ „Nat?rlich nicht“, erwiderte Adele. „Sie ist keine Verd?chtige.“ Sie ging zum Heck des Fahrzeugs und schaute hinein. Eine junge Frau mit Gr?bchen und lockigem braunen Haar sa? auf dem R?cksitz. Sie sah nicht ?lter aus als Adele selbst. Vielleicht Anfang drei?ig. Adele klopfte an die T?r und blickte den Officer erwartungsvoll an. Sie winkte entschuldigend und griff dann in ihre Tasche und klickte auf ihren Schl?ssel. Die Lichter der Polizeiwagen flackerten auf; es gab ein leises Klicken der Schl?sser. Adele griff nach der Klinke und ?ffnete die T?r. Sie lugte in die Kabine, zog den Kopf ein und sah der Zeugin direkt in die Augen. „Sie sind Melissa Robinson?“, fragte sie. Die Frau mit den lockigen Haaren nickte einmal. „Ja, das bin ich“, antwortete sie auf Franz?sisch, ihr Akzent war kaum zu ?berh?ren. „Englisch oder Franz?sisch?“, fragte Adele. Die Frau z?gerte, runzelte die Stirn und begann zu sprechen, aber Adele unterbrach und sagte: „Wie w?re es mit Englisch? Leichter f?r uns beide, k?nnte ich mir vorstellen.” Der nahtlose ?bergang von fast perfektem Franz?sisch zu makellosem Englisch, schien die Frau mit den lockigen Haaren ein wenig einzusch?chtern. „Sind Sie…“, begann sie. Adele sagte: „Im Einsatz. Das ist eine lange Geschichte.“ Normalerweise verstanden die Leute nicht, was es bedeutet, Amerikanerin, Deutsche und Franz?sin zu sein. Die Vorstellung, drei Staatsb?rgerschaften zu haben, war f?r viele unbegreiflich und Adele wollte sich nicht darauf einlassen. Sie h?rte Schritte hinter sich und mit einem m?den Senken ihrer Schultern blickte sie zur?ck und bemerkte, dass Paige sich n?herte und in ihre Richtung blickte. Adele lenkte ihre Aufmerksamkeit erneut auf das Polizeifahrzeug. Sie war immer noch nicht ganz in das Fahrzeug eingestiegen, da sie gedacht hatte, die Zeugin k?nnte es als bedrohlich empfinden. Stattdessen lehnte sie sich nach vorne, die Arme oben auf die T?r gest?tzt, in einer Art sch?tzenden Haltung, in der Hoffnung, dass die Art, wie sie sich positionierte, der Frau im Inneren des Wagens ein Gef?hl von Sicherheit vermitteln w?rde. Adele r?usperte sich und sagte: „Es tut mir sehr leid, dass Sie hierher zur?ckkommen mussten und es tut mir leid, dass wir Sie wieder nach oben bringen wollten. Das war mein Fehler.” Melissa Robinson nickte und l?chelte leicht. Sie sah traurig aus, aber es wirkte, als ob sie die Entschuldigung ann?hme. Adele f?hlte sich durch den Gesichtsausdruck der Amerikanerin ein wenig erleichtert, als sie fortfuhr: „Aber ich habe mich gefragt, ob Sie mir vielleicht etwas ?ber das Opfer sagen k?nnen. Ihr Name war Amanda, ist das richtig?” „Ja“, sagte Melissa mit zitternder Stimme. Adele lehnte sich weiter vor, aber sie konnte nun mehr Schritte h?ren und sp?rte, dass Agent Paige n?herkam. Melissas Blick lugte von Adele aus ?ber ihre Schulter auf die sich n?hernde Agentin. „W?rden Sie uns noch einen kurzen Moment allein geben?“, sagte Adele zu ihrem Partner. Agent Paige lehnte sich jedoch an die Vorderseite des Fahrzeugs und blickte nach hinten, ohne die Zeugin zu begr??en. „Nur zu“, sagte sie. Paige machte keine Anstalten, den Wagen zu verlassen. Die beiden Polizisten beobachteten die Agenten, blieben aber auf dem B?rgersteig stehen, wo sie waren. Mit einem frustrierten Seufzer drehte sich Adele wieder um, wobei sie ihren Ausdruck so freundlich wie m?glich hielt. „Gibt es sonst noch etwas, das Sie uns ?ber Amanda erz?hlen k?nnten?” Melissa sch?ttelte fast sofort den Kopf. „Nichts“, sagte sie und stotterte dabei ein wenig. „Ich kannte sie kaum. Wir wollten uns heute zum zweiten Mal treffen.” Adele runzelte die Stirn. „Heute?“ „Tut mir leid, ich meine gestern. Es war hart… Gestern, ganz fr?h, bevor sie… als sie starb.“ Die Frau sch?ttelte erneut den Kopf, zuckte zusammen und blickte durch das Fenster zur?ck in den dritten Stock des Wohnhauses. „Es tut mir sehr leid, das zu h?ren“, sagte Adele. „Aber macht es Ihnen etwas aus, mir zu helfen; was meinen Sie damit, dass Sie sich gestern treffen wollten?” „Ich meine“, sagte die Frau, „dass wir uns einmal kurz zuf?llig in einem Supermarkt begegneten, aber gr??tenteils immer nur online sprachen.” „Online?“, sagte Paige schroff, lehnte sich ?ber Adele und stie? sie mit ihrer Schulter aus dem Weg, damit sie auf den R?cksitz schauen konnte. „Was meinen Sie mit online?” Melissa warf einen Blick zwischen die beiden Frauen. „Ich meine im Internet. Wir haben einen Chatroom f?r Expats aus Amerika. Sie wollte sich treffen; man f?hlt sich manchmal einsam in einem neuen Land, wenn man niemanden kennt.” „Gibt es viele von Ihnen hier?“, sagte Agent Paige. Adele mochte den missbilligenden Ton in der Stimme ihrer Partnerin nicht. Paige gab ein leises Schnauben von sich, aber sie hielt sich in Schach. „M?gen Sie ihr Heimatland nicht? Ist das der Grund, warum Sie hier sind?” Melissa zappelte unbehaglich und zupfte unsicher an dem Sicherheitsgurt herum. Sie hatte ihn immer noch abgelegt, obwohl das Auto geparkt war. Adele nahm es ihr nicht ?bel; manchmal hielten sich die Leute aus Unsicherheit an irgendetwas fest. Die Frau ver?nderte ihre Sitzposition wieder und schien unsicher, mit wem sie jetzt sprechen sollte. Schlie?lich entschied sie sich f?r Adele. „Es ist nicht so, dass wir unser eigenes Land nicht m?gen. Zumindest die meisten von uns. Nicht wirklich. Es gibt viele Gr?nde, warum jemand wegzieht. Die andere Kultur, ein Arbeitsplatzwechsel. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie viele Stunden die meisten von uns zu Hause arbeiten mussten. Manchmal f?hlt es sich so an, als w?rde man in Amerika nur leben, um zu arbeiten. In Frankreich hat man das Gef?hl, mehr vom Leben zu haben. Und es gibt so viele verschiedene Menschen, denen man begegnen kann; eine gemeinsame Geschichte und architektonische Sch?nheit…“ Sie wich zur?ck und sch?ttelte leicht den Kopf. „Es tut mir leid, ich schweife ab. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich mag Amerika auch manchmal“, f?gte sie schnell hinzu. „Aber jeder hat seine Priorit?ten und seinen Geschmack. Manche Menschen lieben es zu reisen. Manche Menschen wollen neu anfangen. Ich glaube nicht, dass das allzu seltsam ist.” Adele sch?ttelte den Kopf. „Das ist es nicht“, sagte sie, „aber Sie sagten, Sie h?tten Amanda kurz zuvor getroffen. Wie?” Melissa lachte auf. „Ich… Ich traf sie beim Einkaufen. Wir…“ Sie z?gerte, ihre Fr?hlichkeit lie? nach. Und sie schluckte.  „Wir trafen uns in einer Kassenschlange der Grande Epicerie de Paris…“ „Das Lebensmittelgesch?ft?“, fragte Adele. Melissas Augen sahen traurig aus, aber ein bisschen Humor schlich sich in ihren Ton ein, als sie sagte: „Es ist – es ist ein Insider in unserer Community. In der USA-Abteilung im Laden gibt es nur Dinge wie Erdnussbuttert?rtchen, Popcorn und Beef Jerky- eine lustige Interpretation dessen, was Paris f?r die Grundnahrungsmittel in den USA h?lt…“ Melissa z?gerte, dann zuckte sie die Achseln. „Es ist nicht ungew?hnlich, dass Amerikaner dort einkaufen gehen. Einige von uns finden es ironisch, andere…“ „M?gen die Erdnussbuttert?rtchen und das D?rrfleisch.” Beide Frauen l?chelten. Aber das von Melissa verblasste zuerst. „Ich bin eine der Moderatorinnen unserer Online-Community. Ich h?rte, wie Amanda bezahlte und mit einem Freund auf Englisch sprach. Ich bin – ich bin diejenige“ – ihre Stimme brach, aber sie setzte sich durch – „die sie zu unserer Gruppe eingeladen hat.” „Moderatorin?“, sagte Agent Paige. „Sie h?lt die Gemeinschaft am Laufen“, antwortete Adele schnell und blickte dann auf Melissa zur?ck. Melissa warf ein. „Ich bin eine von zehn. Es gibt ziemlich viele Moderatoren. Normalerweise habe ich nicht mit neuen Mitgliedern zu tun, aber Amanda war… sie schien so freundlich.” Adele nickte verst?ndnisvoll und lie? eine angemessene Zeit verstreichen, bevor sie fragte: „K?nnen Sie uns noch etwas ?ber sie erz?hlen?” Die Frau sch?ttelte den Kopf. „Ich f?rchte, nein.” „Das Opfer hatte eine seltsame Verletzung“, sagte Agent Paige vorsichtig. „Wissen Sie…“ Êîíåö îçíàêîìèòåëüíîãî ôðàãìåíòà. Òåêñò ïðåäîñòàâëåí ÎÎÎ «ËèòÐåñ». Ïðî÷èòàéòå ýòó êíèãó öåëèêîì, êóïèâ ïîëíóþ ëåãàëüíóþ âåðñèþ (https://www.litres.ru/pages/biblio_book/?art=62715012&lfrom=688855901) íà ËèòÐåñ. Áåçîïàñíî îïëàòèòü êíèãó ìîæíî áàíêîâñêîé êàðòîé Visa, MasterCard, Maestro, ñî ñ÷åòà ìîáèëüíîãî òåëåôîíà, ñ ïëàòåæíîãî òåðìèíàëà, â ñàëîíå ÌÒÑ èëè Ñâÿçíîé, ÷åðåç PayPal, WebMoney, ßíäåêñ.Äåíüãè, QIWI Êîøåëåê, áîíóñíûìè êàðòàìè èëè äðóãèì óäîáíûì Âàì ñïîñîáîì.
Íàø ëèòåðàòóðíûé æóðíàë Ëó÷øåå ìåñòî äëÿ ðàçìåùåíèÿ ñâîèõ ïðîèçâåäåíèé ìîëîäûìè àâòîðàìè, ïîýòàìè; äëÿ ðåàëèçàöèè ñâîèõ òâîð÷åñêèõ èäåé è äëÿ òîãî, ÷òîáû âàøè ïðîèçâåäåíèÿ ñòàëè ïîïóëÿðíûìè è ÷èòàåìûìè. Åñëè âû, íåèçâåñòíûé ñîâðåìåííûé ïîýò èëè çàèíòåðåñîâàííûé ÷èòàòåëü - Âàñ æä¸ò íàø ëèòåðàòóðíûé æóðíàë.