Êàêîå, â ñóùíîñòè, íåëåïîå çàíÿòèå ïèñàòü ñòèõè: ......................è "ãëàç ëóíû", è "ñîëíöà äèñê" êàê ìèð ñòàðû. ............................Äóøè øèðîêèå îáúÿòèÿ òîëïå íàâñòðå÷ó ðàñïàõíóòü... - ................................................ïîäîáíûé ðèñê ê ÷åìó òåáå? - ........................Ãëóõîé ñòåíîé - íåïîíèìàíèå; ðàçäàâëåí òÿæåñòüþ

So Gut Wie Verloren

So Gut Wie Verloren Blake Pierce SO GUT WIE VERLOREN (DAS AU-PAIR—BUCH #2) ist der zweite Band der neuen Psycho-Thriller-Reihe der Erstlingsautorin Blake Pierce.  Ein geschiedener Mann macht Urlaub in der britischen Provinz und sucht per Stellenanzeige nach einem Au-Pair. Cassandra Vale, 23, pleite und noch immer ersch?ttert ?ber das Ende ihrer letzten Anstellung in Frankreich, nimmt den Job ohne zu z?gern an. Ihr neuer Auftraggeber ist wohlhabend, gutaussehend, gro?z?gig und hat zwei niedliche Kinder. Was kann also schief gehen? Als Cassandra Frankreich weit hinter sich l?sst und England von seiner besten Seite kennenlernt, wagt sie zu glauben, endlich durchatmen zu k?nnen. Doch dann zwingt eine erschreckende Offenbarung sie dazu, die Wahrheit ihrer turbulenten Vergangenheit, ihres Arbeitgebers und ihres eigenen Verstandes zu hinterfragen. Eine fesselnde Mystery-Geschichte mit komplexen Figuren, verdeckten Geheimnissen, dramatischen Wendungen und einer unglaublichen Spannung: SO GUT WIE VERLOREN ist das zweite Buch der spannungsgeladenen Psycho-Thriller-Serie, die man gar nicht aus der Hand legen m?chte.Buch #3 der Serie—SO GUT WIE TOT—kann nun vorbestellt werden! SO GUT WIE VERLOREN (DAS AU-PAIR—BUCH ZWEI) B L A K E P I E R C E Blake Pierce Blake Pierce ist der USA Today Bestsellerautor der RILEY PAIGE Mystery-Reihe, die bisher sechzehn B?cher umfasst. Er ist ebenfalls der Autor der MACKENZIE WHITE Mystery-Reihe, die bisher aus dreizehn B?chern besteht, der AVERY BLACK Mystery-Reihe, die aus sechs B?chern besteht, der KERI LOCKE Mystery-Reihe, die in f?nf B?chern erh?ltlich ist, der DAS MAKING OF RILEY PAIGE Mystery-Reihe, die bisher f?nf B?cher umfasst, der KATE WISE Mystery-Reihe, von der bisher sechs B?cher erh?ltlich sind, der spannenden CHLOE FINE psychologischen Suspense-Mystery-Reihe, die bisher aus f?nf B?chern besteht, der JESSE HUNT psychologischen Suspense-Thriller-Reihe, von der es bisher f?nf B?cher gibt, der AU PAIR psychologischen Suspense-Thriller-Reihe, die bisher aus zwei B?chern besteht, und der ZOE PRIME Mystery-Reihe, von der bisher zwei B?cher erwerblich sind. Blake ist selbst ein passionierter Leser und lebenslanger Fan der Mystery- und Thriller-Genres, weshalb er sich freuen w?rde, von Ihnen zu h?ren. Besuchen Sie doch seine Webseite www.blakepierceauthor.com, um mehr ?ber ihn herauszufinden und in Kontakt zu bleiben! Copyright © 2019 durch Blake Pierce. Alle Rechte vorbehalten. Au?er wie im US-amerikanischen Urheberrechtsgesetz von 1976 erlaubt, darf kein Teil dieser Ver?ffentlichung in irgendeiner Form oder mit irgendwelchen Mitteln reproduziert, verteilt oder ?bertragen werden oder in einer Datenbank oder einem Abfragesystem ohne die vorherige Genehmigung des Autors gespeichert werden. Dieses eBook ist nur f?r Ihren pers?nlichen Genuss lizenziert. Dieses eBook darf nicht weiterverkauft oder an andere Personen weitergegeben werden. Wenn Sie dieses Buch f?r eine andere Person freigeben m?chten, erwerben Sie bitte f?r jeden Empf?nger eine zus?tzliche Kopie. Wenn Sie dieses Buch lesen und es nicht gekauft haben oder es nicht f?r Ihre Verwendung erworben wurde, geben Sie es bitte zur?ck und kaufen Sie Ihre eigene Kopie. Danke, dass Sie die harte Arbeit dieses Autors respektieren. Dieses Buch ist reine Fiktion. Namen, Charaktere, Gesch?fte, Organisationen, Orte, Ereignisse und Ereignisse sind entweder das Produkt der Fantasie des Autors oder werden fiktiv verwendet. Jede ?hnlichkeit mit tats?chlichen lebenden oder toten Personen ist v?llig zuf?llig. Buchumschlagsbild Copyright Suzanne Tucker, mit Lizenz von Shutterstock.com B?CHER VON BLAKE PIERCE DAS AU-PAIR SO GUT WIE VOR?BER (BAND #1) SO GUT WIE VERLOREN (BAND #2) SO GUT WIE TOT (BAND #3) JESSIE HUNT PSYCHOTHRILLER-SERIE DIE PERFEKTE FRAU (BAND #1) DER PERFEKTE BLOCK (BAND #2) DAS PERFEKTE HAUS (BAND #3) DAS PERFEKTE L?CHELN (BAND #4) DIE PERFEKTE L?GE (BAND #5) CHLOE FINE PSYCHOTHRILLER-SERIE NEBENAN (BAND #1) DIE L?GE EINES NACHBARN (BAND #2) SACKGASSE (BAND #3) STUMMER NACHBAR (BAND #4) KATE WISE MYSTERY-SERIE WENN SIE W?SSTE (BAND #1) WENN SIE S?HE (BAND #2) WENN SIE RENNEN W?RDE (BAND #3) WENN SIE SICH VERSTECKEN W?RDE (BAND #4) WENN SIE FLIEHEN W?RDE (BAND #5) WENN SIE SICH F?RCHTEN W?RDE (BAND #6) DAS MAKING OF RILEY PAIGE MYSTERY-SERIE BEOBACHTET (BAND #1) WARTET (BAND #2) LOCKT (BAND #3) NIMMT (BAND #4) LAUERT (BAND #5) RILEY PAIGE MYSTERY-SERIE VERSCHWUNDEN (BAND #1) GEFESSELT (BAND #2) ERSEHNT (BAND #3) GEK?DERT (BAND #4) GEJAGT (BAND #5) VERZEHRT (BAND #6) VERLASSEN (BAND #7) ERKALTET (BAND #8) VERFOLGT (BAND #9) VERLOREN (BAND #10) BEGRABEN (BAND #11) ?BERFAHREN (BAND #12) GEFANGEN (BAND #13) RUHEND (BAND #14) GEMIEDEN (BAND #15) VERMISST (BAND #16) EINE RILEY PAIGE KURZGESCHICHTE EINST GEL?ST MACKENZIE WHITE MYSTERY-SERIE BEVOR ER T?TET (BAND #1) BEVOR ER SIEHT (BAND #2) BEVOR ER BEGEHRT (BAND #3) BEVOR ER NIMMT (BAND #4) BEVOR ER BRAUCHT (BAND #5) EHE ER F?HLT (BAND #6) EHE ER S?NDIGT (BAND #7) BEVOR ER JAGT (BAND #8) VORHER PL?NDERT ER (BAND #9) VORHER SEHNT ER SICH (BAND #10) VORHER VERF?LLT ER (BAND #11) VORHER NEIDET ER (BAND #12) AVERY BLACK MYSTERY-SERIE DAS MOTIV (BAND #1) LAUF (BAND #2) VERBORGEN (BAND #3) GR?NDE DER ANGST (BAND #4) RETTE MICH (BAND #5) ANGST (BAND #6) KERI LOCKE MYSTERY-SERIE EINE SPUR VON TOD (BAND #1) EINE SPUR VON MORD (BAND #2) EINE SPUR VON SCHW?CHE (BAND #3) EINE SPUR VON VERBRECHEN (BAND #4) EINE SPUR VON HOFFNUNG (BAND #5) Table of Content KAPITEL EINS (#u62f4910b-02f6-555f-bc33-cc5c8eb7d0d6) KAPITEL ZWEI (#u26795c23-5a90-5dab-b855-3666ad4505b1) KAPITEL DREI (#uf524d60d-f64e-5bc2-b323-563eb1eb2473) KAPITEL VIER (#u9c8205cc-9887-5d53-a346-192ea650008d) KAPITEL F?NF (#ub7492977-606a-5e7b-ae7e-5decf54da3d5) KAPITEL SECHS (#u9793a761-4a96-5868-8541-b897511bf3e2) KAPITEL SIEBEN (#uba85ba08-655b-554c-a7cb-305d997d7cf5) KAPITEL ACHT (#ua5960721-351d-5201-8c41-16d5c9bc8aaa) KAPITEL NEUN (#litres_trial_promo) KAPITEL ZEHN (#litres_trial_promo) KAPITEL ELF (#litres_trial_promo) KAPITEL ZW?LF (#litres_trial_promo) KAPITEL DREIZEHN (#litres_trial_promo) KAPITEL VIERZEHN (#litres_trial_promo) KAPITEL F?NFZEHN (#litres_trial_promo) KAPITEL SECHZEHN (#litres_trial_promo) KAPITEL SIEBZEHN (#litres_trial_promo) KAPITEL ACHTZEHN (#litres_trial_promo) KAPITEL NEUNZEHN (#litres_trial_promo) KAPITEL ZWANZIG (#litres_trial_promo) KAPITEL EINUNDWANZIG (#litres_trial_promo) KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG (#litres_trial_promo) KAPITEL DREIUNDZWANZIG (#litres_trial_promo) KAPITEL VIERUNDZWANZIG (#litres_trial_promo) KAPITEL F?NFUNDZWANZIG (#litres_trial_promo) KAPITEL SECHSUNDZWANZIG (#litres_trial_promo) KAPITEL SIEBENUNDZWANZIG (#litres_trial_promo) KAPITEL ACHTUNDZWANZIG (#litres_trial_promo) KAPITEL NEUNUNDZWANZIG (#litres_trial_promo) KAPITEL DREISSIG (#litres_trial_promo) KAPITEL EINUNDDREISSIG (#litres_trial_promo) KAPITEL ZWEIUNDDREISSIG (#litres_trial_promo) KAPITEL DREIUNDDREISSIG (#litres_trial_promo) KAPITEL VIERUNDDREISSIG (#litres_trial_promo) KAPITEL F?NFUNDDREISSIG (#litres_trial_promo) KAPITEL SECHSUNDDREISSIG (#litres_trial_promo) KAPITEL SIEBENUNDDREISSIG (#litres_trial_promo) KAPITEL ACHTUNDDREISSIG (#litres_trial_promo) KAPITEL NEUNUNDDREISSIG (#litres_trial_promo) KAPITEL VIERZIG (#litres_trial_promo) KAPITEL EINUNDVIERZIG (#litres_trial_promo) KAPITEL ZWEIUNDVIERZIG (#litres_trial_promo) KAPITEL DREIUNDVIERZIG (#litres_trial_promo) KAPITEL EINS Cassandra Vale stand in der langen, sich nur schleppend vorw?rtsbewegenden Schlange des London Eye. Nach einer halben Stunde konnte sie das gigantische Riesenrad ?ber sich wenigstens sehen – die Stahlkonstruktion ragte in den wolkenbehangenen Himmel hinein. London von oben zu sehen war scheinbar selbst an einem d?steren Novembertag eine beliebte Attraktion. Sie war alleine, w?hrend es so wirkte, als h?tte jeder andere Besucher Freunde oder Familienangeh?rige dabei. Vor ihr stand eine nerv?se, blonde Frau, die etwa in Cassies Alter, also Mitte zwanzig, zu sein schien. Sie musste sich um drei ungezogene Jungen mit dunklen Haaren k?mmern. Von der Warterei gelangweilt, schrien und zankten die Kinder, schubsten einander und l?sten sich aus der Warteschlange. Sie waren so st?rend, dass die Leute begannen, sich zu beschweren. Ein ?lterer Mann vor ihr drehte sich um und starrte sie an. „K?nnten Sie Ihre Jungen bitte anweisen, leise zu sein?“, fragte er die Blondine in ver?rgertem und vornehmen Britisch. „Es tut mir so leid. Ich versuche es“, entschuldigte sich die junge Frau und war mittlerweile den Tr?nen nahe. Cassie hatte die gestresste, blonde Frau bereits als Au-Pair identifiziert. Diese Konfrontation mitanzusehen brachte sie gedanklich zur?ck zu ihrer eigenen Situation, in der sie sich noch vor einem Monat befunden hatte. Sie wusste genau, wie hilflos die Frau sich f?hlte – gefangen zwischen widerspenstigen Kindern, die sich danebenbenahmen und den missbilligenden Blicken der Umstehenden, die sich genervt einmischten. Die Geschichte konnte nur ?bel ausgehen. Sei froh, nicht in ihrer Situation zu sein, dachte Cassie. Du hast die M?glichkeit, deine Freiheit zu genie?en und die Stadt zu erkunden. Das Problem war, dass sie sich nicht frei f?hlte, sondern ungesch?tzt und verletzlich. Ihr ehemaliger Arbeitgeber w?rde bald wegen Mordes vor Gericht stehen und sie war die einzige, die die ganze Wahrheit kannte. Und – noch schlimmer – er hatte mittlerweile bestimmt herausgefunden, dass sie Beweise zerst?rt hatte, die er gegen sie hatte verwenden wollen. Krank vor Angst f?rchtete sie, er k?nnte Jagd auf sie machen. Wer wusste schon, wie weit die F?hler eines wohlhabenden, verzweifelten Mannes reichten? Sie hatte geglaubt, sich problemlos in einer Millionenstadt verstecken zu k?nnen, doch die franz?sischen Zeitungen mit ihren kreischenden Artikel?berschriften lauerten hinter jeder Ecke. Sie war sich der extensiven Kamera?berwachung bewusst, vor allem in der N?he von Touristenattraktionen. Und die Mitte Londons war nichts anderes als eine gro?e Show. Cassie blickte nach oben und sah einen dunkelhaarigen Mann auf der Plattform neben dem Riesenrad. Sie hatte schon vor einer Weile seinen Blick auf sich gesp?rt und bemerkte nun, dass er erneut in ihre Richtung starrte. Sie versuchte, sich damit zu beruhigen, dass es sich lediglich um einen Sicherheitsbeamten oder einen Polizisten in Zivil handelte. Aber es funktionierte nicht. Sie gab sich immer gr??te M?he, sich von Polizisten fernzuhalten – egal ob in Zivil oder nicht. Genauso f?rchtete sie potentielle Privatdetektive oder auch ehemalige Beamten, die sich m?glicherweise f?r eine lukrativere Karriere als bezahlte Verbrecher entschieden hatten. Cassie erstarrte, als der Mann sein Handy, oder vielleicht war es auch ein Walkie-Talkie, herauszog und mit dringlichem Gesichtsausdruck hineinzusprechen begann. Im n?chsten Moment verlie? er die Plattform und ging geradewegs auf sie zu. Cassie entschied sich, London heute nicht von oben sehen zu m?ssen. Obwohl sie bereits Eintritt daf?r bezahlt hatte, w?rde sie die Attraktion verlassen. Schlie?lich konnte sie ein anderes Mal zur?ckkehren. Sie drehte sich um und bereitete sich darauf vor, die Menschenmenge zu durchqueren, als sie erschrocken sah, dass zwei weitere Polizisten hinter ihr erschienen waren. Auch die Teenager-M?dchen hinter ihr hatten sich dazu entschlossen, zu gehen. Sie hatten sich bereits umgedreht und schoben sich durch die Warteschlange zum Ausgang. Cassie folgte ihnen, dankbar, dass sie den Weg f?r sie freimachten. Doch ihre Panik wuchs, als die Beamten ihr weiterhin folgten. „Warten Sie, Ma’am! Bleiben Sie stehen!“, rief der Mann hinter ihr. Sie w?rde sich nicht umdrehen. Nein. Sie w?rde schreien, sich an den anderen Menschen in der Schlange festhalten, betteln und flehen und sagen, dass sie die falsche Person hatten. Dass sie nichts mit dem mutma?lichen M?rder Pierre Dubois zu tun und nie f?r ihn gearbeitet hatte. Sie w?rde alles tun, um einfach nur wegzukommen. Aber als sie sich darauf vorbereitete, zu k?mpfen, schob sich der Mann an ihr vorbei und packte die zwei Teenager-M?dchen vor ihr. Die M?dchen begannen zu schreien und zu zappeln – genau wie sie es auch vorgehabt hatte. Zwei weitere Polizisten in Zivil erschienen, schoben die Beistehenden beiseite und packten die M?dchen am Arm, w?hrend ein uniformierter Polizist deren Taschen ?ffnete. Zu Cassies Verwunderung beobachtete sie, wie der Polizist drei Handys und zwei Geldbeutel aus dem neonpinken Rucksack des gr??eren M?dchens zog. „Taschendiebe. Bitte ?berpr?fen Sie Ihre Taschen, meine Damen und Herren. Informieren Sie uns, wenn Ihnen etwas fehlt“, erkl?rte der Beamte. Cassie griff nach ihrer Jackentasche und f?hlte erleichtert, dass ihr Handy sicher in der Innentasche verstaut lag. Dann blickte sie auf ihre Handtasche und ihr Herz sank Richtung Magengegend, als sie sah, dass der Rei?verschluss offen war. „Mein Geldbeutel fehlt“, sagte sie. „Jemand hat ihn gestohlen.“ Atemlos vor Angst folgte sie den Beamten aus der Schlange heraus und um die Ecke in das kleine B?ro der Sicherheitsbeamten. Die zwei Taschendiebe warteten bereits dort und weinten, w?hrend die Polizisten ihre Taschen ausleerten. „Ist es dabei, Ma’am?“, fragte der Beamte in Zivil Cassie und deutete auf die Handys und Geldbeutel auf dem Tresen. „Nein, das ist es nicht.“ Cassie wollte am liebsten selbst in Tr?nen ausbrechen. Sie sah zu, wie ein Beamte den Rucksack aussch?ttelte und hoffte, ihr abgewetztes Lederportemonnaie herausfallen zu sehen, doch die Tasche war leer. Der Polizist sch?ttelte genervt den Kopf. „Sie geben ihre Beute durch die Schlange nach hinten, um sie z?gig aus dem Sichtfeld zu schaffen. Da Sie vor den Dieben in der Schlange standen, wurde Ihr Geldbeutel vermutlich schon vor einer ganzen Weile entwendet.“ Cassie drehte sich um und starrte die Diebe an. Sie hoffte, alle Gef?hle und Gedanken in ihren Blick packen zu k?nnen. W?re der Beamte nicht danebengestanden, h?tte sie sie beschimpft, sie gefragt, welches Recht sie hatten, ihr Leben zu ruinieren. Sie waren nicht am Verhungern, trugen neue Schuhe und Markenjacken. Vermutlich stahlen sie f?r den Nervenkitzel oder um Alkohol oder Drogen zu kaufen. „Tut mir leid, Ma’am“, fuhr der Beamte fort. „W?rden Sie bitte einige Minuten hier warten, wir m?ssen Ihre Aussage aufnehmen.“ Eine Aussage. Cassie wusste, dass das nicht m?glich war. Sie wollte unter keinen Umst?nden im Fokus der Polizei stehen. Sie wollte ihnen weder ihre Adresse geben, noch sagen, wer sie war. Und keinesfalls durften ihre Informationen in einem offiziellen Bericht stehen. „Ich werde meiner Schwester nur eben sagen, dass ich hier bin“, log sie den Beamten an. „Kein Problem.“ Er drehte sich weg und redete mit seinem Walkie-Talkie, w?hrend Cassie aus dem B?ro eilte. Ihr Geldbeutel war Geschichte, er war weg. Sie hatte keine Chance, ihn zur?ckzubekommen, selbst wenn sie hundert Polizeiberichte schreiben w?rde. Also entschied sie sich, das N?chstbeste zu tun: Das London Eye zu verlassen und nie wieder zur?ckzukehren. Der Ausflug war ein unglaubliches Desaster gewesen. Sie hatte am Morgen viel Geld abgehoben und nun waren au?erdem ihre Bankkarten weg. Sie konnte keine Bank betreten, um Geld abzuheben, da sie ihren Ausweis nicht bei sich trug – ihr Reisepass befand sich im G?stehaus und sie hatte keine Zeit, ihn zu holen, weil sie geplant hatte, direkt nach dem Besuch beim London Eye mit ihrer Freundin Jess Mittag essen zu gehen. Eine halbe Stunde sp?ter betrat Cassie den Pub, wo sie sich verabredet hatten. Sie war aufgew?hlt, aufgebracht ?ber den Verlust des Geldes und ziemlich genervt von London. Die Mittagshektik hatte noch nicht begonnen, also bat sie die Kellnerin, ihr einen Ecktisch zu reservieren, w?hrend sie das Badezimmer aufsuchte. Sie starrte sich im Spiegel an, gl?ttete ihr welliges, kastanienbraunes Haar und versuchte sich an einem fr?hlichen L?cheln. Der Ausdruck f?hlte sich ungewohnt an. Sie war sich sicher, seit ihrem letzten Treffen mit Jess abgenommen zu haben, au?erdem glaubte sie, zu blass und zu gestresst auszusehen. Und das lag nicht nur an dem Trauma dieses Tages. Als sie das Badezimmer verlie?, sah sie gerade, wie Jess den Pub betrat. Sie trug dieselbe Jacke, die sie vor einem Monat getragen hatte, als sie beide auf dem Weg nach Frankreich gewesen waren, um ihre Au-Pair-Stellen anzutreten. Sie zu sehen brachte alle Erinnerungen zur?ck. Cassie erinnerte sich daran, wie sie sich an Bord des Flugzeuges gef?hlt hatte. ?ngstlich, unsicher und mit b?ser Vorahnung gegen?ber der Familie, der sie zugeteilt worden war. All das hatte sich als begr?ndet erwiesen. Jess dagegen war von einer liebevollen und freundlichen Familie angestellt worden und Cassie glaubte, sie sah sehr gl?cklich aus. „Es ist sch?n, dich zu sehen“, sagte Jess und umarmte Cassie fest. „Ach wie wundervoll.“ „Das ist es. Aber ich stecke ein bisschen in der Klemme“, beichtete Cassie. Sie erz?hlte von dem Taschendiebstahl. „Nein! Das ist furchtbar. Welch Pech, dass dein Geldbeutel nicht unter den gefundenen war.“ „K?nntest du mir Geld f?rs Mittagessen und die Busfahrt zur?ck zu meinem G?stezimmer leihen? Ich kann ohne Pass nicht einmal Geld abheben. Ich werde es dir ?berweisen, sobald ich Internetzugang habe.“ „Nat?rlich. Und es ist keine Leihgabe, sondern ein Geschenk. Die Familie, f?r dich ich arbeite, ist wegen einer Hochzeit in London. Da heute alle in Winchester sind, um die Mutter der Braut zu besuchen, haben sie mich mit Geld ?bersch?ttet, um mir in London einen sch?nen Tag zu machen. Nach dem Essen gehe ich erstmal zu Harrods.“ Jess sch?ttelte ihr blondes Haar nach hinten und lachte, als sie ihr Bargeld mit Cassie teilte. „Hey, sollen wir ein Selfie machen?“, schlug sie vor, doch Cassie lehnte ab. „Ich trage absolut null Makeup“, erkl?rte sie und Jess lachte, w?hrend sie ihr Handy wieder wegsteckte. Das fehlende Makeup war nat?rlich nicht der wahre Grund – sie gab ihr Bestes, sich so unauff?llig wie m?glich zu verhalten. Als sie in London ankam, hatte sie zuerst die Einstellungen ihrer Social-Media-Kan?le ver?ndert und auf privat gestellt. Gut meinende Freunde k?nnten schlie?lich etwas sagen, eine Spur, die sie nicht riskieren konnte. Niemand durfte wissen, wo sie war. Weder ihr Ex-Freund in den Staaten, noch ihr Ex-Arbeitgeber und sein Anwaltsteam in Frankreich. Sie hatte geglaubt, sich nach ihrem Abschied von Frankreich sicher zu f?hlen, hatte aber nicht realisiert, wie zug?nglich und verbunden Europa war. Direkt in die Staaten zur?ck zu gehen, w?re vern?nftiger gewesen. „Du siehst fantastisch aus – hast du abgenommen?“, fragte Jess. „Und wie l?ufts mit deiner Familie? Du hattest dir damals Sorgen um deine Anstellung gemacht.“ „Es hat nicht funktioniert, ich arbeite also nicht mehr dort“, sagte sie vorsichtig und verschwieg die h?sslichen Details, ?ber die sie selbst nicht nachdenken wollte. „Oh nein. Was ist passiert?“ „Die Kinder sind nach S?dfrankreich gezogen und die Familie braucht meine Dienste nicht mehr.“ Cassie hielt sich so kurz wie m?glich und hoffte, dass ihre langweilige Erkl?rung weitere Fragen abwenden w?rde. Schlie?lich wollte sie ihre Freundin nicht anl?gen. „Das passiert nun mal. Es h?tte schlimmer kommen k?nnen. Gut, dass du nicht f?r die Familie gearbeitet hast, ?ber die gerade jeder spricht – die, in der der Ehemann vor Gericht steht, weil er angeblich seine Verlobte ermordet hat.“ Cassie sah schnell auf den Tisch, um sich mit ihrem Gesichtsausdruck nicht zu verraten. Zum Gl?ck lenkte die Ankunft des Weines sie ab und nachdem sie ihr Essen bestellt hatten, wandte sich Jess anderen Themen zu. „Was wirst du jetzt tun?“, fragte sie Cassie. Die Frage besch?mte Cassie, weil sie keine schl?ssige Antwort hatte. Sie w?nschte, Jess erz?hlen zu k?nnen, einen Plan zu haben und nicht einfach nur von einem Tag zum anderen zu leben. Sie wusste, dass sie ihre Zeit in Europa genie?en sollte, aber wurde sich ihrer Situation wegen immer unsicherer. „Ich bin mir noch nicht ganz sicher. Ich habe dar?ber nachgedacht, zur?ck in die Staaten zu gehen und an einem w?rmeren Ort nach Arbeit zu suchen. Vielleicht in Florida. Es ist zu teuer, hier zu bleiben.“ Jess nickte verst?ndnisvoll. „Ich habe mir einen Wagen gekauft, als ich hier angekommen bin. Jemand im G?stehaus wollte ihn loswerden. Das hat mich einiges an Bargeld gekostet.“ „Du hast einen Wagen?“, fragte Jess. „Das ist gro?artig!“ „Das stimmt. Ich habe ein paar wundervolle Ausfl?ge aus der Stadt raus unternommen, aber Sprit und die t?glichen Kosten sind h?her als erwartet.“ Geld zu verschwenden ohne Aussicht auf Einkommen machte ihr zu schaffen und erinnerte sie an die M?hen, die sie erlebt hatte, als sie noch j?nger war. Sie hatte ihr Zuhause mit sechzehn Jahren verlassen, um ihrem gewaltt?tigen Vater zu entkommen und sich seither alleine durchgeschlagen. Sie hatte weder Sicherheiten noch Ersparnisse oder eine Familie, die sie unterst?tzen konnte. Ihre Mutter war tot und ihre ?ltere Schwester Jacqui einige Jahre vor ihr ausgezogen. Seither hatte sie sich nie mehr gemeldet. F?r Cassie ging es danach Monat f?r Monat ums ?berleben. Manchmal war sie nur mit H?ngen und W?rgen ?ber die Runden gekommen. Erdnussbutter am Monatsende? Nein – es war ihr Hauptnahrungsmittel gewesen, wenn die Zeiten schwer waren. Dass sie sich Jobs in Restaurants oder hinter der Bar suchte, hatte haupts?chlich daran gelegen, dass sie dort kostenlos essen konnte. Nun machte es sie panisch, von einem schwindenden Notgroschen zu leben, der zu ihrem einzigen Besitz z?hlte. Dank dem Diebstahl war dieses finanzielle Polster sogar noch geschrumpft. „Du k?nntest dir einen Job suchen, um dich ?ber Wasser zu halten. Nur f?r eine Weile“, empfahl Jess, als k?nne sie Gedanken lesen. „Das habe ich. Ich habe mit mehreren Restaurants geredet und mich sogar f?r Jobs in einigen Bars beworben, wurde aber gleich wieder weggeschickt. Man ist hier sehr pingelig, was den Papierkram angeht und ich habe lediglich ein Besuchervisum.“ „Restaurantarbeit? Warum nicht als Au-Pair?“, fragte Jess neugierig. „Nein“, erwiderte Cassie sofort, bevor sie sich daran erinnerte, dass Jess nichts von den Umst?nden ihres letzten Jobs wusste. Sie fuhr fort. „Wenn ich nicht arbeiten kann, kann ich nicht arbeiten. Kein Visum bedeutet kein Visum, au?erdem ist eine Stelle als Au-Pair langfristiger.“ „Nicht unbedingt“, meinte Jess. „Das muss sie nicht sein. Und ich habe selbst Erfahrung damit gemacht, ohne Visum zu arbeiten.“ „Wirklich?“ Cassie wusste, dass sie ihre Entscheidung getroffen hatte. Sie w?rde nicht wieder als Au-Pair arbeiten. Trotzdem klang es interessant, was Jess zu sagen hatte. „Restaurants und Pubs werden regelm??ig kontrolliert. Es ist ihnen unm?glich, jemanden ohne korrektes Visum anzustellen. Aber f?r eine Familie zu arbeiten ist anders, sozusagen eine Grauzone. Schlie?lich k?nntest du ja ein Freund der Familie sein. Wer kann schon entscheiden, ob du tats?chlich arbeitest? Ich habe letztes Jahr eine Weile bei einem Freund in Devon verbracht und dort f?r Nachbarn zeitweise auch Aufgaben in der Kindererziehung ?bernommen.“ „Das ist gut zu wissen“, sagte Cassie, hatte aber nicht die Absicht, diese Option weiter zu verfolgen. Mit Jess zu reden verfestigte sogar ihre Entscheidung, in die Staaten zur?ckzukehren. Wenn sie den Wagen verkaufte, h?tte sie genug Geld, sich selbst ?ber Wasser zu halten, bis sie wieder auf die Beine kam. Auf der anderen Seite hatte sie erwartet, wesentlich mehr Zeit mit Reisen zu verbringen. Sie hatte sich auf ein ganzes Jahr unterwegs gefreut und gehofft, dadurch die Zeit zu gewinnen, die sie brauchte, um Abstand von ihrer Vergangenheit zu bekommen. Das war ihre Chance auf einen Neustart und eine R?ckkehr als neuer Mensch. So bald schon nach Hause zur?ck zu gehen w?rde ihr das Gef?hl geben, aufgegeben zu haben. Ihr war egal, was andere Leute von ihr dachten – aber sie selbst w?rde sich als Versager f?hlen. Die Kellnerin trug Teller, die turmhoch mit Nachos gef?llt waren, an ihren Tisch. Cassie hatte das Fr?hst?ck ausfallen lassen und machte sich hungrig ?ber das Essen her. Aber Jess hielt inne, runzelte die Stirn und zog ihr Handy aus der Tasche. „Hm, ein ehemaliger Arbeitgeber hat mich gestern angerufen, um zu fragen, ob ich ihm erneut aushelfen k?nnte.“ „Wirklich?“, fragte Cassie, aber ihre Aufmerksamkeit galt dem Essen. „Ryan Ellis. Ich habe letztes Jahr f?r ihn gearbeitet. Die Eltern seiner Frau waren dabei, umzuziehen, und sie brauchten jemanden f?r die Kinder, w?hrend sie unterwegs waren. Sehr liebe Menschen, genau wie die Kinder – ein Junge und ein M?dchen. Wir hatten viel Spa? zusammen. Sie leben in einem h?bschen Dorf am Meer.“ „Worum geht es bei dem Job?“ „Er sucht dringend nach jemandem, der f?r drei Wochen bei ihnen einzieht. Cassie, das k?nnte genau das Richtige f?r dich sein. Er hat gut bezahlt, mir Bargeld gegeben und sich kein bisschen f?r ein Visum interessiert. Er meinte, dass ich, wo ich ja von einer Au-Pair-Agentur akzeptiert worden war, offensichtlich eine vertrauensw?rdige Person sein muss. Warum rufen wir ihn nicht an und finden mehr heraus?“ „Ich bin mir nicht sicher, ob das das Richtige f?r mich ist.“ Doch Jess schien entschlossen, Cassies Zukunft in die H?nde zu nehmen und tippte auf ihrem Handy herum. „Ich schicke dir trotzdem mal seine Nummer. Und ich werde ihm eine Nachricht schicken, dass du dich m?glicherweise bei ihm melden wirst und ich dich sehr empfehlen kann. Man wei? nie – selbst, wenn du nicht f?r ihn arbeitest, kennt er vielleicht jemanden, der einen Haussitter braucht. Oder jemanden, der mit Hunden Gassi geht. Oder so.“ Cassie konnte ihre Logik nicht abstreiten und einen Moment sp?ter vibrierte ihr Handy und die Nummer erschien auf ihrem Display. „Wie l?uft deine Arbeit?“, fragte sie, als Jess ihre Nachrichten abgeschickt hatte. „K?nnte nicht besser sein.“ Jess schaufelte Guacamole auf einen Tortilla-Chip. „Die Familie ist super. Sie sind sehr gro?z?gig, was meine Freizeit angeht und geben mir immer wieder einen Bonus. Die Kids sind manchmal frech, aber nie b?se und ich glaube, sie m?gen mich auch.“ Sie senkte die Stimme. „Letzte Woche, als die Hochzeitsg?ste anreisten, wurde ich einem der Cousins vorgestellt. Er ist achtundzwanzig, umwerfend und Gesch?ftsf?hrer einer IT-Firma. Ich glaube, er mag mich und es macht unheimlich Spa?, mal wieder zu flirten.“ Obwohl sie sich f?r ihre Freundin freute, konnte Cassie nicht anders, als auch einen Hauch der Eifersucht zu versp?ren. Sie hatte insgeheim auf einen Traumjob wie diesen gehofft. Warum war bei ihr alles so schiefgelaufen? War es einfach nur Pech oder hatten ihre eigenen Entscheidungen dazu beigetragen? Cassie erinnerte sich pl?tzlich daran, was Jess ihr im Flugzeug nach Frankreich erz?hlt hatte. Auch ihr erster Au-Pair-Job war nicht das Richtige gewesen, also hatte sie gek?ndigt und es erneut versucht. Erst ihr zweiter Versuch war von Erfolg gekr?nt gewesen und Cassie fragte sich, ob sie zu schnell aufgegeben hatte. Als sie ihre Nachos aufgegessen hatten, sah Jess auf die Uhr. „Ich muss los. Harrods wartet“, sagte sie. „Ich muss Geschenke f?r meine Familie zuhause kaufen und f?r die Kinder und f?r den umwerfenden Jacques. Was soll ich ihm schenken? Was gibt man jemandem, mit dem man flirtet? F?r diese Entscheidung werde ich eine Weile brauchen!“ Cassie umarmte Jess zum Abschied und war traurig dar?ber, dass ihr Treffen bereits zu Ende war. Die nette Unterhaltung war eine willkommene Abwechslung gewesen. Jess wirkte so gl?cklich und Cassie verstand, warum. Sie wurde gebraucht und gesch?tzt, verdiente Geld, hatte einen Sinn im Leben und war sicher. Jess fuhr nicht alleine in der Gegend herum, einsam, arbeitslos und mit der st?ndigen Paranoia, wegen einer Mordverhandlung gesucht zu werden. Ein paar Wochen in einem abgelegenen Dorf waren m?glicherweise genau, was sie brauchte. Und Jess hatte Recht. Dieser Anruf k?nnte auch andere Gelegenheiten mit sich bringen. Jedenfalls w?rde sie es nie herausfinden, wenn sie es nicht versuchte. Cassie verlie? den gut besuchten Pub auf der Suche nach einer ruhigeren Ecke. Sie sah sich nerv?s um, falls Taschen- oder Handydiebe in der N?he waren. Dann atmete sie tief durch und w?hlte die Nummer, bevor sie zu intensiv dar?ber nachdenken konnte. KAPITEL ZWEI Mit dem Handy fest in der Hand dr?ckte sich Cassie n?her an die Hauswand, um sich vor dem Nieselregen zu sch?tzen. Jetzt, wo sie Ryan Ellis Nummer gew?hlt hatte, wurde sie immer nerv?ser. Sie musste irgendwie Geld verdienen, wenn sie noch l?nger in Gro?britannien bleiben wollte, aber war eine Anstellung als Au-Pair nach den Ereignissen in Frankreich das Richtige f?r sie? Selbst wenn der Job gut klang, wusste sie nicht, ob er sie mit so wenig Erfahrung und keinen Qualifikationen ?berhaupt anstellen w?rde. Cassie stellte sich vor, mit einem peinlichen ‚nein‘ f?r ihren Mut, um den Job zu bitten, belohnt zu werden. Es klingelte so lange, dass sie bereits f?rchtete, mit der Mailbox verbunden zu werden. Im letztm?glichen Moment antwortete schlie?lich ein Mann. „Ryan hier“, sagte er. Er klang au?er Atem, als w?re er zu seinem Telefon gerannt. „Hallo, spricht dort Ryan Ellis?“, fragte Cassie. Ihre eigene Frage lie? sie zusammenzucken, doch schlie?lich kannte sie ihn nicht und es f?hlte sich falsch an, einfach nur ‚Hi, Ryan‘ zu sagen. „Ja, das bin ich. Wer ist da?“ Er klang nicht genervt, sondern vielmehr neugierig. „Mein Name ist Cassie Vale und ich habe Ihre Nummer von meiner Freundin Jess erhalten, die letztes Jahr f?r Sie gearbeitet hat. Sie hat erw?hnt, dass Sie auf der Suche nach einer Kinderbetreuung sind.“ „Jess, Jess, Jess“, wiederholte Ryan, als versuche er, den Namen einzuordnen. Dann: „Oh, ja, Jess aus Amerika. Wie ich sehe, hat sie mir gerade eine Nachricht geschickt. Eine sehr nette Dame. Hat sie Sie empfohlen? Rufen Sie deshalb an? Ich habe die Nachricht noch nicht gelesen.“ Cassie z?gerte. W?rde sie ja sagen? Das w?re eine verbindliche Zusage und sie war sich nicht sicher, ob sie zu diesem Schritt bereit war. „Ich w?rde gerne mehr ?ber den Job erfahren“, sagte sie. „Ich war als Au-Pair in Frankreich t?tig, aber meine Anstellung ist vorbei. Ich habe an eine befristete Stelle gedacht, bin mir zu diesem Zeitpunkt aber unsicher.“ Kurze Stille. „Ok, ich fasse mal kurz zusammen. Ich bin gerade mehr als verzweifelt, habe eine Scheidung hinter mir, die mir ziemlich zugesetzt hat. Die Kinder wollen nicht einmal dar?ber sprechen, was geschehen ist und ich brauche jemanden, der sie aufmuntert und mit ihnen Spa? hat. Au?erdem habe ich ein gro?es Projekt mit Deadline, das mich fast all meine Zeit kostet.“ Ryans Worte schockierten Cassie. Sie hatte eine so missliche Lage nicht erwartet. Kein Wunder, dass er verzweifelt nach Hilfe suchte. Die Scheidung musste sehr traumatisch gewesen sein, wenn die Kinder so darunter litten. Sie vermutete, dass Ryan es war, der sich um sie k?mmerte und seine Frau ihn m?glicherweise f?r jemand anderen verlassen hatte. Sie hatte keine Ahnung, was sie darauf antworten sollte. „Das klingt in der Tat sehr aufreibend“, sagte sie schlie?lich, um die kurze Stille zu f?llen. „Ich habe herumtelefoniert, weil ich noch keine Gelegenheit dazu hatte, den Job auszuschreiben. Ich bin gerade so durcheinander, dass ich vermutlich nicht besonders gut darin w?re, jemanden zu interviewen. Aber alle, die bereits f?r mich gearbeitet haben, sind nicht verf?gbar. Es st?rt mich nicht, zuzugeben, dass ich wirklich dringend Hilfe ben?tige. Ich bin bereit, das Dreifache zu bezahlen. Au?erdem geht es um maximal drei Wochen.“ „Also …“, begann Cassie. Sie brachte es nicht zustande, nein zu sagen. Das w?re herzlos, wo sich der Mann doch in solch gr?sslichen Umst?nden zu befinden schien. Sie hatte Mitleid mit ihm und das Gef?hl, es w?re egoistisch, den Job einfach so auszuschlagen. Die Familie brauchte verzweifelt Hilfe, das Geld stimmte und die kurze Job-Dauer war auch verlockend. „Warum kommen Sie nicht vorbei und lernen uns kennen?“, schlug Ryan vor. „Haben Sie einen Wagen? Wenn nicht, kann ich Sie auch am Bahnhof abholen. Nat?rlich werde ich die Fahrkarte bezahlen.“ „Ich habe einen Wagen“, sagte Cassie. „Das erleichtert die Sache. Wenn der Verkehr stimmt, brauchen Sie vermutlich nicht mehr als f?nf Stunden. Ich werde Ihnen die Adresse schicken und f?r die Fahrtkosten bezahlen, wenn Sie uns nicht m?gen.“ „In Ordnung. Ich fahre morgen fr?h los und sollte dann gegen Mittag ankommen“, sagte Cassie. Sie legte auf und war erleichtert ?ber die M?glichkeit, Zeit mit der Familie verbringen zu k?nnen, bevor sie sich entscheiden musste. Wenn sie sie mochte, w?re das eine Gelegenheit, ihr Leben in dieser schweren Zeit unterst?tzend zu bereichern. Als Ryan ihr erz?hlte, frisch geschieden zu sein, hatte sie nicht erwartet, so viel Mitgef?hl f?r ihn zu empfinden. Da sie in einem Zuhause voller Konflikte aufgewachsen war und ihre Mutter so fr?h verloren hatte, glaubte sie, zu verstehen, wie es sich anf?hlen musste. Sie wusste, dass sie der Familie in dieser Zeit beistehen konnte. Als sie als verzweifelte und ?ngstliche Sechzehnj?hrige ihr Zuhause verlassen hatte, war sie entschlossen gewesen, in die Fu?stapfen ihrer Schwester zu treten und f?r immer der Gewalt ihres Vaters zu entfliehen. Aber nach der Flucht aus seiner w?tenden Dominanz war sie in der sch?dlichen Beziehung mit Zane gelandet. Und ihre Reise nach Frankreich, mit der sie Zane entkommen hatte wollen, war im gr??ten Albtraum ?berhaupt geendet. Au?erhalb der Stadt in einem entlegenen K?stendorf w?re sie sicher und in der Lage, die famili?re Umgebung zu erleben, in der sie sich gebraucht f?hlen konnte. Schlie?lich war das einer der Hauptgr?nde gewesen, ?berhaupt als Au-Pair arbeiten zu wollen. Cassie hoffte nun, dort heilen zu k?nnen. KAPITEL DREI Die Fahrt zu Ryan Ellis dauerte l?nger, als Cassie erwartet hatte. Es schien unm?glich, die Staus auf dem Weg nach S?den zu meiden und zwei Mal musste sie wegen Stra?enarbeiten umst?ndliche Umleitungen in Kauf nehmen. Aufgrund der zus?tzlichen Zeit auf der Stra?e ging ihr fast das Benzin aus. Mit dem letzten Geld, das ihr von Jess‘ Leihgabe ?briggeblieben war, f?llte sie den Tank. Sie machte sich Sorgen, Ryan k?nnte denken, sie habe ihre Meinung ge?ndert. Also schrieb sie ihm eine Nachricht, um sich f?r die Versp?tung zu entschuldigen. Sofort antwortete er: „Kein Problem, nimm dir Zeit und fahr vorsichtig.“ Sobald sie den Highway verlassen und die l?ndliche Gegend erreicht hatte, bot sich ihr eine idyllische Aussicht. Sie reckte den Hals und schielte ?ber die getrimmten Hecken, um die Patchwork-Felder in jedem Farbton von Dunkelgr?n bis Goldbraun sehen zu k?nnen. Dazwischen entdeckte sie immer wieder malerische Bauernh?user und gewundene Fl?sse. Die ordentliche Landschaft stimmte sie friedlich, obwohl sie wusste, dass die dichter werdenden Wolken Regen ank?ndigten. Sie hoffte, ihr Ziel noch vor dem Wolkenausbruch zu erreichen. Mehr als sechs Stunden nach ihrem Verlassen Londons erreichte sie ein gem?tliches, kleines Dorf an der K?ste. Selbst im tr?ben Licht hatte es etwas Verzaubertes an sich. Ihr Wagen ratterte ?ber Pflastersteinstra?en, wo L?cken in den H?userreihen kurze Blicke auf den malerischen Hafen dahinter freigaben. Ryan hatte sie angewiesen, durch das Dorf hindurch und an der K?ste entlang zu fahren. Das Haus befand sich einige Kilometer weiter und ?berblickte das Meer. Sie parkte vor dem offenen Tor und starrte begeistert das Haus an – es war fast zu perfekt, um wahr zu sein. Es f?hlte sich wie der Ort an, von dem sie immer getr?umt hatte. Ein einfaches, aber gleichzeitig umwerfendes Zuhause mit weichen Linien und Holzdetails, das sich harmonisch in die Umgebung einf?gte und sie an ein Schiff im Hafen erinnerte, wenn es nicht auf einer Klippe mit fantastischem Blick ?ber den Ozean stehen w?rde. Der gepflegte Garten beherbergte sowohl eine Schaukel als auch eine Wippe. Beide waren schon etwas rostig und Cassie nahm an, dass der Zustand der Spielger?te einen Hinweis auf das Alter der Kinder liefern k?nnte. Cassie betrachtete sich im R?ckspiegel und ?berpr?fte ihr Haar. Die Wellen waren glatt und gl?nzend, nachdem sie ihnen am Morgen extra Zuwendung geschenkt hatte, und ihr korallenroter Lippenstift schimmerte makellos. Sie lief ?ber die gepflasterte Einfahrt zum Haus, wo ein Weg, der mit Blumenbeeten ges?umt war, auf sie wartete. Trotz der Jahreszeit bl?hte alles gelb und sie erkannte die Bl?ten des Gei?blatts. Im Sommer war es vermutlich ein pr?chtiges Farbenspiel. Die Haust?re ?ffnete sich, bevor sie dort angekommen war. „Hallo Cassie. Sch?n, dich kennenzulernen. Ich bin Ryan.“ Der Mann, der sie begr??te, war einen Kopf gr??er als sie, gutaussehend und ?berraschend jung. Sein sandbraunes Haar war zerzaust und seine Augen leuchteten blau. Er l?chelte und schien sich ehrlich zu freuen, sie zu sehen. Er trug ein verblasstes Eminem-T-Shirt und ausgetragene Jeans. Sie bemerkte ein Geschirrtuch, das an seine G?rtelschlaufe geklemmt war. „Hi Ryan.“ Sie nahm seine ausgestreckte Hand. Sein Griff war warm und fest. „Du hast mich dabei erwischt, die K?che f?r deine Ankunft sauber zu machen. Das Wasser kocht bereits – bist du Teetrinker? Ich wei?, eine sehr britische Angewohnheit. Aber ich habe auch Kaffee, wenn dir das lieber ist.“ „Tee ist prima“, sagte Cassie, der das bodenst?ndige Willkommen gefiel. Als er die Haust?re hinter ihr geschlossen hatte und sie in die K?che f?hrte, dachte sie dar?ber nach, wie anders sie sich Ryan Ellis vorgestellt hatte. Er war freundlicher als erwartet und ihr gefiel es, dass er bereit dazu war, die K?che zu putzen. Cassie erinnerte sich an ihre Ankunft in Frankreich. Schon beim Betreten des franz?sischen Schlosses hatte sie die aufgeladene, ungem?tliche und konfliktreiche Stimmung bemerkt. In diesem Haus war das Gegenteil der Fall. Sie lief ?ber den polierten Holzboden und war beeindruckt, wie sauber alles war. Auf dem kleinen Tisch im Flur standen sogar frische Blumen. „Wir haben das Haus f?r dich auf Vordermann gebracht“, sagte Ryan, als k?nne er Gedanken lesen. „So gut hat es hier seit Monaten nicht ausgesehen.“ Zu ihrer Rechten sah Cassie ein Familienzimmer mit einer gro?en Schiebet?r, die auf die Veranda f?hrte. Gem?tlich aussehende Lederm?bel und Gem?lde von Schiffen an den W?nden machten das Zimmer einladend und geschmackvoll. Sie konnte nicht anders, als es mit dem pomp?sen Showroom-Dekor des Schlosses zu vergleichen, wo sie zuvor gearbeitet hatte. In diesem Haus schien eine richtige Familie zu leben! Die K?che war ordentlich und sauber und Cassie bemerkte, wie qualitativ die K?chenger?te waren. Wasserkessel, Toaster und K?chenmaschine trugen Markennamen und sie erkannte die leuchtenden Designermuster aus einem Artikel, den sie auf dem Flug gelesen hatte. Sie erinnerte sich daran, wie erstaunt sie von den Preisen gewesen war. „Hast du schon zu Mittag gegessen?“, fragte Ryan, nachdem er ihr Tee eingeschenkt hatte. „Nein, aber das ist in Ordnung …“ Er ignorierte ihre Proteste, ?ffnete den K?hlschrank und brachte einen Teller, der mit Obst, Milchbr?tchen und Sandwiches beladen war, zum Vorschein. „Am Wochenende ist es mir immer am liebsten, Snacks zur Verf?gung zu haben. Ich w?nschte, behaupten zu k?nnen, die Sachen extra f?r dich vorbereitet zu haben, aber wegen der Kinder ist das hier ?blich. Dylan ist zw?lf und beginnt gerade, wie ein Teenager zu essen. Madison ist neun und treibt viel Sport. Mir ist es lieber, wenn sie sich damit vollstopfen, als mit Fastfood oder S??igkeiten.“ „Wo sind die Kinder?“, fragte Cassie und ihre Nervosit?t kam zur?ck. Bei einem so freundlichen und ehrlichen Dad waren sie vermutlich genau so, wie Jess sie beschrieben hatte, aber sie musste sich selbst vergewissern. „Sie sind nach dem Mittagessen mit dem Rad aufgebrochen, um einen Freund zu besuchen. Ich habe ihnen gesagt, den Nachmittag auszunutzen, bevor sich das Wetter verschlechtert. Sie m?ssten jede Minute zur?ck sein – falls nicht, muss ich sie eventuell mit dem Land Rover einsammeln gehen.“ Ryan blickte aus dem Fenster zum immer dunkler werdenden Himmel. „Naja, wie bereits gesagt, brauche ich in n?chster Zeit wirklich Hilfe. Ich bin jetzt alleinerziehend und die Kinder brauchen so viel Ablenkung wie m?glich. Leider kann ich gegen die Deadline bei der Arbeit nichts ausrichten.“ „Was machst du beruflich?“, fragte Cassie. „Mir geh?rt eine Flotte von Fischer- und Freizeitbooten, die vom Hafen in der Stadt aus betrieben wird. Zu dieser Jahreszeit werden die Boote gewartet und ich habe derzeit eine Truppe vor Ort, die sich um die Reparaturen k?mmert. Es gibt viel zu tun und die ersten St?rme der Saison ziehen bereits auf. Deshalb ist meine Zeit so knapp und die derzeitigen Umst?nde sind nat?rlich alles andere als hilfreich.“ „Es muss furchtbar sein, eine Scheidung mitgemacht zu haben, vor allem jetzt.“ „Es war keine einfache Zeit.“ Als Ryan sich vom Fenster abwandte, bemerkte Cassie im sich ver?ndernden Licht, dass er nicht nur attraktiv, sondern sogar au?erordentlich gutaussehend war. Seine Gesichtsz?ge waren kr?ftig und markant und seine definierten Armmuskeln deuteten darauf hin, dass er trainierte. Cassie schalt sich daf?r, das Aussehen des armen Mannes zu begaffen, w?hrend er sich selbst in der emotionalen H?lle befand. Doch sie musste zugeben, dass er unwiderstehlich gutaussehend war – so sehr, dass sie ihren Blick von ihm losrei?en musste. „Ryan, das einzige Problem ist, dass ist gerade kein g?ltiges Arbeitsvisum besitze. Ich habe eines f?r Frankreich und die offiziellen Genehmigungen der Au-Pair-Agentur, aber mir war nicht klar, dass die Gesetze hier anders sind.“ „Du wurdest mir von einer Freundin empfohlen“, sagte Ryan l?chelnd. „Das bedeutet, du kannst als Gast bei uns bleiben. Ich werde dich bar und steuerfrei bezahlen, wenn das f?r dich in Ordnung ist.“ Cassie f?hlte eine Woge der Erleichterung ?ber sich schwappen. Ryan verstand ihre Situation und hatte keine Probleme damit, ihr entgegenzukommen. Ihr fiel ein Stein vom Herzen und ihr wurde klar, dass dies vermutlich sogar der entscheidende Faktor war. Sie musste sich davon abhalten, den Job an Ort und Stelle anzunehmen und erinnerte sich daran, vorsichtig zu sein. Bevor sie sich festlegte, w?rde sie die Kinder kennenlernen wollen. „Wie lange wirst du mich brauchen?“ „Maximal f?r drei Wochen. Das wird mir Zeit geben, das Projekt fertigzustellen. Danach geht es f?r uns in die Ferien, wo wir als mehr oder weniger neue Familie hoffentlich neu zusammenfinden werden. Die Leute sagen, dass eine Scheidung die aufreibendste Erfahrung des Lebens sein kann und ich denke, sowohl die Kinder als auch ich selbst k?nnen das best?tigen.“ Cassie nickte mitf?hlend. Sie war sich sicher, dass seine Kinder unter der Situation litten und fragte sich, wie viel Ryan und seine Frau gestritten hatten. Nat?rlich hatte es Konflikte gegeben, aber sie wusste nicht, ob diese als laute Schuldzuweisungen oder unangenehmes, angespanntes Schweigen ausgetragen worden waren. Da sie als Kind beides erlebt hatte, war sie sich nicht sicher, was schlimmer war. Als Cassies Mutter noch am Leben gewesen war, hatte sie es geschafft, das Temperament ihres Vaters zu kontrollieren. Cassie erinnerte sich an die angespannte Stille und hatte gelernt, einen feinf?hligen Sinn f?r Konflikte zu entwickeln. Wenn sie einen Raum betrat, konnte sie sofort erkennen, ob Streit in der Luft lag. Die Funkstillen waren am sch?dlichsten und machten allen emotional am meisten zu schaffen, da sie niemals endeten. Ein lauter Streit dagegen endete fr?her oder sp?ter, selbst wenn dabei Gl?ser zerbrochen wurden oder der Notruf gew?hlt worden war. Aber auch das sorgte f?r Traumata und unheilbare Narben. Schreien und k?rperliche Gewalt hatten auch eine Angst vor Kontrollverlust hervorgerufen – Vertrauen war dadurch unm?glich geworden. Nach dem Tod ihrer Mutter hatte sie genau das bei ihrem Vater erlebt. Cassie sah sich in der fr?hlichen und ordentlichen K?che um und versuchte, sich vorzustellen, was hier zwischen Ryan und seiner Frau geschehen war. Ihrer Erfahrung nach fanden die schlimmsten Konflikte in der K?che oder im Schlafzimmer statt. „Es tut mir so leid, dass du das hast mitmachen m?ssen“, sagte sie leise. Ryan sah sie an und als sie seinen Blick erwiderte, starrte sie in helle, leuchtend blaue Augen. „Cassie, du scheinst zu verstehen“, sagte er. Sie hatte das Gef?hl, dass er noch etwas hinzuf?gen wollte, doch in diesem Moment ?ffnete sich die Haust?r. „Die Kinder sind zuhause, genau rechtzeitig“. Er klang erleichtert. Cassie blickte aus dem Fenster, wo die Regentropfen bereits gegen das Glas prasselten. Als die T?r zuging, verwandelten sich die Tropfen in einen ordentlichen, kalten Winterregen. „Hey Dad!“ Schritte ert?nten auf dem Holzboden und ein d?nnes, junges M?dchen mit Radlerhosen und einer gr?nen Trainingsjacke rannte in die K?che. Sie blieb stehen, als sie Cassie sah, betrachtete sie von Kopf bis Fu? und kam dann her?ber, um ihr die Hand zu geben. „Hallo. Bist du die Lady, die nach uns sehen wird?“ „Mein Name ist Cassie. Bist du Madison?“, fragte Cassie. Madison nickte und Ryan zerzauste das gl?nzende, braune Haar seiner Tochter. „Cassie ?berlegt noch, ob sie f?r uns arbeiten will. Was denkst du? Versprichst du, dich von deiner besten Seite zu zeigen?“ Madison zuckte mit den Schultern. „Du sagst immer, wir sollen keine Versprechungen machen, dir wir nicht halten k?nnen. Aber ich werde es versuchen.“ Ryan lachte und Cassie l?chelte ?ber die kecke Ehrlichkeit der Antwort. „Wo ist Dylan?“, fragte Ryan. „In der Garage und ?lt sein Fahrrad. Es hat ganz sch?n gequietscht, als wir den Berg hinaufgefahren sind und dann hat er auch noch eine Kette verloren.“ Madison holte tief Luft und ging dann zur K?chent?r. „Dylan!“, rief sie. „Komm her!“ Cassie h?rte ein entferntes Rufen. „Komm schon!“ „Das wird ewig dauern“, sagte Madison. „Wenn er an den Fahrr?dern arbeitet, kann er nicht mehr aufh?ren.“ Sie erblickte den Snack-Teller und ging mit leuchtenden Augen eilig darauf zu. Als sie das Essen betrachtete, seufzte sie genervt. „Dad, du hast Eier-Brote gemacht.“ „Ist das ein Problem?“, fragte Ryan mit hochgezogenen Augenbrauen. „Du kennst meinen Standpunkt Eiern gegen?ber. Das ist wie Erbrochenes auf einem Brot.“ Sie nahm sich vorsichtig ein Milchbr?tchen von der gegen?berliegenden Seite des Tellers. „Erbrochenes auf einem Brot?“, Ryans Stimme klang gleichzeitig belustigt und entsetzt. „Maddie, so etwas solltest du vor G?sten nicht sagen.“ „Pass auf, Cassie. Das Eierzeugs klebt an allem“, warnte Madison und sah ihren Vater reuelos an. Cassie hatte pl?tzlich das seltsame Gef?hl des Dazugeh?rens. Diese Neckereien waren genau das, was sie sich erhofft hatte. Bisher schien es sich um eine normale, gl?ckliche Familie zu handeln, die sich neckte und f?reinander da war, auch wenn bestimmt jedes Familienmitglied seine Eigenarten und Schwierigkeiten hatte. Ihr wurde nun klar, wie angespannt sie darauf gewartet hatte, dass etwas schiefgehen k?nnte. Aus Verlegenheit hatte sie sich selbst noch nichts zu essen genommen, realisierte nun jedoch, wie hungrig sie war. Um sich stattdessen nicht mit einem h?rbar knurrenden Magen zu blamieren, entschied sie sich dazu, zuzugreifen. „Ich werde mutig sein und mich an dem Sandwich versuchen“, meldete sie sich freiwillig. „Danke. Es freut mich zu sehen, dass jemand meine kulinarischen F?higkeiten zu sch?tzen wei?“, sagte Ryan. „Du meinst wohl deine F?higk-EI-ten“, f?gte Madison hinzu und Cassie lachte. Sie drehte sich Cassie zu und sagte: „Dad k?mmert sich immer ums Essen. Aber er hasst es, abzusp?len.“ „Das stimmt“, meinte Ryan. Madison holte erneut tief Luft und wandte sich zur K?chent?r. „Dylan“, schrie sie. Dann sagte sie mit normaler Stimme: „Oh, da bist du ja.“ Ein gro?er, schlaksiger Junge betrat das Zimmer. Er hatte das braune, gl?nzende Haar seiner Schwester und Cassie fragte sich, ob er gerade einen Wachstumsschub hinter sich hatte. Er schien nur aus Gliedma?en und Sehnen zu bestehen. „Hi, freut mich, dich kennenzulernen“, sagte er abwesend zu Cassie. In seinen jungenhaften Z?gen erkannte Cassie die ?hnlichkeit zu Ryan. Beide hatten sie markante, starke Kiefer und ausgepr?gte Wangenknochen. In Madisons h?bschem, ovalen Gesicht sah sie weniger von Ryan und fragte sich, wie die Mutter der Kinder wohl aussehen musste. Gab es irgendwo im Haus Familienfotos? Oder war die Scheidung so bitter gewesen, dass diese entfernt worden waren? „Gib ihr die Hand“, erinnerte Ryan seinen Sohn, doch Dylan drehte seine Handfl?chen nach oben und Cassie sah, dass sie schwarz vor ?l waren. „Oh, oh. Komm hier r?ber.“ Ryan eilte zum Waschbecken, drehte den Wasserhahn auf und gab eine gro?z?gige Menge Sp?lmittel in die H?nde seines Sohnes. W?hrend Ryan abgelenkt war, nahm Cassie sich ein weiteres Sandwich. „Was war mit deinem Fahrrad los?“, fragte Ryan. „Die Kette ist abgesprungen, als ich den Gang gewechselt habe“, erkl?rte Dylan. „Hast du es repariert?“ Ryan beobachtete kritisch den Prozess des H?ndewaschens. „Ja“, antwortete Dylan. Cassie erwartete eine ausf?hrlichere Erkl?rung, doch Dylan schwieg. Ryan gab ihm ein Handtuch, er trocknete seine H?nde, gab Cassie kurz und formell die Hand und wandte sich dann den Snacks zu. W?hrend er a?, sprach Dylan nicht viel, aber Cassie beobachtete beeindruckt, wie viel er in der kurzen Zeit runterschlingen konnte. Der Teller war fast leer, als Ryan ihn zur?ck in den K?hlschrank stellte. „Du wirst beim Abendessen keinen Hunger mehr haben, wenn du so weiter isst und ich habe vor, Spaghetti Bolognese zu machen“, sagte er. „Spaghetti geht immer“, versprach Dylan. Ryan schloss die K?hlschrankt?r. „Ok, Kinder. Ihr solltet euch jetzt umziehen, sonst bekommt ihr eine Erk?ltung.“ Als sie verschwunden waren, drehte er sich wieder Cassie zu und sie bemerkte, dass er nerv?s klang. „Was denkst du? Entsprechen die beiden deinen Erwartungen? Es sind tolle Kinder, aber auch sie haben ihre Momente.“ Cassie hatte die beiden sofort ins Herz geschlossen. Vor allem Madison schien ein unproblematisches Kind zu sein und sie konnte sich nicht vorstellen, mit dem gespr?chigen M?dchen Unterhaltungsschwierigkeiten zu haben. Dylan kam ihr komplexer, stiller und introvertierter vor. Aber das konnte auch daran liegen, dass er sich zum Teenager zu entwickeln schien. Es war nicht ?berraschend, dass er einem dreiundzwanzigj?hrigen Au-Pair nicht viel zu sagen hatte. Ryan hatte recht. Seine Kinder schienen vertr?glich zu sein. Au?erdem war er als unterst?tzender Vater sicherlich bereit, ihr bei Schwierigkeiten zur Seite zu stehen. Damit war ihre Entscheidung getroffen. Sie w?rde den Job annehmen. „Du hast wundervolle Kinder. Ich w?rde mich freuen, die n?chsten drei Wochen f?r dich arbeiten zu d?rfen.“ Ryans Augen leuchteten auf. „Oh, das ist fabelhaft. Wei?t du, Cassie, als ich dich zum ersten Mal gesehen, nein, mit dir gesprochen habe, hoffte ich bereits, dass du einwilligen w?rdest. Deine Energie fasziniert mich und ich w?rde sehr gerne erfahren, was du mitgemacht hast, was dich geformt hat. Ich wei? nicht, wie ich es beschreiben soll, aber du wirkst so klug und reif. Jedenfalls habe ich das Gef?hl, dass meine Kinder bei dir in ausgezeichneten H?nden sein werden.“ Cassie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Ryans Lob besch?mte sie. Ryan sprach weiter. „Die Kinder werden begeistert sein, ich habe bereits gemerkt, dass sie dich m?gen. Ich gebe dir nun am besten eine Tour des Hauses und dann kannst du dich einrichten. Hast du deine Sachen dabei?“ „Ja, das habe ich.“ Der Regen hatte eine kurze Pause eingelegt, also ging Ryan mit ihr zum Wagen, lud l?ssig ihre schweren Taschen aus und trug sie in den Flur. „Wir haben nur eine Garage, die dem Land Rover geh?rt, aber das Parken an der Stra?e ist absolut sicher. Das Haus ist einfach aufgebaut. Wir haben das Wohnzimmer zur Rechten, die K?che geradeaus und links befindet sich das Esszimmer, das wir nur selten verwenden. Deshalb ist daraus jetzt ein Raum zum Puzzeln, Lesen und Spielen geworden. Wie man sehen kann.“ Er schielte seufzend hinein. „Wer ist der Puzzle-Enthusiast?“ „Madison. Sie liebt es, mit ihren H?nden zu arbeiten und bastelt unheimlich gerne.“ „Und sie ist auch noch sportlich?“, fragte Cassie. „Ein Multi-Talent also.“ „Maddies Schwachstelle sind die Hausaufgaben, f?rchte ich. In schulischen Angelegenheiten braucht sie Hilfe, vor allem in Mathe. Es w?re toll, wenn du ihr dabei helfen k?nntest und wenn es auch nur moralische Unterst?tzung ist.“ „Was ist mit Dylan?“ „Er ist ein leidenschaftlicher Radfahrer, interessiert sich aber f?r keinen anderen Sport. Mechanik ist sein Steckenpferd und in der Schule hat er nur Einsen. Daf?r ist er allerdings nicht gerade gesellig. Wenn er sich unter Druck gesetzt f?hlt, kann er auch ziemlich launisch werden. Ein schwieriger Balanceakt also.“ Cassie nickte dankbar, so viel ?ber ihre neuen Sch?tzlinge erfahren zu haben. „Hier ist dein Zimmer, dort k?nnen wir deine Taschen abstellen.“ Aus dem kleinen Zimmer hatte man eine wundervolle Aussicht ?ber das Meer. Es war in T?rkis und Wei? dekoriert worden und sah ordentlich und einladend aus. Ryan stellte ihre gro?e Tasche an den Fu? des Bettes und die kleinere auf einen gestreiften Sessel. „Das G?stebad ist gleich hier den Flur runter. Madisons Zimmer befindet sich dann zur Rechten und Dylans zur Linken. Ganz am Ende ist mein Reich. Und dann gibt es noch etwas, das ich dir zeigen m?chte.“ Er f?hrte sie den Flur entlang ins Familienzimmer. Hinter den Glast?ren sah Cassie einen ?berdachten Balkon mit schmiedeeisernen M?beln. „Wow“, fl?sterte sie. Der Ausblick hier war atemberaubend. Der Ozean lag tief unter ihnen und sie konnte die Wellen h?ren, die gegen die Felsen schlugen. „Das ist mein Ort der Ruhe. Hier sitze ich jeden Abend nach dem Essen, um abzuschalten, f?r gew?hnlich mit einem Glas Wein. Du bist herzlich eingeladen, dich jederzeit zu mir zu gesellen – der Wein ist optional, windgesch?tzte Kleidung verpflichtend. Der Balkon hat zwar ein solides Dach, aber keine Verglasung. Ich habe mit dem Gedanken gespielt, aber festgestellt, es nicht ?bers Herz zu bringen. Hier drau?en f?hlt man sich dem Meer einfach so nahe. Das Ger?usch des Ozeans und an st?rmischen Abenden auch mal eine Brise Seewasser. Sieh es dir selbst an.“ Er ?ffnete die Schiebet?r. Cassie ging auf den Balkon und bis zur Br?stung, an der sie sich festhielt. In dem Moment wurde ihr schwindelig und pl?tzlich befand sich unter ihr nicht l?nger der Strand von Devon. Sie beugte sich ?ber die Steinbr?stung und betrachtete entsetzt den entstellten K?rper unter sich. Panik und Verwirrung ?berkamen sie. Sie konnte den kalten Stein unter ihren Fingern sp?ren, erinnerte sich an den Hauch von Parfum, der noch immer im opulenten Schlafzimmer verweilte. Sie erinnerte sich an die ?belkeit, die in ihr getobt hatte, daran, wie ihre Beine so weich geworden waren, dass sie geglaubt hatte, zusammenzubrechen. Dann daran, wie ihre Erinnerungen ihr nicht erlaubt hatten, die Ereignisse der vergangenen Nacht erneut abzuspielen. An ihre Albtr?ume, die schon immer schlimm gewesen waren, sich nun intensiviert hatten und nach dem schockierenden Anblick lebhafter waren als je zuvor. Sie erinnerte sich daran, nicht in der Lage gewesen zu sein, Traum und Erinnerung auseinanderzuhalten. Cassie hatte geglaubt, ihr angsterf?lltes Ich zur?ckgelassen zu haben, aber nun kam die Dunkelheit zur?ck, um sie zu verschlucken. Und sie verstand, dass die Erinnerungen genau wie die Angst ein Teil ihrer Selbst geworden waren. „Nein“, wollte sie schreien, aber ihre eigene Stimme schien aus der Ferne zu kommen. Einem weitentfernten Ort. Sie brachte lediglich ein kaum h?rbares Fl?stern zustande. KAPITEL VIER „Hey, ganz ruhig. Sch?n gleichm??ig atmen. Ein, aus, ein, aus.“ Cassie ?ffnete die Augen und betrachtete die massiven Holzbretter der Veranda. Sie sa? auf dem weichen Kissen des schmiedeeisernen Stuhls, ihr Kopf auf den Knien. Feste H?nde hielten sie an den Schultern, um sie zu st?tzen. Es war Ryan, ihr neuer Arbeitgeber. Seine H?nde, seine Stimme. Was war passiert? Sie war in Panik geraten und hatte sich l?cherlich gemacht. Eilig setzte sie sich auf. „Vorsichtig, mach langsam.“ Cassie rang nach Luft. Ihr Kopf drehte sich und sie hatte das Gef?hl, ihren K?rper von oben zu sehen. „Du hattest einen ernsthaften Schwindel-Anfall, w?rde ich sagen. F?r einen Moment glaubte ich, du k?nntest ?ber die Br?stung fallen“, sagte Ryan. „Ich habe es geschafft, dich festzuhalten, bevor du ohnm?chtig wurdest. Wie f?hlst du dich?“ Wie sie sich f?hlte? Eiskalt, schwindelig und besch?mt. Sie hatte so dringend einen guten Eindruck machen wollen, um Ryans Lob gerecht zu werden. Stattdessen hatte sie es versaut. Sie musste ihm unbedingt erkl?ren, warum. Aber wie? Wenn er w?sste, was sie mitgemacht hatte und dass ihr ehemaliger Arbeitgeber in diesem Moment wegen Mordes vor Gericht stand, w?rde er m?glicherweise seine Meinung ?ndern. Vermutlich w?rde er dann denken, dass sie zu labil war, um sich um seine Kinder zu k?mmern, die gerade jetzt nichts mehr brauchten als Stabilit?t. Selbst eine einfache Panikattacke war bestimmt bereits Grund zur Sorge. Es war also besser, seine Vermutungen zu best?tigen: Sie hatte H?henangst und einen Schwindelanfall erlitten. „Mir geht’s schon wieder viel besser“, antwortete sie. „Es tut mir so leid. Ich h?tte daran denken sollen, dass ich extreme H?henangst habe, wenn ich eine Weile nichts mit H?hen zu tun hatte. Aber das wird sich bessern und in ein paar Tagen wird der Balkon kein Problem mehr f?r mich darstellen.“ „Das ist gut zu wissen, aber sei bis dahin bitte vorsichtig. Kannst du aufstehen? Halte dich an meinem Arm fest.“ Cassie stand auf und lehnte sich an Ryan, bis sie sich sicher war, dass ihre Beine sie tragen konnten. Dann f?hrte er sie langsam zur?ck ins Familienzimmer. „Ich bin okay, danke.“ „Sicher?“ Er hielt ihren Arm noch immer fest, dann lie? er sie los. „Pack in aller Ruhe aus und mach es dir gem?tlich. Um halb sieben gibt es Abendessen.“ * Cassie nahm sich Zeit zum Auspacken und stellte sicher, dass ihre Sachen ordentlich in der anheimelnden, wei?en Kommode verstaut waren. Ihre Medikamente versteckte sie ganz hinten in der Schreibtischschublade. Sie glaubte zwar nicht, dass diese Familie in ihrer Abwesenheit durch ihre Sachen gehen w?rde, aber sie wollte unter keinen Umst?nden peinliche Frage ?ber ihre Pillen f?r Unruhezust?nde beantworten m?ssen. Vor allem nicht nach der Panikattacke auf dem Balkon. Wenigstens hatte sie sich schnell von dem Vorfall erholt, ein Zeichen, dass sie ihre Situation unter Kontrolle hatte. Sie machte sich eine gedankliche Notiz, ihre Nachtdosis bereits vor dem Abendessen einzunehmen – nur f?r den Fall. Das k?stliche Aroma von ged?nstetem Knoblauch und angebratenem Fleisch wehte schon weit vor halb sieben durchs Haus. Cassie wartete bis viertel nach sechs, zog sich dann eines ihrer h?bschesten Oberteile an, das mit Perlen besetzt war, und trug Lipgloss und ein wenig Mascara auf. Sie wollte sich Ryan von ihrer besten Seite zeigen. Es war ihr wichtig, nach der Panikattacke einen guten Eindruck zu machen. Aber als sie an die Situation auf der Veranda dachte, erinnerte sie sich haupts?chlich an Ryans muskul?ren Arme, mit denen er sie festgehalten hatte. Wieder wurde ihr ein bisschen schwindelig, als sie an seine starken und gleichzeitig z?rtlichen Ber?hrungen dachte. Cassie verlie? ihr Zimmer und stie? fast mit Madison zusammen, die eilig in Richtung K?che ging. „Es riecht so gut“, erkl?rte Madison Cassie. „Ist es dein Lieblingsessen?“ „Naja, ich liebe Spaghetti Bolognese, wenn Dad kocht, aber nicht in Restaurants. Die machen das einfach nicht auf dieselbe Weise. Also w?rde ich sagen, es ist mein liebstes Zuhause-Essen. Au?erdem liebe ich Brath?hnchen und Toad in the hole. Wenn wir essen gehen, bestelle ich meistens Fish and Chips, das bekommt man hier ?berall. Oh und ich liebe Pizza. Daf?r hasse ich Dylans Lieblingsessen – Hamburger. Restaurant-Burger sind einfach nur eklig.“ „Was ist Toad in the hole?”, fragte Cassie neugierig und nahm an, dass es sich um ein traditionell britisches Gericht handeln musste. „Hast du das noch nie gegessen? Das sind W?rstchen in einer Art Kuchenteig aus Eiern, Mehl und Milch. Und dazu braucht man So?e und zwar richtig viel. Und Erbsen und Karotten.“ Ihre Unterhaltung hatte sie bis in die K?che gebracht. Der Holztisch war f?r vier gedeckt worden, Dylan sa? bereits an seinem Platz und schenkte sich ein Glas Orangensaft ein. „Burger sind ?berhaupt nicht eklig. Sie sind die Speise der G?tter“, erwiderte er. „Meine Lehrerin in der Schule sagt, dass Burger haupts?chlich aus Getreide und fein gemahlenen Tierst?ckchen bestehen, die sonst niemand essen w?rde.“ „Deine Lehrerin liegt falsch.“ „Unm?glich. Du bist so dumm, das zu sagen.“ Cassie wollte sich gerade einmischen, weil sie das Gef?hl hatte, dass Madisons Beleidigung ein bisschen zu pers?nlich geworden war, aber Dylan konterte zuerst. „Hey, Maddie.“ Dylan zeigte warnend mit dem Finger auf sie. „Du bist entweder f?r mich oder gegen mich.“ Cassie verstand nicht, was er damit meinte, aber Madison verdrehte die Augen und streckte ihm die Zunge heraus, bevor sie sich setzte. „Kann ich dir helfen, Ryan?“ Cassie ging zum Herd, wo Ryan die gekochten Nudeln absch?ttete. Er sah sie an und l?chelte. „Alles unter Kontrolle. Hoffe ich. Essen gibt es in drei?ig Sekunden. Kommt Kinder. Holt euch eure Teller und f?llt euch auf. „Ich mag dein Oberteil, Cassie“, sagte Madison. „Danke. Das habe ich in New York City gekauft.“ „New York City. Wow. Da w?rde ich nur zu gerne mal hingehen“, sagte Madison mit gro?en Augen. „Die Wirtschaftsstudenten der Oberstufe sind im Juni hingeflogen“, sagte Dylan. „Studiere Wirtschaft und dann kannst du vielleicht auch hin.“ „Hat das mit Mathe zu tun?“, fragte Madison. Dylan nickte. „Ich hasse Mathe. Es ist langweilig und kompliziert.“ „Naja, dann kannst du nicht nach New York.“ Dylan wandte seine Aufmerksamkeit wieder seinem Teller zu und schaufelte sich Spaghetti darauf. W?hrenddessen sp?lte Ryan das Kochgeschirr ab. Als Cassie sah, dass Madison zu rebellieren drohte, wechselte sie schnell das Thema. „Dein Dad hat mir erz?hlt, wie gerne du Sport treibst. Was machst du denn am liebsten?“ „Rennen und Turnen. Tennis mag ich auch gerne, das haben wir diesen Sommer angefangen.“ „Und du f?hrst Rad?“, fragte Cassie Dylan. Er nickte und bedeckte seine Nudeln mit geriebenem K?se. „Dylan will Profi werden und eines Tages die Tour de France gewinnen“, sagte Madison. Ryan gesellte sich zu ihnen an den Tisch. „Ich denke, du wirst eine seltsame mathematische Formel entdecken und ein volles Stipendium f?r Cambridge bekommen“, sagte er und betrachtete seinen Sohn stolz. Dylan sch?ttelte den Kopf. „Dad, es wird die Tour de France werden“, meinte er beharrlich. „Erst auf die Uni“, konterte Ryan mit strenger Stimme und Dylan blickte ihn finster an. Madison unterbrach und fragte nach mehr Saft, den Cassie ihr einschenkte, w?hrend der kurze Moment der Uneinigkeit verging. Cassie a? ihre Nudeln, w?hrend die Unterhaltung weiterging. Es war k?stlich. Sie war sich sicher, noch nie einen Mann wie Ryan getroffen zu haben. Er war so t?chtig und f?rsorglich und sie fragte sich, ob die Kinder wussten, wie viel Gl?ck sie hatten, einen Vater zu haben, der f?r seine Familie kochte. Nach dem Abendessen bot sie sich an, das Absp?len zu ?bernehmen und belud den gro?en, hochmodernen Geschirrsp?ler. Ryan erkl?rte, dass die Kinder nach dem Essen eine Stunde fernsehen durften, wenn ihre Hausaufgaben fertig waren. Zur Schlafenszeit w?rde er dann das WLAN abschalten. „Es ist nicht gut, wenn diese Bildschirm-Teenager die ganze Nacht an ihren Handys sind“, sagte er. „Und das tun sie, wenn sie die Gelegenheit dazu haben. Wenn Schlafenszeit ist, wird geschlafen.“ Um halb neun begaben sich die zwei Kinder folgsam zu Bett. Dylan w?nschte ihr kurz eine gute Nacht und informierte sie, dass er am n?chsten Tag fr?h aufstehen w?rde, um mit seinen Freunden Rad zu fahren. „Willst du, dass ich dich wecke?“, fragte Cassie. Er sch?ttelte den Kopf. „Nein, das ist in Ordnung“, sagte er, bevor er seine Schlafzimmert?r hinter sich schloss. Madison war gespr?chiger und Cassie verbrachte einige Zeit an ihrem Bett und lauschte ihren Ideen, was sie am n?chsten Tag tun k?nnten und wie das Wetter wohl sein w?rde. „Es gibt einen S??igkeiten-Laden im Dorf, wo es die niedlichsten, gestreiften S??waren gibt. Sie sehen aus wie kleine Spazierst?cke und schmecken nach Pfefferminz. Dad l?sst uns nicht oft hin, aber vielleicht macht er ja morgen eine Ausnahme.“ „Ich werde ihn fragen“, versprach Cassie. Dann brachte sie dem M?dchen noch ein Glas Wasser ans Bett und schaltete ihr Licht aus. Als sie vorsichtig Madisons T?r hinter sich zumachte, erinnerte sie sich an ihre erste Nacht auf dem franz?sischen Schloss. Wie sie ersch?pft eingeschlafen und nicht sofort zur Stelle gewesen war, als das j?ngste Kind von Albtr?umen geplagt laut geschrien hatte. Sie konnte noch immer den Schmerz und den Schrecken der brennenden Ohrfeige sp?ren. Das h?tte sie dazu veranlassen sollen, sofort zu gehen, aber sie war ihren Instinkten nicht gefolgt. Cassie war sich sicher, dass Ryan so etwas nie tun w?rde. Sie konnte sich bei ihm nicht einmal eine verbale Ermahnung vorstellen. Beim Gedanken an Ryan erinnerte sie sich auch an das Glas Wein auf dem Balkon, das Ryan ihr angeboten hatte und sie z?gerte. Sie war versucht, mehr Zeit mit ihm zu verbringen, war sich aber nicht sicher, ob das eine gute Idee war. Hatte er es tats?chlich ernst gemeint, als er sie eingeladen hatte, sich zu ihm zu gesellen? Oder war es ein H?flichkeitsangebot gewesen? Noch immer unsicher ertappte sie sich dabei, ihre dickste Jacke herauszusuchen. Sie w?rde das Terrain sondieren und herausfinden, wie er darauf reagierte. Wenn er so wirkte, als wolle er keine Gesellschaft, w?rde sie kurz etwas trinken und dann zu Bett gehen. Als sie den Gang entlang ging, k?mpfte sie noch immer mit ihrer Entscheidung. Als Angestellte war es nicht richtig, nach Feierabend ein Glas Wein mit ihrem Arbeitgeber zu trinken – oder doch? Um absolut professionell zu bleiben, m?sste sie jetzt zu Bett gehen. Doch da Ryan so zuvorkommend gewesen war, ihr Visum ignoriert und versprochen hatte, in bar zu bezahlen, waren die Grenzen der Professionalit?t bereits verschwommen. Sie war ein Freund der Familie, das hatte Ryan gesagt. Und nach dem Essen ein Glas Wein zusammen zu trinken, war genau das, was ein Freund tun w?rde. Ryan schien erfreut, sie zu sehen und in ihr machten sich Erleichterung und Aufregung breit, als sie sein warmes, ehrliches L?cheln sah. Er stand auf, nahm ihren Arm und geleitete sie f?rsorglich ?ber die Veranda zu einem Stuhl. Sie sah erfreut, dass er ein zweites Weinglas auf dem Tablett bereitgestellt hatte. „Magst du Chardonnay?“ Cassie nickte. „Sehr gerne sogar.“ „Um die Wahrheit zu sagen, habe ich keine ausgepr?gten Geschmacksnerven f?r Wein. Am liebsten trinken ich einen ganz normalen Rotwein. Aber dieses fantastische Exemplar wurde mir von einem dankbaren Kunden nach einem erfolgreichen Angelausflug geschenkt. Und ich genie?e es sehr, mich durchzutrinken. Prost.“ Er beugte sich nach vorne und stie? mit ihr an. „Erz?hl mir mehr ?ber dein Unternehmen“, sagte Cassie. „Ich habe South Winds Sailing vor zw?lf Jahren gegr?ndet, das war kurz nach Dylans Geburt. Er hat mich dazu gebracht, mein Leben zu ?berdenken und herauszufinden, was ich meinen Kindern bieten konnte. Ich habe nach der Schule drei Jahre bei der Royal Navy verbracht, wo ich schlie?lich zum Deckoffizier der Handelsmarine bef?rdert wurde. Ich habe das Meer in meinem Blut und k?nnte mir niemals vorstellen, im Inland zu leben oder zu arbeiten.“ Cassie nickte, als er fortfuhr. „Als Dylan geboren wurde, begann der Tourismus hier in der Gegend zu wachsen. Also habe ich gek?ndigt – zu dem Zeitpunkt war ich Leiter des Hafens in Cornwall – und mein erstes Boot gekauft. Das zweite folgte kurz darauf und heute geh?rt mir eine Flotte, die aus sechzehn Booten jeglicher Form und Gr??e besteht. Motorboote, Segelboote, Paddelboote. Aber mein Prachtst?ck ist eine neue Charter-Jacht, die vor allem bei Firmenkunden sehr beliebt ist.“ „Das ist fantastisch“, sagte Cassie. „Es ist wirklich eine sehr spannende Reise und das Unternehmen hat mir viel gegeben. Ein angenehmes Einkommen, ein wundervolles Leben und ein tolles Zuhause, das ich nach meinem Traumhaus designt habe. Gl?cklicherweise hat der Architekt die wilderen Elemente ein bisschen abgemildert, sonst w?re das Haus mittlerweile vermutlich ins Meer gefallen.“ Cassie lachte. „Dein Unternehmen verlangt bestimmt viel Einsatz von dir“, bemerkte sie. „Oh, ja.“ Ryan stellte sein Glas ab und richtete seinen Blick gen Meer. „Als Gesch?ftsinhaber muss man st?ndig Opfer bringen und ?berstunden machen. Nur selten habe ich mal ein Wochenende frei. Heute habe ich meinen Manager gebeten, f?r mich zu ?bernehmen, damit ich dich treffen konnte. Ich denke, das ist auch der Grund …“ Er drehte sich zu ihr und fing ihren Blick auf. Seine Augen wurden ernst. „Ich denke, dass deshalb meine Ehe gescheitert ist.“ Cassie freute sich, dass er sich ihr gegen?ber ?ffnete. Sie nickte mitf?hlend und hoffte, dass er weiterreden w?rde. Nach einer Weile fuhr er fort. „Als die Kinder noch kleiner waren, war es einfacher f?r Trish, meine Frau, zu verstehen, dass die Arbeit f?r mich an erster Stelle stand. Aber als sie ?lter und unabh?ngiger wurden, wollte sie, nun ja, dass ich deren Rolle in ihrem Leben ?bernahm. Sie forderte emotionale Unterst?tzung, Zeit und Aufmerksamkeit von mir, und das schon fast exzessive. F?r mich war das sehr zehrend und dadurch entstanden dann Konflikte. Sie war eine starke Frau, das hat mich urspr?nglich auch angezogen. Aber Menschen ver?ndern sich und ich glaube, das war auch bei ihr der Fall.“ „Das klingt sehr traurig“, sagte Cassie. Ihr Glas war fast leer und Ryan schenkte erst ihr und dann sich nach. „Es war sehr niederschmetternd. Ich kann nicht einmal erkl?ren, wie st?rmisch die letzte Zeit gewesen ist. Wenn du jemanden liebst, kannst du ihn nicht einfach so gehen lassen. Und wenn die Liebe verschwindet, sucht man ununterbrochen danach. Hoffend und betend, dass man zur?ckgewinnen kann, was man einst so sehr gesch?tzt hat. Ich habe es versucht, Cassie. Mit allem, was ich habe. Und als klar wurde, dass es nicht funktionierte, f?hlte es sich wie eine Niederlage an.“ Cassie ertappte sich dabei, sich weiter zu ihm zu beugen. „Wie erschreckend, dass so etwas passieren kann.“ „Das ist das richtige Wort. Es ist sehr be?ngstigend. Ich f?hlte mich unzureichend und haltlos. Ich nehme Verpflichtungen sehr ernst, eine Ehe bedeutet f?r mich f?r immer. Als Trish mich verlie?, musste ich die Definition meiner Selbst ?berarbeiten.“ Cassie blinzelte. Sie konnte den Schmerz in seiner Stimme h?ren, er klang frisch und pur. Es musste ihn unglaublich viel Energie kosten, sein Leid hinter einem witzelnden und unbeschwerten Verhalten zu verstecken. Sie wollte Ryan gerade sagen, wie sehr sie ihn f?r seine St?rke bewunderte, die er ausstrahlte, hielt sich aber noch rechtzeitig auf, als sie realisierte, wie aufdringlich der Kommentar doch klingen w?rde. Sie kannte Ryan kaum und hatte kein Recht, nach einigen Stunden in seiner Gesellschaft eine so pers?nliche Beobachtung anzustellen. Was dachte sie sich dabei? Und dachte sie ?berhaupt? Sie entschied, dass der Wein ihr zu Kopf gestiegen war und sie ihre Worte vorsichtig w?hlen musste. Nur weil Ryan ein so gutaussehender, intelligenter und netter Arbeitgeber war, hatte sie kein Recht, sich in seiner Anwesenheit wie ein faszinierter Teenager zu benehmen. Sie musste damit aufh?ren, bevor sie sich furchtbar blamierte. „Ich sollte dich zu Bett gehen lassen“, sagte Ryan und stellte sein leeres Glas ab. „Du musst von der Fahrt und dem Kennenlernen meiner zwei Rabauken v?llig ersch?pft sein. Danke, dass du dich zu mir gesellt hast. Es bedeutet mir viel, so mit dir sprechen zu k?nnen.“ „Es war ein sehr angenehmes Ende meines Tages und eine wirklich wundervolle M?glichkeit, zu entspannen“, stimmte Cassie ihm zu. Sie f?hlte sich ?berhaupt nicht entspannt. Die Intimit?t der Unterhaltung hatte sie nerv?s gemacht. Als sie aufstand und nach drinnen ging, konnte sie nicht aufh?ren, dar?ber nachzudenken, was er ihr erz?hlt hatte. In ihrem Zimmer warf sie einen kurzen Blick auf ihre SMS und war dankbar, dass dieses Haus mit dem Internet verbunden war. An ihrem letzten Arbeitsplatz hatte es kein Handysignal gegeben und sie sich vollkommen isoliert gef?hlt. Bis dahin war ihr nicht bewusst gewesen, wie furchteinfl??end es sein konnte, nicht in der Lage zu sein, mit der Au?enwelt zu kommunizieren. Cassie klickte sich durch die kurzen Nachrichten und Memes von Freunden in den Staaten. Dann sah sie eine weitere Nachricht, die sie am fr?hen Abend empfangen hatte. Bei dem Absender handelte es sich um eine unbekannte Nummer aus England und ihre Alarmglocken l?uteten. Sie ?ffnete die SMS und ihr wurde schlecht vor Angst. „Sei vorsichtig“, stand auf ihrem Bildschirm. KAPITEL F?NF Cassie hatte erwartet, in dem gem?tlichen Zimmer mit dem Wellenrauschen im Ohr gut zu schlafen. Sie war davon ?berzeugt, dass dem auch so gewesen w?re, h?tte sie nicht die besorgniserregende Nachricht von der unbekannten Rufnummer erhalten, w?hrend sie mit Ryan auf der Veranda gesessen hatte. Ihr erster panischer Gedanke galt der Gerichtsverhandlung ihres ehemaligen Arbeitsgebers. Vielleicht war sie belastet worden und es lief eine Fahndung nach ihr. Sie versuchte, die aktuellen Nachrichten abzurufen, stellte aber frustriert fest, dass Ryan das WLAN bereits abgestellt hatte. Sie w?lzte sich im Bett hin und her und machte sich Sorgen. Was bedeutete die Nachricht? Wer hatte sie geschickt? Sie versuchte, sich damit zu beruhigen, dass die Nachricht vermutlich nicht f?r sie bestimmt gewesen war. * Nach einer rastlosen Nacht fiel sie schlie?lich in einen unruhigen Schlaf und wurde von dem Klingeln ihres Weckers geweckt. Erleichtert stellte sie fest, dass das WLAN wieder aktiviert worden war. Noch bevor sie das Bett verlie?, suchte sich online nach Neuigkeiten bez?glich der Gerichtsverhandlung. Cassie erfuhr, dass die Verhandlungen vertagt worden waren und erst in zwei Wochen wieder aufgenommen werden sollten. Eine gr?ndlichere Recherche ergab, dass die Verteidigung mehr Zeit brauchte, um zus?tzliche Zeugen zu kontaktieren. Ihr wurde schlecht vor Angst. Erneut ?ffnete sie die seltsame Nachricht. „Sei vorsichtig.“ Sie fragte sich, ob sie darauf antworten sollte, um herauszufinden, was sie bedeutete. Aber der Absender schien sie blockiert zu haben, denn sie konnte der Nummer keine Nachricht schicken. Verzweifelt versuchte sie, die Nummer zur?ckzurufen. Doch der Anruf wurde sofort unterbrochen. Offensichtlich war auch diese Form der Kontaktaufnahme unterbunden worden. Cassie seufzte frustriert. Aufgrund der fehlenden Kommunikation f?hlte sich die Nachricht immer mehr wie eine Bel?stigung an – nicht wie eine ehrliche Warnung. Am einfachsten war es also tats?chlich, daran zu glauben, dass es sich um ein Versehen gehandelt hatte: Der Absender hatte den Fehler zu sp?t bemerkt und daraufhin ihre Nummer gesperrt. Nur unwesentlich beruhigt stand sie auf, um die Kinder zu wecken. Dylan war bereits aus dem Haus und Cassie nahm an, dass er mit dem Rad unterwegs war. Sie betrat sein Zimmer mit der Hoffnung, er w?rde dies nicht als Verletzung seiner Privatsph?re betrachten, sch?ttelte sein Bett aus und sammelte verstreute Klamotten ein. Sein Regal war mit einer Vielzahl von unterschiedlichsten B?chern vollgestopft, einige schienen auch vom Radfahren zu handeln. In einem Aquarium auf dem B?cherregal schwammen zwei Goldfische und auf einem gro?en Tisch in der N?he des Fensters befand sich ein Hasenstall. Ein grauer Hase a? ein Fr?hst?ck aus Salatbl?ttern und Cassie sah ihm fr?hlich zu. Dann verlie? sie sein Zimmer, um an Madisons T?r zu klopfen. „Gib mir zehn Minuten“, h?rte sie das M?dchen schl?frig rufen. Also begab sich Cassie in die K?che, um das Fr?hst?ck vorzubereiten. Dort sah sie, dass Ryan unter dem Salzstreuer Bargeld und eine Notiz hinterlassen hatte. „Bin bei der Arbeit. Macht euch einen sch?nen Tag! Ich werde abends wieder zur?ck sein.“ Cassie steckte eine Scheibe Brot in den h?bschen Toaster mit Blumenmuster und f?llte den Wasserkessel. W?hrend sie Kaffee kochte, betrat auch Madison in einem pinken Bademantel g?hnend die K?che. „Guten Morgen“, begr??te Cassie sie. „Morgen. Ich bin froh, dass du hier bist. Alle anderen stehen so fr?h auf“, beschwerte sie sich. „Trinkst du Kaffee? Tee? Saft?” „Tee bitte.“ „Toast? Madison sch?ttelte den Kopf. „Danke, aber ich habe noch keinen Hunger.“ „Worauf hast du heute Lust? Dein Dad hat uns angewiesen, etwas zu unternehmen“, sagte Cassie und schenkte Madison wie gew?nscht Tee mit einem Schuss Milch ein. „Lass uns in die Stadt gehen“, sagte Madison. „Dort ist am Wochenende immer was los.“ „Gute Idee. Wei?t du, wann Dylan zur?ck sein wird?“ „Normalerweise ist er etwa eine Stunde unterwegs.“ Madison legte ihre H?nde um die Teetasse und blies auf die dampfende Fl?ssigkeit. Cassie war beeindruckt, wie unabh?ngig die Kinder zu sein schienen. Offensichtlich waren sie es nicht gewohnt, ?berbeh?tet zu werden. Das Dorf war vermutlich klein und sicher genug, sodass die Kinder es als Erweiterung ihres eigenen Zuhauses betrachteten. Kurz darauf kam auch Dylan zur?ck und um neun Uhr waren alle angezogen und bereit f?r den Ausflug. Cassie wollte den Wagen zu nehmen, aber Dylan riet ihr davon ab. „Am Wochenende ist es schwer, einen Parkplatz zu finden. F?r gew?hnlich laufen wir ins Dorf, das sind nur zweieinhalb Kilometer. Zur?ck nehmen wir dann den Bus. Er f?hrt alle zwei Stunden, wir m?ssen es also richtig timen.“ Der Spaziergang zum Dorf h?tte nicht malerischer sein k?nnen. Der Blick auf das Meer und die h?bschen H?user begeisterte Cassie und irgendwo in der Ferne konnte sie sogar Kirchenglocken h?ren. Die Luft war frisch und k?hl und sie genoss den Geruch des Meeres. Madison sprang vor ihr her und zeigte auf die H?user von Leuten, die sie kannte, was so ziemlich auf jeden zuzutreffen schien. Einige Autos fuhren vorbei und winkten ihnen zu und eine Frau hielt sogar ihren Range Rover an, um sie mitzunehmen. „Nein danke, Mrs. O’Donoghue, wir laufen gerne“, rief Madison. „Aber vielleicht kommen wir auf dem R?ckweg auf das Angebot zur?ck!“ „Ich werde nach euch Ausschau halten“, versprach die Frau l?chelnd, bevor sie weiterfuhr. Madison erkl?rte, dass die Frau mit ihrem Mann landeinw?rts lebte, wo sie einen kleinen Biohof f?hrten. „Im Dorf gibt es einen Laden, der ihre Produkte verkauft. Manchmal gibt es dort auch selbstgemachtes Karamell“, sagte Madison. „Dann werden wir auf jeden Fall dort hingehen“, versprach Cassie. „Ihre Kinder sind richtige Gl?ckspilze. Sie gehen aufs Internat in Cornwall. Ich w?nschte, ich k?nnte auch dorthin“, sagte Madison. Cassie runzelte die Stirn und fragte sich, warum Madison ihr perfektes Leben verlassen wollte. Vielleicht hatte die Scheidung sie verunsichert und sie w?nschte sich eine gr??ere Gemeinschaft? „Bist du gl?cklich in deiner jetzigen Schule?“, fragte sie sicherheitshalber. „Oh ja, es ist toll dort. Naja, au?er dem Lernen eben“, sagte Madison. Cassie war erleichtert, dass es keine versteckten Probleme zu geben schien und Madison nicht etwa gemobbt wurde. Die L?den im Dorf waren genauso anheimelnd, wie sie es sich erhofft hatte. Einige verkaufen Angelausr?stung, warme Kleidung und Sportequipment. Cassie probierte ein Paar h?bscher Handschuhe an, als sie sich an ihre kalten H?nde auf der Veranda erinnerte. Aber aufgrund ihrer Finanzen entschied sie sich, dass es besser war, zu warten und sich ein billigeres Paar zu kaufen. Der Geruch von frischgebackenem Brot lotste sie ?ber die Stra?e zur B?ckerei. Nach einigem Hin und Her mit den Kindern kaufte sie schlie?lich ein Sauerteigbrot und Pecan Pie. Die einzige Entt?uschung des Morgens war der S??igkeiten-Laden. Als Madison erwartungsvoll zur T?r marschierte, blieb sie niedergeschlagen stehen. Der Laden war geschlossen und an der T?r hing ein handgeschriebener Zettel. „Liebe Kunden – wir sind ?bers Wochenende auf einem Familiengeburtstag! Wir werden am Dienstag wieder zur?ck sein, um Ihnen Ihre liebsten K?stlichkeiten zu servieren.“ Madison seufzte traurig. „Normalerweise k?mmert sich ihre Tochter um den Laden, wenn sie weg sind. Aber sieht so aus, als w?ren sie alle zu der dummen Party gegangen.“ „Scheint so. Aber Kopf hoch, wir k?nnen n?chste Woche zur?ckkommen.“ „Das ist noch so lange hin.“ Mit gesenktem Kopf drehte sich Madison weg und Cassie biss sich nerv?s auf die Lippe. Sie wollte unbedingt, dass dieser Ausflug von Erfolg gekr?nt war und hatte sich bereits Ryans freudiges Gesicht ausgemalt, wenn seine Kinder ihm von einem tollen Tag erz?hlten. Sie hatte sich vorgestellt, wie er sie dankbar ansehen oder ihr gar ein Kompliment machen w?rde. „Wir kommen n?chste Woche zur?ck“, wiederholte sie, wusste aber, dass dies ein neunj?hriges M?dchen, das sich bereits auf Pfefferminz-Zuckerstangen gefreut hatte, nur geringf?gig tr?sten konnte. „Und vielleicht finden wir in den anderen L?den ja auch etwas S??es“, f?gte sie hinzu. „Komm schon, Maddie“, sagte Dylan ungeduldig, nahm ihre Hand und zog sie von dem Laden weg. Cassie entdeckte das Gesch?ft, von dem Madison ihr erz?hlt hatte und der Frau geh?rte, die ihnen eine Mitfahrgelegenheit angeboten hatte. „Lasst uns noch hier reingehen und danach entscheiden wir uns, wo wir etwas zu Mittag essen“, sagte sie. Cassie dachte an die gesunden Abendessen und Snacks und entschied sich f?r ein paar T?ten mit klein geschnittenem Gem?se, Birnen und Trockenfr?chten. „K?nnen wir Maronen kaufen?“, fragte Madison. „Die schmecken super, wenn sie ?ber dem Feuer ger?stet werden. Letzten Winter haben wir das mit meiner Mum gemacht.“ Es war das erste Mal, dass eines der Kinder ihre Mutter erw?hnte und Cassie wartete nerv?s, ob die Erinnerung Madison ver?rgern w?rde. Oder vielleicht war dies ein Zeichen, dass sie ?ber die Scheidung sprechen wollte? Zu ihrer Erleichterung machte das M?dchen einen ausgeglichenen Eindruck. „Nat?rlich, das ist eine sehr sch?ne Idee.“ Cassie legte eine T?te Maronen in den Korb. „Schau mal, dort ist das Karamell!“ Madison deutete aufgeregt zu den S??waren und Cassie vermutete, dass der Moment vorbei war. Aber jetzt, wo das Eis gebrochen war und sie ihre Mutter erw?hnt hatte, w?rde sie vielleicht erneut dar?ber reden wollen. Cassie machte sich eine mentale Notiz, die Signale zu beobachten. Sie wollte keine Gelegenheit verpassen, den Kindern durch diese schwierige Zeit zu helfen. Das Karamell war auf einem Tisch in der N?he der Kasse mit anderen S??waren ausgestellt. Es gab au?erdem kandierte ?pfel, Pfefferminzbonbons, Turkish Delight und sogar kleine Zuckerstangen. „Was h?ttet ihr gerne, Dylan und Madison?“, fragte sie. „Einen kandierten Apfel, bitte. Und Karamell und eine Zuckerstange“, sagte Madison. „Einen kandierten Apfel, zwei Zuckerstangen, Karamell und Turkish Delight“, f?gte Dylan hinzu. „Ich glaube, zwei S??igkeiten pro Person sind genug, sonst habt ihr beim Mittagessen keinen Appetit mehr“, sagte Cassie, die sich daran erinnerte, dass ?berm??iger Zuckerkonsum in dieser Familie verp?nt war. Sie nahm zwei kandierte ?pfel und zwei T?ten Karamell vom Display. „Glaubt ihr, euer Vater h?tte gerne etwas?“ Ihr wurde warm ums Herz, als sie Ryan erw?hnte. „Er mag N?sse“, sagte Madison und zeigte auf die ger?steten Cashew-Kerne. „Die isst er am liebsten.“ Cassie legte eine T?te in ihren Korb und ging zur Kasse. „Hallo“, begr??te sie die Kassiererin, ein molliges, blondes, junges M?dchen mit einem Namensschild, auf dem ‚Tina‘ stand. Sie l?chelte und begr??te Madison beim Vornamen. „Hallo Madison. Wie geht’s deinem Vater? Ist er wieder zuhause oder noch immer im Krankenhaus?“ Cassie sah Madison besorgt an. Hatte man vers?umt, ihr davon zu erz?hlen? Aber Madison runzelte verwirrt die Stirn. „Er war nicht im Krankenhaus.“ „Oh, tut mir leid, das muss ich missverstanden haben. Als er zuletzt hier war, hat er gesagt …“, begann Tina. Madison unterbrach sie und starrte die Kassiererin neugierig an, w?hrend diese den Einkauf abrechnete. „Du bist fett geworden.“ Entsetzt ?ber die Taktlosigkeit ihres Kommentars, f?hlte Cassie, wie ihr Gesicht krebsrot wurde – genau wie Tinas. „Es tut mir so leid“, murmelte sie entschuldigend. „Keine Ursache.“ Cassie sah, wie niedergeschlagen Tina aussah. Was war in Madison gefahren? Hatte ihr niemand beigebracht, solche Sachen nicht laut auszusprechen? War sie zu klein, um zu realisieren, wie verletzend Worte sein konnten? Ihr war klar, dass weitere Entschuldigungen die Situation nicht verbessern konnten, also nahm sie das Wechselgeld und schob das M?dchen aus dem Laden, bevor ihr noch mehr einfiel. „Es ist nicht h?flich, so etwas zu sagen“, erkl?rte sie, als sie au?er H?rweite waren. „Warum?“, fragte Madison. „Es ist die Wahrheit. Sie ist viel fetter als noch im August.“ „Es ist immer besser, solche Beobachtungen f?r sich zu behalten, vor allem wenn andere Leute zuh?ren. Vielleicht hat sie ein Dr?senproblem oder nimmt Medikamente, von denen sie zunimmt, wie zum Beispiel Kortison. Oder vielleicht bekommt sie ein Baby und will noch nicht, dass die Leute davon wissen.“ Sie schielte zu Dylan, um zu sehen, ob er zuh?rte, doch er w?hlte in seinen Taschen und schien besch?ftigt zu sein. Madison runzelte die Stirn, w?hrend sie dar?ber nachdachte. „Okay“, sagte sie. „Ich werde beim n?chsten Mal daran denken.“ Cassie atmete erleichtert aus, weil ihre Logik verstanden worden war. „H?ttest du gerne einen kandierten Apfel?“ Cassie gab Madison den Apfel, den sie in ihre Tasche steckte, und gab den anderen Dylan. Aber er winkte ab. Cassie sah ihn ungl?ubig an und beobachtete dann, wie er eine Zuckerstange des Ladens auspackte, den sie eben besucht hatten. „Dylan …“, begann sie. „Ah, ich wollte auch so eine“, beschwerte sich Madison. „Ich habe dir eine mitgebracht.“ Dylan griff in die tiefen Taschen seines Mantels und zog zu Cassies Entsetzen weitere Zuckerstangen heraus. „Hier“, sagte er. „Dylan!“ Cassie f?hlte, wie ihr die Luft wegblieb und ihre Stimme klang hoch und gestresst. Ihr Kopf drehte sich, als sie versuchte, die Situation zu verstehen. Handelte es sich um ein Missverst?ndnis? Nein. Dylan hatte unm?glich f?r die S??igkeiten bezahlt. Nach Madisons peinlichem Kommentar hatte sie die beiden eilig aus dem Laden geschoben. Dylan hatte unm?glich Zeit gehabt, f?r die Zuckerstangen zu bezahlen, vor allem weil die Verk?uferin nicht sehr geschickt darin gewesen war, die altert?mliche Kasse zu bedienen. „Ja?“ Er sah sie fragend an und Cassie wurde unwohl, als seine hellblauen Augen keinerlei Emotion zu zeigen schienen. „Ich denke – ich denke, dass du m?glicherweise vergessen hast, daf?r zu bezahlen.“ „Ich habe nicht bezahlt“, sagte er beil?ufig. Cassie starrte ihn schockiert an. Dylan hatte gerade unverbl?mt zugegeben, gestohlen zu haben. Nie h?tte sie sich ausgemalt, dass Ryans Sohn so etwas tun w?rde. Dies war au?erhalb ihres Erfahrungsgebiets und sie hatte keine Ahnung, wie sie reagieren sollte. Ihr Eindruck einer perfekten Familie war weit von der Realit?t entfernt. Wie hatte sie sich nur so t?uschen k?nnen? Ryans Sohn hatte gerade ein Verbrechen begangen. Und noch schlimmer: Er schien weder Reue, noch Scham oder Verst?ndnis f?r die Tragweite seiner Handlung zu zeigen. Er betrachtete sie ruhig und unaufgeregt. KAPITEL SECHS W?hrend Cassie schockiert und entsetzt dar?ber nachdachte, wie sie mit Dylans Diebstahl umgehen sollte, bemerkte sie, dass Madison diesbez?glich bereits eine Entscheidung getroffen hatte. „Ich esse nix Geklautes“, k?ndigte das M?dchen an. „Du kannst sie zur?ckhaben.“ Sie hielt Dylan die Zuckerstange hin. „Warum gibst du sie mir zur?ck? Ich habe dir eine mitgebracht, weil du eine Zuckerstange haben wolltest, der erste Laden keine hatte und Cassie zu geizig war, dir eine zu kaufen.“ Dylan sprach mit beleidigter Stimme, als h?tte er ein Dankesch?n daf?r erwartet, den Tag gerettet zu haben. „Ja, aber ich will nichts Gestohlenes.“ Madison dr?ckte ihm die Zuckerstange in die Hand und verschr?nkte die Arme. „Sch?n – aber ich werde sie dir nicht erneut anbieten.“ „Ich habe nein gesagt.“ Mit nach vorne gedr?cktem Kinn marschierte Madison davon. „Du bist entweder f?r mich oder gegen mich. Du wei?t, was Mum immer sagt“, rief Dylan ihr nach. Cassie, die sich wegen der erneuten Erw?hnung der Mutter Sorgen machte, h?rte die Drohung in seiner Stimme. „Okay, genug jetzt.“ Mit wenigen, schnellen Schritten erreichte Cassie Madison, packte sie am Arm und brachte sie dann zur?ck. Schlie?lich starrten sie sich alle auf dem gepflasterten Fu?g?ngerweg an. Sie zitterte vor Angst. Die Situation geriet immer weiter au?er Kontrolle, die Kinder begannen zu streiten und sie hatte die Sache mit dem Diebstahl noch nicht geregelt. Egal, wie traumatisiert die Kinder auch waren oder welche Emotionen sie unterdr?ckten – es ging um ein Verbrechen. Es entsetzte sie noch mehr, zu wissen, dass der Laden Freunden der Familie geh?rte. Die Besitzerin wollte sie sogar mitnehmen! Man sollte niemanden beklauen, der einem eine Mitfahrgelegenheit angeboten hatte. Naja, man sollte ?berhaupt niemanden beklauen, aber definitiv nicht die Frau, die noch am selben Morgen gro?z?gig und hilfreich gewesen war. „Wir sollten uns hinsetzen.“ Zu ihrer Linken befand sich eine Teestube, die auf den ersten Blick voll wirkte, doch sie entdeckte, dass ein Paar gerade seine Sitznische verlassen hatte. Schnell schob sie die Kinder durch die T?r. Eine Minute sp?ter sa?en sie in der warmen Stube, die k?stlich nach Kaffee und knusprigem Buttergeb?ck roch. Cassie starrte auf die Speisekarte und f?hlte sich hilflos, denn jede vergehende Sekunde zeigte den Kindern, dass sie keine Ahnung hatte, wie sie mit der Situation umgehen sollte. Idealerweise sollte sie Dylan vermutlich dazu zwingen, zur?ckzugehen und f?r die S??igkeiten zu bezahlen. Doch was, wenn er sich weigerte? Au?erdem kannte sie die Strafen f?r Ladendiebstahl in England nicht. Er k?nnte ?rger kriegen, wenn die Richtlinien des Ladens eine Berichterstattung bei der Polizei erforderten. Cassie dachte erneut an die Geschehnisse und bemerkte, dass es eine andere Sichtweise geben k?nnte. Sie erinnerte sich daran, dass Madison kurz vor Dylans Diebstahl das gemeinsame R?sten von Maronen mit ihrer Mutter erw?hnt hatte. Vielleicht hatte der stille Junge die Worte seiner Schwester mitangeh?rt und sich an das Trauma erinnert, das die Familie mitgemacht hatte. Vielleicht hatte er seine unterdr?ckten Emotionen mit einer offensichtlich verbotenen Tat ausdr?cken wollen. Je mehr Cassie dar?ber nachdachte, desto plausibler wurde diese Erkl?rung. In diesem Fall w?re es besser, die Situation sensibler zu l?sen. Sie blickte zu Dylan, der durch die Speisekarte bl?tterte und keine Miene verzog. Auch Madison schien ihren Wutausbruch vergessen zu haben. Mit der Verweigerung der gestohlenen S??igkeiten und dem Streit mit Dylan schien die Sache f?r sie abgehakt zu sein. Sie war nun darin vertieft, die Beschreibungen der verschiedenen Milchshakes zu lesen. „Okay“, sagte Cassie. „Dylan, bitte gib mir all die S??igkeiten, die du genommen hast. Leere deine Taschen.“ Dylan w?hlte in seiner Jackentasche und zog vier Zuckerstangen und eine Packung Turkish Delight heraus. Cassie betrachtete den kleinen Haufen vor ihr. Er hatte nicht viel genommen, dies war also kein Diebstahl in gro?em Stil. Die Tatsache, dass er etwas gestohlen hatte, war das Problem – und, dass er keine Reue zu zeigen schien. „Ich werde die S??igkeiten konfiszieren, denn es ist nicht richtig, etwas mitzunehmen, ohne zu bezahlen. Die Verk?uferin k?nnte zur Rechenschaft gezogen werden, wenn das Geld nicht stimmt und auch du h?ttest einiges an ?rger bekommen k?nnen. All diese L?den haben Kameras.“ „Okay“, sagte er gelangweilt. „Ich werden deinem Vater davon erz?hlen und er wird entscheiden, wie es weitergeht. Bitte mach das nicht nochmal, auch wenn du helfen m?chtest, die Welt f?r unfair h?ltst oder wegen Familienangelegenheiten w?tend bist. Das k?nnte ernsthafte Konsequenzen f?r dich haben. Verstanden?“ Sie nahm die S??igkeiten und verstaute sie in ihrer Handtasche. Madison, die selbst nicht verwarnt worden war, blickte weitaus besorgter drein als Dylan. Dieser sah sie lediglich verwirrt an, nickte dann kurz und sie vermutete, dass mehr nicht aus ihm herauszubringen war. Sie hatte getan, was sie konnte. Nun war es ihre Aufgabe, Ryan davon zu erz?hlen und es ihm zu ?berlassen, die Geschichte weiterzuverfolgen. „M?chtest du einen Milchshake, Madison?“, fragte sie. „Mit Schokolade kannst du nichts falsch machen“, erkl?rte Dylan und damit war die Spannung gebrochen und alles wieder beim Alten. Cassie war unglaublich erleichtert, die Situation ?berstanden zu haben. Sie bemerkte, dass ihre H?nde zitterten, also steckte sie sie unter den Tisch, damit die Kinder nichts davon sahen. Sie hatte Streitereien immer gemieden, da diese Erinnerungen an ihre Zeit als unwilliges, hilfloses Opfer mit sich brachten. Sie erinnerte sich an Bruchst?cke – laute Stimmen, w?tendes Schreien, das Zerbrechen von Geschirr. In ihrem Versteck unter dem Esstisch hatten die Scherben ihre H?nde und ihr Gesicht zerschnitten. Wenn sie die Wahl h?tte, w?rde sie sich in jedem Konflikt am liebsten verstecken. Jetzt war sie froh, ihre Autorit?t ruhig aber bestimmt ausge?bt zu haben, ohne den Tag in ein Desaster zu verwandeln. Die Managerin der Teestube eilte zu ihnen, um ihre Bestellung aufzunehmen und Cassie begann zu realisieren, wie klein die Stadt war, denn auch sie kannte die Familie. „Hallo Dylan, hallo Madison. Wie geht es euren Eltern?“ Cassie zuckte zusammen, da sie offensichtlich nicht auf dem neuesten Stand zu sein schien und sie mit Ryan noch nicht besprochen hatte, wie sie darauf reagieren sollte. Als sie nach den richtigen Worten suchte, sagte Dylan: „Es geht ihnen gut, danke Martha.“ Cassie war dankbar ?ber Dylans kurze Antwort, obwohl seine Gelassenheit sie ?berraschte. Sie hatte aufgebrachtere Reaktionen von ihm und Madison erwartet. Vielleicht hatte Ryan ihnen aufgetragen, nicht dar?ber zu sprechen, wenn jemand nicht Bescheid wusste. Vermutlich war das der Grund, schlie?lich schien die Frau in Eile zu sein und ihre Frage war nur eine h?fliche Formalit?t gewesen. „Hallo Martha, ich bin Cassie Vale“, sagte sie. „Du klingst, als k?mst du aus den Staaten. Arbeitest du f?r die Ellis-Familie?“ Wieder zuckte Cassie zusammen. „Ich helfe nur aus“, sagte sie, da sie trotz ihres informellen Einverst?ndnisses mit Ryan vorsichtig sein musste. „Es ist so schwer, gute Hilfskr?fte zu finden. Wir selbst haben gerade Not am Mann. Erst gestern wurde eine unserer Kellnerinnen ausgewiesen, weil sie nicht die richtigen Papiere hatte.“ Sie sah Cassie an, die schnell zum Tisch blickte. Was meinte die Frau? Verd?chtigte sie Cassie, kein Arbeitsvisum zu haben, weil sie mit amerikanischem Akzent sprach? Wollte sie ihr mitteilen, dass sich die Beh?rden in der Nachbarschaft umsahen? Schnell gaben sie und die Kinder ihre Bestellungen auf und die Managerin eilte davon. Kurze Zeit sp?ter erschien eine gestresst wirkende Bedienung, die offensichtlich aus dem Ort zu sein schien, und brachte Pasteten und Pommes. Cassie wollte nicht l?nger als n?tig sitzen bleiben, um der Managerin keine Gelegenheit zu geben, ihr Gespr?ch fortzuf?hren, da das Restaurant sich mittlerweile geleert hatte. Sobald sie aufgegessen hatten, ging sie zum Tresen, um zu bezahlen. Sie verlie?en die Teestube auf demselben Weg, den sie auch gekommen waren. An einem Zoogesch?ft machten sie Halt, um Fischfutter f?r die Tiere zu kaufen, die Dylan Orange und Lemon genannt hatte. Au?erdem brauchte sein Hase, Benjamin Bunny, frische Streu. Auf dem Weg zur Bushaltestelle h?rte Cassie Musik und sie bemerkte eine Gruppe von Leuten, die sich auf dem gepflasterten Marktplatz versammelt hatten. „Was machen die Leute dort?“, fragte Madison, die die Aktivit?ten ebenfalls bemerkt hatte. „K?nnen wir schauen gehen, Cassie?“, fragte Dylan. Sie ?berquerten die Stra?e und entdeckten, dass Stra?enk?nstler ihre Zelte aufgeschlagen hatten. In der n?rdlichen Ecke des Platzes spielte eine Live-Band, die aus drei Musikern bestand und auf der gegen?berliegenden Seite wurden Ballontiere hergestellt. Eltern mit kleinen Kindern standen bereits Schlange. In der Mitte f?hrte ein Magier, der Frack und Zylinder trug, seine Tricks vor. „Oh, wow. Ich liebe Zaubertricks“, fl?sterte Madison. „Ich auch“, stimmte Dylan ihr zu. „Ich m?chte mehr dar?ber lernen und erfahren, wie sie funktionieren.“ Madison verdrehte die Augen. „Ganz einfach. Zauberei!“ Als sie ankamen, hatte der Magier gerade einen Trick vollendet, die Menge staunte und applaudierte und ging dann weiter. Der Zauberer drehte sich zu ihnen. „Willkommen, liebe Leute. Vielen Dank, dass ihr an diesem wundervollen Nachmittag euren Weg zu mir gefunden habt. Aber sag mal, kleines Fr?ulein, ist dir nicht ein bisschen kalt?“ Er winkte Madison zu sich. „Kalt? Mir? Nein.“ Sie machte einen Schritt nach vorne und l?chelte vorsichtig. Er streckte seine leeren H?nde aus, ging auf sie zu und klatschte dann neben Madisons Kopf. Sie keuchte. Als er seine H?nde nach unten hielt, sah sie einen kleinen Spielzeugschneemann. „Wie hast du das gemacht?“, fragte sie. Er gab ihr das Spielzeug. „Er war die ganze Zeit auf deiner Schulter und ist mir dir gereist“, erkl?rt er und Madison lachte sowohl begeistert als auch ungl?ubig. „Also, dann wollen wir mal sehen, wie schnell eure Augen sind. Und so funktioniert’s. Ihr wettet gegen mich – egal, wie viel. Und ich bewege vier Karten hin und her. Wer erraten kann, wo die K?nigin gelandet ist, verdoppelt sein Geld. Wer falsch liegt, geht mit leeren H?nden von dannen. Also, wer m?chte wetten?“ „Ich! Kann ich etwas Geld haben?“, fragte Dylan. „Klar. Wie viel m?chtest du denn verlieren?“ Cassie w?hlte in ihrer Jackentasche herum. „F?nf Pfund, bitte. Dann kann ich zehn gewinnen.“ Cassie, die die Menge bemerkt hatte, die sich hinter ihnen versammelte, gab Dylan das Geld. „Das sollte kein Problem f?r dich sein, junger Mann. Ich kann sehen, dass du schnelle Augen hast. Aber vergiss nicht – die K?nigin ist eine hinterlistige Dame, die schon viele Schlachten gewonnen hat. Sieh gut zu, wenn ich die vier Karten austeile. Ich lege sie mit dem Bild nach oben ab, damit jeder es sehen kann. Das ist fast schon zu einfach. Es ist, als w?rde ich Geld hergeben. Die Herz-K?nigin, das Pik-Ass, die Kreuz-Neun und der Bube in Karo. Schlie?lich sagt man ja ?ber die Ehe: Sie beginnt mit Herzen und endet mit Hacke und Pickel.“ Das Publikum hinter ihnen lachte. Die Aussage des Zauberers ?ber eine zerbrochene Ehe bereitete Cassie Sorgen und sie betrachtete nerv?s die Kinder, doch Madison schien den Witz nicht verstanden zu haben und Dylans Aufmerksamkeit war auf die Karten gerichtet. „Jetzt drehe ich sie um.“ Eine Karte nach der anderen wurde verdeckt. „Und jetzt bewege ich sie.“ Geschwind, aber nicht zu schnell, mischte er die vier Karten. Es war eine Herausforderung, der K?nigin zu folgen, doch als er stoppte, war sich Cassie ziemlich sicher, dass sich die K?nigin ganz rechts befinden musste. „Wo ist die werte K?nigin?“, fragte der Zauberer. Dylan hielt inne und zeigte dann auf die Karte ganz rechts. „Bist du dir sicher, junger Mann?“ „Ja“, Dylan nickte. „Du hast noch die Chance, deine Meinung zu ?ndern.“ „Nein, ich bleibe dabei. Sie muss einfach dort sein.“ „Sie muss einfach dort sein. Nun, dann wollen wir mal sehen, ob unsere K?nigin gleicher Meinung ist oder ob einer ihrer Konsorten sie verstecken konnte.“ Er drehte die Karte um und Dylan st?hnte h?rbar. Es war der Bube in Karo. „Verdammt“, sagte er. „Der Bube. Immer bereit, seine K?nigin zu besch?tzen. Treu und loyal bis zum Ende. Doch die K?nigin der Herzen, dem Zeichen der Liebe, entzieht sich uns noch immer.“ „Also, wo ist die K?nigin?“ „Ja, wo ist sie?“ Cassie hatte bemerkte, dass er beim Mischen der Karten eine Karte ?berhaupt nicht ber?hrt hatte – die auf der linken Seite. Das war das Pik-Ass gewesen. „Ich glaube, sie ist dort“, riet sie und zeigte auf die Karte. „Ah, eine clevere Frau, zeigt auf die eine Karte, von der sie wei?, dass sie es unm?glich sein kann. Aber wisst ihr was? Wunder geschehen.“ Geschwind deckte er die Karte auf und dort war sie – die K?nigin. Gel?chter und Applaus f?llten den Marktplatz und Cassie freute sich, als Dylan und Madison ihr ein High-Five schenkten. „Wie schade, dass Sie kein Geld gesetzt haben, meine Dame. Sie w?ren jetzt ein bisschen reicher, aber so ist das Leben. Wer braucht schon Geld, wenn man von der Liebe selbst erw?hlt wurde?“ Cassie sp?rte, wie ihre Wangen rot wurden. Sch?n w?r’s, dachte sie. „Als Erinnerung d?rfen Sie die Karte behalten.“ Er steckte sie in eine Papiert?te und schloss diese mit einem Aufkleber, bevor er sie Cassie ?bergab, die sie in das Seitenfach ihrer Handtasche steckte. „Ich frage mich, was geschehen w?re, wenn ich diese Karte ausgew?hlt hatte“, meinte Dylan, als sie davongingen. „Ich bin mir sicher, es w?re der Karo-Bube gewesen“, sagte Cassie. „So verdient er sein Geld – er vertauscht die Karten, wenn Leute Geld wetten.“ „Seine H?nde waren so schnell“, sagte Dylan und sch?ttelte den Kopf. „Ich nehme an, daf?r braucht man eine nat?rliche Begabung und muss jahrelang trainieren“, antwortete Cassie. „Vermutlich“, stimmte Dylan ihr zu, als sie die Bushaltestelle erreichten. „Ich glaube, dass auch Irref?hrung eine Rolle spielt, aber ich wei? nicht, wie das funktioniert, wenn vier Karten so nah beieinander liegen.“ „Ok, lass uns ?ben. Versuche, mich irrezuf?hren, Cassie“, bat Madison. „Das werde ich, aber jetzt kommt der Bus. Lass uns erst einsteigen.“ Madison drehte sich um und w?hrend sie abgelenkt war, zog Cassie den Karamellapfel aus ihrer Jackentasche. „Hey! Was hast du getan? Ich habe etwas gesp?rt. Und da ist gar kein Bus.“ Madison drehte sich um, sah, dass Dylan laut auflachte und hielt kurz inne, w?hrend sie realisierte, was geschehen war. Dann kicherte auch sie. „Du hast mich erwischt!“ „Es ist nicht immer so einfach. Ich hatte Gl?ck.“ „Der Bus kommt, Madison“, sagte Dylan. „Ich werde mich nicht umdrehen. Du kannst mich nicht zwei Mal austricksen.“ Noch immer lachend verschr?nkte sie ihre Arme. „Dann wirst du wohl hierbleiben m?ssen“, meinte Dylan, als der schlanke, einst?ckige Bus vor ihnen stehen blieb. W?hren der kurzen Fahrt gaben sie alle ihr Bestes, sich gegenseitig in die Irre zu f?hren. Als sie ihre Haltestelle erreichten, schmerzte Cassies Bauch vor lauter Lachen und sie war gl?cklich, dass der Tag ein Erfolg gewesen war. Als sie die Haust?re aufschloss, vibrierte ihr Handy. Es war eine Nachricht von Ryan, der ank?ndigte, Pizza nach Hause zu bringen und wissen wollte, ob sie etwas nicht mochte. Sie schrieb zur?ck. „Ich bin f?r alles zu haben, danke.“ Als sie kurz davor war, die Nachricht abzuschicken, bemerkte sie, wie das klingen musste. Mit roten Wangen l?schte sie die Nachricht und ersetzte die Worte mit „Mir schmeckt eigentlich alles, danke.“ Eine Minute sp?ter klingelte ihr Handy erneut und sie griff schnell danach, um Ryans Antwort zu lesen. Aber die Nachricht war nicht von ihm. Sie war von Renee, einer alten Schulfreundin aus den Staaten. „Hey, Cassie. Heute Morgen hat jemand nach dir gesucht. Eine Frau. Sie rief aus Frankreich an. Sie war auf der Suche nach dir, wollte aber nicht mehr sagen. Kann ich ihr deine Nummer geben?“ Cassie las die Nachricht wieder und wieder durch und pl?tzlich f?hlte sich das Dorf weder abgelegen noch sicher an. Die Verhandlung ihres ehemaligen Arbeitgebers in Paris stand an und sein Verteidigungsteam suchte nach weiteren Zeugen – sie bef?rchtete, dass sich das Netz ?ber ihr zusammenzog. KAPITEL SIEBEN Als sie den Kindern bei ihrer Abendroutine half, ihnen im Bad und beim Umziehen zur Seite stand, konnte Cassie die verst?rende Nachricht nicht vergessen. Sie versuchte, sich davon zu ?berzeugen, dass Pierre Dubois‘ Anwaltsteam sie vermutlich direkt kontaktiert h?tte ohne eine alte Schulfreundin ausfindig machen zu m?ssen. Aber die Tatsache blieb: Jemand suchte nach ihr. Und sie musste dringend herausfinden, wer. Nachdem sie das Badezimmer aufger?umt hatte, antwortete sie Renee. „Hat die Frau dir eine Nummer oder einen Namen hinterlassen?“ Sie lie? ihr Handy im Zimmer und ging zur K?che, um Madison dabei zu helfen, den Tisch mit all den Extras zu decken, die zur Pizza passten – Salz, Pfeffer, Knoblauch, Tabasco-Sauce und Mayonnaise. „Dylan mag Mayo“, erkl?rte sie. „Ich finde es eklig.“ „Ich auch“, gab Cassie zu und ihr Herz machte einen Sprung, als sie h?rte, wie sich die Haust?r ?ffnete. Madison eilte aus der K?che und Cassie folgte ihr. „Pizza!“, rief Ryan und ?bergab Madison die Schachteln. „Es ist sch?n, drinnen zu sein. Drau?en ist es dunkel und eiskalt.“ Er sah Cassie und sein Mund verzog sich zu einem unglaublich attraktiven Grinsen, ganz wie sie es sich erhofft hatte. „Hallo Cassie! Gut siehst du aus. Wie ich sehe, hat die frische Meeresluft ordentlich Farbe in deine Wangen gebracht. Ich kann es kaum erwarten, von eurem Tag zu h?ren.“ Cassie l?chelte zur?ck und war dankbar, dass er annahm, die frische Luft hatte ihre Wangen ger?tet – nicht die Tatsache, dass sie wegen seines Erscheinens aufgeregt und merkw?rdig verlegen geworden war. Sie versuchte sich einzureden, dass es vermutlich das Beste w?re, diese Schw?rmerei f?r ihren Chef abzulegen. Einige Minuten sp?ter gesellte sich Ryan zu ihnen in die K?che und Cassie sah, dass er eine braune Papiert?te in der Hand hielt. „Ich habe Geschenke mitgebracht“, k?ndigte er an. „Was denn?“, fragte Madison. „Geduld, mein Liebling. Setzt euch hin.“ Als die Kinder am Tisch sa?en, ?ffnete er die T?te. „Maddie, das ist f?r dich.“ Es war ein schwarzes, enganliegendes Top mit einem Slogan in glitzerndem Pink, der auf dem Kopf geschrieben war. „Das ist mein Handstand-Shirt“, stand auf dem Oberteil. „Oh, wie h?bsch. Ich kann es kaum erwarten, das Top in die Turnhalle anzuziehen“, sagte Madison und ihre Augen leuchteten, als sie das Shirt drehte und wendete und dabei zusah, wie es im Licht glitzerte. „Das ist f?r dich, Dylan.“ Sein Geschenk war ein neongelbes, lang?rmeliges Fahrradshirt. „Cool, Dad. Danke.“ „Ich hoffe, es tr?gt zu deiner Sicherheit bei, jetzt wo es morgens so dunkel ist. Und das ist f?r dich, Cassie.“ Zu Cassies Erstaunen zog Ryan ein Paar eleganter, warmer Handschuhe aus der Tasche. Ihre Augen weiteten sich, als ihr klar wurde, dass es sich fast um dieselben Handschuhe handelte, die sie in der Stadt anprobiert hatte.“ „Oh, wie wunderh?bsch. Und so praktisch.“ Entsetzt stellte Cassie fest, dass ihre Schw?rmerei f?r Ryan so garantiert nicht abklingen w?rde, denn sie stellte sich gerade vor, mit ihm auf der Terrasse zu sitzen und Wein zu trinken. „Ich hoffe, sie passen dir. Ich habe versucht, mir deine H?nde vorzustellen, als ich sie gekauft habe“, sagte Ryan. F?r einen Moment blieb Cassie der Atem weg und sie fragte sich, ob er ?hnlich dachte wie sie. „Also, hattet ihr einen sch?nen Tag?“, fragte Ryan. „Wir hatten so viel Spa?. In der Stadt war ein Magier. Er hat mir einen Schneemann geschenkt und Dylan f?nf Pfund leichter gemacht. Aber dann hat Cassie erraten, wo die Karte war und sie gewonnen – aber leider kein Geld.“ „Welche Karte hat sie gewonnen?“, fragte Ryan seine Tochter. „Die Herz-K?nigin, also hat der Magier gesagt, dass sie bald Liebe finden wird.“ Cassie nahm einen Schluck Orangensaft, weil sie nicht wusste, wo sie hinschauen sollte und zu sch?chtern war, um Ryans Blick aufzufangen. „Nun, ich denke, Cassie verdient diese Karte und alles, was sie mit sich bringt“, sagte Ryan und sie versch?ttete fast ihren Saft, als sie das Glas abstellte. „Was habt ihr danach gemacht?“, fragte er. „Wir haben auf dem Weg zum Bus ?ber Irref?hrungen geredet und Cassie hat mich ausgetrickst und meinen Karamellapfel gestohlen!“ Die Worte str?mten nur so aus Madison heraus und obwohl Dylan mit seiner Pizza besch?ftigt war, nickte er enthusiastisch. „Wir haben dir auch etwas mitgebracht“, sagte Cassie und gab ihm sch?chtern die Cashewn?sse. „Mein Lieblingssnack! Ich habe einen anstrengenden Tag vor mir und werde die N?sse mitnehmen und zu Mittag essen. Welch ?berraschung. Danke f?r das aufmerksame Geschenk.“ W?hrend der letzten Worte sah er Cassie an und seine blauen Augen hielten ihren Blick mehrere Sekunden lang fest. Nachdem die Pizzen verschlungen waren – Cassies fehlender Appetit wurde von Ryan und seinen Kindern wettgemacht, am Ende war der Teller blitzeblank – nahm Cassie die Kinder mit ins Familienzimmer zum Fernsehen. Nach einer Talentshow, die ihnen allen gefiel, brachte sie sie ins Bett. Die Abenteuer des Tages und die Talentshow, in der es auch um zwei Turnsch?lergruppen gegangen war, besch?ftigten Madison noch l?nger. „Ich glaube, ich will mal Turnerin werden“, sagte sie. „Das ist viel Arbeit, aber wenn es dein Traum ist, dann musst du ihm folgen“, riet Cassie. „Ich habe das Gef?hl, nicht einschlafen zu k?nnen.“ „Willst du noch etwas plaudern? Oder soll ich dir eine Geschichte vorlesen?“ Cassie versuchte, beim Gedanken an Ryan, der mit einem Glas Wein auf der Terrasse sa? und auf sie wartete, nicht ungeduldig zu werden. Oder vielleicht wartete er gar nicht, sondern war bereits zu Bett gegangen. Dann w?rde sie die Gelegenheit verpassen, ihm von Dylans Ladendiebstahl zu erz?hlen. Die Erinnerung r?ttelte sie auf. In ihrem Gl?ck ?ber das aufmerksame Geschenk und dem Geplauder am Esstisch hatte sie den unangenehmen Vorfall vollkommen vergessen. Es war ihre Pflicht, Ryan davon zu erz?hlen, auch wenn sie damit den wundervollen Tag ruinierte. „Ich w?rde gerne etwas lesen.“ Madison schlug ihre Decke zur?ck, ging zum Regal und w?hlte ein Buch, das sie offensichtlich schon oft gelesen hatte, denn der R?cken war faltig und die Seiten voller Eselsohren. „Das ist die Geschichte eines normalen M?dchens, das Ballettt?nzerin wird. Es ist so aufregend. Jedes Mal, wenn ich es lese, begeistert es mich aufs Neue. Denkst du, das ist seltsam?“ „Nein, ?berhaupt nicht. Die besten Geschichten geben dir immer dieses Gef?hl“, sagte Cassie. „Cassie, denkst du, dass auf dem Internat Turnen unterrichtet wird?“ Wieder dieses Internat. Cassie hielt inne. „Ja, vor allem weil es sich bei Internaten gew?hnlich um gr??ere Schulen handelt. Ich nehme an, dass es dort viele Sporteinrichtungen gibt.“ Madison schien mit der Antwort zufrieden zu sein, hatte dann aber einen weiteren Gedanken. „Darf man die Ferien ?ber im Internat bleiben?“ „Nein, in den Ferien gehen die Sch?ler nach Hause. Warum w?rdest du in der Schule bleiben wollen?“ Cassie hoffte, eine Antwort zu erhalten, aber Madison zog sich die Decke bis zum Kinn und ?ffnete das Buch. „Ich habe mich nur gewundert. Gute Nacht. Ich schalte mein Licht sp?ter selbst aus.“ „Ich sehe nochmal nach dir“, versprach Cassie, bevor sie die T?r schloss. Sie eilte zu ihrem Zimmer, nahm sich ihren Mantel und zog die h?bschen, neuen Handschuhe an, bevor sie auf den Balkon ging. Zu ihrer Erleichterung war Ryan noch immer dort. Sie sah sogar freudig, dass er auf sie gewartet und den Wein noch nicht eingeschenkt hatte. Als er sie sah, sprang er auf die F??e, zog ihren Stuhl n?her an seinen und sch?ttelte das Kissen auf, bevor sie sich setzte. „Prost. Vielen Dank f?r heute. Es ist das beste Gef?hl der Welt, die Kinder so gl?cklich zu sehen.“ „Prost.“ Als ihr Weinglas seines ber?hrte, erinnerte sie sich, dass der Tag nicht wirklich perfekt gewesen war. Es hatte einen ernsthaften Vorfall gegeben. Wie sollte sie ihm davon erz?hlen? Was w?re, wenn er sie f?r ihre Vorgehensweise kritisierte? Sie entschied sich daf?r, das Thema langsam anzugehen und im Gespr?ch darauf zu kommen. Vielleicht w?rde Ryan ja erneut seine Scheidung erw?hnen, das w?re die perfekte ?berleitung f?r sie: „Wei?t du, ich denke, die Scheidung war schwerer f?r Dylan als gedacht. Kurz nachdem Madison ihre Mutter erw?hnt hat, hat er in einem Laden S??igkeiten gestohlen.“ Sie sprachen eine Weile ?ber das Wetter – der folgende Tag versprach, gut zu werden – und den Zeitplan der Kinder. Ryan erkl?rte ihr, dass der Schulbus die beiden morgens um halb acht abholen w?rde, er dann bereits bei der Arbeit sei und die Kinder sie ?ber den weiteren Tagesverlauf oder etwaige Aktivit?ten informieren w?rden. „In meinem Schrank h?ngt au?erdem ein Stundenplan, den kannst du dir jederzeit ansehen“, sagte er. „Ich aktualisiere ihn stets.“ „Danke. Ich werde mich bei Bedarf daran orientieren“, antwortete Cassie. „Wei?t du“, sagte Ryan und Cassie verspannte sich. Sie leerte ihr Glas, denn seine Stimme hatte sich ver?ndert, war ernster geworden. Sie war sich sicher, dass er seine Scheidung erw?hnen w?rde, was f?r sie bedeutete, dass es Zeit war, das schwierige Ladendiebstahl-Thema auf den Tisch zu bringen. Er schenkte ihr Wein nach, bevor er fortfuhr. „Wei?t du, ich habe heute viel an dich gedacht. Als ich diese Handschuhe gesehen habe, kamst du mir sofort in den Sinn und mir wurde klar, wie sehr ich unsere Unterhaltung gestern Abend genossen habe. Die Handschuhe waren also quasi nur meine Art, dir zu sagen, dass ich sehr gerne jeden Abend mit dir hier drau?en verbringen w?rde.“ F?r einen Moment wusste Cassie nicht, was sie darauf antworten sollte. Sie konnte nicht glauben, was sie gerade geh?rt hatte. Als sie seine Worte verdaute, wurde ihr warm vor Freude. „Sehr gerne. Ich habe den gestrigen Abend auch sehr genossen.“ Sie wollte noch mehr hinzuf?gen, hielt sich aber zur?ck. Sie musste sich in Acht nehmen, ihre auflodernden Emotionen f?r sich zu behalten. Schlie?lich war es m?glich, dass Ryans Kommentar reine H?flichkeit gewesen war. „Passen sie gut?“ Er nahm ihre linke Hand und streichelte ihre Finger z?rtlich mit seinem Daumen. „Ja, sie passen perfekt. Und mir ist darin ?berhaupt nicht mehr kalt.“ Ihr Herz klopfte so laut, dass sie sich fragte, ob er ihren Puls f?hlen konnte, w?hrend er seine Finger sanft ?ber ihr Handgelenk wandern lie?, bevor er sie schlie?lich loslie?. „Ich bewundere dich so sehr, den Schritt gewagt zu haben, die andere Seite des Ozeans zu erkunden. Hast du dich ganz alleine dazu entschieden? Oder mit anderen gemeinsam?“ „Ganz alleine“, sagte Cassie und freute sich ?ber seine Anerkennung. „Das ist unglaublich. Was denkt deine Familie dar?ber?“ Cassie wollte nicht l?gen, also gab sie ihr Bestes, die Angelegenheit zu umgehen. „Ich habe nur Unterst?tzung erfahren. Von Freunden, Familienmitgliedern und meinen vorherigen Arbeitgebern. Einige Freunde meinten, ich w?rde Heimweh bekommen und bald nach Hause zur?ckkehren, aber dem war nicht so.“ „Und hast du jemand Besonderen zur?ckgelassen? Einen Freund, vielleicht?“ Cassie konnte kaum atmen, als ihr klar wurde, was seine Frage beinhaltete. Machte Ryan Anspielungen? Oder handelte es sich lediglich um eine normale Unterhaltung, weil er mehr ?ber sie erfahren wollte? Sie musste vorsichtig sein. Ihre Schw?rmerei f?r ihn k?nnte sie dazu bringen, etwas Unangebrachtes zu sagen. „Ich habe keinen Freund. Anfang des Jahres war ich mit jemandem zusammen, aber wir haben uns schon lange vor meiner Abreise getrennt.“ Das war nicht die Wahrheit. Sie hatte nur wenige Wochen vor ihrem Abschied mit ihrem gewaltt?tigen Ex Schluss gemacht. Es war einer ihrer Hauptgr?nde gewesen, den Kontinent zu verlassen – sie hatte nicht riskieren wollen, von ihm verfolgt zu werden oder ihre Meinung ihm gegen?ber zu ?ndern. Aber diese Version konnte Cassie Ryan nicht erz?hlen. In diesem Moment, an diesem Ort, w?hrend sie die wei?en K?mme der Wellen beobachtete, die ans Ufer rollten, wollte sie, dass er glaubte, ihre letzte Beziehung bef?nde sich weit in der Vergangenheit. Dass sie ruhig und narbenlos und bereit f?r etwas Neues war. „Ich bin froh, dass du das mit mir geteilt hast. Es w?re nicht richtig von mir, nicht sicher zu gehen“, sagte Ryan leise. „Und ich nehme an, dass du die Beziehung beendet hast, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass es andersherum gewesen sein k?nnte.“ Cassie starrte ihn an. Seine hellblauen Augen hypnotisierten sie und sie hatte das Gef?hl, zu tr?umen. „Ja, das habe ich. Es hat nicht funktioniert und ich musste die Entscheidung treffen.“ Er nickte. „Das habe ich bereits bei unserem ersten Gespr?ch gesp?rt. Deine innere St?rke. Deine F?higkeit, zu wissen, was du willst und danach zu streben. Und gleichzeitig bist du unglaublich empathisch, z?rtlich und weise.“ „Naja, ich wei? nicht, wie weise ich tats?chlich bin. Meistens f?hle ich mich nicht so.“ Ryan lachte. „Weil du zu besch?ftigt bist, dein Leben zu leben und dich nicht ?berm??ig selbst beobachtest. Eine weitere hervorragende Eigenschaft.“ „Hey, ich habe das Gef?hl, w?hrend meiner Zeit hier von einem Experten auf dem Gebiet zu lernen“, konterte sie. „Macht das Leben nicht am meisten Spa?, wenn man es mit jemandem verbringt, der einem einen Sinn gibt?“ Seine Worte waren neckend, aber sein Gesicht ernst und sie bemerkte, dass sie nicht wegsehen konnte. „Ja, auf jeden Fall“, fl?sterte sie. Das f?hlte sich nicht wie eine normale Unterhaltung an. Das Gespr?ch bedeutete mehr, das musste es einfach. Ryan stellte sein Glas ab, nahm ihre Hand und zog sie nach oben. Er legte seinen Arm l?ssig um ihre Taille, nur f?r einige Augenblicke, w?hrend sie sich zur T?r drehte. „Ich hoffe, du schl?fst gut“, sagte er, als sie ihre Schlafzimmert?r erreichten. Seine Hand ber?hrte ihren R?cken, als er sich zu ihr beugte. Und f?r einen Moment betrachteten ihre faszinierten Augen die Form seines Mundes, sinnlich und fest, von der weichen Linie seiner Bartstoppeln umrandet. Dann, nur f?r einen Augenblick, ber?hrten seine Lippen ihre, bevor er sich wegdrehte und ihr leise eine gute Nacht w?nschte. Cassie sah zu, wie er seine T?r hinter sich schloss. Wie auf Wolken ?berpr?fte sie, ob Madison ihr Licht ausgeschaltet hatte und kehrte dann in ihr Zimmer zur?ck. Entsetzt fiel ihr ein, dass sie vergessen hatte, Ryan von dem Ladendiebstahl zu erz?hlen. Sie hatte keine Gelegenheit dazu bekommen. Der Abend hatte sich in eine andere Richtung entwickelt, eine unerwartete, die sie erstaunt und sowohl hoffnungs- als auch erwartungsvoll gemacht hatte. Sie hatte das Gef?hl, er habe mit dem Kuss eine T?r ge?ffnet und dahinter hatte sie etwas gesehen, was ihre ganze Welt ver?ndern k?nnte. War es ein rein freundschaftlicher Kuss gewesen? Oder hatte er etwas bedeutet? Sie war sich nicht sicher, glaubte aber, dass etwas dahinterstecken musste. Die Unsicherheit machte sie nerv?s und aufregt, aber es war ein gutes Gef?hl. In ihrem Zimmer checkte sie ihre Nachrichten und sah, dass Renee zur?ckgeschrieben hatte. „Die Frau meinte, sie rufe von einem M?nztelefon aus an. Also keine Nummer. Wenn sie nochmal anruft, werde ich sie nach ihrem Namen fragten.“ Beim Lesen hatte Cassie pl?tzlich eine Idee. Die mysteri?se Frau hatte von einem M?nztelefon aus angerufen, keine Informationen hinterlassen und eine Schulfreundin Cassies kontaktiert, die als eine der einzigen noch in ihrer alten Heimatstadt lebte. Cassies Vater war schon lange weg- und mehrere Male umgezogen, hatte Jobs und Freundinnen gewechselt und sein Handy fast jedes Mal verloren, wenn er betrunken unterwegs gewesen war. Sie war schon lange nicht mehr mit ihm in Kontakt gewesen und wollte ihn nie wiedersehen. Er wurde ?lter, kr?nker und lebte so, wie er es verdiente. Doch das bedeutete auch, dass Familienmitglieder sich nicht mehr mit ihm in Verbindung setzen konnten. Selbst sie w?sste nicht, wie sie ihn kontaktieren k?nnte. Es bestand die M?glichkeit – eine M?glichkeit, die wahrscheinlicher schien, je mehr sie dar?ber nachdachte – dass es bei der Anruferin um ihre Schwester Jacqui ging, die versuchte, Cassie zu finden. Eine alte Schulfreundin w?re die einzige Verbindung f?r jemanden, der sich nicht in den sozialen Netzwerken aufhielt. Und das tat Jacqui nicht, Cassie hatte oft genug nachgesehen. Immer wieder hatte sie nach ihr gesucht und gehofft, mit ihrer Detektivs-Arbeit eines Tages eine Spur zu ihrer Schwester zu finden. Ihre Haut kribbelte, als sie die M?glichkeit bedachte, dass Jacqui eventuell versucht hatte, sie zu kontaktieren. Das bedeutete nicht, dass sich Jacqui in einer guten Situation befand, aber das hatte sie auch nie geglaubt. Wenn Jacqui sich niedergelassen h?tte, eine Wohnung besa? und arbeitete, h?tte sie sich schon lange bei ihr gemeldet. Wenn Cassie an Jacqui dachte, stellte sie sich immer Unsicherheit vor. Sie dachte an ein Leben als Gratwanderung – zwischen Geld und Armut, Drogen und Rehabilitation, Freunden und Vergewaltigern. Aber was wusste sie schon? Je unsicherer Jacquis Leben war, desto schwerer w?re es f?r sie, ihre Familie zu kontaktieren, die sie vor so langer Zeit verlassen hatte. Vielleicht erlaubten ihre Umst?nde es nicht oder sie sch?mte sich. Vielleicht verbrachte sie Wochen oder gar Monate auf der Stra?e oder unter dem Radar, high oder nach Essen bettelnd. Cassie entschied sich dazu, Vertrauen zu haben und es darauf ankommen zu lassen. Schnell schrieb sie Renee zur?ck, schlie?lich wusste sie, dass Ryan das WLAN jeden Moment ausschalten w?rde. „Es k?nnte meine Schwester sein. Bitte gib ihr meine Nummer, wenn sie nochmals anruft.“ Cassie schloss die Augen und hoffte, richtig zu liegen. Sie hatte getan, was sie konnte, um mit dem einzigen Familienmitglied, das ihr etwas bedeutete, in Kontakt zu treten. KAPITEL ACHT Am n?chsten Morgen herrschte organisiertes Chaos, als Cassie versuchte, die Kinder f?r die Schule anzuziehen. Teile der Schuluniform fehlten, Schuhe waren schmutzig und Socken passten nicht zusammen. Sie rannte zwischen der K?che und den Schlafzimmern hin und her, um gleichzeitig auch noch alle mit Fr?hst?ck zu versorgen. Die Kinder schlangen Tee, Toast und Marmelade herunter, bevor sie sich wieder auf die Suche nach ihren Schulsachen machten, die ?bers Wochenende in einem anderen Universum verschwunden zu sein schienen. „Ich habe mein Abzeichen verloren!“, rief Madison und zupfte an ihrem Blazer herum. „Wie sieht es denn aus?“, fragte Cassie mit niedergeschlagener Stimme. Sie hatte geglaubt, es endlich geschafft zu haben. „Es ist rund und hellgr?n. Ich kann ohne das Abzeichen nicht zur Schule gehen. Ich war letzte Woche Klassensprecherin und muss das Abzeichen heute weitergeben.“ Êîíåö îçíàêîìèòåëüíîãî ôðàãìåíòà. Òåêñò ïðåäîñòàâëåí ÎÎÎ «ËèòÐåñ». Ïðî÷èòàéòå ýòó êíèãó öåëèêîì, êóïèâ ïîëíóþ ëåãàëüíóþ âåðñèþ (https://www.litres.ru/pages/biblio_book/?art=51923706&lfrom=688855901) íà ËèòÐåñ. Áåçîïàñíî îïëàòèòü êíèãó ìîæíî áàíêîâñêîé êàðòîé Visa, MasterCard, Maestro, ñî ñ÷åòà ìîáèëüíîãî òåëåôîíà, ñ ïëàòåæíîãî òåðìèíàëà, â ñàëîíå ÌÒÑ èëè Ñâÿçíîé, ÷åðåç PayPal, WebMoney, ßíäåêñ.Äåíüãè, QIWI Êîøåëåê, áîíóñíûìè êàðòàìè èëè äðóãèì óäîáíûì Âàì ñïîñîáîì.
Íàø ëèòåðàòóðíûé æóðíàë Ëó÷øåå ìåñòî äëÿ ðàçìåùåíèÿ ñâîèõ ïðîèçâåäåíèé ìîëîäûìè àâòîðàìè, ïîýòàìè; äëÿ ðåàëèçàöèè ñâîèõ òâîð÷åñêèõ èäåé è äëÿ òîãî, ÷òîáû âàøè ïðîèçâåäåíèÿ ñòàëè ïîïóëÿðíûìè è ÷èòàåìûìè. Åñëè âû, íåèçâåñòíûé ñîâðåìåííûé ïîýò èëè çàèíòåðåñîâàííûé ÷èòàòåëü - Âàñ æä¸ò íàø ëèòåðàòóðíûé æóðíàë.