Êàêîå, â ñóùíîñòè, íåëåïîå çàíÿòèå ïèñàòü ñòèõè: ......................è "ãëàç ëóíû", è "ñîëíöà äèñê" êàê ìèð ñòàðû. ............................Äóøè øèðîêèå îáúÿòèÿ òîëïå íàâñòðå÷ó ðàñïàõíóòü... - ................................................ïîäîáíûé ðèñê ê ÷åìó òåáå? - ........................Ãëóõîé ñòåíîé - íåïîíèìàíèå; ðàçäàâëåí òÿæåñòüþ

Vermisst

Vermisst Blake Pierce "Ein Meisterwerk der Spannung! Die Autorin schafft es auf hervorragende Weise den Charakteren eine psychologische Seite zu geben, die so gut beschrieben ist, dass wir uns in ihre K?pfe versetzt f?hlen und ihren ?ngsten folgen und ?ber ihren Erfolg jubeln k?nnen. Die Handlung ist sehr intelligent und wird Sie das ganze Buch hindurch unterhalten. Voller Wendungen wird Sie dieses Buch bis zur letzten Seite wach halten."––Books and Movie Reviews, Roberto Mattos (zu Verschwunden) VERMISST ist Band #16 in der Bestseller Reihe der Riley Paige Krimis, die mit dem #1 Bestseller VERSCHWUNDEN (Band #1) beginnt –– welcher kostenlos zum Herunterladen zur Vef?gung steht mit ?ber 1000 f?nf Sterne Bewertungen!Ein Serienm?rder schl?gt scheinbar zuf?llig zu, als er zuerst einen Mann Mitte F?nfzig t?tet, dann eine Frau Mitte F?nfzig. Das einzige, was sie verbindet, ist das Souvenir, welches er mitnimmt: ein Esszimmerstuhl.Was hat das zu bedeuten? Sind die Morde doch nicht so zuf?llig?FBI Spezialagentin Riley Paige muss mit ihren eigenen inneren D?monen und ihrem dysfunktionalen Familienleben k?mpfen, w?hrend sie in einem Wettrennen gegen die Zeit versucht, in die Gedanken des diabolischen M?rders vorzudringen, der zweifelsohne erneut zuschlagen wird.Wird sie ihn rechtzeitig aufhalten k?nnen?Ein Actionreicher psychologischer Krimi voller Spannung, ist VERMISST Band #16 einer aufregenden Reihe mit einer beliebten Hauptfigur, die sie zwingen wird, bis in die Nacht umzubl?ttern. V E R M I S S T (Ein Riley Paige Krimi –– Band 16) B L A K E P I E R C E Blake Pierce Blake Pierce ist der Autor der meistverkauften RILEY PAGE Krimi-Serie, die 13 B?cher umfasst (und weitere in Arbeit). Blake Pierce ist ebenfalls der Autor der MACKENZIE WHITE Krimi-Serie, die neun B?cher umfasst (und weitere in Arbeit); der AVERY BLACK Mystery-Serie, bestehend aus sechs B?chern; der KERI LOCKE Mystery-Serie, bestehend aus f?nf B?chern; der Serie DAS MAKING OF RILEY PAIGE, bestehend aus drei B?chern (und weitere in Arbeit); der KATE WISE Mystery-Serie, bestehend aus zwei B?chern (und weitere in Arbeit); der spannenden CHLOE FINE Psycho-Thriller-Serie, bestehend aus drei B?chern (und weitere in Arbeit); und der spannenden JESSE HUNT Psycho-Thriller-Serie, bestehend aus drei B?chern (und weitere in Arbeit). Als begeisterter Leser und lebenslanger Fan der Mystery- und Thriller-Genres liebt Blake es, von seinen Lesern zu h?ren. Bitte besuchen Sie www.blakepierceauthor.com, um mehr zu erfahren und in Kontakt zu bleiben. Copyright © 2018 Blake Pierce Alle Rechte vorbehalten. Au?er durch eine Genehmigung nach dem U.S. Copyright Act von 1976, darf kein Teil dieses Buches ohne ausdr?ckliche Genehmigung der Autorin vervielf?ltigt, vertrieben oder in irgendeiner Form ?bermittelt, in Datenbanken oder Abfragesystemen gespeichert werden. Dieses E–Book ist nur f?r ihren pers?nlichen Gebrauch lizenziert. Es darf nicht weiterverkauft oder an Dritte weitergegeben werden. Wenn Sie dieses Buch mit anderen teilen m?chten, erwerben Sie bitte f?r jeden Empf?nger eine zus?tzliche Kopie. Wenn Sie dieses Buch lesen, aber nicht gekauft haben, oder es nicht f?r Sie gekauft wurde, geben Sie es bitte zur?ck und erwerben Sie eine eigene Kopie. Vielen Dank, dass Sie die harte Arbeit der Autorin respektieren. Dieses Buch ist eine fiktive Geschichte. Namen, Charaktere, Unternehmen, Organisationen, Orte, Ereignisse und Vorf?lle sind von der Autorin frei erfunden oder werden fiktiv verwendet. ?hnlichkeiten mit echten Personen, lebendig oder verstorben, sind zuf?llig. Copyright Umschlagsbild Fer gregory, genutzt unter der Lizenz von Shutterstock.com B?CHER VON BLAKE PIERCE JESSIE HUNT PSYCHOTHRILLER-SERIE DIE PERFEKTE FRAU (BAND #1) DER PERFEKTE BLOCK (BAND #2) DAS PERFEKTE HAUS (BAND #3) DAS PERFEKTE L?CHELN (BAND #4) DIE PERFEKTE L?GE (BAND #5) CHLOE FINE PSYCHOTHRILLER-SERIE NEBENAN (BAND #1) DIE L?GE EINES NACHBARN (BAND #2) SACKGASSE (BAND #3) STUMMER NACHBAR (BAND #4) KATE WISE MYSTERY-SERIE WENN SIE W?SSTE (BAND #1) WENN SIE S?HE (BAND #2) WENN SIE RENNEN W?RDE (BAND #3) WENN SIE SICH VERSTECKEN W?RDE (BAND #4) WENN SIE FLIEHEN W?RDE (BAND #5) WENN SIE SICH F?RCHTEN W?RDE (BAND #6) DAS MAKING OF RILEY PAIGE MYSTERY-SERIE BEOBACHTET (BAND #1) WARTET (BAND #2) LOCKT (BAND #3) NIMMT (BAND #4) LAUERT (BAND #5) RILEY PAIGE MYSTERY-SERIE VERSCHWUNDEN (BAND #1) GEFESSELT (BAND #2) ERSEHNT (BAND #3) GEK?DERT (BAND #4) GEJAGT (BAND #5) VERZEHRT (BAND #6) VERLASSEN (BAND #7) ERKALTET (BAND #8) VERFOLGT (BAND #9) VERLOREN (BAND #10) BEGRABEN (BAND #11) ?BERFAHREN (BAND #12) GEFANGEN (BAND #13) RUHEND (BAND #14) GEMIEDEN (BAND #15) VERMISST (BAND #16) MACKENZIE WHITE MYSTERY-SERIE BEVOR ER T?TET (BAND #1) BEVOR ER SIEHT (BAND #2) BEVOR ER BEGEHRT (BAND #3) BEVOR ER NIMMT (BAND #4) BEVOR ER BRAUCHT (BAND #5) EHE ER F?HLT (BAND #6) EHE ER S?NDIGT (BAND #7) BEVOR ER JAGT (BAND #8) VORHER PL?NDERT ER (BAND #9) VORHER SEHNT ER SICH (BAND #10) VORHER VERF?LLT ER (BAND #11) VORHER NEIDET ER (BAND #12) AVERY BLACK MYSTERY-SERIE DAS MOTIV (BAND #1) LAUF (BAND #2) VERBORGEN (BAND #3) GR?NDE DER ANGST (BAND #4) RETTE MICH (BAND #5) ANGST (BAND #6) KERI LOCKE MYSTERY-SERIE EINE SPUR VON TOD (BAND #1) EINE SPUR VON MORD (BAND #2) EINE SPUR VON SCHW?CHE (BAND #3) EINE SPUR VON VERBRECHEN (BAND #4) EINE SPUR VON HOFFNUNG (BAND #5) INHALTSVERZEICHNIS PROLOG (#u9c76779c-9096-50ba-a4e6-f2207a6bca40) KAPITEL EINS (#u65fdbfed-32e4-5d4a-a07e-d53149eceb47) KAPITEL ZWEI (#ubaab4045-412f-51e4-8e77-cfc686a9f417) KAPITEL DREI (#u06284daf-f37a-5c01-821e-e420be4f910f) KAPITEL VIER (#u35a45152-3b53-5b47-9b5f-f984feac28b4) KAPITEL F?NF (#u2c328e16-e8f5-5bef-b4f1-5cec8ea83fe7) KAPITEL SECHS (#litres_trial_promo) KAPITEL SIEBEN (#litres_trial_promo) KAPITEL ACHT (#litres_trial_promo) KAPITEL NEUN (#litres_trial_promo) KAPITEL ZEHN (#litres_trial_promo) KAPITEL ELF (#litres_trial_promo) KAPITEL ZW?LF (#litres_trial_promo) KAPITEL DREIZEHN (#litres_trial_promo) KAPITEL VIERZEHN (#litres_trial_promo) KAPITEL F?NFZEHN (#litres_trial_promo) KAPITEL SECHZEHN (#litres_trial_promo) KAPITEL SIEBZEHN (#litres_trial_promo) KAPITEL ACHTZEHN (#litres_trial_promo) KAPITEL NEUNZEHN (#litres_trial_promo) KAPITEL ZWANZIG (#litres_trial_promo) KAPITEL EINUNDZWANZIG (#litres_trial_promo) KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG (#litres_trial_promo) KAPITEL DREIUNDZWANZIG (#litres_trial_promo) KAPITEL VIERUNDZWANZIG (#litres_trial_promo) KAPITEL F?NFUNDZWANZIG (#litres_trial_promo) KAPITEL SECHSUNDZWANZIG (#litres_trial_promo) KAPITEL SIEBENUNDZWANZIG (#litres_trial_promo) KAPITEL ACHTUNDZWANZIG (#litres_trial_promo) KAPITEL NEUNUNDZWANZIG (#litres_trial_promo) KAPITEL DREI?IG (#litres_trial_promo) KAPITEL EINUNDDREI?IG (#litres_trial_promo) KAPITEL ZWEIUNDDREI?IG (#litres_trial_promo) PROLOG Lori Tovar fuhr in die Einfahrt des Hauses ein, in dem sie beinahe ihr gesamtes Leben gewohnt hatte. Sie machte den Motor aus, blieb sitzen und starrte blo? auf das charmante dreist?ckige Geb?ude. Sie dachte an einen bekannten Ausdruck. Als erste da, als letzte weg. Sie l?chelte leicht traurig. Die Leute sagten das oft von ihr. Sie arbeitete als Krankenschwester im South Hill Krankenhaus und war daf?r bekannt, dass sie l?ngere Dienste als alle anderen ?bernahm. Sie vertrat oft andere Krankenschwestern und nahm selbst nur selten frei. Es war nicht so, als w?rde sie sich besonders verantwortlich f?hlen. Es war blo? so, dass es sich f?r sie irgendwie nat?rlich anf?hlte lange Stunden zu arbeiten. Sie murmelte diese Worte vor sich hin: „Als erste da, als letzte weg.“ Diese Phrase fasste ihr Leben in mehr als nur einer Hinsicht zusammen. Sie war das erste Kind von vier Geschwistern, welches in diesem gro?en, einst gl?cklichen Haus, gelebt hatte. In den letzten Jahren waren ihre Geschwister ?ber das ganze Land verteilt ans?ssig geworden. Und dann war Dad nat?rlich einfach gegangen. Niemand hatte es kommen sehen. Lori und ihre Br?der und Schwester hatten immer das Gef?hl gehabt, dass sie einer perfekten Bilderbuchfamilie angeh?rten. Es war f?r sie alle ein Schock gewesen vor einigen Jahren eines Besseren belehrt zu werden, als Dad Mom f?r eine andere Frau verlie?. Und hier war Lori nun –– das letzte Kind, dass noch in der Stadt lebte und daher immer diejenige, die vorbeikam, um nach Mom zu schauen. Sie schaute mindestens einmal die Woche vorbei, um sie auf einen Kaffee auszuf?hren oder einfach Zeit mit ihr zu verbringen und zu reden und zu versuchen ihre Mutter aus den Anfl?gen tiefer Traurigkeit herauszulocken. Als letzte weg. Lori seufzte tief, stieg dann aus dem Auto und ging an den makellos angeordneten Pflanzen und B?schen vorbei auf die Eingangst?r zu. Sie machte am Briefkasten halt und ?ffnete diesen, um nachzusehen, ob Post gekommen war. Der Briefkasten war leer. Lori nahm an, dass Mom ihn bereits gelehrt haben musste, was ein gutes Zeichen sein k?nnte. Vielleicht bedeutete es, dass Mom sich nicht auf dem Weg in einen ihrer extremen Apathiesch?be befand. Doch Lori war entsetzt, dass die T?r einfach aufging, als sie die Klinke herunterdr?ckte. Sie sch?ttelte den Kopf. Sie musste Mom wohl bereits tausendmal gesagt haben, dass sie die T?r abschlie?en solle, auch tags?ber, besonders jetzt, wo sie alleine lebte. W?hrend Loris Kindheit war es unn?tig gewesen, die T?r immer verschlossen zu halten. Doch das waren noch unschuldigere Zeiten gewesen. Die Welt hatte sich ver?ndert und Kriminalit?tsraten waren gestiegen, sogar in diesem wohlsituierten Viertel. Einbr?che passieren immer ?fter. Dann muss ich sie wohl noch einmal daran erinnern, dachte Lori sich. Nicht, dass es etwas bringen w?rde. Alte Gewohnheiten sind hartn?ckig. Sie trat ins Haus und rief: „Mom, ich hatte heute fr?her Schluss auf der Arbeit. Dachte mir, ich komme mal vorbei.“ Sie erhielt keine Antwort. Sie rief erneut: „Mom, bist du zuhause?“ Wieder kam keine Antwort. Das ?berraschte Lori nicht sonderlich. Es war gut m?glich, dass Mom oben ein Nickerchen machte. Es w?re nicht das erste Mal, dass sie Lori nicht hatte kommen h?ren, weil sie schlief. Aber es war nicht gut, dass Mom die T?r aufgesperrt lie?, w?hrend sie ein Nickerchen machte. Ich muss mit ihr dar?ber sprechen. W?hrenddessen wurde Lori etwas unentschlossen. Es w?re schade jetzt hochzugehen und Mom zu wecken, wenn sie so tief und fest schlief. Andererseits hatte sie einige M?hen auf sich genommen, um ihren Dienstplan so umzustellen, dass sie vorbeikommen konnte. Ich h?tte vorher anrufen sollen, dachte sie sich. Sie beschloss hochzugehen und kurz ins Schlafzimmer ihrer Eltern reinzuschauen, um zu sehen wie fest Mom denn nun schlief. Sollte sie aufwachen, w?rde Lori ihr sagen, dass sie da war. Wenn nicht, w?rde sie vielleicht einfach leise wieder gehen. Als sie die Treppen hochstieg, erlebte Lori einen bekannten Anflug tiefer Nostalgie. Wie immer rief dieses Haus viele Erinnerungen hervor, die meisten davon waren sehr sch?n. An Loris jetzigem Leben gab es nichts Schlechtes, aber sie konnte den Gedanken nicht absch?tteln, dass sie ihre gl?cklichsten Tage genau hier verbracht hatte. Werde ich jemals wieder so gl?cklich sein? fragte sie sich. Sie hoffte darauf, dass ihr Leben eines Tages ein wenig kompletter sein w?rde, als es jetzt war. Und w?re es nicht wundervoll, wenn es genau hier passieren k?nnte? Lori und ihr Mann Roy hatten oft dar?ber gesprochen, dieses Haus zu kaufen. Sie fanden beide, dass Mom es in einem kleineren Haus besser h?tte, oder vielleicht in einer gem?tlichen Wohnung, um die sie sich besser k?mmern k?nnte, und wo sie nicht andauernd daran erinnert werden w?rde, wie Dad sie verlassen hatte. Es w?re sicherlich auch besser f?r ihr Allgemeinbefinden. Lori dachte sich, dass dies der perfekte Ort w?re, um ihre eigene Familie zu gr?nden, was, wie sie und Roy beide fanden, bald passieren sollte. F?r einen Moment konnte sie beinahe den Klang lachender Kinderstimmen, und herumlaufender Kinderf??e h?ren, die von einem Zimmer ins n?chste rannten, so wie sie und ihre Geschwister es vor Jahren selbst getan hatten. Wenn Mom doch nur bereit w?re umzuziehen, und wenn sie ihnen nat?rlich doch nur ein Angebot machen w?rde, dass sie sich leisten konnten. Mom sagte oft, dass sie langsam ungeduldig auf Enkelkinder wartete, aber sie schien nicht zu begreifen, dass ihr Auszug diesen Prozess beschleunigen k?nnte. Sie bestand stur darauf weiter hier zu wohnen, und weigerte sich auch nur dar?ber nachzudenken, irgendwo anders hinzuziehen. Vielleicht ?ndert sie ja irgendwann ihre Meinung, dachte Lori. Falls das passieren w?rde, so hoffte sie, dass es passieren mochte, bevor sie Kinder kriegte. Als Lori im Flur des zweiten Stocks angelangt war, bemerkte sie, dass Moms Schlafzimmert?r einen Spalt weit offenstand. Normalerweise schloss Mom die T?r, wenn sie sich hinlegte. Pl?tzlich kam es Lori ein bisschen komisch vor, dass Mom sie nicht hatte rufen h?ren. Wurde sie vielleicht langsam etwas taub? Wenn dem so war, so hatte Lori es bisher nicht bemerkt. Lori ging auf die Schlafzimmert?r zu und stie? sie leise auf. Im Schlafzimmer war niemand und das Bett sah perfekt gemacht aus. Sie dachte sich, dass Mom wohl irgendwo hingegangen war. Und das ist wahrscheinlich gut. Mom sa? in letzter Zeit viel zu oft eingesperrt alleine in diesem riesigen Haus rum. Als Lori vor ein paar Tagen da war, hatte Mom erw?hnt, dass sie vielleicht mit ein paar Freunden ausgehen w?rde, mit denen sie freitags in der Kirche Bingo spielte. Lori hatte ihr geantwortet, dass sie das f?r eine ausgezeichnete Idee hielt. Aber heute war nicht Freitag, und wo auch immer Mom hingegangen sein mochte, es war besorgniserregend, dass sie die Eingangst?r nicht abgeschlossen hatte. Lori begann sich zu fragen –– hatte Mom vielleicht begonnen mental etwas abzubauen? Dieser Gedanke hatte ihr in letzter Zeit oft Sorgen bereitet. Moms Erinnerungsgabe war immer au?erordentlich gut gewesen, doch in letzter Zeit hatte sie begonnen Kleinigkeiten zu vergessen. Lori versuchte sich damit zu beruhigen, dass Mom immer noch ziemlich jung war f?r das Eintreten von Demenz. Jedoch wusste sie aufgrund ihrer Arbeit im Krankenhaus, dass es doch m?glich war. Sie wollte gar nicht daran denken, dass sie mit Mom dar?ber sprechen m?sste, und auch nicht daran, wie viel Leid und Sorgen mit diesem Gespr?ch sicherlich einhergehen w?rden. In der Zwischenzeit, so beschloss Lori, konnte sie aber ebenso gut nach Hause fahren. Sie stieg die Treppe wieder hinunter und hielt kurz inne, um ins Esszimmer hineinzuschauen. Ein kurzer Schmerz durchfuhr sie, als sie den langen Esstisch nicht an seinem gewohnten Platz wiederfand, wo sie, ihre Schwester und ihre Br?der leckere Mahlzeiten und die Gespr?che mit ihren Eltern genossen hatten. So fest entschlossen Mom auch gewesen war, genauso weiterzuleben, wie sie es bisher getan hatte, so war sie gleichzeitig einfach nicht mehr in der Lage gewesen, alleine an diesem gro?en Tisch zu sitzen. Er bot genug Platz, um alle Familienmitglieder drum herum zu versammeln, die nicht mehr im Haus lebten, und konnte sogar ausgezogen werden, um zus?tzlichen G?sten Platz zu bieten. Lori konnte verstehen, wieso Mom den Tisch loswerden wollte. Sie hatte ihr geholfen den Tisch und die dazugeh?rigen St?hle zu verkaufen und eine kleinere Esszimmergarnitur zu kaufen. Dann fiel Lori etwas Merkw?rdiges auf. Normalerweise standen vier St?hle um den neuen quadratischen Esstisch herum. Doch jetzt waren es nur drei. Mom musste den vierten Stuhl irgendwo anders hingestellt haben, doch wieso? Vielleicht hatte sie ihn benutzt, um eine Gl?hbirne auszuwechseln, oder an ein hohes Regal zu kommen. Lori dachte besorgt: Eine weitere Sache, ?ber die wir reden m?ssen. Mom besa? schlie?lich eine Tretleiter, die sehr viel sicherer f?r solche Aufgaben benutzt werden konnte. Sie sollte es besser wissen, als einen Stuhl zu verwenden. Lori schaute sich um und versuchte den verschwundenen Stuhl zu entdecken, als ihr Blick auf den schmalen Marmortresen fiel, der das Esszimmer von der K?che trennte. Sie sah einen r?tlichen Fleck am hinteren Ende des Tresens. Das war wirklich merkw?rdig. Mom hatte den Haushalt schon immer ?u?erst sorgf?ltig gef?hrt, und war besonders besessen darauf, ihre K?che blitzblank zu halten. Es sah ihr gar nicht ?hnlich, etwas zu versch?tten und es nicht sofort wegzuwischen. In Lori begann sich Panik breitzumachen. Irgendetwas stimmt nicht, dachte sie. Sie eilte zum Tresen und schaute hinein in die K?che. Dort auf den Boden lag ihre Mutter, ausgestreckt in einer Blutlache. „Mom!“, schrie Lori mit heiserer Stimme auf. Ihr Herz raste und sie sp?rte, wie ihre Arme und Beine kalt und taub wurden. Sie wusste, dass sie in Schock war, aber sie musste versuchen Herrin ihres Verstandes zu bleiben. Lori kniete sich nieder und sah, dass die Augen ihrer Mutter geschlossen waren. Auf ihrem Kopf befand sich eine tiefe Wunde. Lori k?mpfte gegen die Gef?hle der Ungl?ubigkeit, des Horrors und der Verwirrung an. Ihre Gedanken waren ganz wirr, w?hrend sie versuchte zu begreifen... Was war geschehen? Mom musste gestolpert sein und sich beim Sturz mit dem Kopf am Tresen gesto?en haben. Ihre Medizinerreflexe arbeiteten nun und Lori fasste an Moms Hals, um nach ihrem Puls zu f?hlen. Und das war als Lori sah, dass Moms Kehle durchgeschnitten war. Eine ihrer Halsschlagadern war durchtrennt, aber kein Blut kam heraus. Das Gesicht ihrer Mutter war bleich und g?nzlich leblos. Lori sp?rte, wie eine vulkanische Kraft aus den Tiefen ihrer Lungen ausbrach. Dann begann sie zu schreien. KAPITEL EINS Ein Schuss fiel ganz in der N?he. Riley Paige machte auf dem Absatz kehrt, als das Ger?usch durch ihren Flur hallte. April! dachte sie und ein Schock ging durch ihren K?rper. Riley rannte zu ihrem Schlafzimmer. Ihre sechzehnj?hrige Tochter April stand da und zitterte von Kopf bis Fu?, doch sie schien unverletzt. Riley konnte wieder ausatmen. Auf dem Boden vor Aprils F??en lag eine Ruger SR22 Pistole. Daneben war die blaue Vinylbox, in der die Pistole aufbewahrt wurde. Aprils Stimme zitterte, als sie sage: „Es tut mir leid. Ich wollte sie in den Safe im Schrank legen, als sie schoss und ich sie fallen lie?. Ich wusste nicht, dass sie geladen war.“ Riley f?hlte ihr Gesicht rot anlaufen. Ihr Schreck wandelte sich nun zu Wut. „Was soll das hei?en, du wusstest es nicht?“, sagte sie. „Wie konntest du das nicht wissen?“ Riley hob die Pistole auf, entfernte das Magazin und fuchtelte vor April damit herum. „Das Magazin sollte nicht mal in der Pistole drin sein“, sagte sie. „Du h?ttest es bereits auf dem Schie?platz entfernen m?ssen.“ „Ich dachte, dass ich alle Kugeln verschossen hatte“, sagte April. „Das ist keine Entschuldigung“, sagte Riley schrill. „Du nimmst immer das Magazin raus, nachdem Du mit dem Schie?training fertig bist.“ „Ich wei?”, sagte April. “Es kommt nicht wieder vor.“ Das kannst du laut sagen, dachte Riley sich. Sie begriff, dass sie auch auf sich selbst w?tend war, weil sie den Raum verlassen hatte, bevor April die Pistole weggesperrt hatte. Aber sie hatten bereits mehrere Trainings auf dem Schie?platz hinter sich, und zuvor war alles glatt gelaufen. Sie schaute sich im Zimmer um. „Wohin hat sie gefeuert?“, fragte sie. April zeigte auf die hintere Wand des Zimmers. Wie erwartet, konnte Riley ein Kugelloch entdecken. Eine erneute Welle der Panik ?berrollte sie. Sie wusste, dass die W?nde zwischen den Zimmern in ihrem Haus nicht dick genug waren, um eine Kugel aufzuhalten –– nicht einmal eine aus einer .22er Pistole. Sie drohte April mit dem Finger und sagte: „Du bleibst genau wo du bist.“ Sie ging hinaus in den Flur und hinein in das anliegende Zimmer, welches Aprils Schlafzimmer war. Es gab ein Schussloch in der Wand, genau dort, wo sie es vermutet hatte, dann ein weiteres Loch in der gegen?berliegenden Wand, wo die Kugel ihre Flugbahn fortgesetzt hatte. Riley musste sich zusammenrei?en, um ihre Gedanken zu ordnen und die Situation einzusch?tzen. Hinter der letzten Wand lag der Hinterhof. K?nnte die Kugel jemanden getroffen haben? fragte sie sich. Sie ging zu dem Loch hin?ber und sp?hte hinein. Wenn die Kugel durch die Wand gekommen w?re, h?tte sie Sonnenlicht sehen m?ssen. Die Backsteinverkleidung musste sie endlich aufgehalten haben. Und selbst wenn nicht, w?re die Kugel soweit verlangsamt worden, dass sie nicht ?ber den Hinterhof hinausgekommen w?re. Riley atmete erleichtert aus. Niemand wurde verletzt. Nichtsdestotrotz war es schrecklich, dass das passiert war. Als sie Aprils Zimmer verlie? und zur?ck zu ihrem eigenen Schlafzimmer ging, erreichten zwei Personen das obere Ende der Treppe und rannten in den Flur hinein. Eine war ihre vierzehnj?hrige Tochter, Jilly. Die andere war ihre kr?ftige guatemalische Haush?lterin, Gabriela. Gabriela rief aus: „?Dios mio! Was war dieser Krach?“ „Was ist passiert?“, rief Jilly hinterher. „Wo ist April?“ Noch bevor Riley irgendetwas erkl?ren konnte, hatten die beiden April in ihrem Schlafzimmer aufgefunden. Riley folgte ihnen hinein. Als sie eintraten, legte April die Vinylbox gerade in den kleinen schwarzen Safe im Kleiderschrank. Sichtlich bem?ht ruhig zu bleiben sagte sie: „Meine Pistole hat fehlgez?ndet.“ Fast im Chor riefen Jilly und Gabriela aus: „Du hast eine Pistole?“ Riley konnte sich ein entsetztes St?hnen nicht verkneifen. Die Situation war nun in allerlei m?glicher Hinsicht noch schlimmer. Als Riley April damals im Juni die Pistole gekauft hatte, hatten sie sich beide darauf geeinigt weder Jilly, noch Gabriela etwas davon zu erz?hlen. Jilly w?re sicherlich neidisch auf ihre ?ltere Schwester gewesen. Gabriela w?re einfach nur besorgt. Aus gutem Grund, wie sich herausstellt, dachte Riley. Sie konnte sehen, dass ihre j?ngere Tochter sich bereit machte, eine Lawine von Fragen und Anschuldigungen auf sie loszulassen, w?hrend die Haush?lterin einfach nur auf eine Erkl?rung wartete. Riley sagte: „Ich komme in ein paar Minuten runter und erkl?re euch beiden alles. Jetzt muss ich kurz mit April alleine sprechen.“ Jilly und Gabriela nickten stumm und verlie?en das Zimmer. Riley schloss hinter ihnen die T?r. Als April sich auf das Bett fallen lie? und zu ihrer Mutter hochschaute, musste Riley daran denken, wie sehr sie und ihre Tochter sich ?hnelten. Obwohl sie einundvierzig war und April erst sechzehn, waren sie offensichtlich aus dem gleichen Holz geschnitzt. Es waren nicht blo? ihre dunklen Haare und gr?n-braunen Augen, auch dieselbe ungest?me Haltung im Leben einte sie. Dann lie? das M?dchen den Kopf h?ngen und schien den Tr?nen nahe zu sein. Riley setzte sich neben sie aufs Bett. „Es tut mir leid“, sagte April. Riley antwortete nicht. Eine Entschuldigung w?rde jetzt einfach nicht reichen. April sagte: „Habe ich etwas illegales getan? Das Feuern einer Waffe drinnen, meine ich? M?ssen wir die Polizei verst?ndigen?“ Riley seufzte und sagte: „Es ist nicht illegal, nein –– nicht, wenn es ein Versehen war. Ich bin mir nicht sicher, ob es jedoch nicht illegal sein sollte. Es war unglaublich leichtsinnig. Wirklich, April, ich dachte, dass ich dir mittlerweile damit vertrauen k?nnte.“ April unterdr?ckte ein Schluchzen und sagte: „Ich kriege jetzt wirklich ?rger, oder?“ Erneut schwieg Riley. Dann sagte April: „Schau mal, ich verspreche, dass ich vorsichtiger sein werde. Es wird nicht wieder vorkommen. Das n?chste Mal, wenn wir schie?en gehen ––“ Riley sch?ttelte den Kopf und sagte: „Es wird kein n?chstes Mal geben.“ April machte gro?e Augen. „Meinst du...?“, begann sie etwa. „Du kannst die Pistole nicht behalten“, sagte Riley. „Es ist alles vorbei.“ „Aber es war nur ein Fehler“, sagte April und ihre Stimme wurde immer schriller. Riley sagte: „Du wei?t ganz genau, dass das hier eine Null-Toleranz Frage ist. Wir haben dar?ber gesprochen. Selbst ein dummer, fahrl?ssiger Fehler wie dieser ist einer zu viel. Das hier ist sehr ernst, April. Jemand h?tte verletzt oder get?tet werden k?nnen. Verstehst du das nicht?“ „Aber niemand wurde verletzt.“ Riley war baff. April ging gerade mit Vollgas in den Teenagermodus ?ber und weigerte sich die Realit?t dessen zu akzeptieren, was gerade geschehen war. Riley wusste, dass es beinahe unm?glich war in solchen Momenten vern?nftig mit ihrer Tochter zu sprechen. Doch Vernunft hin oder her, diese Entscheidung lag einzig und allein in Rileys Verantwortung. Sie war ja auch die offizielle Besitzerin der Waffe, nicht April. Ihre Tochter konnte keine Waffe besitzen, bis sie achtzehn war. Riley hatte sie gekauft, weil April gesagt hatte, dass sie eine FBI Agentin werden wollte. Sie hatte gedacht, dass das kleinere Kaliber es zu einer guten ?bungswaffe machen w?rde, mit der April auf dem Schie?platz des Waffengesch?fts ?ben konnte. Bis heute war der Unterricht gut verlaufen. April sagte: „Wei?t du was, das ist irgendwo auch deine Schuld. Du h?ttest besser auf mich aufpassen sollen.“ Riley f?hlte den Stich. Hatte April Recht? Als ihre Tochter die Pistole in der Schie?halle in den Pistolenkoffer zur?cklegte, war Riley gerade dabei gewesen ihre eigenen Schie??bungen mit ihrer .40 Kaliber Glock zu beenden. Sie hatte Aprils Vorgehen zuvor bereits viele Male genau kontrolliert. Dieses Mal dachte sie, dass sie weniger wachsam mit ihr sein konnte. Offensichtlich hatte sie unrecht behalten. Trotz aller ?bungseinheiten, brauchte April immer noch strenge Beaufsichtigung. Keine Ausreden, wusste Riley. Keine Ausreden f?r keine von uns beiden. Aber es machte keinen Unterschied. Sie konnte nicht zulassen, dass April ihre Meinung ?nderte, indem sie ihr ein schlechtes Gewissen machte. Der n?chste Fehler ihrer Tochter k?nnte t?dlich sein. Riley fauchte: „Das ist keine Entschuldigung, und das wei?t du auch. Die Pistole richtig zu verstauen war in deiner Verantwortung.“ April sagte j?mmerlich: „Also nimmst du sie mir weg.“ „Genau“, sagte Riley. „Was machst du mit ihr?“ „Ich bin mir noch nicht sicher“, sagte Riley. Sie dachte, dass sie sie wahrscheinlich an die FBI Akademie ?bergeben k?nnte. Dort k?nnte sie neuen Rekruten als ?bungswaffe zur Verf?gung gestellt werden. In der Zwischenzeit w?rde sie sicherstellen, dass die Waffe sicher im Schranksafe weggesperrt blieb. Mit beleidigter Stimme sagte April: „Tja, in Ordnung. Ich habe mich eh umentschlossen, eine FBI Agentin zu werden. Ich hatte vor es dir zu sagen.“ Riley f?hlte sich merkw?rdig aufger?ttelt von diesen Worten. Sie wusste, dass April erneut versuchte, ihr Schuldgef?hle zu bereiten, oder zumindest sie zu entt?uschen. Stattdessen f?hlte sie Erleichterung. Sie hoffte, dass es stimmte, dass April nicht mehr an einer FBI Karriere interessiert war. Dann m?sste sie nicht viele Jahre damit verbringen, um Aprils Leben zu f?rchten. „Das ist deine Entscheidung“, sagte Riley. „Ich gehe auf mein Zimmer“, antwortete ihre Tochter. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, verlie? April das Zimmer und schloss die T?r, sodass Riley alleine auf ihrem Bett zur?ckblieb. Einen Moment lang ?berlegte sie, ob sie April nicht nachgehen sollte, doch... Was gibt es da noch zu sagen? In diesem Moment gab es nichts. Mit dem Kopf verstand Riley, dass es die richtige Entscheidung gewesen war, so vorzugehen. Sie konnte April die Pistole nicht noch einmal anvertrauen. Weiteres Schimpfen und Bestrafung w?ren jetzt sicherlich sinnlos. Nichtsdestotrotz f?hlte sich Riley so, als h?tte sie irgendwie versagt. Sie war sich nicht sicher, wieso. Vielleicht, dachte sie, war es das, dass sie April ?berhaupt erst eine Waffe anvertraut hatte. Doch, fragte sie sich, geh?rte das nicht zum Mutter-sein dazu? Fr?her oder sp?ter musste man Kindern mehr Verantwortlichkeiten ?berlassen. Sie w?rden an einigen davon scheitern, aber andere davon meistern. Das ist einfach ein Teil des Erwachsenwerdens. Sicherlich konnten keine Eltern all die Verfehlungen und Niederlagen ihres Kindes im Vornherein kennen. Vertrauen war immer ein Risiko. Trotzdem hatte Riley das Gef?hl, dass ihr Verstand sich in Kreisen drehte, um irgendwie eine Rationalisierung f?r ihr eigenes Erziehungsversagen zu finden. Ein pl?tzlicher schmerzhafter Stich in ihrem R?cken stoppte ihr Gr?beln. Meine Wunde. Ihr R?cken schmerzte immer noch von Zeit zu Zeit dort, wo ein psychopathischer M?rder auf sie mit einem Eispickel eingestochen hatte. Die Spitze war erschreckend tief eingedrungen –– tiefer als ein normales Messer es vermutlich getan h?tte. Es war jetzt ?ber zwei Wochen her und sie hatte deswegen eine Nacht im Krankenhaus verbringen m?ssen. Danach hatte sie die Anweisungen bekommen, sich zuhause auszuruhen. Obwohl Riley k?rperlich wie auch emotional von der ganzen Sache ganz sch?n mitgenommen gewesen war, hatte sie gehofft mittlerweile wieder auf der Arbeit sein zu k?nnen und an einem neuen Fall zu arbeiten. Doch ihr Boss, der Abteilungsleiter Brent Meredith, hatte darauf bestanden, dass sie sich mehr Zeit f?r ihre Genesung nahm, als ihr lieb gewesen w?re. Er hatte auch Rileys Partner Bill freigestellt, weil er auf den Mann, der Riley attackiert hatte, geschossen hatte und ihn dabei get?tet hatte. Sie f?hlte sich auf jeden Fall bereit, zur?ck an die Arbeit zu gehen. Sie dachte nicht, dass ein schmerzhaftes Stechen hin und wieder sie bei der Arbeit behindern w?rde. Obwohl die Kinder und Gabriela sie die gesamte Zeit ?ber umsorgt hatten, hatte sie nicht das Gef?hl gehabt, dass sie gerade einen guten Draht zu ihnen hatte. Ihre permanente Sorge bereitete ihr blo? Schuldgef?hle und gab ihr das Gef?hl eine inad?quate Mutter zu sein. Sie wusste, dass sie Jilly und Gabriela nun einiges an Erkl?rungen zu der Pistole schuldete. Sie erhob sich und ging ?ber den Flur zu Jillys Zimmer. * Ihr Gespr?ch mit Jilly verlief genau so schwierig, wie es Riley erwartet hatte. Ihre j?ngere Tochter hatte dunkle Augen, die von ihrer vermuteten italienischen Abstammung kamen und ein aufbrausendes Temperament wegen ihren schwierigen Kindheitsjahren, bevor Riley sie adoptiert hatte. Jilly war sichtlich aufgebracht, dass Riley April eine Pistole besorgt hatte und dass ihre Schwester Schie?training hinter ihrem R?cken bekommen hatte. Nat?rlich versuchte Riley vergebens ihre j?ngere Tochter davon zu ?berzeugen, dass eine Pistole in ihrem Alter au?er Frage stand. Und au?erdem hatte es ja auch mit April nicht gut geklappt. Riley konnte sehen, dass nichts, was sie sagte, einen Eindruck hinterlie? und gab bald auf. „Sp?ter“, sagte sie zu Jilly. „Wir werden sp?ter erneut dar?ber sprechen.“ Als Riley Jillys Zimmer verlie?, h?rte sie wie sich die T?r hinter ihr schloss. Eine ganze Weile lang stand Riley blo? im Flur rum. Ihre beiden T?chter hatten sich in ihren Zimmern eingesperrt und schmollten. Dann seufzte sie und ging zwei Etagen tiefer in den Wohnbereich von Gabriela. Gabriela sa? auf ihrem Sofa und blickte durch die gro?en Glasschiebet?ren in den Hinterhof hinaus. Als Riley eintrat, l?chelte Gabriela und t?tschelte den Platz neben sich. Riley setzte sich und begann ganz von Anfang an die Geschichte mit der Pistole zu erkl?ren. Gabriela wurde nicht w?tend, doch sie schien verletzt zu sein. „Sie h?tten es mir sagen sollen“, sagte sie. „Sie h?tten mir vertrauen sollen.“ „Ich wei?“, sagte Riley. „Es tut mir leid. Ich glaube ich habe einfach... zurzeit Probleme mit der ganzen Erziehungssache.“ Gabriela sch?ttelte den Kopf und sagte: „Sie versuchen zu viel zu tun, Se?ora Riley. Sowas wie eine perfekte Mutter gibt es nicht.“ Diese Worte erw?rmten Riley das Herz. Das ist genau, was ich h?ren musste, dachte sie. Gabriela fuhr fort: „Sie sollten mir mehr vertrauen. Sie sollten sich mehr auf mich verlassen. Ich bin schlie?lich hier, um ihr Leben einfacher zu machen. Das ist meine Arbeit. Ich bin auch hier, um meinen Teil der Erziehungsarbeit zu ?bernehmen. Ich denke, dass ich mit den M?dchen gut kann.“ „Oh, und wie“, sagte Riley und ihre Stimme wurde ein bisschen heiser. „Das bist du wirklich. Du wei?t gar nicht, wie dankbar ich bin dich in unserem Leben zu haben.“ Riley und Gabriela sa?en einen Moment schweigend da und l?chelten einander an. Auf einmal f?hlte Riley sich sehr viel besser. Dann klingelte es an der T?r. Riley umarmte ihre Haush?lterin und ging in den ersten Stock, um die T?r zu ?ffnen. F?r einen kurzen Moment war Riley entz?ckt zu sehen, dass ihr gutaussehender Freund, Blaine, vor ihr stand. Doch sie bemerkte etwas trauriges in seinem L?cheln, einen melancholischen Blick in seinen Augen. Das hier wird kein angenehmer Besuch sein, begriff sie. KAPITEL ZWEI Etwas stimmte nicht, das wusste Riley. Statt hereinzukommen und sich wie zuhause zu f?hlen, wie er es normalerweise tat, stand Blaine blo? vor ihrer Eingangst?r da. Sein angenehmes Gesicht hatte einen unbestimmten erwartungsvollen Ausdruck. Riley wurde mutlos. Sie hatte eine ziemlich genaue Ahnung, was Blaine auf dem Herzen lag. Sie hatte es tats?chlich schon seit Tagen kommen sehen. F?r einen kurzen Moment versp?rte sie den Wunsch die T?r einfach zu schlie?en und so zu tun, als w?re er gar nicht vorbeigekommen. „Komm rein“, sagte sie. „Danke“, antwortete Blaine, als er ins Haus eintrat. Als sie sich im Wohnzimmer hinsetzten, fragte Riley: „M?chtest du etwas trinken?“ „?h, nein, ich glaube nicht. Danke.“ Er erwartet nicht, dass sein Besuch lange dauern wird, dachte Riley. Dann schaute er sich um und bemerkte: „Es ist ja unglaublich still im Haus. Sind die M?dchen heute Nachmittag irgendwo anders?“ Es w?re Riley beinahe rausgeplatzt: „Nein, sie wollen einfach nur nichts mehr mit mir zu tun haben.“ Doch das schien unpassend unter den gegebenen Umst?nden. Wenn zwischen ihnen alles normal gewesen w?re, h?tte Riley sich gerne ?ber die Strapazen des Mutterseins ausgelassen und h?tte von Blaine erwarten k?nnen, dass er freudig miteinstimmen w?rde und sogar ihre Laune mit ein paar ermunternden Worten heben k?nnte. Dies war aber nicht einer dieser Momente. „Wie f?hlst du dich?”, fragte Blaine. Einen Moment lang kam Riley die Frage ziemlich komisch vor und sie wollte beinahe sagen: „Ziemlich nerv?s. Und du?“ Doch dann begriff sie, dass er ?ber ihre Wunde sprach. W?hrend ihres Genesungsprozesses war er extrem aufmerksam und freundlich zu ihr gewesen. An vielen Abenden hatte er k?stliches Essen aus dem feinen Restaurant, das er besa? und leitete, mitgebracht. Doch genau diese Aufmerksamkeit war f?r sie ein Anhaltspunkt gewesen, dass etwas Unangenehmes folgen w?rde. Er war nat?rlich immer ein herzlicher und r?cksichtsvoller Mann gewesen. Aber in den letzten Wochen hatte sich eine verr?terische Traurigkeit ?ber seine Freundlichkeit gelegt –– ein Hauch einer unausgesprochenen und unerkl?rten Entschuldigung vielleicht. Sie sagte: „Es geht mir sehr viel besser, danke.“ Blaine nickte und sagte dann langsam und ?berlegt: „Ich nehme an, du wirst also zur Arbeit zur?ckkehren.“ Da ist es, dachte Riley. „Ich wei? nicht“, sagte sie. „Es liegt an meinem Boss. Er hat mir bisher keinen neuen Fall zugeteilt.“ Blaine schielte auf sie und sagte: „Aber f?hlst du dich bereit, zur Arbeit zur?ckzukehren?“ Riley seufzte. Sie erinnerte sich an das Gespr?ch, dass sie gef?hrt hatten, kurz nachdem sie aus dem Krankenhaus entlassen worden war. Sie hatte ihm gesagt, dass sie erwartete innerhalb der n?chsten Woche zur?ck bei der Arbeit zu sein und er hatte nicht versucht seine Besorgnis dar?ber zu verstecken. Sie hatten damals aber nicht versucht die Sache zu kl?ren. Stattdessen hatte Riley seine Hand gedr?ckt und gesagt: „Ich nehme an, wir sollten uns ?ber einige Dinge unterhalten.“ Seitdem war mehr als eine Woche vergangen. Dieses Gespr?ch ist ?berf?llig, dachte sie. Sie sagte: „Blaine, ich f?hle mich jetzt schon seit Tagen bereit, wieder zu arbeiten. Ich bin mehr als bereit. Es tut mir leid. Ich wei?, dass es nicht das ist, was du h?ren m?chtest.“ Blaine starrte einen Moment lang zu Boden. „Riley, denkst du nie dar?ber nach...?“ Er verstummte. „Wor?ber?“, fragte Riley und versuchte eine Note der Verbitterung aus ihrer Stimme rauszuhalten. „Einen anderen Beruf zu ergreifen?“ „Ich wei? nicht“, sagte Blaine mit einem Schulterzucken. „Du k?nntest sicher andere Dinge beim FBI machen, die nicht so... risikoreich sind. Du bist jetzt seit –– was? –– beinahe zwanzig Jahren eine Au?endienstagentin? Ich wei?, dass du gro?artige Arbeit geleistet hast und ich bewundere deine Hingabe und deinen Mut. Aber warst du nicht lange genug in diesem Dienst? Denkst du nicht, dass du mehr verdienst?“ Er h?rte wieder auf zu sprechen. Riley sagte: „Mehr –– Sicherheit, meinst du? Etwas weniger Gef?hrliches?“ Blaine nickte. Riley wusste nicht, was sie sagen sollte. Nat?rlich hatte sie eine gewisse Auswahl an Aufgabenbereichen, sogar innerhalb der Verhaltensanalyseeinheit. Doch das w?rde gro?e Ver?nderungen mit sich bringen. Sie konnte sich nicht vorstellen im B?ro zu arbeiten und blo? die Beweislage durchzugehen, f?r die andere Agenten ihr Leben riskiert hatten. Obwohl sie es genossen hatte ab und zu mal Vorlesungen an der Akademie zu halten, dachte sie, dass es schwer sein w?rde in Vollzeit zu lehren. Rekruten ihre F?lle zu erkl?ren w?rde sie blo? daran erinnern, womit sie sich nicht l?nger besch?ftigen konnte. Sie konnte sich kein Leben vorstellen, in dem sie dem B?sen nicht von Angesicht zu Angesicht begegnete, trotz aller Gefahren. Es w?rde bedeuten all das aufzugeben, worin sie wirklich gut war. Doch wie konnte sie Blaine das erkl?ren? Dann sagte Blaine: „Ich hoffe du verstehst –– es bin nicht ich, um den ich mir Sorgen mache.“ Riley versp?rte einen scharfen Stich, als sie begriff. „Ich wei?“, sagte sie. Sie wusste wirklich, dass er das absolut ehrlich meinte. Und das sagte viel ?ber Blaine selbst aus. Rileys Arbeit hatte Gefahren in sein eigenes Leben gebracht und er war ihnen mutig begegnet. Letzten Dezember war ein Verbrecher, der sich unbedingt an Riley r?chen wollte, in ihr Haus eingedrungen, als sie nicht da gewesen war, und hatte versucht April und Gabriela umzubringen. Blaine war zu ihrer Rettung gekommen und wurde selbst schwer verletzt. Riley sch?ttelte es immer noch vor Grauen, wann immer sie daran dachte. Blaine f?gte hinzu: „Ich mache mir nicht einmal um dich Sorgen, oder zumindest gr??tenteils nicht um dich.“ „Ich wei?“, sagte Riley erneut. Er musste es nicht erkl?ren. Sie wusste, dass er sich um ihre Kinder Sorgen machte –– um Rileys zwei T?chter und seine eigene jugendliche Tochter, Crystal. Und sie wusste, er hatte allen Grund dazu, besorgt zu sein. Egal wie viel M?he sie sich gab, sie konnte nicht f?r ihre Sicherheit garantieren solange sie dieses Leben f?hrte. In Wirklichkeit war wegen der Kriminellen, denen sie begegnet war, selbst wenn sie diese besiegt hatte, die Sicherheit aller um sie herum bedroht. Mehr als einmal waren Figuren aus ihrer Vergangenheit wieder aufgetaucht mit dem Versuch sich an ihr zu r?chen. Blaine ?ffnete etwa den Mund, so als w?rde er nach den richtigen Worten suchen. Stattdessen sprach Riley: „Blaine, ich verstehe es. Wir m?ssen dieses Gespr?ch nicht f?hren. Wir haben es jetzt schon eine ganze Weile gef?hrt, wir haben blo? nicht immer alles laut ausgesprochen. Ich verstehe es. Das tue ich wirklich.“ Sie schluckte laut und f?gte hinzu: „Es wird nicht klappen –– zwischen dir und mir.“ Im selben Moment, da sie die Worte aussprach, wurde sie von dem Verlustgef?hl fast ?berw?ltigt. Blaine nickte. „Es tut mir leid“, sagte Riley. „Dir muss nichts leidtun“, sagte Blaine. Riley musste sich zur?ckhalten, um nicht zu sagen: „Oh, das tut es. Das tut es wirklich.“ Schlie?lich war es wegen ihrer eigenen Lebensentscheidungen, das Blaine sich so f?hlte. Blaine hatte sein Bestes gegeben, um ihre Entscheidungen zu akzeptieren. Doch am Schluss war er wirklich nicht in der Lage gewesen, es zu tun. Und Riley wusste, dass sie niemanden daf?r verantwortlich machen konnte, au?er sich selbst. Sie und Blaine schwiegen beide eine Weile. Sie sa? auf der Couch und er ihr gegen?ber in einem Sessel. Sie erinnerte sich, wie sie zum ersten Mal H?ndchen gehalten hatte, als sie auf dieser Couch hier gesessen hatten. Es war ein magischer Moment gewesen, in dem sie gedacht hatte, dass ihr Leben sich pl?tzlich zum Besseren gewendet hatte. Sie w?nschte, dass sie jetzt auch seine Hand ergreifen k?nnte. Doch sie wusste, dass die Distanz zwischen ihnen viel gr??er war, als die paar Zentimeter zwischen den zwei M?belst?cken. In jedem Fall schienen sie eine Entscheidung getroffen zu haben. Sie war sich nicht sicher, welche Entscheidung genau das war, und sie bezweifelte auch, dass Blaine das wusste. Doch irgendetwas zwischen ihnen war beendet. Und es war unm?glich es wieder zur?ckzuholen. Sie begannen sich zu unterhalten, ungeschickt und zur?ckhaltend, ?ber dies und das. Blaine versicherte Riley, dass ihre Familie in seinem Restaurant immer auf ein kostenloses Essen herzlich willkommen war und dass er sich freuen w?rde sie alle zu sehen. Und nat?rlich w?rden sie in engem Kontakt wegen ihrer T?chter bleiben. April und Crystal waren schlie?lich beste Freundinnen und sie w?rden einander oft besuchen. Das hier war nicht wie eine Scheidung. Sie w?rden sich immer nahestehen. Blaine l?chelte schwach und f?gte hinzu: „Vielleicht wird sich also gar nicht so viel ver?ndern.“ Riley blinzelte sich eine Tr?ne aus den Augen und sagte: „Vielleicht.“ Doch das stimme nicht, und das wusste sie. Dann sagte Blaine, dass er wohl zur?ck an die Arbeit sollte, also erhoben sich beide und k?ssten einander verlegen auf die Wange, bevor Blaine das Haus verlie?. Riley murmelte: „Es ist Zeit f?r einen Drink.“ Sie ging in die K?che und schenkte sich ein Glas Bourbon ein, ging dann zur?ck ins Wohnzimmer und setzte sich hin. Das Haus war gespenstisch still und Riley f?hlte sich zutiefst allein gelassen. Und nat?rlich war sie wirklich allein, auch mit drei anderen Menschen in der N?he. F?r eine kurze Weile weinte sie leise. Nachdem sie sich ihre Tr?nen weggewischt hatte und begann an ihren Bourbon zu nippen, versuchte sie die Erinnerungen an fr?hlichere Tage aus ihrem Kopf zu verbannen. Doch irgendwie schaffte sie es nicht. Sie dachte an den Abend, an dem sie und Blaine sich zum ersten Mal auf einer Tanzfl?che gek?sst hatten, w?hrend eine Band auf seine Bitte hin ihr Lieblingslied spielte. Sie erinnerte sich an die Nacht, in der sie zum ersten Mal miteinander geschlafen hatten. Und sie dachte auch an die zwei Wochen, die sie, Blaine und ihre drei M?dchen zusammen in einem gemieteten Haus an der K?ste von Sandbridge Beach verbracht hatten. Sie hatten sich damals wirklich wie eine Familie gef?hlt. Insbesondere erinnerte sie sich an den beruhigenden, leisen Klang der Wellen an dem Abend, an dem Blaine ihr Architekturpl?ne gezeigt hatte, um sein eigenes Haus zu erweitern, sodass sie alle zusammen darin wohnen konnten. Sie hatten wirklich aufrichtig dar?ber nachgedacht zu heiraten. Das war erst vor etwa einem Monat. Doch es kommt mir jetzt so weit weg vor. Eine andere, unangenehmere Erinnerung, dr?ngte sich nun in ihren Kopf. Es war als Blaine ihr an dem Morgen, nachdem sie zum ersten Mal miteinander geschlafen hatten, sagte: „Ich glaube, ich muss mir eine Waffe kaufen.“ Und nat?rlich hatte er dieses Bed?rfnis wegen Riley versp?rt und den Gefahren, die eine Beziehung mit ihr nach sich zog. Sie waren zum Waffenladen gegangen und hatten ihm eine Smith and Wesson 686 gekauft, und im Anschluss hatte Riley ihm seinen ersten Schie?unterricht in der Schie?halle direkt vor Ort gegeben. Riley l?chelte ein bitteres L?cheln und dachte: Ich hoffe, er passt besser mit der Waffe auf, als April es mit ihrer getan hat. Doch wozu brauchte er nun noch diese Waffe, jetzt, wo es vorbei war zwischen ihnen? Was w?rde er damit machen? Sie einfach irgendwo im Haus wegsperren und vergessen, dass er sie ?berhaupt besa?? Oder w?rde er sie verkaufen? Als sie ?ber diese Fragen nachdachte, sp?rte sie, wie eine unerwartete Emotion in ihr hochkam. Ihr Atem und Puls wurden schneller und sie begriff ?berrascht: Ich bin w?tend. Sie k?mpfte mit Selbstvorw?rfen und Selbstzweifeln, seitdem Blaine hier gewesen war –– eigentlich sogar schon vor seinem Besuch, als sie sich zumindest teilweise schuldig f?r Aprils Unfall mit der Pistole f?hlte. Doch war alles, was in ihrem Leben schief lief, wirklich ihre Schuld? Riley knurrte leise, w?hrend sie einen weiteren Schluck Bourbon nahm. So viele Entt?uschungen, dachte sie. Sie war es leid sich an all diesen Entt?uschungen selbst die Schuld zu geben –– einschlie?lich an dem Scheitern ihrer Ehe mit Ryan. War es wirklich ihre Schuld gewesen, dass Ryan ein untreuer, selbsts?chtiger Arsch gewesen war, ebenso wie ein schlechter Ehemann und Vater? Und war es ihre Schuld, dass April der Verantwortung, die eine Waffe mit sich brachte, nicht gewachsen war, oder das Jilly auf sie w?tend war, dass sie selbst keine Waffe bekommen hatte? Und war es wirklich ihre Schuld, dass Blaine sie nicht als die akzeptieren konnte, die sie wirklich war, dass er ihre Beziehung nicht fortf?hren wollte, au?er sie verwandelte sich in jemanden, die sie unm?glich sein konnte? Als sie diese Hoffnungen hatte ein neues Leben mit ihm und seiner Tochter zu beginnen, hatte sie wirklich zu viel von ihm erwartet? Bedeutete wahre Verbundenheit nicht immer das Gute gemeinsam mit dem Schlechten zu akzeptieren? Was es m?glich, dass Blaine sie verriet und nicht andersherum? Jetzt, wo Riley dar?ber nachdachte, gab es da doch etwas, was sie sich vorzuwerfen hatte. Es war ein einziger Fehler, den sie ihr gesamtes eben immer und immer wieder machte. Ich vertraue den Menschen. Und fr?her oder sp?ter brachen alle Menschen dieses Vertrauen, egal wie sehr sie sich ihrerseits bem?hte all ihre Forderungen und Erwartungen zu erf?llen. Dann h?rte Riley Ger?usche aus der K?che kommen. Gabriela war hochgekommen und hatte begonnen, das Abendessen zuzubereiten. Riley musste sich eingestehen, dass Gabriela die eine Person war, die sie nie entt?uscht hatte und nie ihr Vertrauen missbraucht hatte. Und doch gab es Grenzen in ihrer Beziehung mit Gabriela. Obwohl Gabriela wie ein weiteres Familienmitglied war, war Riley doch Gabrielas Arbeitgeberin. Und daher konnten sie sich auch nur durch diesen Umstand begrenzt nahekommen, selbst freundschaftlich. Gabriela begann in der K?che eine guatemalische Melodie zu summen und Riley konnte f?hlen, wie ihre Wut begann abzuebben. Sie dachte sich, dass bald sie, Gabriela und die Kinder sich gemeinsam zu einem wundervollen Abendessen einfinden w?rden. Selbst wenn sie kaum ein Wort miteinander reden w?rden, war das etwas Sch?nes. Sie nahm einen weiteren Schluck Bourbon und murmelte: „Das Leben geht weiter.“ * Fr?h am n?chsten Morgen wurde Riley vom Ger?usch ihres vibrierenden Handys auf dem Nachttisch geweckt. Verschlafen griff sie nach dem Handy, wurde jedoch augenblicklich wach, als sie sah, dass der Anruf von ihrem Boss, Brent Meredith kam. „Habe ich Sie geweckt, Agentin Paige?“, fragte Meredith in seiner tiefen, bebenden Stimme. Riley wollte es beinahe verneinen, entschied sich jedoch schnell dagegen. Es war immer besser Meredith die Wahrheit zu sagen, selbst ?ber so scheinbar bedeutungslose Kleinigkeiten. Es hatte das gruselige Verm?gen selbst die kleinste Unaufrichtigkeit zu sp?ren. Und er mochte es wirklich nicht, belogen zu werden. Riley hatte das auf die harte Tour lernen m?ssen. „Ja, aber das ist in Ordnung, Sir“, sagte Riley. „Was kann ich f?r Sie tun?“ „Ich habe mich gefragt, ob Sie vielleicht bereit sind, wieder in die Arbeit einzusteigen“, sagte Meredith. Riley setzte sich im Bett auf, von Sekunde zu Sekunde immer wacher. Was soll ich antworten? fragte sie sich. Selbst nach dem gestrigen Abendessen war die Stimmung zwischen ihr und ihren beiden T?chtern immer noch angespannt. Die M?dchen waren immer noch beleidigt und distanziert. War es wirklich der passende Moment, um wieder an die Arbeit zu gehen? Sollte sie sich nicht etwas Zeit nehmen, um zu versuchen, die Dinge hier zuhause zu richten? „Gibt es einen neuen Fall?“, fragte sie. „Sieht ganz danach aus“, sagte Meredith. „Es hat in den vergangenen Wochen zwei Morde in der Vorstadt von Philadelphia gegeben. Wegen einiger Auff?lligkeiten an beiden Tatorten, denkt die dortige Polizei, dass die F?lle etwas miteinander zu tun haben m?ssen und bittet uns um unsere Hilfe. Ich wei?, dass Sie sich von ihrer Verletzung erholten und ich will nicht –– “ „Ich bin dabei“, unterbrach Riley ihn. Die Worte waren drau?en, bevor sie ?berhaupt wusste, dass sie sie ausgesprochen hatte. „Es freut mich das zu h?ren“, sagte Meredith. Dann f?gte er hinzu: „Agent Jeffreys ist immer noch beurlaubt. Ich werde Agentin Roston mit Ihnen zusammen auf den Fall ansetzen.“ Riley wollte beinahe wiedersprechen. Genau jetzt wollte sie wirklich ihren Langzeitpartner und besten Freund, Bill Jeffreys mit dabei haben, doch dann erinnerte sie sich an ihr letztes Telefonat. Er hatte ziemlich angespannt geklungen, und er hatte allen Grund dazu. Bill hatte auf den Mann geschossen, der Riley mit einem Eispickel angegriffen hatte –– er hatte auf ihn geschossen und ihn get?tet. Es war nicht die erste Person, die Bill oder Riley ?ber die Jahre bei der Aus?bung ihrer Dienstpflichten get?tet hatten, doch Bill nahm es dieses Mal mehr mit als sonst. Es war das erste Mal, das er Gewalt mit m?glicher Todesfolge angewendet hatte, seitdem er letzten April versehentlich einen unschuldigen Mann angeschossen hatte. Der Mann hatte ?berlebt, aber Bill wurde immer noch von diesem Fehler verfolgt. „Agentin Roston wird schon passen“, sagte Riley zu Meredith. Die junge Afro-Amerikanische Agentin war in den letzten Monaten zu Rileys Proteg? geworden. Riley hatte eine hohe Meinung von ihr. „Ich werde ein Flugzeug f?r Sie von Quantico nach Philly bereitstellen, sobald Sie beide hier sind“, sagte Meredith. „Wir treffen uns auf der Landebahn.“ Sie legten auf und Riley sa? noch einige Momente auf dem Bett und starrte ihr Telefon an. Habe ich die richtige Entscheidung getroffen? fragte sie sich. Sollte sie wirklich einfach so davonfliegen, wenn hier Zuhause gerade alles so unsicher war? Die Frage rief dieselbe Wut hervor, die sie schon gestern gesp?rt hatte. Erneut ?rgerte sie sich, so viel ?ber die W?nsche und Bed?rfnisse anderer nachdenken zu m?ssen –– besonders da sie so oft verga?en, an sie zu denken. Sie k?nnte hier bleiben und ihr Bestes geben, um Jilly und April zu bes?nftigen, indem sie sich f?r Dinge entschuldigte, die eigentlich ?berhaupt nicht ihre Schuld waren, oder sie k?nnte da rausgehen und sich n?tzlich machen. Und in diesem Moment hatte sie einen Job zu tun –– einen Job, den, wenn ?berhaupt, dann nur wenige so gut wie sie machen konnten. Sie schaute auf die Uhr und sah, dass es immer noch sehr fr?h am Morgen war. Sie wusste, dass Gabriela bereits wach sein w?rde, um das Fr?hst?ck zuzubereiten, dass die Kinder aber immer noch schliefen. Riley war nicht danach, den Kindern ihre Entscheidung zu erkl?ren, doch sie wusste, dass Gabriela es verstehen w?rde, wenn sie runtergehen und es ihr sagen w?rde. Riley konnte f?r den Weg etwas zu Essen mitnehmen und losfahren, und Gabriela w?rde es den M?dchen sagen, bevor sie sie zur Schule schickte. Jetzt musste Riley sich erstmal anziehen und ihre Reisetasche packen. Als sie aus dem Bett steig und ins Bad ging, f?hlte sie, dass sie sich seit Tagen nicht mehr so gut gef?hlt hatte, wie jetzt. Bald w?rde sie etwas tun, worin sie gut war –– selbst, wenn es ?beraus gef?hrlich sein konnte. KAPITEL DREI Als das FBI Flugzeug in Quantico startete, begann Riley die Unterlagen zum Fall auf ihrem Tablet Computer durchzugehen. Sie wollte gerade einen bestimmten Punkt kommentieren, als sie bemerkte, dass Jenn Roston, die neben ihr sa?, nicht aufpasste. Jenn starrte aus dem Fenster, offensichtlich verloren in ihren eigenen Gedanken. „Ich denke, wir sollten beginnen“, sagte Riley. Doch sie erhielt keine Antwort von ihrer jungen Partnerin. Riley sagte: „Hast du mich geh?rt, Jenn?“ Erneut bekam sie keine Antwort. Riley sagte nun lauter: „Jenn.“ Jenn schaute sie aufgeschreckt an. „Was?“ sagte sie. Es erschien Riley fast so, als h?tte Jenn vergessen, wo sie sich befand. Was ist los mit ihr? fragte Riley sich. Sie hatten sich vorhin beeilen m?ssen, um zum Flugzeug zu kommen. Meredith hatte die beiden Agentinnen nicht einmal in sein B?ro eingeladen, um sie in den Fall einzuf?hren. Stattdessen hatte er sie neben dem wartenden Flugzeug auf der Landebahn getroffen. Kurz bevor sie ins Flugzeug gestiegen waren, hatte Meredith Riley hastig erkl?rt, wie sie die relevanten Polizeiberichte runterladen konnte. Sie hatte grade noch geschafft das zu tun, bevor das Flugzeug abgehoben war. Jetzt, wo das Flugzeug an Flugh?he gewann, hatte sie die Erwartung, den Fall mit ihrer Partnerin besprechen zu k?nnen. Doch Jenn schien gerade nicht sie selbst zu sein. Mit ihrer dunklen Haut, ihren kurzen glatten Haaren und ihren gro?en, eindringlichen Augen, hinterlie? Rileys Partnerin den Eindruck einer Frau, die wusste, was sie tat. Und normalerweise stimmte das auch, doch heute schien Jenn abgelenkt zu sein. Riley deutete auf ihren Computer und sagte: „Wir haben einen Fall, an dem wir arbeiten sollten.“ Jenn nickte hastig und sagte: „Ich wei?. Was haben wir bereits?“ W?hrend sie die Polizeiberichte ?berflog, sagte Riley: „Nicht viel, zumindest noch nicht. Vor einer Woche gab es einen Mord in Petersboro, einem Vorort von Philadelphia. Justin Selves, Ehemann und Vater, wurde in seinem Haus ermordet. Ihm wurde die Kehle aufgeschnitten.“ „Was war das Motiv?“, fragte Jenn. Riley sagte: „Zuerst hatte die Polizei angenommen, dass es ein missgl?ckter Einbruch sei. Doch erst gestern wurde eine Frau namens Joan Cornell tot in ihrem Haus in Springett, einem anderen Vorort direkt neben Petersboro, aufgefunden. Auch ihr wurde die Kehle durchgeschnitten.“ Jenn neigte den Kopf zur Seite und sagte: „Vielleicht war das auch nur ein vermasselter Einbruch. Die Todesursache k?nnte blo?er Zufall sein. Sollte f?r die dortige Polizei doch auch ohne unsere Hilfe einfach zu kl?ren sein. Klingt nicht nach einer Serie.“ Riley schaute die Berichte weiter durch und sagte: „Vielleicht auch nicht, au?er einem merkw?rdigen Detail. Von jedem Tatort wurde ein Stuhl geklaut.“ „Ein Stuhl?“, fragte Jenn. „Ja, ein Esszimmerstuhl.“ „Was macht das denn f?r einen Sinn?“, fragte Jenn. Riley sagte: „Bisher keinen vielleicht. Es ist unsere Aufgabe, dahinter zu kommen.“ Jenn sch?ttelte den Kopf und murmelte: „St?hle. Wir ermitteln wegen geklauten St?hlen.“ Dann zuckte sie mit den Schultern und sagte: „Ich wette, es ist nichts. Jedenfalls nichts, womit sich die Verhaltensanalyseeinheit befassen m?sste. Blo? ein paar dumme und scheu?liche Morde. Ehe wir uns versehen, werden wir wahrscheinlich auf dem Weg zur?ck nach Quantico sein.“ Riley wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie hatte nicht die Gewohnheit sich eine Meinung zu bilden, bevor sie einen Fall ?berhaupt erst begonnen hatte. Und es sah auch Jenn nicht ?hnlich, das zu tun, aber aus irgendeinem Grund schien Jenn gerade untypisch gleichg?ltig zu sein. Riley fragte vorsichtig: „Jenn, stimmt irgendetwas nicht?“ „Nein“, sagte Jenn. „Wieso fragst du?“ Riley suchte nach den richtigen Worten. „Naja, es ist nur so...dass du irgendwie...“ Riley hielt inne und sagte dann: „Du w?rdest es mir sagen, wenn irgendwas nicht stimmen w?rde, oder?“ Jenn l?chelte schwach. „Was soll schon nicht stimmen?“, fragte sie Riley. Dann drehte sie sich wieder weg und starrte erneut aus dem Fenster. Riley bekam von Jenns ausweichender Antwort ein unruhiges Kribbeln. Sie fragte sich, ob sie auf der Sache beharren sollte. Jenn konnte sensibel reagieren, wenn Menschen zu viele bohrende Fragen stellten. Riley versuchte sich einzureden, dass alles in Ordnung war. Es war m?glich, dass es nur eine verg?ngliche Laune von Jenns Seite aus war. Und doch. Riley wusste viel ?ber Jenn –– besonders ?ber ihre Vergangenheit. Sie wusste, dass Jenn in einer sogenannten „Pflegefamilie“ aufgewachsen war, die von einer genialen und b?sen Frau, die sich „Tante Cora“ nannte, geleitet worden war. Tante Cora hatte alle ihre Pflegekinder auf Rollen in ihrem eigenen kriminellen Netzwerk abgerichtet. Soweit war Jenn das einzige Pflegekind gewesen, das Tante Coras Klauen entkommen konnte. Mit ihrem scharfen Verstand und ihrem entschlossenen Charakter hatte sie sich zuerst als Polizistin und dann als Verhaltensanalyseagentin Respekt verschaffen. Doch Riley wusste, dass Tante Cora in der Zeit, in der sie miteinander gearbeitet hatten, mit Jenn Kontakt gehabt hatte. Dieser Kontakt schien die junge Agentin immer zu verst?ren, doch er hatte sie nicht davon abgehalten ihre Arbeit zu tun. Was war jetzt los? Versuchte Tante Cora Jenn zur?ck in ihre Einflusssph?re zu locken? Sie w?rde mir das sicherlich erz?hlen, dachte Riley sich. Die zwei hatten einander misstraut, als sie zum ersten Mal miteinander gearbeitet hatten, doch einige gef?hrliche F?lle hatten sie einander sehr viel n?hergebracht. Sie hatten einander einige ziemlich dunkle Geheimnisse anvertraut. Jenn wusste sogar besser Bescheid als Bill, was Rileys fr?here Verbindung mit einem kriminellen Genie namens Shane Hatcher anbelangte. Riley und Jenn hatten sich darauf geeinigt, nichts Wichtiges voreinander zu verbergen. Daher war Riley nun zur?ckhaltend, wenn es darum ging, Erkl?rungen einzufordern. Nein, beschloss sie. Ich muss ihr vertrauen. Riley verzog bei ihrem eigenen Gedanken sie Miene. Ihre Trennung von Blaine besch?ftigte sie immer noch. Das tat auch Aprils unverantwortlicher Umgang mit der Pistole und Jillys Eingeschnapptheit dar?ber, dass sie keine eigene Pistole bekommen hatte. Riley seufzte und dachte: Mit dem Vertrauen ist es bei mir gerade knapp. * Das Flugzeug war gerade mal eine Stunde in der Luft, als es auch schon im Philadelphia International Airport landete. Dort wurden die Agentinnen von einem Polizisten empfangen, der sie n?rdlich nach Springett brachte, einem wohlhabenden Philadelphia Vorort. Das Auto hielt vor einem h?bschen dreist?ckigen Haus, vor dem bereits ein paar Dienstfahrzeuge geparkt waren. Riley und Jenn stiegen aus dem Auto und gingen zum Haus. Ihr Fahrer stieg ebenfalls aus und folgte ihnen. Ein wei?haariger uniformierter Mann verlie? das Haus und bahnte sich den Weg an der Polizeiabsperrung vorbei und ?ber die Veranda. Er stellte sich selbst als Jeremy Kree vor, der Polizeichef des nahegelegenen Petersboro, wo der erste Mord stattgefunden hatte. Als sie seine Hand sch?ttelte, sagte Riley: „Agentin Roston und ich werden ein Fahrzeug brauchen, um in der Gegend rumzukommen.“ Kree nickte und sagte: „Sie k?nnen den Wagen benutzen, in dem sie hierhergekommen sind.“ Er wies den Polizisten, der sie gefahren hatte an, ihnen die Schl?ssel f?r das in Zivil getarnte Auto zu leihen. Dann f?hre er sie hinein ins Haus und stellte sie Burton Shore vor, einem j?ngeren Mann, der der Polizeichef von Springett war. Burton f?hrte sie an die Stelle, wo der Mord geschehen war. Das erste, was Riley auffiel, war der Esszimmertisch, der ein modernes quadratisches Design hatte und von drei St?hlen an jeweils drei der Enden umgeben war. Dem Bericht den sie gelesen hatte zufolge, war ein vierter Stuhl urspr?nglich Teil der Garnitur gewesen, bevor er gestohlen wurde. Der Tisch selbst kam ihr klein vor f?r so ein gro?es Familienhaus. In dem gro?en Esszimmerbereich wirkte er ziemlich merkw?rdig. Wahrscheinlich ein bedeutungsloses Detail, dachte Riley. Trotzdem st?rte es sie, und sie war sich nicht sicher, wieso. Shore f?hrte sie um einen Marmortresen herum, der einen verr?terischen Blutfleck an der Kante hatte. Dort auf dem K?chenzimmerboden war der Umriss der Leiche abgeklebt, der zeigte, wie das Opfer gefallen war. Eine gro?e Lache br?unlichen Blutes auf dem Fliesenboden war beinahe vollst?ndig geronnen, schien jedoch noch etwas feucht zu sein. Riley fragte Chief Shore: „Wann wurde die Leiche abtransportiert?“ „Der Bezirksgerichtsmediziner hat gestern Abend befohlen, sie mitzunehmen. Er wollte so bald wie m?glich die Autopsie beginnen. Ich nehme an, dass das ok ist.“ Riley nickte. Sie h?tte es bevorzugt, dass der Tatort vor ihrer Ankunft so unangetastet wie m?glich geblieben w?re. Doch die Entscheidung des Gerichtsmediziners war nicht unvern?nftig gewesen, insbesondere weil die Verbindung mit dem ersten Mord nicht sofort klar gewesen war. Sie fragte beide Chiefs: „Was haben Sie an Fotos?“ Chief Shore ?ffnete eine Mappe, um die Fotos vom hiesigen Tatort zu zeigen, an dem Joan Cornells Leiche gefunden worden war und Chief Kree holte Fotos des anderen ermordeten Opfers hervor. Riley und Jenn schauten sich die Fotos einige Momente schweigend an. Beide Opfer hatten Stirnwunden, was darauf hindeutete, dass sie beide geschlagen oder zumindest bet?ubt worden waren, bevor ihnen die t?dlichen Wunden an ihrem Hals zugef?gt wurden. Dem Fleck auf dem Tresen nach zu urteilen, vermutete Riley, dass der M?rder die Frau mit dem Kopf gegen die Kante gesto?en haben musste und ihr die Kehle durchschnitt, als sie bereits am Boden lag. Riley versp?rte ein gruseliges Gef?hl des d?j? vu beim Anblick der klaffenden Halswunden und der enormen Menge Blut. Sie erinnerten sie an den ersten Fall, an dem sie jemals gearbeitet hatte, noch bevor sie sich ?berhaupt ?berlegt hatte, FBI Agentin zu werden. Das war vor Jahren, damals war sie eine Studentin an der Lanton University gewesen. Ein M?rder hatte zwei ihrer Freundinnen umgebracht, indem er ihre Kehlen in ihren Studentenheimzimmern aufgeschlitzt hatte. Riley war wiederwillig in den Sog der Ermittlungen geraten und ihr Leben war danach nie wieder dasselbe gewesen. Schnell sch?ttelte Riley das Gef?hl ab. Neuer M?rder, andere Zeit, sagte sie sich. Sie fragte Chief Shore: „Was wissen wir ?ber den Mord, der an dieser Stelle passiert ist?“ Der junge Chief sagte: „Der Name des Opfers war Joan Cornell, sie war eine geschiedene Mutter von vier Kindern. Drei ihrer Kinder leben weiter weg, aber ihr ?ltestes Kind, eine Tochter, lebt immer noch hier in Springett. Die Tochter ist immer regelm??ig vorbeigekommen, um nach ihrer Mutter zu schauen. Gestern Nachmittag hat sie sie genau hier tot aufgefunden.“ Jenn fragte: „Lebt der Ex-Mann des Opfers in der N?he?“ Chief Shore sch?ttelte den Kopf und sagte: „Nein, er hat erneut geheiratet und lebt in Maine. Wir haben uns mit ihm in Verbindung gesetzt und uns von ihm Angaben ?ber seinen Aufenthaltsort zur Tatzeit geben lassen. Wir werden sein Alibi ?berpr?fen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es niet- und nagelfest ist.“ Riley stimmte stillschweigend zu. Irgendwie sah dieser Mord nicht nach einer Tat eines zornigen Ex-Mannes aus, besonders eines, der so weit weg lebte. Und insbesondere dann nicht, wenn diese zwei Tode, die in zwei unterschiedlichen Familien passiert waren, so eng miteinander verbunden waren, wie es aussah. Jenn schaute von den Fotos auf und sah den ?lteren Polizeichef an. Sie fragte ihn: „Was ist ?ber das erste Opfer bekannt?“ Chief Kree sagte: „Sein Name war Justin Selves und er arbeitete als Kundenberater in einer Bank in Petersboro. Sein Sohn ist eines Nachmittags vor ein paar Wochen nach Hause gekommen und hatte seinen Vater direkt in der Eingangst?r tot vorgefunden.“ Jenn fragte: „Gab es irgendwelche Anhaltspunkte f?r einen Einbruch?“ Kree sagte: „Nein, es sieht danach aus, als h?tte Selves einfach die T?r ge?ffnet, als der M?rder angeklopft oder geklingelt hatte. Dann trat der M?rder ein und vollbrachte seine Tat an Ort und Stelle.“ Riley zeigte auf ein Foto, das einen Blutfleck auf einem T?rrahmen zeigte und sagte: „Es sieht so aus, als w?re er bewusstlos geschlagen worden, genau wie das Opfer hier.“ Kree nickte: „Ja, er war vermutlich mit dem Kopf gegen den T?rrahmen gesto?en worden, wahrscheinlich als die T?r geschlossen war.“ W?hrend Jenn mit der Befragung der beiden Chiefs fortfuhr, stand Riley einen Moment da und starrte auf den abgeklebten Umriss auf dem Boden. Ihre gr??te St?rke als Agentin war ihre beinahe unheimliche F?higkeit in die Gedanken eines M?rders vorzudringen, w?hrend sie den Tatort untersuchte. Doch das passierte nicht immer, und gerade jetzt geschah gar nichts. Bisher blieben ihre Gedanken leer. Jenn erschien nun durchaus engagiert und fragte die zwei Polizeichefs alle erforderlichen Routinefragen ab. Riley wusste, dass es unwahrscheinlich war, dass Jenn irgendwelche vielversprechenden Antworten bekommen w?rde. Riley beschloss, dass sie sich in diesem Moment genauso gut im Haus umsehen konnte, um zu versuchen irgendeine Art intuitiver Eingebung dar?ber zu bekommen, was hier vorgefallen war. W?hrend Riley im Erdgeschoss umherwanderte, sp?hte sie hinab in den Keller, in dem sich augenscheinlich ein gro?er Hobbyraum befand. Sie ging weiter durch ein Fr?hst?ckszimmer und ein gro?es Wohnzimmer mit einem sch?nen Kamin. Auf dem Klavier und anderorts waren mehrere Familienfotos aufgestellt –– alle bildeten die Mutter und die vier Kinder im unterschiedlichen Alter ab, doch keins davon zeigte ihren Ex-Mann. Nicht gerade ?berraschend, dachte Riley. Sie hatte auch keine Fotos von Ryan in ihrem eigenen Haus stehen. Riley stieg hinauf in den ersten und zweiten Stock, wo sie feststellte, dass die Kinderzimmer seit den Jugendjahren der Kinder wohl ziemlich unver?ndert beibehalten worden waren. Sie dachte an die von Chief Shore erw?hnte Tochter, die in der N?he lebte und das Opfer regelm??ig besucht hatte, und die auch die Leiche entdeckt hatte. Riley fragte sich, wie oft die Ermordete wohl ihre anderen Kinder gesehen hatte, nachdem sie erwachsen geworden und ausgezogen waren. Sie bezweifelte, dass in einer zerbrochenen Familie wie dieser, alle Familienmitglieder regelm??ig aufeinandertrafen. Es war ein trauriger Gedanke. Obwohl das Haus um einiges gr??er war als Rileys eigenes Haus, fragte sie sich trotzdem: Wie wird es wohl sein, wenn April und Jilly weg sind? W?rden sie beide weit wegziehen und selten zu Besuch kommen? Und nat?rlich w?rde auch Gabriela nicht ewig da sein. Wie w?rde Rileys Leben dann aussehen? W?rde sie sich allein und vergessen f?hlen? Falls ihr zuhause etwas schreckliches passieren w?rde, wie lange w?rde es dauern, bis irgendjemand mal vorbeischaute und es feststellte? Riley war nun wieder im Erdgeschoss und schaute ins Esszimmer hinein. Erneut kam ihr der kleine quadratische Esstisch mit seinen drei St?hlen viel zu klein f?r den Raum vor. Und erneut war es ein merkw?rdig beunruhigender Anblick f?r Riley. Sie war sich sicher, dass er gekauft worden war, um einen viel gr??eren Tisch zu ersetzen, der zu viele Erinnerungen beherbergte, als dass Joan Cornell damit hatte leben k?nnen. Riley sp?rte, dass sie einen Klo? im Hals hatte, als sie ?ber Joan Cornells einsame Existenz nachdachte –– und dar?ber, wie schrecklich ihr Leben geendet war. Ihre Gedanken wurden von Jenns scharfer Stimme unterbrochen, als diese sagte: „Sie wissen nicht, wovon Sie sprechen.“ Riley drehte sich um und sah, dass Jenn eine hitzige Diskussion mit Chief Shore f?hrte, w?hrend sein ?lterer Kollege dastand und die beiden am?siert beobachtete. „Hier gab es keinen Kampf“, fuhr Jenn fort und lief in der K?che auf und ab. „Es gibt keinerlei Anzeichen eines Kampfes, ?berhaupt keine Besch?digungen von irgendwelchen Gegenst?nden in der K?che. Der M?rder hat sie komplett ?berrascht. Er hat sie pl?tzlich ergriffen –– an den Haaren vielleicht –– und hat ihren Kopf hier gegen den Tresen gerammt. Dann schnitt er ihr die Kehle durch. Sie hatte nicht einmal begriffen, was passiert war.“ „Aber wie ––?“, begann Chief Shore etwa. Jenn unterbrach ihn: „Wie hat er es getan? Vielleicht so.“ Jenn ging um den Tresen und stellte sich auf die Seite in Rileys N?he, welche ins Esszimmer hinausragte. Jenn sagte: „Er h?tte genau hier stehen k?nnen, wo ich stehe. Vielleicht hat er das Opfer um ein Glas Wasser gebeten. Sie ging r?ber in den K?chenbereich und er griff ?ber den Tresen und ...“ Sie spielte nach wie der M?rder die Frau an den Haaren gegriffen haben und ihren Kopf vorgezogen haben k?nnte, bevor er ihn gegen den Tresen schmetterte. „Genauso ist es passiert, k?nnte ich wetten“, sagte Jenn. „Sie sollten den Gerichtsmediziner bitten, die Kopfhaut des Opfers genauer zu untersuchen, um zu sehen, ob ihr Haare ausgerissen wurden.“ Chief Shore blinzelte und sagte: „Was wollen Sie damit sagen? Dass das Opfer ihren M?rder gekannt hatte? Dass sie ihm vertraute?“ Jenn antwortete ungeduldig: „Ich wei? es nicht. Vielleicht ist das etwas, was sie versuchen sollten herauszubekommen. Vielleicht sollten sie in diese Richtung ermitteln.“ Der bei?ende Sarkasmus in Jenns Stimme alarmierte Riley. Sie hatte dieses Verhalten auch fr?her bei Jenn beobachtet und es war nat?rlich keine gute Art die Zusammenarbeit mit der lokalen Polizei zu beginnen. Riley wusste, dass sie das sofort unterbinden musste. Bevor ihre j?ngere Partnerin noch etwas sagen konnte, melde Riley sich scharf zu Wort: „Agentin Roston.“ Jenn drehte sich mit einem ?berraschten Gesichtsausdruck zu ihr hin. Riley versuchte so zu tun, als w?rde sie das Gespr?ch nicht absichtlich unterbrechen und sagte zu ihr: „Ich denke, wir haben alles was wir brauchen gesehen. Gehen wir.“ Dann sagte Riley zu Chief Shore: „Ich w?rde gerne die Tochter des Opfers befragen –– diejenige, die die Leiche entdeckt hat. Wissen Sie, wo ich sie finden kann?“ Shore nickte und sagte: “Sie hat mir gestern gesagt, dass sie heute zuhause bleiben wird. Ich kann Ihnen ihre Adresse und eine Anfahrtsbeschreibung geben.“ Riley h?rte ihm zu und notierte die Adresse und die Wegbeschreibung. Sie tauschte Nummern mit den Polizisten aus, damit sie alle im engen Kontakt bleiben konnten. Dann dankte Riley ihnen f?r ihre Hilfe und sie und Jenn verlie?en das Haus. Als sie zu ihrem Leihfahrzeug liefen, fauchte Riley Jenn an: „Was sollte denn das eben werden?“ Jenn knurrte: „Ich wollte nur was klarstellen, sonst nichts. Die zwei Kerle haben keine Ahnung. Sie sollten in der Lage sein den Fall ganz alleine noch vor Tagesende zu l?sen. Sie sollten unsere Hilfe gar nicht brauchen. Wir verschwenden hier nur Zeit und Steuergelder.“ „Wir sind die Verhaltensanalyseeinheit“, sagte Riley. „Der lokalen Polizei zu helfen ist ein gro?er Teil unserer Arbeit.“ „Ja, in ernsten F?llen, zum Beispiel bei echten Serienm?rdern“, sagte Jenn. „Das ist kein solcher Fall und ich denke wir wissen das beide. Es ist nur ein dummer Einbrecher, der sich verzetteln und auffliegen wird, noch bevor er es schafft, weiteren Schaden anzurichten.“ Als sie ins Auto stiegen und Riley den Z?ndschl?ssel drehte, riss sie sich zusammen, um nicht zu sagen: „Ich wei? nicht, ob das stimmt.“ In Wirklichkeit hatte sie ein ziemlich starkes Gef?hl, dass die zwei Morde blo? der Anfang von einer richtig gr?sslichen Geschichte waren. KAPITEL VIER W?hrend Riley durch Springett fuhr, entschloss sie sich direkt zu sein. Sie sagte Jenn: „Du hast uns wom?glich einen R?ckschlag beschert.“ Jenn knurrte etwas unverst?ndliches vor sich hin. „Wir sind hier, um der ?rtlichen Polizei zu helfen, nicht um mit ihr zu streiten“, sagte Riley. „Gegenseitiges Vertrauen zu wahren kann unter den besten Umst?nden schwierig sein. Und es ist verdammt wichtig. Du hast die Grenze vorhin total ?berschritten.“ „Komm schon, Riley“, antwortete Jenn ungeduldig. „Shore hat sich klar geirrt dar?ber, was passiert ist. Hast du irgendwelche Spuren von einem Kampf in dieser K?che gesehen?“ „Das ist nicht der Punkt“, sagte Riley. „Wir m?ssen trotzdem mit ihnen zusammenarbeiten. Und au?erdem, deinen eigenen Beobachtungen zufolge denke ich, dass deine Schl?sse falsch sind.“ „Ja? Wieso?“ Riley zuckte mit den Schultern. „Du hast selbst gesagt, dass der M?rder schnell reagiert hat und Joan Cornell komplett aus heiterem Himmel ?bermannt hat. Es ist wahrscheinlich genau so passiert, wie du gesagt hast. Er griff ?ber den Tresen, nahm sie am Schopf und knallten ihren Kopf gegen die Platte.“ Sie folgte Chief Shores Wegbeschreibung und bog an einer Ampel ab. „Dann ging er hinter den Tresen“, fuhr sie fort, „und schnitt ihr die Kehle durch, als sie bewusstlos war. Und den Fotos vom Tatort in Petersboro nach zu urteilen, hat er Justin Selves auf die ziemlich gleiche Art und Weise umgebracht, ?berraschend und effizient. Wirkt das wirklich wie ein schiefgelaufener Einbruch auf dich?“ „Nein“, grummelte Jenn. “Auf mich auch nicht”, sagte Riley. „Eigentlich wirkt es ziemlich kaltbl?tig, sogar vors?tzlich.“ W?hrend Riley durch die wohlhabende Nachbarschaft fuhr, stellte sich ein Schweigen zwischen ihnen ein. Rileys Besorgnis wuchs. Endlich sagte sie: „Jenn, ich habe dich vorhin gefragt und ich muss es dich nun noch mal fragen. Stimmt irgendetwas nicht, wor?ber ich Bescheid wissen sollte?“ „Was sollte nicht stimmen?“, sagte Jenn. Riley verzog die Miene, als sie dieselbe ausweichende Antwort wie zuvor erhielt. Ich sollte einfach direkt zum Punkt kommen, dachte sie. „Hat dich Tante Cora kontaktiert?“, fragte sie. Es war still, als Jenn sich zu Riley drehte und sie anstarrte. „Was f?r eine Frage ist das denn?“, fragte Jenn. Riley sagte: „Eine, die leicht zu beantworten ist, so eine Frage ist das. Ja oder nein. Entweder hast du von ihr geh?rt oder du hast es nicht.“ Sie sp?rte, dass Jenn kurz davor war zu protestieren und f?gte hinzu: „Und sag mir nicht, dass es mich nichts angeht. Du und ich, wir wissen Dinge ?ber einander, von denen wir vorziehen w?rden, dass sie sonst niemand wei?. Wir m?ssen beide ?ber alles offen und ehrlich sprechen. Und du bist meine Partnerin und irgendetwas scheint dich zu bedr?cken. Ich mache mir Sorgen, dass es deine Arbeit beeinflussen k?nnte. Somit geht es mich etwas an.“ Jenn starrte einen Moment lang zur Stra?e hinaus. „Nein“, sagte sie endlich. „Du meinst, nein, sie hat dich nicht kontaktiert?“, sagte Riley. „Genau so ist es“, sagte Jenn. „Und du w?rdest es mir sagen, wenn sie es h?tte?“ Jenn schnaubte leicht entr?stet. „Nat?rlich w?rde ich das“, sagte sie. „Du wei?t, dass ich es tun w?rde. Wie kannst du was anderes denken?“ „Ok“, sagte Riley. Sie schwiegen wieder und Riley fuhr weiter. Sie hatte das Gef?hl, dass Jenn ganz aufrichtig geklungen hatte und sogar ein bisschen verletzt davon war, dass Riley sie anzweifeln konnte. Riley wollte ihr vertrauen. Doch trotz allem, was Jenn in ihrem jungen Leben erreicht hatte, war es schwer die Tatsache zu ignorieren, dass sie einst Sch?lerin einer Meisterkriminellen war. Aber vielleicht reagiere ich zu ?bertrieben. Erneut rief sie sich all das ins Ged?chtnis, was gestern zuhause vorgefallen war. Nach Aprils Nachl?ssigkeit mit der Pistole, war Riley einfach nicht in einer sehr vertrauensvollen Stimmung. Vielleicht lie? sie gerade zu, dass ihre eigene schlechte Laune sie vereinnahmte. Sie sagte sich: Werde jetzt blo? nicht paranoid. Trotzdem dachte sie, dass sie vielleicht darauf h?tte bestehen m?ssen, Bill mitzunehmen, als Meredith sie angerufen hatte. Sie war sich sicher, dass Bill sehr viel schlimmere Krisen erlebt hatte, als die, die er gerade durchmachte. Bestimmt h?tte er auch diese hier hinter sich lassen k?nnen, wenn Riley darauf bestanden h?tte. Er war ihr ?ltester und bester Freund. Mit ihm an ihrer Seite f?hlte Riley sich immer sicherer und stabiler. Doch so wie die Dinge standen, musste sie einfach das Beste aus dem machen, was sie hatte. Bald darauf kamen sie an der Adresse an, die man ihnen gegeben hatte. Riley parkte das Auto vor einem alten und eleganten Wohnhaus aus rotem Backstein. Sie stiegen aus dem Auto, liefen zum Eingang und klingelten bei der entsprechenden Wohnungsnummer. Als eine Frauenstimme sich ?ber die Gegensprechanlage meldete, sagte Riley: „Ms. Tovar, ich bin Agentin Riley Paige vom FBI und hier mit meiner Partnerin, Jenn Roston. Wir w?rden gerne reinkommen und mit Ihnen sprechen, wenn sie nichts dagegen haben.“ Die Stimme stammelte: „FBI? Ich –– ich hatte nicht erwartet...“ Nach einer Pause dr?ckte die Frau den Buzzer und lie? Riley und Jenn rein. Riley und Jenn stiegen die Treppen hoch in den zweiten Stock und klopften an die Wohnungst?r. Die T?r ging auf und brachte eine Frau Mitte Zwanzig zum Vorschein, die vor ihnen in einem Morgenmantel und Hausschuhen stand. Von Lori Tovars ausgemergeltem Gesicht konnte Riley nicht ablesen, ob sie bis vor kurzem geschlafen oder geweint hatte. Die Frau warf nicht mal einen richtigen Blick auf ihre Ausweise, dann bat sie Riley und Jenn einzutreten und sich zu setzen. Als sie zu einer Sitzgruppe aus Sofas und Sesseln hin?berschritten, schaute Riley sich in der ger?umigen Wohnung um. Im Gegensatz zum ehrw?rdigen ?u?eren Erscheinungsbild des Hauses, was das Interieur der Wohnung schnittig und modern und es war offensichtlich, dass die Wohnung vor einigen Jahren saniert worden war. Ebenso kam Riley die Wohnung merkw?rdig leer und streng vor. Das Mobiliar sah teuer und geschmackvoll einfach aus, doch es gab nicht viel davon, und auch gab es nur wenige Bilder oder Dekorationen. Alles schien so... Vorl?ufig, dachte Riley. Es f?hlte sich beinahe so an, als w?ren die Menschen, die hier lebten, nie wirklich angekommen. Als Lori Tovar sich gegen?ber von Riley und Jenn setzte, sagte sie: „Die Polizei hat mir so viele Fragen gestellt. Ich habe ihnen alles gesagt, was ich wusste. Ich kann mir nicht vorstellen...was Sie noch von mir wissen wollen k?nnten.“ „Lassen sie uns ganz am Anfang beginnen“, sagte Riley. „Wie haben Sie herausgefunden, was ihrer Mutter zugesto?en ist?“ Lori holte abrupt Luft. Sie sagte: „Es war gestern, am sp?ten Nachmittag. Ich bin einfach vorbeigekommen, um nach ihr zu schauen.“ „Haben Sie sie oft besucht?“, fragte Jenn. Lori seufzte und sagte: „So oft es ging. Ich –– Ich war so ziemlich die Einzige, die sie noch hatte. Dad hat sie vor ein paar Jahren verlassen und meine Br?der und Schwester leben alle zu weit weg. Gestern bin ich fr?h aus der Arbeit rausgekommen –– ich bin eine Krankenschwester im South Hill Krankenhaus hier in Springett –– also beschloss ich vorbeizufahren und zu sehen, wie es ihr geht. In letzter Zeit war sie ziemlich traurig.“ Lori starrte einen Moment lang ins Leere und fuhr dann fort: „Als ich dort angekommen war, habe ich die Haust?r unverschlossen vorgefunden, was mich besorgte. Dann ging ich rein.“ Sie verstummte. Riley lehnte sich ein wenig zu ihr vor und sagte mit sanfter Stimme: „Haben Sie sie sofort entdeckt? Sobald Sie ins Haus gekommen sind, meine ich?“ „Nein“, sagte Lori. „Ich habe nach ihr gerufen, als ich reinkam, aber sie antwortete mir nicht. Ich bin hochgegangen, um zu schauen, ob sie ein Nickerchen machte, aber sie war nicht in ihrem Schlafzimmer. Ich habe gedacht –– gehofft –– dass sie mit ihren Freunden ausgegangen war. Ich bin wieder runtergekommen und...“ Lori runzelte nachdenklich die Stirn. „Ich schaute ins Esszimmer und bemerkte, dass einer der Esstischst?hle weg war. Das erschien mir merkw?rdig. Ich habe einen Fleck am K?chentresen bemerkt und habe in die K?che geschaut und...“ Sie zuckte heftig zusammen und sprach angespannt weiter. „Und dort lag sie auf dem Boden. Was danach geschah ist wie im Traum. Ich erinnere mich vage daran, den Notruf gew?hlt zu haben, dann gef?hlt eine sehr lange Zeit gewartet zu haben, obwohl es wahrscheinlich nur ein paar Minuten waren. Dann war die Polizei da und...“ Ihre Stimme verstummte erneut. Dann sprach sie ruhiger und sagte: „Ich wei? nicht, wieso ich in so einen Schockzustand geraten bin. Ich habe schreckliche Dinge in meiner Arbeit gesehen, besonders in der Notaufnahme. Schreckliche Wunden, viel Blut, Menschen, die in grauenhaften Schmerzen starben, oder sich w?nschten zu sterben, bevor wir ihre Schmerzen lindern konnten. Ich habe immer damit umgehen k?nnen. Selbst als ich meine erste Leiche gesehen hatte, habe ich nicht so heftig reagiert. Ich h?tte besser damit umgehen sollen.“ Jenn schaute verdutzt zu Riley r?ber. Riley vermutete, dass Jenn von der scheinbaren Distanz in Loris Stimme ?berrascht war. Doch Riley konnte es ziemlich gut verstehen. ?ber die Jahre hatte Riley es mit vielen Menschen zu tun gehabt, die mit noch frischen traumatischen Erfahrungen konfrontiert waren. Sie wusste, dass diese Frau immer noch versuchte die Realit?t dessen, was geschehen war, zu verarbeiten. Lori hatte bisher immer noch nicht ganz die Tatsache fassen k?nnen, dass ihre Mutter ermordet worden war, und nicht irgendein Notaufnahmepatient, den sie nie zuvor gesehen hatte. Am allerwenigsten hatte Lori akzeptiert, dass ihr eigener Stoizismus Grenzen hatte. Riley fragte sich, ob es wohl Menschen in Loris Leben gab, die ihr helfen w?rden, mit all dem klarzukommen. Sie sagte zu Lori: „Soweit ich wei?, sind sie verheiratet.“ Lori nickte benommen. „Roy ist Inhaber einer Wirtschaftspr?fungskanzlei hier in Springett. Er hatte mir angeboten, heute mit mir zuhause zu bleiben, aber ich habe ihm gesagt, dass ich auch alleine klarkomme und dass er zur Arbeit gehen soll.“ Dann f?gte sie mit einem kleinen Schulterzucken hinzu: „Das Leben geht weiter.“ Riley schreckte hoch, als sie Lori dieselben Worte sagen h?rte, die sie selbst laut ausgesprochen hatte, nachdem Blaine gestern das Haus verlassen hatte. Zu h?ren, wie jemand anders das sagte, war verst?rend. Sie begriff, was f?r ein vollkommenes Clich? der Ausdruck war. Schlimmer noch, es stimmt nicht einmal. Rileys ganzes Leben war um die schreckliche Tatsache herum aufgebaut, dass jedes Leben fr?her oder sp?ter mit dem Tod endete. Wieso bestanden Menschen also auf dieser Redewendung? Wieso hatte sie selbst sie gerade erst gestern verwendet? Ich nehme an, es ist blo? eine dieser L?gen, an denen wir uns festkrallen. Lori schaute hin und her zwischen Jenn und Riley und sagte: „Die Polizei hat mir gesagt, dass es vor einigen Wochen ein weiteres Opfer gegeben hatte –– einen Mann, dr?ben in Petersboro.“ „Das stimmt“, sagte Jenn. Lori f?gte hinzu: „Sie haben gesagt, dass aus seiner Esszimmergarnitur ebenfalls ein Stuhl abhanden gekommen sei, genau wie bei Mom. Ich verstehe es nicht. Was bedeutet das? Wieso w?rde irgendjemand einen anderen Menschen wegen einem Esszimmerstuhl umbringen?“ Riley antwortete nicht, Jenn auch nicht. Wie konnten sie diese Frage auch beantworten? War es m?glich, dass sie tats?chlich nach einem Irren fahndeten, der Menschen wegen ihrer M?bel umbrachte? Es erschien zu absurd, um es glauben zu k?nnen. Doch sie wussten noch so wenig zu diesem Zeitpunkt ihrer Ermittlungen. Jenn stellte die n?chste Frage. „Hatte ihre Mutter zuf?llig einen Justin Selves aus Petersboro gekannt?“ „War das das andere Opfer?“, fragte Lori. Jenn nickte. Loris Augen wurden schmal und sie sagte: „Der Name kommt mir nicht bekannt vor. Ich wei? nicht, ob sie Freunde oder Bekannte au?erhalb von Springett hatte. Ich habe ihr immer wieder gesagt, dass sie nicht genug rausk?me. Sie verbrachte nicht genug Zeit mit Leuten.“ Riley sagte: „So wie ich verstehe, hat sie also nicht au?erhalb des Hauses gearbeitet.“ Lori sagte: „Nein, sie lebte von den Zahlungen ihrer Scheidungsvereinbarung.“ Jenn fragte: „Ist ihre Mutter... mit jemandem ausgegangen?“ Lori kicherte traurig. „Um Gottes Willen, nein. Ich glaube, sie h?tte es mir gesagt. Sie hat das Haus selten verlassen, au?er um ab und zu in die Kirche zu gehen. Oh, und sie ist auch zu den Bingoabenden an der Kirche gegangen. Die hat sie nie verpasst. Jeden Freitag gibt es einen Spieleabend in der Westminster Presbyterian Kirche. Sie hat mich mal mit Cupcakes bewirtet, die sie eines Abends dort gewonnen hatte. Sie hatte sich sehr dar?ber gefreut.“ Lori sch?ttelte den Kopf und sagte: „Sie verbrachte zu viel Zeit alleine. Das Haus war zu gro? f?r sie. Ich habe ihr immer wieder gesagt, sie solle in eine kleinere Wohnung ziehen. Sie wollte nicht auf mich h?ren.“ „Was passiert nun mit dem Haus?“, fragte Jenn. Lori seufzte und sagte: „Meine Schwester, meine Br?der und ich werden es erben. Das wird ihnen wohl nicht viel bedeuten. Da sie alle so weit weg wohnen, wird es jetzt wohl eigentlich mir geh?ren.“ Dann wurden ihre Augen schmal, so als ob ihr auf einmal ein besonders dunkler Gedanke gekommen war. „Das Haus wird mir geh?ren“, wiederholte sie. „Und Roy.“ Sie erhob sich hastig aus ihrem Sessel. „Wenn Sie nichts dagegen haben, w?rde ich jetzt gerne keine weiteren Fragen mehr beantworten.“ Riley sp?rte, dass sich Loris geistige Verfassung pl?tzlich ver?ndert hatte. Sie schaute sich erneut in der gro?en, aber merkw?rdig leeren Wohnung um und erinnerte sich dann an das ger?umige Haus, in dem das Opfer ermordet wurde. Und da begann ihr etwas klar zu werden. Jenn beugte sich vor und sagte: „Ma’am, wenn Sie uns nur noch ein paar Minuten Ihrer Zeit geben k?nnten ––“ „Nein“, unterbrach Lori. „Nein. Ich w?rde jetzt gerne allein sein.“ Riley konnte sehen, dass auch Jenn die Ver?nderung in Loris Verhalten bemerkt hatte. Riley wusste auch, dass ihre Partnerin auf Antworten dr?ngen w?rde –– wom?glich auf eine zu aggressive Art und Weise. Riley erhob sich und sagte: „Wir danken Ihnen f?r ihre Zeit, Ms. Tovar. Unser herzliches Beileid.“ Die Frau seufzte und sagte: „Danke.“ Dann f?gte sie erneut hinzu: „Das Leben geht weiter.“ Wenn das nur stimmen w?rde, dachte Riley. Oder zumindest nicht so kurzweilig w?re. Als sie und ihre Partnerin die Wohnung verlie?en und die Stufen hinunterstiegen, beschwerte Jenn sich: „Wieso sind wir gegangen? Da war was, was sie uns nicht sagen wollte.“ Ich wei?, dachte Riley. Doch sie hatte keinerlei Absicht Lori Tovar dazu zu zwingen ihnen zu sagen, was es war. „Ich erkl?re es dir im Auto“, sagte Riley. KAPITEL F?NF Als Riley von Lori Tovars Wohnhaus davonfuhr, stellte sie fest, dass ihre junge Partnerin immer noch aufgeregt war. Jenn war bereits den ganzen Tag ziemlich aufbrausend gewesen und Riley hatte zunehmend weniger Geduld mit ihrer Einstellung. „Wozu die Eile?“, grummelte Jenn. „Wieso hast du uns so hastig dort rausbef?rdert?“ Als Riley nicht sofort antwortete, fragte Jenn: „Und wo fahren wir ?berhaupt hin?“ „Etwas essen“, sagte Riley schulterzuckend. „Ich habe seit dem Fr?hst?ck nichts gegessen, ich hab Hunger. Du nicht?“ „Ich finde wir sollten zur?ckfahren“, sagte Jenn. „Lori Tovar hat uns nicht alles gesagt, was sie wei?.“ Riley l?chelte d?ster. „Was meinst du, was sie uns nicht gesagt hat?“, fragte sie. „Ich wei? es nicht“, sagte Jenn. „Das ist was ich herausfinden m?chte. Du etwa nicht? Manchmal k?nnen Zeugen wichtige Details verschweigen. Vielleicht wei? sie etwas von einer Verbindung zwischen ihrer Mutter und einem m?glichen Verd?chtigen –– etwas, was sie uns aus irgendeinem Grund nicht sagen wollte.“ Riley entgegnete: „Oh, es gab da ganz gewiss etwas, was sie uns nicht sagen wollte. Aber es war nichts, was wir wissen m?ssten. Es hatte nichts mit dem Fall zu tun.“ „Woher wei?t du das?“, fragte Jenn. Riley unterdr?ckte einen Seufzer. Sie sagte sich, dass sie nicht genervt dar?ber sein sollte, dass Jenn nicht dieselben Signale bemerkt hatte, wie sie. Riley selbst h?tte sie in Jenns Alter wahrscheinlich ebenfalls ?bersehen. Trotzdem musste Jenn lernen, die Leute besser zu einzusch?tzen. Oft war sie ?berst?rzt im Beschuldigen. Sie sagte: „Sag mal, Jenn –– wie war dein Eindruck von Lori Tovars Wohnung?“ Jenn zuckte mit den Schultern. „Sie sah ziemlich teuer aus. Die Art Wohnung, in der ein erfolgreicher Wirtschaftspr?fer und seine Frau leben w?rden. Aber sehr schlicht. Kontempor?r, so w?rde man es wohl nennen k?nnen.“ „W?rdest du sagen, dass Lori und ihr Mann dort besonders niedergelassen zu sein schienen?“ Jenn ?berlegte einen Moment und sagte dann: „Jetzt wo du es sagst, wahrscheinlich nicht. Es schien fast so, als ob –– ich wei? nicht, als h?tten sie vielleicht nicht besonders viel au?er der Grundausstattung gekauft. Ich meine, ich glaube, dass sie die Wohnung nicht wirklich individuell gestaltet haben. So, als h?tten sie erwartet, dass sie nicht besonders lange dort wohnen w?rden.“ Riley sagte: „Und was meinst du, wieso k?nnte das so sein?“ Als Jenn nicht antwortete, bohrte Riley nach: „Welche Pl?ne k?nnte ein solches Paar f?r die nahe Zukunft denn haben, deiner Meinung nach?“ „Kinder kriegen“, sagte Jenn. Es folgte eine Pause, dann f?gte Jenn hinzu: „Oh, ich glaube ich verstehe. Sie hatten nicht vor, Kinder zu bekommen, solange sie noch in dieser Wohnung lebten. Sie wollten irgendwo anders hinziehen, was besser f?r eine Familie passt. Lori hatte gehofft, dass sie das Haus ihrer Mutter bekommen w?rde. Und jetzt...“ Riley nickte und sagte: „Und jetzt bekommt sie genau das, was sie sich gew?nscht hatte.“ Jenn japste entsetzt. „Mein Gott! Ich kann mir nicht vorstellen, wie schuldig sie sich f?hlen muss!“ „Zu schuldig, um jemals in dem Haus leben zu k?nnen, denke ich“, sagte Riley. „Sie und ihre Geschwister werden das Haus wahrscheinlich verkaufen m?ssen, zusammen mit all den wundervollen Kindheitserinnerungen. Und Lori und ihr Ehemann werden noch l?nger mit dem Kinderkriegen warten m?ssen, bis sie ein anderes Traumhaus gefunden haben. Das wird sehr schwer f?r sie sein.“ „Kein Wunder, dass sie nicht dar?ber reden wollte“, sagte Jenn. „Eben“, sagte Riley. „Und es geht uns wirklich auch nichts an.“ „Es tut mir leid“, sagte Jenn. „Ich bin wirklich bl?d gewesen.“ „Du musst einfach nur lernen, aufmerksamer zu Menschen zu sein“, sagte Riley. „Und das beinhaltet mehr als blo? Informationen aus ihnen herauszuquetschen. Es bedeutet, in der Lage zu sein, ihre Situation nachzuf?hlen. Es bedeutet, ihre Gef?hle zu respektieren.“ „Ich werde versuchen, daran zu denken“, sagte Jenn leise. Riley f?hlte sich erbaut davon, dass Jenn nicht versuchte sich zu verteidigen. Es schien ?berhaupt so, als h?tte ihre Partnerin ihre komische Laune von vorhin ?berwunden. Vielleicht, dachte Riley sich, w?rden sie doch ganz gut zusammenarbeiten. Riley fuhr ins Downtown Springett hinein und parkte auf der Hauptstra?e. Sie und Jenn stiegen aus und liefen, bis sie ein nettes kleines Restaurant gefunden hatten. Sie gingen hinein, setzten sich in eine ziemlich leere Ecke und bestellten Sandwiches. W?hrend sie auf ihr Essen warteten, fragte Jenn: „Wo stehen wir jetzt also?“ „Ich w?nschte, ich w?sste es“, sagte Riley. „Uns fehlen die Zeugen“, sagte Jenn. „Es w?re hilfreich, wenn jemand –– ein neugieriger Nachbar, vielleicht –– den M?rder gesehen h?tte, als er zum Haus gekommen ist, oder zumindest sein Auto gesehen h?tte. Wir brauchen irgendeine Beschreibung. Aber w?hrend du dich im Haus umgeschaut hast, habe ich die beiden Polizeichefs gefragt, ob sie die Nachbarn der Opfer vernommen hatten. Das haben sie, und niemand von denen hat irgendetwas gesehen. Es gab auch keine Sicherheitskameras an den passenden Stellen.“ Riley wusste das bereits aus den Polizeiberichten, die sie gelesen hatte. Jenn fuhr fort: „Was wir wissen ist, dass in beiden F?llen nicht eingebrochen wurde. Was sagt uns das?“ „Ich bin mir nicht sicher“, sagte Riley. „Lori Tovar zufolge hatte ihre Mutter vielleicht auch nur vergessen, die T?r abzuschlie?en. Der M?rder k?nnte sie ?berraschend ?berfallen haben, sobald er drin war.“ Jenn sagte: „Am ersten Tatort war es anders. Justin Selves wurde direkt neben der Eingangst?r ?berfallen und umgebracht. Vielleicht ist der M?rder zur T?r gekommen und hat geklingelt oder geklopft, Selves hat ihm die T?r aufgemacht und ihn direkt reingelassen.“ „Dasselbe konnte Joan Cornell passiert sein“, stimmte Riley zu. Jenn sagte: „Ja, vielleicht hat sie sogar eine Weile mit dem M?rder geplaudert, bevor er sie umgebracht hat. Also hast du wohl Recht, dass die Opfer ihren M?rder bereits kannten und ihm vertraut haben.“ „Vielleicht“, sagte Riley. „Aber es ist trotzdem m?glich, dass es ein komplett Fremder war, wahrscheinlich blo? kein zuf?lliger Einbrecher. Vergiss nicht, viele Psychopathen sind ?beraus charmante Personen. Vielleicht haben die zwei Opfer ihm vertraut, sobald sie ihn zum ersten Mal an der T?r gesehen haben. Vielleicht erschien er ihnen wie ein ganz liebenswerter Mann, der vorgab eine Umfrage zu machen oder so. Also haben sie ihn einfach reingelassen.“ Jenn sagte: „Naja, dieser M?rder geht sehr gewagt vor, soviel ist sicher. Einfach so am helllichten Tage in diese H?user rein zu spazieren ist ziemlich dreist. Meinst du wir sollten uns den ersten Tatort auch mal ansehen?“ „Ich glaube nicht, dass wir dort irgendetwas herausfinden werden“, sagte Riley. „Es ist ganze zwei Wochen her und zu der Zeit dachte die Polizei noch, dass es ein schief gelaufener Einbruch war. Dort wurde mittlerweile alles aufger?umt.“ „Du hast recht, dort wird es nichts mehr zu sehen geben“, sagte Jenn. „Nichts, was die Fotos nicht bereits abbilden.“ Riley sagte: „Was wir aber wissen, ist das Selves‘ Sohn die Leiche entdeckte. Wir sollten auf jeden Fall mit ihm sprechen.“ Riley ?ffnete die Polizeiberichte auf ihrem Computer und fand die Telefonnummer des Sohns. Dann rief sie ihn von ihrem Handy aus an und stellte den Anruf auf laut, so dass Jenn auch mith?ren konnte. Der junge Mann hie? Ian und schien ?beraus begierig danach, mit ein paar FBI Agentinnen zu sprechen. „Was mit Dad passiert ist, hat mich in den letzten Wochen verr?ckt gemacht“, sagte er. „Besonders jetzt, wo die Polizei heute morgen anrief und mit mitteilte, dass dasselbe jemand anderem dr?ben in Springett widerfahren sei. Diesmal wurde eine Frau ermordet. Ich kann es nicht glauben. Was zur H?lle geht da vor sich?“ „Wir hoffen, dass Sie uns dabei helfen k?nnen, das herauszufinden“, sagte Riley. „Wir w?rden ihnen gerne ein paar Fragen stellen. Gibt es einen Ort, an dem wir uns treffen k?nnten? Wir befinden uns selbst gerade in Springett.“ „Naja, ich bin Student an der Temple University und habe gerade Vorlesungen auf dem Campus. Ich nehme nicht an, dass sie durch ganz Philly fahren wollen, nur um mit mir zu sprechen. K?nnen wir einfach Skypen?“ Das klang Riley nach einer guten Idee. Ein paar Momente sp?ter sa?en Riley und Jenn nebeneinander an ihrem Tisch und sprachen mit Ian Selves von Angesicht zu Angesicht. Die Bedienung brachte ihre Sandwiches, doch sie schoben sie erst einmal zur Seite. Riley bemerkte sofort, dass Ian das angenehme Gesicht eines B?cherwurms hatte, welches sie an einige der Labortechniker erinnerte, mit denen sie in der Verhaltensanalyseeinheit oft zusammenarbeitete. Er sah um die Achtzehn oder Neunzehn aus und Riley sch?tzte, dass er wohl Physik oder Informatik im zweiten Jahr studierte. Jenn stellte ihm dieselbe Frage, die Riley zu Beginn ihrer Befragung an Lori Tovar gerichtet hatte. „Wie haben Sie erfahren, was mit ihrem Vater passiert ist?“ Ian sagte: „Naja, Sie wissen wahrscheinlich, dass Dad ein Kundenberater in einer Bank in Petersboro war. Einmal die Woche haben wir uns w?hrend seiner Mittagspause zum Mittagessen getroffen. Er fuhr von der Arbeit nach Hause und ich kam vorbei und holte ihn ab und dann fuhren wir dort hin, wo wir essen wollten.“ Riley freute sich ?ber Ians Klarheit. Im Gegensatz zu Lori Tovar hatte er zwei Wochen gehabt, um das, was passiert war, zu verarbeiten, und er konnte ruhig dar?ber sprechen. Ein besserer Zeuge, dachte sie. Ian fuhr fort: „Ich habe vor dem Haus gehalten und gehupt, aber Dad ist nicht rausgekommen. Das sah ihm ?berhaupt nicht ?hnlich. Also bin ich ausgestiegen und r?ber zur Haust?r gelaufen und habe geklopft. Er hat nicht aufgemacht.“ Ian sch?ttelte den Kopf. „Da fing ich wirklich an, mir Sorgen zu machen. Wenn Dad andere Pl?ne gemacht h?tte, h?tte er mir das ganz bestimmt gesagt. Ich begriff, dass irgendetwas wirklich passiert sein musste. Also ?ffnete ich die T?r und...“ Ian erschauderte sichtbar bei dem Gedanken. „Da lag er, direkt auf dem Boden.“ Jenn fragte: „Was haben Sie dann gemacht?“ „Naja, ich glaube ein paar Minuten lang war ich in Panik. Aber sobald ich mich zusammenrei?en konnte, habe ich 9-1-1 angerufen. Dann habe ich meine Mom angerufen. Sie arbeitet in einem Damenmodegesch?ft –– Rochelle’s Boutique. Ich habe ihr gesagt, dass Dad etwas zugesto?en sei. Sie hat sofort begriffen, dass ich meinte, dass Dad tot war. Ich habe ihr nicht gesagt, wie und wieso. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich es ja auch selbst noch nicht wirklich begriffen.“ Ian seufzte und fuhr fort. „Sie hatte einen Nervenzusammenbruch am Telefon. Ich wusste, dass es wirklich schlimm w?re, wenn sie direkt nach Hause kommen w?rde. Ich habe ihr gesagt, dass sie nach der Arbeit zu ihrer Schwester fahren und dort auf mich warten solle, bis ich wirklich alles erkl?ren k?nnte. Also war sie nicht zuhause, als die Polizei kam und alle m?glichen Fragen stellte und als der Gerichtsmediziner den Leichnam wegbrachte. Ich glaube, das war wahrscheinlich auch besser so.“ Ja, ich bin mir sicher, das war es, dachte Riley sich. Sie war beeindruckt von der F?higkeit des jungen Mannes einen k?hlen Kopf zu behalten inmitten solch eines traumatischen Geschehnisses. Jenn fragte ihn: „Wann haben sie gemerkt, dass ein Esszimmerstuhl fehlte?“ Ian sagte: „Naja, wie sie wissen, haben die Cops gedacht, dass es sich um einen misslungenen Einbruch handelte. Dass der Typ vielleicht nicht erwartet hatte, dass jemand zuhause sei, und dann ?berrascht war, dass mein Dad doch da war.“ Er strich sich ?bers Kinn und f?gte hinzu: „Also haben mich die Cops an Ort und Stelle gefragt, ob irgendwelche Wertgegenst?nde fehlten. Ich bin durchs ganze Haus gelaufen und habe alles ?berpr?ft, was mir in den Kopf kam –– Computer, Fernseher, Moms Schmuck, das Silberbesteck und das Porzellan, all solche Sachen. Schlie?lich habe ich den fehlenden Stuhl bemerkt.“ Er schielte ungl?ubig. “Die Cops haben mir diesen Morgen gesagt, dass dem anderen Opfer auch ein Stuhl geklaut wurde. Das macht keinen Sinn. Wieso w?rde jemand einen anderen Menschen wegen einem Stuhl umbringen?“ Riley dachte an Lori Tovar, die dieselbe Frage gestellt hatte. Sie hatte immer noch keine Ahnung, was die Antwort war. Jenn fragte Ian: „Das andere Opfer hie? Joan Cornell. Hat Ihr Vater jemals diesen Namen erw?hnt?“ Ian sch?ttelte den Kopf. „Ich glaube nicht, aber ich bin mir nicht sicher. Er war ziemlich extrovertiert. Mom ist zur?ckhaltender, eine echte Stubenhockerin. Aber Dad ist oft ausgegangen und hat sich mit Freunden getroffen, hat Bridge und Softball gespielt, war in einem Bowlingverein und nahm an einem Aerobic Kurs teil. Er kannte also viele Leute. Er mag den Namen einmal erw?hnt haben, und ich habe es vergessen.“ In Rileys Kopf begann sich eine Idee zu formen. „Hat er jemals Bingo gespielt?“, fragte sie. Ians Augen weiteten sich ein wenig. „Jetzt wo Sie es erw?hnen, ja“, sagte er. „Es war an irgendeiner Kirche. Er war eigentlich kein Kirchg?nger, deshalb glaube ich, dass er einfach wegen der Spiele dort hinging.“ „Hatte er gesagt, um welche Kirche es sich handelte?“, fragte Jenn. Er schwieg einen Moment lang und sagte dann: „Nein, ich kann mich nicht daran erinnern, dass er das jemals erw?hnt h?tte. Aber eines Tages hat er mir gesagt, dass er dort nicht mehr hingehen wollte.“ „Hat er gesagt, wieso?“, fragte Riley. „Nein.“ Riley und Jenn tauschten einen fl?chtigen Blick. Jenn fragte: „Wie lange ist das her, das er ihnen das sagte?“ Ian zuckte mit den Schultern und sagte: „Ich glaube, es war ein paar Tage bevor er ermordet wurde.“ „Danke f?r Ihre Zeit“, sagte Riley. „Sie haben uns sehr geholfen.“ „Und unsere aufrichtige Anteilnahme f?r Ihren Verlust“, f?gte Jenn hinzu. „Danke“, sagte Ian. „Ich verarbeite es ganz ok, glaube ich, aber f?r Mom ist es wirklich schwer. Ich bin ihr einziges Kind und es ist richtig schwierig f?r sie jetzt alleine in diesem Haus zu leben. Ich habe ihr angeboten ein Urlaubssemester einzulegen und bei ihr zu sein, aber sie will nichts davon h?ren. Ich mache mir viele Sorgen um sie.“ Riley w?nschte ihm alles Gute und dankte ihm noch einmal, bevor sie ihren Chat Anruf beendeten. „Also haben beide Opfer wom?glich zusammen Bingo an einer Kirche gespielt“, sagte Jenn. „Das ist unsere n?chste Anlaufstelle.“ Riley stimmte zu. Sie suchte die Telefonnummer der Westminster Presbyterian Kirche heraus und rief dort an. Sie fragte die Empfangsangestellte, die den H?rer abnahm, wer f?r die Bingospiele an der Kirche zust?ndig war. Die Empfangsdame stellte Riley sofort zum Freizeitdirektor der Kirche, Buddy Sears, durch. Als Riley und Jenn sich als FBI Agentinnen vorstellten, sagte Sears: „Das klingt sehr ernst. Darf ich fragen, worum es geht?“ Riley fragte ihn, ob er Joan Cornell gekannt hatte. „Aber ja. Eine liebensw?rdige Frau. Eine unserer regelm??igen Besucherinnen. Wieso fragen Sie?“ Riley und Jenn tauschten erneut Blicke. Riley wusste, dass sie und ihre Partnerin beide dasselbe dachten: Er wei? nicht, dass sie ermordet wurde. Dieses Telefonat w?re keine gute Art und Weise ihm das beizubringen. Sie entschloss sich, Selves Namen vorerst nicht zu erw?hnen. Riley sagte zu Sears: „Wir w?rden gerne pers?nlich mit Ihnen sprechen, wenn Sie nichts dagegen haben. Sind Sie diesen Nachmittag frei?“ „Aber nat?rlich“, sagte der Mann und klang nun besorgt. „Ich werde hier sein und auf Sie warten.“ Riley bedankte sich bei ihm und legte auf. Als Riley und Jenn hastig ihre Sandwiches a?en, sagte Jenn: „Das ist es Riley. Das ist die Verbindung, nach der wir gesucht haben. Wenn beide Opfer an dieser Kirche waren, dann muss der M?rder es auch gewesen sein.“ Êîíåö îçíàêîìèòåëüíîãî ôðàãìåíòà. Òåêñò ïðåäîñòàâëåí ÎÎÎ «ËèòÐåñ». Ïðî÷èòàéòå ýòó êíèãó öåëèêîì, êóïèâ ïîëíóþ ëåãàëüíóþ âåðñèþ (https://www.litres.ru/pages/biblio_book/?art=51922386&lfrom=688855901) íà ËèòÐåñ. Áåçîïàñíî îïëàòèòü êíèãó ìîæíî áàíêîâñêîé êàðòîé Visa, MasterCard, Maestro, ñî ñ÷åòà ìîáèëüíîãî òåëåôîíà, ñ ïëàòåæíîãî òåðìèíàëà, â ñàëîíå ÌÒÑ èëè Ñâÿçíîé, ÷åðåç PayPal, WebMoney, ßíäåêñ.Äåíüãè, QIWI Êîøåëåê, áîíóñíûìè êàðòàìè èëè äðóãèì óäîáíûì Âàì ñïîñîáîì.
Íàø ëèòåðàòóðíûé æóðíàë Ëó÷øåå ìåñòî äëÿ ðàçìåùåíèÿ ñâîèõ ïðîèçâåäåíèé ìîëîäûìè àâòîðàìè, ïîýòàìè; äëÿ ðåàëèçàöèè ñâîèõ òâîð÷åñêèõ èäåé è äëÿ òîãî, ÷òîáû âàøè ïðîèçâåäåíèÿ ñòàëè ïîïóëÿðíûìè è ÷èòàåìûìè. Åñëè âû, íåèçâåñòíûé ñîâðåìåííûé ïîýò èëè çàèíòåðåñîâàííûé ÷èòàòåëü - Âàñ æä¸ò íàø ëèòåðàòóðíûé æóðíàë.